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XCVII.

Pickle macht dem Minister fleißig den Hof. Er findet zufällig die junge Mistreß Gauntlet wieder und sieht sich genöthigt, sich Gesellschafter von minder glänzendem Range zu wählen.

So artig dieser Empfang war, so befriedigte er Peregrinen, der zu viel Einsicht besaß, um sich zu einer Zeit durch Versprechungen einwiegen zu lassen, wo er sich zu den bestimmtesten Versicherungen berechtigt glaubte, doch nicht. Er äußerte demnach gegen seinen ihn einführenden Gönner sein Mißvergnügen und gab deutlich zu verstehen, daß er jetzt darauf gerechnet hätte, Repräsentant von einem der Burgflecken zu werden, für den man ihn aufgeopfert habe. Dies gab der Lord als ganz billig zu, doch machte er die Erinnerung, wie es sich nicht erwarten ließe, daß der Minister gleich bei dem ersten Besuche sich in Geschäftssachen einlassen würde, und daß es bei der nächsten Audienz vollkommen Zeit sey, Sr. Herrlichkeit diese Forderung vorzulegen.

Trotz dieser Vorstellung fuhr Peregrine jedoch fort, seiner übeln Laune nachzuhängen und bei seinem Gönner darauf zu dringen, mit dem Minister zu reden, damit die beiden Parlamentsstellen nicht unter dem Vorwande, man habe seinen Willen nicht gekannt, vergeben würden. Durch dieses Drängen sah sich der Lord genöthigt, zu dem Minister zu gehen, von dem er aber die Nachricht brachte: Se. Herrlichkeit bedauerten es sehr, daß ihm Sir Pickle's Wunsch nicht früher bekannt geworden sey, bevor die Stellen von den beiden Burgflecken an ein paar Herren gegeben worden seyen, die man nicht gut hätte zurücksetzen können; da jedoch mehrere von den Gewählten alt und kränklich wären, so würden ohne Zweifel binnen Kurzem sich einige Stellen erledigt finden, und dann solle man sich nur ganz auf die Freundschaft von Sr. Herrlichkeit verlassen.

Diese Nachricht erbitterte Peregrine so sehr, daß er im ersten Augenblick seiner Aufwallung die schuldige Ehrerbietung gegen seinen hohen Freund soweit aus den Augen setzte, um in dessen Gegenwart auf den Minister als einen unredlichen und undankbaren Mann loszuziehen, dessen Maßregeln er sich, wie er betheuerte, bei erster Gelegenheit, wo es ihm möglich seyn würde, widersetzen wolle und sollte dies auch mit Aufopferung des Restes seines Vermögens geschehen. Ruhig ließ der Lord den Strom von Pickles Leidenschaftlichkeit verbrausen, dann stellte er ihm aber vor, wie sehr er sich selbst durch ein solches Verfahren schaden würde und wie im Gegentheil sein eigener Vortheil es erheische, sich die Gewogenheit des Ministers sorgfältig zu erhalten.

Von der Richtigkeit dieser Ermahnungen überzeugt, obschon mit deren Anlaß nicht zufrieden, entfernte sich jetzt unser Held voll düstern Mißmuthes und begann, zu Hause angekommen, Ueberlegungen über den zerrütteten Zustand seiner Finanzen anzustellen. Von dem großen Vermögen, das er ererbt hatte, blieb ihm jetzt nichts mehr übrig als die Summe, welche er in die Hände Sr. Lordschaft gelegt, die funfzehnhundert Pfund, welche er auf Bodmerei gewagt, und das Castell, dessen Nutznießung er dem Lieutenant überlassen hatte. Dagegen war er dem Obersteuereinnehmer die erhaltenen zwölfhundert Pfund und jenem Fremden das Geld schuldig, wofür er sich verbürgt hatte. So befand er sich zum ersten Male in seinem Leben in sehr verworrenen Umständen. Denn abgerechnet, daß er von den ersten pünktlich bezahlten halbjährigen Zinsen für seine zehntausend Pfund nur noch sechzig Pfund in Casse hatte und ohne Aussicht war, vor dem nächsten Termine wieder etwas einnehmen zu können, so fiel ihm jetzt bei seinen Betrachtungen über den Wechsel aller menschlichen Dinge auch ein, wie die Schiffe mit seinen funfzehnhundert Pfund wohl verloren gehen, jener Bekannte, für den er sich verbürgt, auch diesmal in seinen Planen nicht glücklicher als früher seyn, und der Minister einmal auf den Gedanken kommen könne, ihn der Willkühr des Steuereinnehmers, der den Wechsel von ihm in Händen hatte, zu überlassen.

Es läßt sich denken, daß diese Betrachtungen nichts zur Aufheiterung seiner Seele beitrugen; laut verwünschte er jetzt seine Thorheiten und Ausschweifungen, durch die er in eine so verwickelte Lage gekommen war, und begann sein Betragen mit dem einiger jungen Leute von seiner Bekanntschaft zu vergleichen, die, während er sein Vermögen vergeudete, ihre Umstände verbessert und ihren guten Namen vermehrt hatten. Seine Heiterkeit und muntere Laune verließen ihn, sein Gesicht wurde nach und nach ein Spiegel seiner inneren trüben Stimmung, und von den Genossen seiner Schwelgereien sich zurückziehend, machte er nun angelegentlich dem Minister den Hof und fand sich regelmäßig bei dessen Levers ein.

Während er so im martervollen Zustande der Abhängigkeit schmachtete, eine Lage, die einen Menschen wie ihn, nothwendig tief beugen mußte, hörte er eines Tages, als er eben tiefsinnig durch den Park ging, sich beim Namen rufen, und erblickte, als er sich unwendete, die junge Gattin des Capitaine Gauntlet mit noch einer andern Dame. Kaum erkannte er die liebenswürdige Sophy wieder, so nahte er sich auch ihr mit seiner gewohnten Artigkeit; doch traute sie ihren Augen kaum, als sie die mit ihm vorgegangene Veränderung bemerkte. Voll Erstaunen sprach sie zu ihm: »Ist es möglich, daß der muntere Sir Peregrine in so kurzer Zeit sich so hat verändern können?« Ein mattes Lächeln war seine ganze Antwort hierauf, dann fragte er sie: Ob sie sich schon lange in der Stadt aufhielte? und setzte hinzu: wie er gewiß nicht unterlassen haben würde, ihr seine Aufwartung zu machen, wenn er nur mit dem leisesten Wink von ihrer Ankunft beglückt worden wäre. Die Dame dankte ihm für seine Höflichkeit und sagte dann, es rühre nicht von einer Abnahme ihrer Achtung oder Freundschaft her, daß sie ihm keine Nachricht von ihrer Ankunft in London gegeben; allein seine plötzliche Abreise von Windsor und die Art, wie er ihren Gemahl verlassen, hätten sie auf die Vermuthung gebracht, daß sie und die Ihrigen sich sein Mißfallen zugezogen hätten. Dieser Gedanke wäre nun durch sein langes Stillschweigen noch vermehrt worden, und auch jetzt bestärke sie der Umstand darin, daß er sich weder nach Emilie noch deren Bruder bei ihr erkundige. »Urtheilen Sie selbst,« fuhr sie fort, »ob ich glauben durfte, daß es Ihnen Freude machen würde, meine Ankunft in London zu erfahren. Doch jetzt will ich Sie nicht aufhalten; Sie scheinen Geschäfte zu haben; wollen Sie mich jedoch morgen Vormittag beim Frühstück mit Ihrer Gesellschaft beehren, so wird mir dies eben so angenehm als schätzenswerth seyn.« Sie beschrieb ihm hierauf ihre Wohnung und er empfahl sich ihr mit dem Versprechen, zur bestimmten Zeit zu erscheinen.

Diese zuvorkommende Artigkeit von Sophy rührte ihn; er sah darin einen Beweis ihres sanften Charakters, und das Verlangen, die Freundschaft mit Geoffry wieder anzuknüpfen, wachte in ihm auf, indem zugleich die Erinnerung an Emilie sein durch Kränkungen und Betrübniß weichgewordenes Herz ergriff. Er verfehlte daher nicht, den nächsten Tag seine Zusage zu erfüllen, wo ihm der Genuß wurde, sich lange mit der jungen Dame unterhalten zu können. Sie meldete ihm, daß ihr Mann sich bei seinem Regimente befände, und stellte ihm einen hübschen Knaben, die erste Frucht ihrer Ehe, vor, den sie und ihr Mann, in Erinnerung der ehemaligen Freundschaft zwischen Geoffry und unserm Helden, in der Taufe den Namen Peregrine gegeben hatten.

Dieser Beweis von Zuneigung, trotz des abgebrochenen Umgangs, machte auf Pickle einen tiefen Eindruck; er schloß das Kind in seine Arme, bedeckte es mit Küssen und betheuerte, daß er es immer mit väterlicher Zuneigung betrachten würde. Durch nichts konnte er der holden Sophy ein angenehmeres Compliment machen; sie begann von Neuem ihm freundschaftliche Vorwürfe wegen seiner schnellen Abreise von Windsor zu machen und dabei das ernstliche Verlangen zu äußern, ihn wieder mit Gauntlet ausgesöhnt zu sehen. Er gab ihr dagegen die Versicherung, daß ihm nichts Erfreulicheres seyn würde als dies und daß er gern Alles, was in seinen Kräften stände, dazu beitragen wolle, obschon er sich allerdings durch das Betragen des Capitains beleidigt gefühlt habe. Die junge Dame übernahm es nun, dafür zu bürgen, daß ihr Mann sich schuldig bekennen solle und sagte: »So wie Sie fort waren, that ihm seine Hitze sehr leid, und er würde nicht verfehlt haben, Sie im Castell aufzusuchen und Sie um Verzeihung zu bitten, wenn ihn nicht einige bittere Ausdrücke, die Ihnen entschlüpften, davon zurückgehalten hätten.«

Nachdem auf diese Art das Mißverständniß aufgeklärt war, gab ihm Sophy Nachricht von Emilie und erbot sich, wenn er ihr die Vollmacht dazu geben wolle, die Sache mit dieser ebenfalls auszugleichen; »denn,« sprach sie, »ich bin so gewiß, als ich lebe, davon überzeugt, daß Sie noch das Herz meiner Schwester besitzen.«

Bei dieser Erklärung traten Peregrinen Thränen in die Augen; aber er schüttelte den Kopf und lehnte diese Vermittlung mit dem Wunsche ab, daß die junge Dame glücklicher werden möchte, als er sie je zu machen im Stande sey.

Diese Aeußerung bestürzte Mistreß Gauntlet eben so sehr, als der verzweiflungsvolle Ton, mit welchem sie ausgesprochen wurde, sie rührte. Sie bat ihn, ihr zu sagen, ob seit Kurzem durch eine Veränderung in seinen Gesinnungen oder in seiner Lage neue Hindernisse entstanden wären! Um aber jetzt jeder unangenehmen Erörterung auszuweichen, erwiederte er ihr, daß er bereits zu lange die Hoffnung aufgegeben habe, jemals so glücklich zu werden, Emiliens Unwillen zu besänftigten, und daß er deßhalb, so schwer es ihm auch würde, doch den Entschluß gefaßt habe, alle Versuche dieser Art aufzugeben; indeß nähme er den Himmel zum Zeugen, daß seine Liebe und Hochachtung gegen Miß Emilie nicht abgenommen hätten. – Der wahre Beweggrund seines jetzigen Benehmens waren jedoch seine zerrütteten Vermögensumstände; seine reizbare Empfindlichkeit war dadurch nur noch erhitzt worden und er fürchtete sich mehr als je vor einen abschläglichen Antwort.

Ueber diesen Entschluß äußerte Mistreß Sophy ihr Leidwesen, sowohl seinetwegen als wegen Emilie, deren Glück und Zufriedenheit, wie sie versicherte, von seiner Beständigkeit und Zuneigung abhinge. Gern hätte sie sich noch weiter nach seiner Lage erkundigt, wenn er ihr nicht die Lust dazu dadurch benommen hätte, daß er ein anderes Gespräch auf die Bahn brachte, hierauf sich aber mit dem Versprechen, die Dame während ihres Aufenthalts in London öfters zu besuchen, mit einer seltsamen Verwirrung entfernte, in welche ihn die Bilder der Liebe und die Sorgen, welche sein Herz jetzt drückten, versetzten.

Schon seit einiger Zeit hatte er sich von den Genossen seiner Schwelgereien zurückgezogen und sich zu einer ernsteren und mäßigeren Classe von Menschen gesellt; da dies jedoch Leute von bedeutendem Vermögen waren, so sah er sich bald genöthigt, auch diesem Umgange zu entsagen und sich zu alten Hagestolzen und jüngeren Söhnen zu gesellen, die entweder kleine Leibrenten besaßen oder nur ihr nothdürftiges Auskommen hatten.

Diese Gesellschaft bestand aus Politikern vom zweiten Range, aus unmündigen Kritikern, die des Vormittags auf den Spaziergängen herumschlendern oder die Gemälde in Augenschein nehmen, welche zum Verkauf ausgestellt sind, ein paar Mal in der Woche in den Assembleezimmern bei Hofe erscheinen, auf Caffeehäusern und im Parterre gern die Miene der Wichtigkeit annehmen und einmal des Monats einen Abend mit einem berühmten Schauspieler zubringen, um durch dessen Bonmots nachher ihre alltäglichen Bekannten zu belustigen.

Trotz dem Allen befand sich Peregrine indeß doch unter diesen Leuten ziemlich wohl; sie reizten seine Leidenschaften nie zu heftigen Ausbrüchen und plagten ihn nicht durch eine lästige Neugierde in Betreff seiner Privatangelegenheiten; denn obschon manche von ihnen bereits lange mit einander umgingen, so ließ es sich doch Keiner einfallen, den Andern nach seinen näheren Verhältnissen zu fragen, und sicher hätte man sich bei dem Einen von den Beiden, die mit einander in der genauesten Verbindung standen, erkundigt, wovon der Andere lebe, so würde er der strengsten Wahrheit gemäß haben antworten können: das ist mehr als ich weiß. Trotz dieser ächt-englischen, phlegmatischen Gleichgültigkeit waren es aber doch insgesammt ganz gute Leutchen, die Niemand beleidigten, das Vergnügen liebten, gern lustige Geschichten erzählten, und besonders auf die Kunst stolz waren, gute Lebensmittel, vorzüglich frisches Wildpret und wildes Geflügel, herbeizuschaffen.

In dieser Gesellschaft wurde unser Held nicht wie ein gewöhnliches Mitglied, das sich erst um die Gunst der Andern bewerben muß, aufgenommen; man behandelte ihn als einen Mann von höherer Wichtigkeit und Genie, dessen Zutritt in ihrem Kreis für eine Ehre angesehen ward, und diese vorgefaßte Meinung wurde auch durch seine Unterhaltung unterstützt, die allerdings besser war, als sie dieselbe gewohnt waren. Bei allen Fragen in Betreff auswärtiger Länder, die ihnen Allen höchst unbekannt waren, wandte man sich an ihn; auch seine Kenntnisse in der Geschichte und Theologie wurden bei vorkommenden Fällen zu Rathe gezogen, und in Allem, was die Dichtkunst betraf, war seine Stimme so entscheidend, daß seine Meinung selbst die der Schauspieler übertraf. Die mannigfaltigen Charaktere, die er in den höheren Kreisen des Lebens kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hatte, verschafften ihm Stoff zu tausenderlei unterhaltenden Anekdoten, und als er sich nur etwas an das Fehlschlagen seiner Hoffnungen gewöhnt hatte, begann auch seine natürliche Lebhaftigkeit wieder hervorzutreten. Er glänzte mit so schimmernden Einfällen unter seinen neuen Genossen, daß ihn der ganze Club nur mit Bewunderung betrachtete und ihn als einen elastischen und witzigen Kopf anerkannte. Man fing an, seine Einfälle wieder zu erzählen und gute Freunde einzuladen, ihn mit anzuhören, so daß ein Schauspieler, der sich manche Jahre in den Weinhäusern in der Nähe von Coventgarden als der Inbegriff des Witzes und der Laune aufgeblasen hatte, mit Schmerz alle seine Bewunderer wegschmelzen sah, während ein Arzt, der in diesem Theile der Stadt bei allen Gelagen als Witzbold glänzte, sich genöthigt sah, mit seinem Talent in die City zu wandern, woselbst er auch bleibende Wurzeln schlug.

Ueber diesen glücklichen Erfolg wird man sich um so weniger wundern, wenn man bedenkt, daß unser Held außer seinem eigenthümlichen Talent die Gelegenheit hatte, Alles und Jedes, was sich in den Häusern der Großen zutrug, durch seinen Freund Crabtree zu erfahren, mit dem er noch immer in der früheren innigen Verbindung stand, obschon diese jetzt seit einiger Zeit durch einige Verdrießlichkeiten erschüttert worden war. Dies kam von nichts Anderm als den sarkastischen Verweisen des Menschenhassers her, der alle die Plane, welche Peregrinen bis jetzt mißlungen waren, nicht gebilligt hatte und sich nun mit seiner Vorhersehungsgabe großthat, ja zuweilen sogar den krächzenden Raben machte und den Betrug des Ministers, die Falschheit von Peregrinens Gönner, die Albernheit des Projectenmachers, für welchen sich der junge Mann verbürgt und die Unsicherheit der See, sowie die Schurkerei aller derer verkündete, denen unser Held sein Geld anvertraute, denn Crabtree betrachtete Alles durch die finstere Brille seines Spleens, die ihm immer die schlimmste Seite der menschlichen Natur zeigte.

Dies veranlaßte, daß Peregrinen zuweilen der Charakter des alten Mannes mißfiel, indem er denselben für einen alten, mürrischen Cyniker hielt, der nicht sowohl von Haß gegen die Thorheiten und Laster der Menschen, als von einer hämischen Schadenfreude beseelt sey. So deutete er jetzt die Grundsätze seines Freundes übel, weil er selbst ein Gegenstand von dessen Rügen geworden war, und da es sehr gewöhnlich ist, daß Menschen, die sich selbst der Unbedachtsamkeit beschuldigen müssen, sich durch das tadellose Betragen eines Freundes gekränkt fühlen, indem sie dasselbe gewissermaßen als einen Vorwurf, der ihnen gemacht wird, betrachten, so begann die Freundschaft zwischen Pickle und Crabtree verschiedene Erschütterungen zu erleiden, die eine baldige gänzliche Auflösung derselben zu verkünden schienen. In ihren Unterredungen fielen zuweilen scharfe Wortwechsel vor und es begann nach und nach dem alten Manne leid zu thun, sein Vertrauen einem solchen jungen, halsstarrigen und undankbaren Menschen geschenkt zu haben.

Bei solchen Anfällen von Mißvergnügen war es denn, daß er Peregrinen alles mögliche Unglück prophezeite, ja eines Morgens erzählte er ihm sogar, ihm habe geträumt, die beiden Ostindienfahrer, auf welche jener sein Geld ausgeliehen, seyen untergegangen. Dies war jedoch nichts als ein Trug, denn wenige Wochen darauf ging eines dieser Schiffe in der Themse glücklich vor Anker und Pickle erhielt statt der achthundert darauf geliehenen Pfund, tausend zurück, und zugleich auch die Nachricht, das andere Schiff würde wahrscheinlich bei dieser Jahreszeit noch nicht eintreffen, weil es das Cap nicht umsegeln könne. Diese Kunde war ihm nicht unlieb, denn er wußte, daß, je länger er sein Geld auslieh, je mehr Zinsen es ihm brachte. Seine gegenwärtige Noth war übrigens durch diese Hülfe gehoben; er öffnete demnach sein Herz wieder der Freude und sein Gesicht zeigte die frühere Heiterkeit wieder.

Ein kleiner unerwarteter Vorfall trübte jedoch sehr bald diesen Sonnenblick. Jener Mann, der auf Pickle's Verschreibung seinem Freunde tausend Pfund geliehen, trat eines Morgens bei ihm ein, um ihm zu melden, daß sich der Schuldner unsichtbar gemacht habe, weil sein Project gescheitert und er um die ganze Summe gekommen sey, ohne Hoffnung, sie je wieder zu erhalten. Auf diese Art mußte nunmehr Peregrine für den Betrag haften, und der Gläubiger bat ihn daher sehr höflich, das Geld auszuzahlen, da es, wie er hinzusetzte, nicht billig sey, daß er für seine menschenfreundlichen Gesinnungen noch leiden solle. – Man kann sich leicht vorstellen, mit welchem Gefühl Peregrine diese Nachricht empfing; laut verfluchte er sich und seine Unvorsichtigkeit, und nachdem er durch Drohungen und Verwünschungen sich eine Zeit lang Luft gemacht, Beide aber hinreichend über die Schurkerei des Projectenmachers declamirt hatten, erkundigte sich unser Held endlich nach der Beschaffenheit der verunglückten Speculation.

Hier konnte ihm der von Allem wohl unterrichtete Darleiher einen befriedigenden Bericht abstatten. Er erzählte ihm, daß ein Industrieritter sich bei dem Andern eingeschmeichelt und ihm nachfolgenden Plan vorgelegt habe, vermöge dessen binnen Kurzem mit tausend Pfund ein Vermögen erworben werden sollte, das völlig unabhängig mache. Es sollten nämlich für die Hälfte der Summe Juwelen gekauft werden, die man dann an begüterte und angesehene Personen, welche auf dergleichen Pfänder Geld gegen übertriebene Zinsen zu leihen pflegen, versetzen wollte. Die andere Hälfte der Summe sollte dann dazu angewendet werden, den Schmuck wieder einzulösen, um ihn wieder zu versetzen u. s. f. Wenn alsdann die Juwelen auf diese Art durch eine hinreichende Anzahl von Händen gegangen seyn würden, wollte man von den sämmtlichen Pfandleihern durch die Drohung Geld erpressen, sie wegen der von ihnen genommenen unerlaubten Zinsen gerichtlich zu belangen, wo sie dann sicher, um der Schmach und Strafe zu entgehen, bluten würden.

Dies Project ließ sich ausführen, und obschon es nicht zu den besonders rechtschaffenen gehörte, so machte es doch bei dem in Noth sich befindenden Borger so vielen Eindruck, daß er in den Vorschlag willigte. Wie wir wissen, so wurde durch Peregrine das Geld herbeigeschafft; man kaufte dem Plane gemäß die Juwelen, versetzte sie, löste sie wieder ein, versetzte sie von Neuem u. s. w., ein Geschäft, welches Alles der Agent, der den Plan entworfen hatte, übernahm; auch war dabei die Sache so eingerichtet worden, daß die Klage gegen jeden der Pfandleiher ohne Schwierigkeit einzuleiten war, und nachdem somit Alles bis zu dem Punkt der Ausführung gediehen, begab sich nun der Agent in seinem eigenen Namen zu diesen Personen und benachrichtigte sie davon, daß derjenige, welcher ihm den Versatz der Juwelen übertragen habe, gesonnen sey, sie wegen ihrer Wucherzinsen zu verklagen. Um diesem Schicksale nun zu entgehen, fanden sie es für gerathen, den rechtschaffenen Unterhändler zu bestechen, damit er, der allein im Stande war, gegen sie auszusagen, seinen Mund halten möchte. Diese Geschenke nahm der Ehrenmann auch sehr bereitwillig in Empfang, dann aber schiffte er sich mit der ganzen Beute, die tausend Pfund, durch welche das Geschäft in Gang gebracht worden war, mit eingeschlossen, nach Frankreich ein, wodurch denn der Andere, der die Summe aufgenommen hatte, sich genöthigt sah, unsichtbar zu werden, und nun der Darleiher sich an den Bürgen halten mußte.

Diese Nachricht war für unsern Helden ungemein schmerzlich. Vergebens erinnerte er den Mann an sein Versprechen, das Geld nicht eher einzutreiben, bis sein Mündel großjährig seyn würde; vergebens führte er an, daß bis dahin der Flüchtiggewordene wieder erscheinen und seine Schuld abtragen könne: alle diese Vorstellungen verhallten an tauben Ohren. Sein Versprechen, sagte der Darleiher, sey unter der Bedingung geschehen, daß der Anleiher ehrlich und redlich zu Werke ginge; nun aber, da er durch den schändlichen Plan, in welchen er sich eingelassen, sowie durch seine Flucht, alles Vertrauen verscherzt habe, könne er nichts mehr auf ihn bauen; sondern müsse sich um so mehr an den Bürgen halten, da ihm der ganze Vorgang als eine Warnung dienen solle sich in Zukunft vorzusehen. Er bestand deshalb darauf, unverzüglich für seine Forderung gedeckt zu werden, widrigenfalls er die Hülfe der Gesetze in Anspruch nehmen würde. Peregrine sah sich demnach genöthigt, die eben erst erhaltene Summe wieder hinzugeben, doch that er dies nur mit großem Sträuben und indem er sowohl dem versteckten Schuldner als dem strengen Gläubiger, zwischen denen er ein geheimes Verständniß argwohnte, einen ewigen Krieg zuschwor.


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