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LXXXV

Peregrine sendet eine Botschaft an Mistreß Gauntlet. Sein Antrag wird aber verworfen und er geht nun nach dem Castell ab.

Endlich siegte seine gute Constitution über die Krankheit und es gelang ihm, seine tobenden Begierden zu zähmen und einige vernünftige Betrachtungen über sein Benehmen anzustellen. Mit Scham und Reue erinnerte er sich an seinen Verrath gegen die reizende, unschuldige Emilie, er gedachte seiner früheren besseren Gesinnungen gegen sie, des Gebots seines sterbenden Onkels und des vertrauten Fußes, auf dem er mit Emiliens Bruder gestanden hatte, und heftige Gewissensbisse marterten ihn nun. Er überlegte sich jetzt des Mädchens Benehmen in allen Stücken und fand es durchaus so lobenswerth, edel und muthig, daß er nicht umhin konnte, zu gestehen, sie verdiene es vollkommen, daß er ehrlich um ihre Hand würbe, selbst wenn ihn nicht unter diesen Umständen die Pflicht dazu getrieben hätte, und da er sich somit für verbunden hielt, einer achtungswürdigen Familie, die er so schmählich beleidigt hatte, Genugthuung zu geben, so glaubte er diese Sinnesänderung auch nicht schnell genug an den Tag legen zu können. So wie er daher nur im Stande war, die Feder zu führen, schrieb er an Mistreß Gauntlet.

In diesem Briefe bekannte er, daß er sich auf die unwürdigste Art gegen Emilie benommen habe; daß er keine Ruhe zu finden vermöchte, bis Mutter und Tochter ihm ihre Verzeihung hätten angedeihen lassen; daß er voll Reue und Liebe hiermit sein Herz und seine Hand Emilie zu Füßen lege und um nichts flehe, als sobald es ihm seine Gesundheit gestatten würde, selbst wieder vor ihnen erscheinen zu dürfen.

Mit diesem Schreiben fertigte er Pipes ab, der unterdessen wieder zu ihm gestoßen war, dann erkundigte er sich nach dem jungen Paare, dessen Verfolger er so zufällig geworden war und sein Kammerdiener, der ihre Geschichte von ihnen selbst vernommen, erzählte ihm nun: das Frauenzimmer sey die einzige Tochter eines reichen Juden und ihr Begleiter ein Diener desselben, der das Mädchen zum Christenthum bekehrt und zugleich geheirathet habe. Als der alte Israelit dies Geheimniß erfahren, habe er darauf gedacht, das Paar zu trennen, aber die jungen Leute wären hinter seinen Plan gekommen und hätten nun den Entschluß gefaßt, so lange nach Frankreich zu fliehen, bis ihre Sache beigelegt wäre, und da sie nun drei Personen mit solchem Eifer und Schnelle ihnen hätten folgen sehen, so wären sie überzeugt gewesen, es könne dies niemand Anderes, als der Vater mit einigen seiner Leute seyn. In dieser Voraussetzung waren sie voll Angst und Eile immer rascher geflohen, bis sich endlich die Täuschung auf eine für sie so glückliche Art geendet hätte.

»Sie bezeigten darauf,« fuhr der Kammerdiener in seinem Berichte fort, »ihr Bedauern, Sie unschuldiger Weise in einen so beklagenswerthen Zustand gebracht zu haben; dann setzten sie aber nach einer kurzen Rast ihren Weg nach Dover fort und sind wahrscheinlich jetzt schon glücklich in Paris angelangt.«

Den Tag nach seiner Absendung kehrte Pipes mit folgender Antwort von Emiliens Mutter zurück:

»Sir. Es freuet mich, aus Ihrem Schreiben zu sehen, daß Sie zu der gehörigen Erkenntniß Ihres unfreundlichen und unrechtlichen Betragens gegen die arme Emmy gekommen sind: erlauben Sie mir aber, Ihnen zu bemerken, daß ich billig hätte erwarten dürfen, Sie würden, falls Sie meine Tochter selbst nicht hinreichend achteten, wenigstens so viel Ehrerbietung für deren Familie haben, die, ohne Sie kränken zu wollen, ansehnlicher ist als die Ihrige, um sich anders gegen sie zu benehmen. Was nun Ihren Vorschlag anlangt, so will meine Tochter nichts davon hören, indem sie den Glauben hegt, daß es ihrer Ehre zuwider sey, irgend einem Antrage zur Aussöhnung Gehör zu geben. Dazu befindet sie sich jetzt so unwohl, daß sie keine Besuche anzunehmen vermag und ich Sie deshalb bitten muß, sich nicht vergebens herzubemühen. Vielleicht gelingt es Ihnen, sich durch Ihr künftiges Betragen Emiliens Verzeihung zu erwerben, was ich von Herzen wünschen will, da ich an Ihrem Wohl, das, wie Sie versichern, von Emmy's Nachgiebigkeit abhängt, den aufrichtigsten Antheil nehme und mich immer, trotz Allem, was vorgefallen ist, nennen werde

Ihre aufrichtige Freundin

Cäcilie Gauntlet

Durch diesen Brief und seinen Boten erfuhr Peregrine somit, daß Emilie sich seine vergebliche Jagd zu Nutze gemacht und wohlbehalten im elterlichen Hause angelangt war; allein, ob es ihm schon leid that, daß sie sich unwohl befand, so verdrossen ihn doch sowohl ihre Unversöhnlichkeit, als einige hochmüthige Stellen in dem Briefe der Mistreß nicht wenig, die, wie er meinte, bei Niederschreibung desselben weit mehr ihre Eitelkeit, als ihren Verstand zu Rathe gezogen hätte. Diese Beweggründe zum Unwillen halfen ihm endlich seine fehlgeschlagene Erwartung wie ein Philosoph zu ertragen, um so mehr, da er durch das Erbieten, die erwiesene Beleidigung wieder gut zu machen, sein Gewissen zufrieden gestellt und er sich jetzt in Betreff seiner Liebe in den ruhigen Zustand der Hoffnung und Ergebung gesetzt hatte.

In der That ist eine Krankheit zur rechten Zeit oft ein sehr gutes Heilmittel gegen das Toben der Leidenschaften; das Fieber hatte bei ihm eine so große Veränderung bewirkt, daß er jetzt wie ein Weiser moralisirte und die herrlichen Plane wegen seines künftigen Benehmens entwarf.

Sobald er seine Gesundheit wieder erlangt hatte, reiste er nun nach dem Castell ab, um seine Freunde zu besuchen. Der Lieutenant eröffnete ihm hier: daß er durch die Kraft seiner Bewerbungen das Eis bei Mistreß Trunnion gebrochen und sobald er sie flott gesehen, mit einem Heirathsantrage bei ihr geentert habe; indessen hätte die Wittwe bei seiner ersten Erklärung, auf welche sie von Julie und den übrigen Freunden gehörig vorbereitet worden wäre, noch viele Zurückhaltung gezeigt und über den Tod ihres geliebten Mannes einige fromme Thränen mit der Bemerkung vergossen: einen solchen wurde sie nie wieder bekommen.

Peregrine ermangelte, dieser Nachricht zufolge, nunmehr nicht, seinen Freund mit seinem ganzen Einfluß zu unterstützen und bald gelang es ihm, alle Einwürfe der tugendhaften Wittwe zu beseitigen; doch beschloß man, um den Lästerzungen keinen Anlaß zu Spöttereien zu geben, die Vermählung noch drei Monate hinauszuschieben. Nachdem diese Angelegenheit in Ordnung gebracht war, traf Peregrine aber Anstalt, seinem hingeschiedenen Wohlthäter ein einfaches marmornes Denkmal zu setzen, das mit folgender, von dem Lieutenant verfaßter Inschrift in goldenen Lettern verziert ward.

Hier ruht
Anderthalb Faden tief
Der Rumpf von
HAWSER TRUNNION, Esq.
Weiland Befehlshaber eines Schiffsgeschwaders
In Sr. Majestät Diensten.
Welcher um fünf Uhr Nachmittags den 10ten
October
Im neun und siebzigsten Jahre
Seines Alters
Aufgebracht wurde.
Er hielt sein Geschütz allezeit geladen,
Sein Takelwerk stets aufgestellt,
Und zeigte seinen Spiegel niemals den feindlichen
Schiffen,
Außer wenn er sie hinter sich her bugsiren ließ.
Wie aber Kraut und Loth verschossen,
Seine Lunte verbrannt
Und sein Talbord abgenutzt war,
Wurde er durch das stärkere Geschütz des Todes
In den Grund gesenkt.
Dennoch
Wird an dem großen Tage
Sein Anker wieder gelichtet werden;
Er wird neu aufgetakelt seyn,
Frische Steven bekommen
und mit einer vollen Ladung
Seine Feinde wieder zwingen,
Die Segel
Vor ihm zu streichen.


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