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LXXXI.

Peregrine verfolgt sein Vorhaben auf Emilie mit großer Kunst und Beharrlichkeit.

Nachdem sich Peregrine durch diese Heuchelei Zutritt im Hause seiner Gebieterin verschafft hatte, begann er die Belagerung damit, die aufrichtigste Reue über seinen frühern Leichtsinn zu zeigen und so flehentlich um Vergebung zu bitten, daß sie, so sehr sie auch gegen seine Schmeichelkünste auf der Hut war, dennoch zuletzt seinen Thränen und Betheurungen Glauben zu schenken begann und einen großen Theil von der Strenge und Zurückhaltung schwinden ließ, die sie beschlossen hatte, ihm zu zeigen. Dessen ungeachtet hütete sie sich aber wohl, ihm auch nur im Entferntesten irgend ein Zeichen von Gegenliebe zu gewähren, da er unter allen seinen Schwüren von Standhaftigkeit und Treue, mit keiner Sylbe des Heirathens gedachte, obschon er jetzt völlig unumschränkter Herr aller seiner Handlungen war.

Dies Benehmen erzeugte neue Zweifel in ihr, die sie gegen alle seine Angriffe waffneten; was jedoch ihre Klugheit gern versteckt hätte, das verriethen unwillkührlich ihre Augen und heimlich entschuldigte sie bei sich selbst das befremdliche Schweigen ihres Verehrers mit der Ungewißheit, in welcher er über ihre Gesinnungen schweben könne und ließ sich von ihrem Stolze überreden, daß er durchaus keine anderen Absichten als rechtliche auf sie zu haben vermöge.

Während deß frohlockte der Hinterlistige aber über die Zärtlichkeit ihrer Blicke, die ihm einen baldigen Sieg verkündeten: um sich jedoch nicht durch Uebereilung um Alles zu bringen, beschloß er, nicht eher eine Erklärung zu wagen, bis er ihr Herz so gänzlich umstrickt hätte, daß weder die Einflüsterungen der Ehre noch der Klugheit es mehr loszumachen vermöchten. Voll dieses Planes bezähmte er seine Ungeduld und hielt sich in den Grenzen der zartesten Berücksichtigung. Nachdem er um die Erlaubniß gebeten und sie erhalten hatte, sie in die nächste Oper begleiten zu dürfen, ergriff er ihre Hand, drückte sie voll Ehrfurcht an seine Lippen und entfernte sich dann, indem er das Mädchen in einem höchst sonderbaren Zustande von Ungewißheit zurückließ, während süße Hoffnungen und Furcht in ihrem Busen wechselten.

An dem bestimmten Tage erschien er Nachmittags um fünf Uhr bei ihr und fand ihre natürlichen Reize durch einen vortheilhaften Anzug so gehoben, daß er voll Bewunderung und Vergnügen ganz außer sich gerieth. Kaum vermochte er, als er sie nach Haymarket führte, seine ungestüme Leidenschaft so weit zu zügeln, um nicht gegen sein bisheriges Betragen zu verstoßen, und als er jetzt mit ihr in das Schauspielhaus trat, da feierte seine Eitelkeit einen glänzenden Triumph; denn wirklich verdunkelte Emiliens Reiz alle anderen anwesenden Damen so weit, daß jede im Herzen das Geständniß ablegte: sie sey die Schönste, versteht sich, nach ihr selbst.

Peregrine genoß hier einen doppelten Triumph; es schmeichelte ihm, zugleich eine so gute Gelegenheit zu haben, seinen Ruf in der Galanterie unter den vornehmen Damen zu erhöhen, mit denen er bekannt war, und dabei auch Emilie zeigen zu können, wie heimisch er in der großen Welt war. Er hoffte ihr dadurch den Werth der Eroberung, die sie an ihn gemacht, fühlbar und sie hierdurch in der Folge gegen eine Person seiner Art nachgiebiger zu machen.

Um aber den möglichsten Nutzen aus diesem Zusammentreffen zu ziehen, befliß er sich, einen Jeden, mit dem er nur im Mindesten bekannt war, anzureden und ihm mit einem vertraulichen Wesen einige Worte zuzuflüstern; ja er trieb dies so weit, daß er sich über den Saal weg gegen einige Personen von hohem Adel verbeugte, mit denen er auf keinem näheren Fuß war, als daß er vielleicht einmal neben ihnen bei Hofe gestanden, oder die Ehre gehabt hatte, ihnen in Whyte's Chocoladenhause eine Priese Tabak anbieten zu dürfen.

Diese lächerliche Großthuerei sollte ihn zwar jetzt nur zur Erreichung seiner Absicht dienen, doch war dies eine bei ihm jetzt so vorherrschende Schwachheit, daß sie auf sein ganzes Betragen Einfluß hatte und nichts konnte ihm eine größere Freude gewähren, als wenn er Gelegenheit fand, in einer Gesellschaft andeuten zu können, daß er mit dieser oder jener Person von hohem Stande sehr vertraut wäre. Er warf dieserhalb zuweilen im Gespräch die Bemerkung hin: der Herzog von G.... sey ein äußerst leutseliger Herr, und unterstützte dann diese Behauptung durch einige, wie er sagte, ihm selbst begegnete Beispiele; oder er erzählte eine witzige Antwort, die ihm Lady T... gegeben haben sollte, oder ein Bonmot, das ihm Graf C... zugeflüstert habe etc.

Es ist dies die Art, wie eine Menge junger Herren mit großen Namen umzuspringen pflegen, obschon sie meist durchaus keinen Zutritt bei den Besitzern derselben haben; doch war das Letztere bei Peregrine nicht ganz der Fall, denn vermöge seines schimmernden Aufzuges und angeblichen großen Vermögens, wozu noch kam, daß er bei mehreren Vornehmen eingeführt worden war, durfte er wirklich bei fast allen Tafeln der Vornehmen erscheinen.

Bei der Rückkehr aus der Oper beobachtete er gegen Emilie zwar noch immer die größte Ehrerbietung in seinem Betragen, doch versicherte er ihr in den leidenschaftlichsten Ausdrücken seine Liebe, drückte ihr die Hand mit Inbrunst, schwor, daß ihr Bild seine ganze Seele fülle und daß er ohne ihre Zuneigung nicht leben könne.

Diese lebhaften Aeußerungen seiner Liebe und die ehrerbietige Art, womit er sie that, sagten dem Mädchen sehr zu, dennoch behielt sie Klugheit und Entschlossenheit genug, ihr Gefühl zu verbergen: der Gedanke, daß es, wenn er rechtliche Absichten hege, jetzt seine Pflicht sey sich zu erklären, schützte sie gegen seine Kunstgriffe und machte, daß sie sich weigerte, ihm ernstlich zu antworten, indem sie sich stellte; als sähe sie seine Betheuerungen nur für Ergüsse der Galanterie und Früchte seiner Erziehung an.

Obschon ihn dies Benehmen nun insofern in seiner Hoffnung täuschte, von ihr ein Geständniß zu erpressen, von dem er nicht verfehlt haben würde, sogleich Nutzen zu ziehen, so wagte er es dennoch, als der Wagen längs dem Strande vorbeikam, die Bemerkung zu machen: es wäre schon spät und das Abendessen sicher bereits vorbei, wenn sie zu dem Onkel kommen würden, und dann mit dem Vorschlage herauszurücken: ihr an irgend einem schicklichen Orte mit einer leichten Collation aufwarten zu dürfen.

Emilie fühlte sich hierdurch zwar beleidigt, doch behandelte sie das Ganze als einen Scherz und dankte ihm mit der Versicherung für sein Anerbieten, daß, wenn sie jemals auf den Einfall kommen sollte, in einer Taverne zu speisen, er allein die Ehre haben würde, sie zu bewirthen. – Da der Onkel in Gesellschaft war und die Tante sich schon niedergelegt hatte, so genoß Peregrine noch eine ganze Stunde lang das Glück, sich mit Emilie unter vier Augen unterhalten zu können und er wußte diese Zeit so gewandt zu benutzen, daß es ihm beinahe gelang, ihre Vorsicht einzuschläfern. Seufzer, Gelübde, Bitten, Thränen, Alles wurde von ihm verschwendet; er schwor hoch und theuer, daß, wenn sie ihm ihr Herz ohne alle Bedingung schenken wolle, er Grundsätze hege, die ihm nie erlauben würden, eine solche Unschuld zu kränken, und wenn es Emiliens Stolz erlaubt hätte, in diesem Augenblicke von ihm eine ernsthafte Erklärung zu fordern, so würde er im Drange seiner Leidenschaft auf jeden Fall sich ihr mit Versprechungen verpflichtet haben, die ihm als Mann von Ehre nachher nicht wieder erlaubt hätten, zurückzutreten. Doch that sie dies nicht, zum Theil auch mit aus Besorgniß, vielleicht die Entdeckung zu machen, daß sie sich in ihm geirrt habe, und genoß lieber das beseligende Gefühl des Augenblicks, indem sie sich dabei überreden ließ, einen Theil des Schmuckes anzunehmen, den er von seinem Spielgewinnste zu Bath für sie gekauft hatte; beim Abschiede gestattete sie ihm aber eine Umarmung und ertheilte ihm die Erlaubniß, sie so oft, als er es selbst wünsche, zu besuchen.

Zu Hause gekommen, schwellte der glückliche Erfolg jetzt seine Brust mit den ausschweifendsten Hoffnungen an; er wünschte sich Glück zu dem, wie er glaubte, bereits schon so gut als errungenen Siege über Emiliens Tugend, und begann Plane zu künftigen Eroberungen der angesehensten Damen zu entwerfen, was ihn jedoch nicht verhinderte, vorläufig seine ganze Aufmerksamkeit auf die Ausführung seines jetzigen zu richten, den er mit allen Kräften verfolgte, alles Uebrige darüber bei Seite setzte und sogar eine Wohnung in der City bezog, um sein Vorhaben desto besser ausführen zu können.

Während er sich so in Einbildungen wiegte, bestürmte indeß immer noch mancher Zweifel Emiliens Brust. Vergebens suchte sie das Räthsel seines Stillschweigens über das letzte Ziel seiner Bewerbungen zu lösen. Ihr Onkel quälte sie beständig mit Fragen über Peregrinens Benehmen und Aeußerungen gegen sie und ehe sie bei diesem den geringsten Verdacht gegen die Absicht ihres Verehrers erwecken wollte – wodurch sogleich aller Umgang mit ihm abgeschnitten worden wäre – suchte sie lieber durch allerlei Andeutungen des alten Mannes Sorge für ihr Wohl zu beschwichtigen. So genoß sie ohne Zwang den Umgang unseres Helden, der seinen Plan mit größtem Eifer und Beharrlichkeit verfolgte.


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