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XCVI.

Ein Mann von Bedeutung nimmt Pickle in Schutz. Dieser meldet sich zu einer Parlamentsstelle, wird aber in seinen Erwartungen getäuscht und arg hintergangen.

Unter den Gönnern unseres Helden, die dieser übrigens größtentheils durchschaute, befand sich auch ein Mann von Bedeutung, der sich mit vieler Würde in seiner Sphäre zu behaupten wußte. Nicht wie die Andern, sagte er Peregrinen unaufhörlich eine Menge hohler Artigkeiten, im Gegentheil kargte er mit seinen Beweisen von Freundschaft und Achtung, wie dies Biedermänner in der Regel zu thun pflegen, und seine Zuvorkommenheiten schienen stets das Resultat einer reifen Ueberlegung und Erfahrung zu seyn. Nicht selten verwies er dem jungen Herrn seine Ausschweifungen mit der Offenheit eines wahren Freundes und gab ihm, nachdem er sich mit dem Zustande seiner Angelegenheiten bekannt gemacht, die heilsamsten Rathschläge.

So drang er unter Anderm in ihn, seine Rennpferde abzuschaffen; seine überflüssigen Ausgaben einzuschränken, sein Geld auf sichere Hypotheken auszuleihen und seinen frühern Entschluß, Candidat für einen Burgflecken bei der bevorstehenden neuen Wahl der Parlamentsglieder zu werden, wieder aufzunehmen, indem er ihm dabei versprach, ihn in diesem Falle mit seinem Einfluß und Rath beizustehen, und ihm die Versicherung gab, er könne, wenn er nur erst einen Sitz im Parlament habe, sein Glück als gemacht ansehen.

Peregrine sah das Heilsame dieser Reden ein und versprach, sich pünktlich darnach zu richten. Wirklich legte er auch sogleich Hand ans Werk und begann den Zustand seiner Finanzen zu untersuchen, wo er dann das Resultat erhielt und es seinem Gönner gelegentlich mittheilte, daß sein dermaliges Vermögen sich noch auf vierzehntausend dreihundert und dreißig Pfund belief, wovon er aus der Bank und der Südsee-Compagnie die Zinsen bezog. Außerdem besaß er noch das Castell und dessen Zubehör, dessen Einkünfte er auf jährlich ungefähr sechzig Pfund anschlug. Sein Wunsch war jetzt, Se. Lordschaft möchten, nachdem sie ihn mit ihrer Freundschaft und ihrem Rathe beehrt, ihre Güte nun noch weiter ausdehnen und ihm Mittel und Wege angeben, sein Geld auf das Vortheilhafteste anzulegen.

Der Lord erwiederte jedoch hierauf: »Ich befasse mich nicht mit Geldangelegenheiten, doch werden Sie Leute genug finden, die gern Capitale auf Grundstücke aufnehmen; da man bei solchen Geschäften indeß äußerst vorsichtig seyn muß, so verspreche ich Ihnen, meinen Intendanten zu beordern, Ihnen sichere Hypotheken zu verschaffen.«

Dies geschah, aber einige Tage blieben die Bemühungen dieses Agenten vergebens und Peregrine sah sich daher genöthigt, selbst mit Hand ans Werk zu legen. So lernte er eine Menge Personen kennen, die Alle für äußerst sicher gehalten wurden und ihm Hypotheken die Menge anboten; wenn er aber seinem vornehmen Freunde die Sache vorlegte, dann fand dieser so viel auszusetzen, daß er immer wieder abgeschreckt ward, sich weiter einzulassen; doch pries er sich dabei höchst glücklich, einen so wackern und treuen Rathgeber gefunden zu haben.

Dennoch wurde er zuletzt ungeduldig, so ganz ohne Erfolg alle Geldmäkler und Notare zu Rathe gezogen zu haben und er beschloß nun, den Weg der öffentlichen Anzeigen zu wählen: dies widerrieth ihm aber der Lord sehr eifrig, weil dadurch alle Zungendrescher in ganz London aufmerksam gemacht würden, die ihn dann fortwährend überlaufen und ihm keine Ruhe mehr lassen würden.

Eben als er aus dieser Unterredung schied, begegnete ihm unfern des Hotels des Lords dessen Haushofmeister, dem er in einigen Worten den übeln Erfolg seiner bisherigen Bemühungen mittheilte. Mit einer nachdenklichen Miene rieb sich der Intendant das Kinn und sagte dann: »Eben fällt mir etwas ein, Sir Pickle, vielleicht läßt sich dadurch Ihre Sache abmachen.« Dieser Wink reichte hin, die Neugierde unseres jungen Herrn zu erregen, der nun den Haushofmeister bat, mit ihm in das nächste Caffeehaus zu gehen. Hier begaben sich Beide in ein etwas entlegenes Zimmer und nun gab der Andere Peregrinen zu verstehen, daß einige von den Gütern des Lords wegen einer Schuld, die dessen Großvater zur Versorgung der jüngern Kinder aus der Familie gemacht, mit Hypotheken beschwert wären und daß man diese Grundstücke nicht wieder einlösen könne, wenn die Schuld nicht in wenigen Monaten abgetragen würde.

»Mylord,« fuhr er fort, »hat immer auf einen glänzenden Fuß gelebt und trotz seines bedeutenden Vermögens und der ansehnlichen Einkünfte von seinen verschiedenen Ehrenämtern bin ich doch überzeugt, daß er so wenig Geld zurückgelegt hat, daß er sich wird genöthigt sehen, etwa zehntausend Pfund aufzunehmen, um die zur Einlösung nöthige Summe vollzumachen. Nun weiß ich zwar gewiß, daß, so wie die Menschen dies erfahren, Leute von allen Ständen herbeieilen werden, um ihm ihr Geld anzubieten, denn wer benutzt nicht gern eine solche Sicherheit? auch kann es wohl seyn, daß er irgend einem seiner nähern Freunde bereits den Vorzug versprochen hat, indessen will ich doch, falls Sie es wünschen, mit Sr. Herrlichkeit reden und da ich weiß, daß ihm Ihr Interesse am Herzen liegt, seine Gesinnungen sondiren und Ihnen dann in einigen Tagen Nachricht über den Erfolg geben.«

Peregrine war nicht wenig entzückt, so nach Wunsch seine Angelegenheiten ordnen zu können; er dankte dem Haushofmeister für diesen freundschaftlichen Wink und versprach ihm, sich thätig dankbar zu bezeigen, wenn die Sache zur Richtigkeit käme. Schon den folgenden Tag brachte ihm der Intendant die erwünschte Nachricht, Se. Lordschaft wären es zufrieden, zehntausend Pfund zu fünf Procent auf Hypothek von ihm zu borgen. Peregrine nahm dies als einen Beweis der besonderen Achtung seines Gönners an, die nöthigen Schriften wurden ausgewechselt und in seiner Gegenwart befahl der edle Lord dem Intendanten, die Zinsen genau an den bestimmten Tagen zu zahlen.

Nachdem solchergestalt der größte Theil seines Vermögens glücklich untergebracht und der dienstfertige Agent mit funfzig Pfund beschenkt worden war, begann Peregrine seinen Einschränkungsplan auszuführen. Er schaffte alle seine Diener, ausgenommen Pipes, ab, seine Wagen und seine Pferde wurden verkauft, seine Hausmiethe aufgekündigt und seine Mobilien versteigert. Sein heftiges Temperament zeigte sich auch hier wie bei jeder andern Handlung seines Lebens; denn er verfuhr bei diesen Reformen mit einer solchen Eile und Uebertreibung, daß ihn die mehrsten seiner Freunde nothwendig für völlig zu Grunde gerichtet, oder für übergeschnappt halten mußten. Die Vorstellungen, welche sie ihm machten, beantwortete er mit einer Menge Sittensprüche, wie z. B. kurze Thorheiten sind die besten; besser aus Ueberzeugung, als aus Nothwendigkeit sich eingeschränkt u. s. w., ja es überfiel ihn sogar in seiner jetzigen Wirthlichkeit eine Art von Begierde, Geld zu sammeln, und da ihn die Mäkler mit Vorschlägen zur Unterbringung seiner Capitale überhäuften, so lieh er endlich, verführt durch die hohe Prämie, funfzehnhundert Pfund auf Bodmerei.

Zu seiner Ehre müssen wir jedoch bemerken, daß seine Gutthätigkeit nicht bei diesem Ersparungssysteme litt; er war noch immer mildthätig und freundschaftlich, nur zog er seine Vernunft mehr als bisher dabei zu Rathe. Die Gegenstände, auf welche er sein Mitleid ausdehnte, waren in der That zahllos, doch übte er diese Tugend ganz in Geheim, nicht blos um die Beschuldigung der Eitelkeit zu vermeiden, sondern auch aus dem weniger löblichen Grunde mit, weil er sich schämte, von den Weltmenschen vielleicht über diese so wenig in den Sitten der Zeit liegenden Handlungen verspottet zu werden. In diesem Stücke schien er fast die Begriffe von Tugend und Laster mit einander zu verwechseln, denn wie Andere das Böse, so that er das Gute gleichsam verstohlen und während er insgeheim die Armuth großmüthig unterstützte, ergoß er sich manchmal öffentlich in spöttischen Anmerkungen darüber. Dennoch vermied er aber auch öffentlich nicht die Bekanntschaft derer, die er seines Beistandes für würdig erachtete; sie hatten stets freien Zutritt bei ihm und während er oft die über ihm Stehenden durch sein hochfahrendes Benehmen von sich zurückhielt, war er gegen jene immer leutselig und zuvorkommend. Oft ersparte er dem bescheidenen Bedrängten durch das zuvorkommende Anerbieten seiner Börse und seines Beistandes die Verwirrung eines demüthigenden Geständnisses; bei alledem übte er jedoch diese Gutthätigkeit nur mit Unterschied aus, und jener sich überall findende Haufe von Müßiggängern und Schwelgern, die, nachdem sie das Ihrige vergeudet und Scham und Scheu von sich abgethan haben, nur darauf ausgehen, Andere zu brandschatzen, fand ihn stets unbeweglich, obschon er nicht Muth genug besaß, sich von ihrer Gesellschaft loszumachen und der Unverschämtheit zu widerstehen, mit welcher sie sich in alle Kreise drängen.

Bettler dieser Art hatten bereits verschiedentliche Versuche auf seinen Beutel gemacht, aber immer vergebens. So drängte sich eines Tages einer der Schlauesten an ihn und nachdem das Gespräch mit den gewöhnlichen Wetterbemerkungen eingeleitet worden war, begann derselbe die dicken Nebel von London zu tadeln und sich über die Verschiedenheit der Himmelsstriche auszubreiten, wobei er dann das Klima der Grafschaft in welcher er geboren war, jedem anderen vorzog und sich hierauf plötzlich mit der Frage an Peregrine wendete: »Sind Sie jemals in Gloucestershire gewesen?« – »Nein,« antwortete unser Held. – »Ich habe meinen Landsitz dort,« fuhr der Andere fort, »und es würde mich freuen, Sie einmal daselbst zu sehen. Lassen Sie uns in den Osterfeiertagen hinreisen. Tüchtige Landmannskost und gute Bewegung ist freilich Alles, was ich Ihnen versprechen kann, aber ich habe eine der besten Meuthen in den drei Königreichen zur Fuchsjagd; das Haus ist allerdings in altem Styl gebaut, indeß was thut das? Die wohlgedüngten Aecker sind doch die Hauptsache, und sie werden finden, daß das Ganze ein hübsch eingerichtetes Wesen ist. Wenn nur erst meine alte Großmutter abfahren wollte; lange kann sie's freilich nicht mehr treiben: nicht bis zum nächsten Jahre. So eben habe ich einen Brief erhalten, da können Sie selbst sehen, daß der Arzt..... aber verwünscht! Hab' ich das Schreiben doch in einem anderen Rocke stecken lassen.«

Pickle, der gleich bei den ersten Worten den Zweck dieser Reden begriff, zeigte nichts desto weniger die größte Aufmerksamkeit und hob sowohl hierdurch, als durch einige gelegentliche Fragen, die Hoffnungen des Andern gewaltig empor; als Beide aber im Weitergehen bis zu dem Eingange des St. James-Parkes gekommen waren, da hatte Peregrine die Bosheit, seinem Begleiter plötzlich mit den Worten in die Rede zu fallen: »Ich sehe, Sie wollen noch weiter spazieren; mein Weg geht dorthin,« und damit ließ er den Pflastertreter sehr überrascht und gekränkt über die fehlgeschlagene Erwartung stehen und kehrte sich nicht daran, als dieser, um ihn zurückzuhalten, ihm nachrief: »Warten Sie doch! warten Sie doch! ich wollte Ihnen gern die Lage des Schlosses noch beschreiben.« – »Ein ander Mal! ein ander Mal!« antwortete Pickle jedoch zurück und entging damit der Anmuthung, dem Schloß- und Gutsbesitzer zwanzig Pfund zu leihen, die nie wieder in seine Tasche zurückgekehrt seyn würden.

Es würde gut gewesen seyn, wenn unser Held sich immer so bedachtsam bewiesen hätte; leider hatte er aber oft Augenblicke, wo er, nicht auf seiner Hut, die Beute seines arglosen Herzens wurde. So befand sich unter seinen Bekannten ein Mann, dessen Umgang ihn vorzüglich anzog und der sich sowohl als ein angenehmer Gesellschafter, wie auch als ein vernünftiger und erfahrungsreicher Mensch zeigte. Der Mann hatte früher auf eine geschmackvolle und glänzende Art ein recht hübsches Vermögen unter die Leute gebracht und sah sich jetzt demnach genöthigt, zu allerhand Ränken seine Zuflucht zu nehmen, um sich und die Seinigen durchs Leben bringen zu können. Zwar fehlte es ihm, da er von seinen Freunden unterstützt wurde, nicht an dem Nothwendigsten, allein eine solche abhängige Lage war doch nicht seinen Neigungen angemessen und er hatte daher bereits mehrmals gesucht, durch allerlei Plane, die jedoch nicht glücklich ausfielen, seine frühere Selbstständigkeit wieder zu erringen.

Eines Abends saß Peregrine zufällig allein auf einem Caffeehause und hörte hier eine Unterredung zwischen diesem Projectenmacher und einem Fremden an, die seine Aufmerksamkeit fesselte. Diesen Fremden, welcher der Vormund von dem einzigen Kinde des Projectenmachers wegen einer Summe von funfzehnhundert Pfund war, die eine Verwandte dem Kinde vermacht hatte, suchte der Vater jetzt dahin zu stimmen, ihm dies Geld auszuzahlen, da er eine gute Gelegenheit habe, sich und den Seinigen dadurch einen großen Vortheil zu verschaffen, allein der Vormund erwiederte hierauf, seine Pflicht geböte ihm, nur gegen die vollständigste Sicherheit das Geld auszuthun; könne man ihm diese geben, so wolle er das Vermächtniß auszahlen, anders aber auf keinen Fall. Auf diesen Vorschlag antwortete der Vater: man dürfe doch wohl nicht annehmen, daß er so gewissenlos seyn und das Vermögen seines einzigen Kindes auf eine nichtige Spekulation wagen würde, was aber die geforderte Sicherheit anlange, so wolle er seine Freunde nicht mit dieser Sache belästigen, dann aber, wenn er dies thäte, brauche er nicht dies Mündelgeld, da ihm alsdann jeder Wucherer die Summe vorschießen würde.

Nach manchem Hin- und Herreden sagte der Vormund endlich, das Geld könne er zwar nicht herausgeben, wenn der Andere indeß ihm aber einen guten Bürgen stellen wolle, dann sey er erbötig, ihm das Benöthigte einstweilen zu leihen, worauf dann die Schuld, wenn die Tochter großjährig geworden und ihre Einwilligung dazu gäbe, auf deren Vermögen abgeschrieben werden solle.

Diese Bedingung würde dem Anderen gewiß sehr schwer zu erfüllen gewesen seyn, wenn sich Peregrine nicht seiner angenommen hatte. Es dauerte diesen, daß ein Mann von Geist und Ehre einer solchen kleinen Ursache wegen sich in seinen wichtigsten Angelegenheiten gehemmt sehen sollte und er mischte sich daher jetzt in die Unterredung und bot, nachdem er sich näher von der Sache unterrichtet hatte, sich selbst als Bürgen an.

Da der Darleiher Peregrinen weiter gar nicht kannte, so ward ihm den nächsten Tag dessen Vermögenszustand vorgelegt, worauf dann derselbe kein weiteres Bedenken trug, seinem Freunde tausend Pfund vorzustrecken, wogegen er die auf sechs Monat Zeit gestellte Handschrift des Borgenden und des Bürgenden in Empfang nahm und dabei versicherte, dies Geld solle vor der Volljährigkeit des Kindes nicht eingefordert werden, wenn sich nicht etwa ganz besondere Umstände ereigneten. Diese Erklärung hielt Pickle um so mehr für aufrichtig, da Jener keine Ursache haben konnte, sich zu verstellen, vorzüglich verließ er sich jedoch auf die Redlichkeit des Borgenden, der ihm schwor, es möchte sich ereignen, was da wolle, so würde er immer vor alle Gefahr stehen, denn sein Plan sey so beschaffen, daß er in wenigen Monaten die Summe jedenfalls verdreifacht hätte.

Bald nach Abmachung dieser Sache ward die Wahl eines neuen Parlaments ausgeschrieben und Peregrine begab sich nun, auf Anrathen seines hohen Gönners, auf das Land, um hier Stimmen für die Wahl zu einem Burgflecken für sich zu sammeln. Zu diesem Zweck hatte er sich gehörig mit Banknoten ausgerüstet; unglücklicher Weise traf es sich jedoch, daß sein Plan dem Interesse einer großen Familie entgegenlief, die eine lange Reihe Jahre hindurch die Parlamentsglieder für diesen Flecken bestimmt hatte und jetzt durch das Hinzudrängen unseres Helden sich so beleidigt fühlte, daß sie zehntausend Pfund aufzuwenden drohte, um seine Absicht zu vereiteln.

Dies war jedoch nur ein Sporn mehr für Peregrine, welcher sich Einfluß und Geschicklichkeit genug zutraute, jene Familie in deren eigenem Gebiete niederzukämpfen und die Hoffnung hegte, durch diesen Sieg seinen Ruf und sein Interesse bei dem Minister zu befestigen, welcher sich auf Empfehlung seines vornehmen Freundes seiner Sache annahm und nichts mehr wünschte, als durch eine solche Niederlage einen seiner größten Gegner zu demüthigen und ihn dadurch um sein Ansehn bei seiner Parthei zu bringen.

Unser Held bot demnach alle seine Kräfte auf, den Plan durchzusetzen; er sparte keine Kosten, die Wählenden gut zu bewirthen, allein da es ihm sein reichlich unterstützter Nebenbuhler hierin vollkommen gleich thun konnte, so suchte er nun solche Mittel hervor, worin er sich Jenem überlegen glaubte. Er stellte Bälle für die Damen an und besuchte die Mütter im Orte, indem er sich dabei mit großer Gewandtheit in die verschiedenartigsten Launen zu fügen wußte; er trank mit denen, die in der Stille gern ein erheiterndes Gläschen liebten; er machte denen den Hof, die sich gern geschmeichelt sahen; er war andächtig mit den Frommen, klatschte mit den Theeschwestern und ersann für Alle und Jede die passendsten und willkommensten Geschenke. So suchte er die Männer, die unter dem weiblichen Pantoffel standen, auf seine Seite zu bringen, die Uebrigen aber griff er auf die Art an, wie ihnen am Besten beizukommen war. Er gab große Fässer Bier und Wein preis und wo dies nicht hinreichte, da bahnte er sich mit einem goldenen Schlüssel den Zugang zum Herzen.

Während er aber sich so beschäftigt zeigte, war sein Gegner auch nicht müßig; zwar erlaubten demselben sein Alter und seine Kränklichkeit nicht, den Weibern den Hof zu machen und in Gesellschaften und bei Lustparthieen zu glänzen, allein Andere arbeiteten desto thätiger für ihn und bald stieg durch diese Collision der Preis der Wahlstimmen so hoch, daß sich Peregrine kurz vor dem Wahltage ganz ausgebeutelt fand und sich demnach genöthigt sah, an seinen hohen Gönner zu schreiben und ihn zu bitten, schleunige Maßregeln zu treffen, um das so glücklich begonnene Geschäft gut zu Ende führen zu können.

Der Gönner legte dem Minister den Fall vor und dieser eröffnete nun Peregrinen einen Credit bei dem Obersteuereinnehmer der Grafschaft, der hierauf unserm Helden zwölfhundert Pfund gegen einen auf sich ausgestellten Wechsel vorschoß. Durch diese Unterstützung richtete Peregrine es aber so geschickt ein, daß er offenbar einer Mehrheit der Stimmen versichert seyn konnte, und gewiß würde auch das Resultat günstig für ihn ausgefallen seyn, wenn nicht sein Mitbewerber, um sich die Scham einer Niederlage zu ersparen, das Anerbieten gemacht hätte, die Sache mit dem Minister in Güte auszugleichen und zwei andere Mitglieder an einem anderen Orte aufzugeben, wofern man sich ihm nicht länger in seinem Kirchspiele widersetzen wolle.

Dieser Antrag ward aber von dem Minister mit Begierde angenommen und den Abend vor der Wahl erhielt Peregrine von seinem Gönner die Nachricht, er möchte seine Ansprüche fahren lassen, wenn er sich nicht ihm und dem Minister zugleich mißfällig zeigen wolle. Dabei ward das Versprechen hinzugefügt, er solle für einen andern Ort gewählt werden.

Keine fehlgeschlagene Erwartung hätte Peregrinen mehr schmerzen können, als diese; er sah sich den Preis des glücklichen Erfolgs in dem Augenblicke entreißen, wo er den Genuß haben sollte, und alle Hoffnungen seines Ehrgeizes im Staube liegen. Laut verfluchte er den ganzen Troß seiner Hofbekanntschaft und zog mit großer Bitterkeit gegen den bübischen Plan los, dem er aufgeopfert werden solle; zuletzt aber schwor er, daß er die Früchte seiner Mühen keinem Minister auf der Welt zu Gefallen aufgeben wolle. Dieser Entschluß ward indeß durch den Ueberbringer der Nachricht, seinen Freund, den Obersteuereinnehmer, unwirksam gemacht, denn da dieser sah, daß sich der junge Herr nicht fügen wollte, ließ er denselben sogleich für die vorgeschossene Summe in Verhaft nehmen, wozu man ihn insgeheim die Vollmacht ertheilt hatte.

Die Leser werden sich vorstellen können, wie angenehm überrascht unser Held sich hierdurch fühlte. Einen Augenblick lähmten Erstaunen und Unwillen alle seine Kräfte, dann aber versetzte er dem Kläger einen solchen Schlag, daß dieser sogleich betäubt zu Boden sank. Diese Gewaltthätigkeit, die in einem Wirthshause vorfiel, wohin man Peregrinen absichtlich gelockt hatte, zog den Gerichtsvogt und dessen Häscher herbei; Vier an der Zahl, stürzten sie auf Peregrinen ein, doch dieser, dessen Kräfte Zorn und Erbitterung vermehrten, riß sich los, ergriff als erste Waffe, die ihm in die Hände fiel, ein Schüreisen, und handhabte dies Werkzeug mit ungemeiner Lebendigkeit und Kraft gegen die Schädel der Häscher.

Der Gerichtsvogt, welcher zuerst Hand an ihn zu legen wagte, erhielt einen Streich über die Kinnbacken, der ihn um drei Zähne brachte und ihn quer über den Leib des Steuereinnehmers hinstürzte, mit dem er jetzt ein vollkommenes Andreaskreuz bildete, und da einer seiner Untergebenen nun den Versuch machte, dem Feinde in die Flanke zufallen, so empfing ihn hier Peregrine mit einem so wohlgeführten Tritt gegen den Leib, daß er Kopf über in den Kamin fiel, wo es sich fügte, daß sein Kinn auf den Rost traf und hier in einem Augenblicke geröstet wurde. Die Anderen hielten es nunmehr nicht für rathsam, das Gefecht fortzusetzen, in großer Schnelle eilten sie aus dem Zimmer, schlossen es von Außen zu und brüllten nun nach der Dienerschaft des Steuereinnehmers, damit diese ihrem in Lebensgefahr schwebenden Herrn beistehen möchte.

Unterdessen hatte sich dieser Mann jedoch etwas wieder erholt und bat um eine Unterredung, die ihm indeß nur nach einigen Schwierigkeiten zugestanden ward. Bitterlich beklagte er sich nun über die heftige Gemüthsart des jungen Herrn und stellte ihm dabei die Gefahr vor, deren er sich durch sein rasches und ungestümes Wesen aussetzte. Er sagte ihm, daß nichts frevelhafter und nutzloser sey, als sein Widerstand gegen die Gesetze des Landes, und wie er doch unmöglich der ganzen Gewalt der Grafschaft widerstehen könne, die man mit leichter Mühe gegen ihn aufzubieten vermöge; eben so suchte er ihm begreiflich zu machen, daß er außer den Beschimpfungen, denen er sich aussetzte, auch sein Interesse völlig zu Grunde richten würde, wenn er seine Freunde beleidige, die ihm so ungemein geneigt wären; daß er seinerseits, was er gethan, nur auf ausdrücklichen Befehl seiner Obern und keineswegs in der Absicht, ihn zu kränken, unternommen habe und daß er weit entfernt, sein Feind zu seyn, trotz der schmachvollen Beleidigung bereit sey, den Verhaftbefehl zurückzunehmen, wenn Pickle vernünftigen Vorstellungen Gehör geben wolle.

Peregrine, der einer vernünftigen Ueberzeugung nicht weniger zugänglich war, als dem Zorn, wurde durch diese Nachgiebigkeit endlich besänftigt und gab den Gründen des Einnehmers um so williger Gehör, da ihn bereits sein rasches Verfahren zu reuen begann. Die Gerichtsdiener bekamen demnach den Befehl abzuziehen, und die beiden Partheien hielten eine Conferenz, deren Resultat dahin ausschlug, daß unser Held unmittelbar darauf sich auf den Weg nach London machte. So wurde denn den nächsten Tag Peregrinens Mitbewerber einmüthig gewählt, da Niemand da war, der sich dessen Wahl widersetzte.

Bei seiner Ankunft in der Stadt eilte der noch immer höchst mißvergnügte Peregrine gerade nach dem Hause seines Gönners, gegen den er, im vollen Aerger über seine fehlgeschlagene Erwartung, sich bitterlich über die Art beschwerte, wie man ihn behandelt hatte und demselben vorstellte, daß er außer dem Schimpf, unterlegen zu haben, nicht weniger als zweitausend Pfund, die Schuld bei dem Obersteuereinnehmer noch abgerechnet, eingebüßt hatte. Se. Lordschaft waren jedoch auf diese Klagen gefaßt, auch kannten sie den Ungestüm des jungen Mannes und beantworteten daher jeden Punkt dieser Beschuldigungen mit großer Ruhe, indem sie ihn zugleich von den Beweggründen unterrichteten, die den Minister getrieben hätten, Pickle's Interesse aufzugeben und ihm mit der Aussicht schmeichelten, daß Se. Herrlichkeit alle diese Verluste reichlich ersetzen würde.

Den nächsten Tag stellte aber der Lord den jungen Mann dem Minister vor und empfahl ihn demselben auf das Angelegentlichste. Der Minister, ein Mann von großer Artigkeit, nahm Peregrine mit einem höchst bezaubernden Wesen auf und dankte ihm für seinen guten Willen, zum Wohl des Staates wirken zu wollen, auch gab er ihm die bündigsten Versicherungen, die erste beste Gelegenheit ergreifen zu wollen, um ihm seine Erkenntlichkeit zu zeigen; dann ersuchte er ihn noch, sich öfters des Morgens bei seinem Levers einzufinden, damit er in der Masse von Geschäften, womit er überladen sey, nicht etwa das Unglück habe, zu vergessen, wie verdient sich unser Held um den Staat gemacht habe, und wie viele treffliche Eigenschaften derselbe besäße.


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