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LXXIII

Peregrine pflegt seinen Oheim während eines heftigen Krankheitsanfalles. Er geht hierauf nach London, wo er Geoffry findet und diesen beredet, mit ihm nach Bath zu reisen.

Voll dieses Vorsatzes nahm er unter dem Vorwande, daß ihn dringende Geschäfte nach London riefen, Abschied von Mutter und Tochter und kehrte nach der Garnison zurück. Die Mutter war in großer Bekümmerniß, die Tochter aber in nicht geringem Zorn wegen seines ihnen um so mehr unerwarteten Betragens, da Geoffry ihnen gesagt hatte, daß der Commodore die Liebe seines Neffen billige.

Bei seiner Rückkehr in die Garnison fand Peregrine seinen Oheim sehr krank am Podagra. Es war ihm zum ersten Male bis in den Magen gestiegen und sein Leben befand sich in der augenscheinlichsten Gefahr. Das ganze Haus war dieserhalb in der höchsten Bestürzung. Pickle nahm sich sogleich der Verwaltung der Angelegenheiten an; er sandte nach allen Aerzten in der Nachbarschaft und pflegte und wartete seinen alten Wohlthäter, so lange der Anfall dauerte, mit der liebreichsten Fürsorge. Diesmal dauerte es vierzehn Tage, ehe die gute Leibesbeschaffenheit des Commodore das Uebel zu besiegen vermochte.

Dies Benehmen während seiner Krankheit rührte den alten Herrn sehr und er äußerte nun, als er sich wieder hergestellt fühlte, den Entschluß, seinem Neffen sein ganzes Vermögen zu übergeben und sein Auskommen von dessen Güte abhängen zu lassen. Peregrine sah sich genöthigt, alles Mögliche anzuwenden, um ihn von diesem Vorsatze abzuhalten; auch wußte er ihn dahin zu bringen, ein Testament zu machen, in welchem sein Freund Hatchway und alle seine Leute reichlich bedacht und für seine Tante auf eine ihr selbst beliebige Art gesorgt wurde.

Nach Beendigung dieser Angelegenheit reisete Peregrine dann mit Bewilligung seines Oheims nach London, nachdem er noch vorher die Führung der häuslichen Geschäfte an Jolter und den Lieutenant hatte übergeben sehen; denn was Mistreß Trunnion anlangte, so war diese jetzt ganz und ausschließend mit geistlichen Dingen beschäftigt.

Sowie er in London ankam, sandte er eine Karte nach Geoffry's Wohnung, worauf ihn denn dieser am folgenden Morgen besuchte; doch war sein Gesicht hierbei weder so heiter, noch sein Ton so herzlich, als man dies ihrer früheren vertraulichen Verhältnisse nach hätte erwarten können. Auch Peregrine zeigte sich nicht so offen gegen den Officier als sonst. Außer der Beleidigung, die ihm Pickle durch das Nichtbeantworten seines Briefes erwies, hatte Geoffry auch durch ein Schreiben seiner Mutter erfahren, wie wenig lobenswerth sich sein Freund gegen seine Schwester in Winchester benommen hatte, und was unsern Helden anlangte, so fühlte sich dieser, wie schon erwähnt, dadurch gekränkt, daß Geoffry dem Commodore, wie er glaubte, sein Geheimniß verrathen habe. Beide bemerkten übrigens bei dieser Zusammenkunft, daß sie gegenseitig etwas gegen einander hatten, und betrugen sich daher mit jener zurückhaltenden Höflichkeit, die bei Freunden einen nahen Bruch zu verkünden pflegt.

Weshalb der Andere mißvergnügt war, errieth Gauntlet leicht und ergriff nun, nach den ersten Bewillkommnungen, um seine Ehre zu retten, die Gelegenheit bei der Erkundigung nach des Commodores Befinden, zu erzählen, wie bei seinem Aufenthalte im Castell, nach der Rückreise von Dover, das Gespräch auf Peregrinens Liebe gefallen sey; wie der alte Herr sich dieserhalb sehr bekümmert gezeigt und unter andern geäußert habe: er vermuthe, die Geliebte seines Neffen sey eine leichtfertige Person, die er wohl während seiner Studienjahre möchte irgendwo aufgetrieben haben. Hierauf habe jedoch Hatchway versichert: das junge Frauenzimmer sey von so gutem Hause, als nur irgendeines in der Grafschaft, und nachdem er so den Commodore auf bessere Gesinnungen gebracht, habe er im freundschaftlichen Eifer es gewagt, den Namen zu nennen. So und nicht anders sey aber diese Entdeckung gekommen, und er hoffe nun, Sir Pickle werde ihn von allem Antheil an dieser Sache freisprechen.

Es war für Peregrine nicht wenig angenehm, sich auf diese Art aus seinem Irrthume gezogen zu sehen; sein Gesicht klärte sich sogleich auf, die alte Vertraulichkeit stellte sich wieder ein und er bat nun Geoffry um Verzeihung wegen seiner Unart, dessen Brief nicht beantwortet zu haben. Nicht Geringschätzung oder Abnahme an Freundschaft, versicherte er, sey der Grund, sondern lediglich der Saus und Braus der jugendlichen Belustigungen. Anfänglich habe er die Antwort von einem Tage zum andern verschoben, bis er endlich auf dem Punkt gestanden hätte, in Person zurückzukehren.

Diese Entschuldigung stellte den jungen Krieger zufrieden und da Pickle seine Absichten auf dessen Schwester noch nicht erklärt hatte, so glaubte er auch in Betreff dieses Punktes seinen Unwillen nicht äußern zu dürfen; im Gegentheil war er einsichtsvoll genug, vorauszusehen, daß die Erneuerung des vertrauten Umgangs mit Pickle ein Mittel seyn könnte, die durch Zerstreuungen anderer Art erstorbene Flamme wieder anzufachen, und er setzte daher alle Zurückhaltung beiseite, so daß man sich bald wieder auf dem alten Fuße fand.

Peregrine machte jetzt seinen Freund mit allen den Abentheuern bekannt, die ihm seit ihrer Trennung begegnet waren, und Geoffry erzählte ihm dagegen mit derselben Vertraulichkeit, was sich mit ihm zugetragen hatte. So eröffnete er ihm unter Anderen auch, daß, seit er eine Anstellung im Heere erhalten, Sophie's Vater, ohne sich weiter um die Ursache dieses Hinaufrückens zu bekümmern, sich nicht nur weit gewogener als sonst gegen ihn gezeigt, sondern ihm auch seinen Beistand zur Erlangung einer Lieutenantsstelle versprochen habe, um die er sich jetzt mit allen Kräften bemühe. Dabei äußerte er jedoch, daß er alle Ursache habe, zu glauben, wenn ihn nicht ein Glücksfall in die Sphäre des Officiers gehoben, dieser Herr sowohl, als alle seine andern wohlhabenden Verwandten, ihn in der Dunkelheit und Noth würden haben schmachten lassen, und ihm dann noch überdem sein Unglück zum Vorwurf gemacht hätten, um dadurch ihren Mangel an Freigebigkeit und Freundschaft zu rechtfertigen.

Als Pickle vernahm, wie die Angelegenheiten seines Freunden standen, würde er gern demselben eine Summe angeboten haben, um damit die Ausfertigung seiner Bestallung, welche durch mehrere Hände gehen mußte, zu beschleunigen; da er jedoch Geoffry's Gesinnungen in diesem Punkte kannte, so suchte er nun im Geheim sich Zutritt bei einem der Beamten des Kriegsverwaltungswesens zu verschaffen, und fand hier Mittel, diesem Manne so triftige Gründe für seinen Freund vorzulegen, daß das Geschäft in wenigen Tagen abgemacht war, ohne daß Gauntlet im Mindesten erfuhr, wie sich dies so schnell hatte ordnen können.

Es war jetzt die Zeit gekommen, wo man sich nach Bath begab, und Peregrine brannte vor Verlangen sich an diesem Orte, dem Sammelplatze der schönen Welt, auszuzeichnen. Er theilte sein Vorhaben, dahin zu gehen, seinem Freunde mit und drang in ihn, ihn bei dieser Reise zu begleiten, was denn auch, nachdem er demselben Urlaub bei seinem Regimente ausgewirkt hatte, geschah. Wie gewöhnlich begleiteten der Kammerdiener und Pipes, die Beide unserm Helden fast so unentbehrlich geworden waren, als Hände und Füße, sie bei dieser Reise.

In dem Gasthofe, wo sie abgestiegen waren, um zu Mittag zu speisen, wurde Gauntlet einen Mann gewahr, der ganz tiefsinnig im Hofe hin- und herging; bei näherer Betrachtung erkannte er einen Spieler von Profession in ihm, den er öfters früher in Tunbridge gesehen hatte. Dieser früheren Bekanntschaft wegen redete er ihn jetzt an, und der Spieler, welcher sich seiner sogleich erinnerte, erzählte ihm nun im Uebermaß seiner Betrübniß, daß er von Bath käme, wo eine Rotte Gauner, denen es unangenehm gewesen sey, daß er es sich habe unterfangen wollen, auf ihrem Grund und Boden sein Gewerbe zu treiben, ihn rein ausgeschält hätten.

Peregrine, der gern sogleich seine Forschungen anstellte, bildete sich ein, von diesem Meister in seiner Kunst eine Menge lustige und nützliche Anekdoten erfahren zu können: er bat ihn deshalb zum Essen, und ward hierdurch in der That von dem, was zu Bath vorging, sehr gut unterrichtet. Zu seinem Erstaunen hörte er, daß sich zu London eine große Gesellschaft Abentheurer befände, die durch das ganze Königreich eine Menge Personen vertheilt habe, welche alle die verschiedenen Zweige der schönen Kunst, Menschen zu betrügen, bearbeiteten. Diese Agenten erhielten dann einen gewissen Theil von der Beute, die sie durch ihre Industrie errangen, der größere Theil des Gewinns würde jedoch zu einem gemeinschaftlichen Capitale geschlagen, theils um damit Einzelne zu verschiedenen Zwecken auszurüsten, theils um die Verluste zu decken, die man bei manchen Speculationen habe. Einige von der Gesellschaft, deren Figur und Eigenschaften sich hierzu eigneten, hätten das Geschäft, reiche Damen anzukirren. Sie würden zu dem Ende mit Geld und Kleidern versehen und müßten dafür Verschreibungen auf Summen ausstellen, deren Betrag sich nach der Aussteuer richte, die sie durch ihre Frauen erhielten und die sie dann an irgend einen der Directoren der trefflichen Gesellschaft zu zahlen hatten. Andere, die es gut verstanden, der wankelmüthigen Glücksgöttin unter die Arme zu greifen, besuchten dagegen die Orte, wo hoch gespielt wird, und diejenigen, welche im Billard-, Ball- und Kegelspiel Meister sind, lauern beständig an den dazu geeigneten Orten, um Unvorsichtige und Neulinge in ihr Netz zu ziehen. Eine vierte Classe besucht die Pferderennen, weil sie in allen geheimen Kunstgriffen wohl erfahren sind, um Andere zu fangen; wieder Andere werden von der Gesellschaft dazu benutzt, um verbuhlte Weiber und alte, reiche Witwen zu brandschatzen; ja es sind sogar Einige da, die dadurch Geld zu erpressen wissen, daß sie sich den Umarmungen ihres eigenen Geschlechts hingeben und dann ihre Bewunderer gerichtlich zu verfolgen drohen. Die mehrsten Einkünfte erhält die saubere Compagnie jedoch von denjenigen Mitgliedern, die in den zahllosen Künsten des Spieltisches geübt sind, denn dies ist leider ein Ort, wo der ehrloseste Gauner freien Zutritt hat und oft von Personen des höchsten Ranges mit Vertraulichkeiten beehrt wird.

Unter mehreren Angaben dieser Art erfuhr unser Held auch noch, daß eben jene Agenten, von welchen der Spieler in Bath war ausgeplündert worden, eine Bank gegen alle Spieler aufgerichtet hätten, um sich hierdurch das Monopol allein zu verschaffen; dann gab der Gast unsern beiden Freunden noch zu verstehen, wenn sie sich seiner Leitung anvertrauen wollten, sey er bereit, mit ihnen umzukehren und ihnen einen Plan darzulegen, durch welchen die ganze Gesellschaft auf dem Billard zu Grunde gerichtet werden müßte, da es ihm bekannt sey, wie stark Geoffry in diesem Spiele wäre. Der junge Krieger entschuldigte sich jedoch, nicht auf diese Sache eingehen zu können, und nach dem Essen machten sich unsere beiden Reisenden wieder auf den Weg. Unterweges kam jedoch das Gespräch abermals auf die eingezogenen Nachrichten, und nun entwarf Pickle ein Project, jene schädliche Rotte zu verjagen, die nur auf das Verderben ihrer Mitmenschen lauere. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie Gauntlet diesen Entwurf ausführte.


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