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LXXIV.

Gauntlet sprengt zu Bath eine Gaunergesellschaft.

Den Abend nach ihrer Ankunft in Bath begab sich Geoffry, der sich dieserhalb den ganzen Tag über zu Hause gehalten hatte, in Stiefeln nach dem Billard. Er fand hier zwei Herren im Spiel begriffen und begann nun mit einer solchen Albernheit und einem solchen Mangel von Urtheilskraft zu wetten, daß bei einem der anwesenden Glücksritter das Verlangen entstand, diese Unerfahrenheit zu benutzen. Als das Billard leer war, schlug er Gauntlet daher zum Zeitvertreib eine Parthie vor, doch dieser versicherte mit der Miene eines selbstgenügsamen Dünkels: er sey nicht gewohnt, für nichts und wieder nichts seine Zeit zu vergeuden, wenn's dem Andern aber gefällig wäre, wolle er der Langeweile wegen wohl eine Parthie zu einer Krone spielen.

Diese Erklärung war dem Glücksritter sehr angenehm, denn sie bestärkte ihn in seiner Meinung von dem Fremden, den er, eh' er um ein Bedeutenderes mit ihm spielte, gern erst ganz sondiren wollte. Die Parthie ward sonach angenommen; Gauntlet zog den Rock aus und begann mit großer Hitze zu spielen. Er gewann die erste Parthie, denn sein Gegner verbarg absichtlich seine Geschicklichkeit, um ihn dadurch zur Wagung einer höheren Summe zu reizen. Mit Vorsatz ging der junge Krieger auf die Sache ein; der Satz ward verdoppelt und Gauntlet siegte nochmals durch Zulassung seines Gegners, der jedoch nun zu gähnen begann und die Bemerkung machte: es sey nicht der Mühe werth einer solchen Lumperei wegen weiter zu spielen. Jetzt schwor Gauntlet, er wolle um zwanzig Guineen spielen. Dieser Vorschlag ward angenommen und der Glücksritter gewann das Geld, da Geoffry, aus Furcht, seine Gegner möchte, wenn er wieder siege, es ablehnen, weiter zu spielen, mit Willen einige Fehler machte, während der andere jetzt seine ganze Geschicklichkeit aufbot.

Als der Officier solchergestalt überwunden war, schien er aber ganz außer sich zu gerathen; er verfluchte sein Unglück und schwor, daß die Tafel nach einer Seite zu hinge und die Bälle falsch liefen; dabei wechselte er die Queues und forderte seinen Gegner mit Hitze auf, die Summe zu verdoppeln. Zum Schein sträubte sich der Spieler, endlich willigte er ein; als Gauntlet nun jedoch die beiden ersten Bälle gemacht hatte, erbot er sich, hundert Guineen gegen funfzig auf die Parthie zu setzen.

Auch diese Wette ward eingegangen, und Geoffry, der sich abermals mit Fleiß überwinden ließ, begann nun wie ein Rasender zu toben. Er zerbrach seinen Queue, warf die Bälle zum Fenster hinaus und forderte den Andern auf, sich den nächsten Tag, wenn er sich von den Beschwerden der Reise würde erholt haben, wieder hier einzustellen. Dies war für den Spieler eine sehr willkommene Einladung, denn er bildete sich nun ganz fest ein, an dem Officier eine einträgliche Beute gefunden zu haben. Mit Vergnügen versicherte er ihm daher, er würde sich den Vormittag einstellen und ihm Revanche geben.

Mit der völligen Ueberzeugung, Jenem überlegen zu seyn, ging Gauntlet jetzt nach Hause und besprach mit Peregrine die Maßregeln, die sie nun noch zur Ausführung ihres Plans zu nehmen hatten; der Spieler unterrichtete unterdessen die Bande von seinem glücklichen Erfolg, und seine Herren Collegen beschlossen hierauf, bei der Entscheidung des Spiels gegenwärtig zu seyn, um die Hitze des Fremden gleichfalls zu benutzen.

Nachdem solchergestalt von beiden Seiten alle Maßregeln getroffen worden waren, fanden sich die Spieler verabredetermaßen ein und das Zimmer füllte sich sogleich mit Zuschauern, die theils Zufall, theils Neugierde, theils Absicht herbeiführte. Auf jeder Seite wurden hundert Pfund gesetzt; die beiden Hauptpersonen wählten sich ihre Werkzeuge und legten die Röcke ab. Einer von den Rittern des saubern Ordens erbot sich, noch hundert Pfund auf die Hand seines Verbündeten zu halten, und Geoffry nahm den Vorschlag sogleich an; ein zweiter Ehrenmann von derselbe Klasse forderte ihn nun, da er ihn so bereitwillig sah, auf, die Stimme zu verdreifachen; auch dies ward, zum größten Erstaunen der Gesellschaft, deren Erwartungen jetzt auf das Aeußerste stiegen, angenommen.

Endlich begann das Spiel und Gauntlet verlor den ersten Ball; nun boten die Verbündeten mit lauter Stimme Wetten an, doch hatte Niemand Lust, sich eines gänzlich Unbekannten willen in ein solches Wagniß einzulassen; aber jetzt machte der Gauner den zweiten Ball und nun ward man nicht allein von Seiten der Bande, sondern auch von Seiten aller Zuschauer ganz außerordentlich laut und erbot sich, zwei gegen eins wider Emiliens Bruder zu setzen.

Als Peregrine, der ebenfalls zugegen war, hieraus merkte, daß die Begierde der Bande hinreichend angefacht war, trat er nun plötzlich vor und hielt ihre Wetten bis auf zwölfhundert Pfund, welche Summe denn auch sogleich in baarem Geld und Zetteln niedergelegt ward, so daß dies vielleicht das wichtigste Spiel war, welches je auf einem Billard vorfiel.

Sobald Gauntlet diese Wette in Richtigkeit sah, machte er nun den Ball seines Gegners, so sicher derselbe auch zu stehen schien. Dieser Vorfall brachte die Wettenden etwas außer Fassung, doch trösteten sie sich damit, es könne wohl ein bloßer Zufall gewesen seyn; als der Krieger jedoch beim nächsten Stoß den Ball sprengte, da verzogen sich ihre Gesichter gewaltig und mit ängstlicher Ungewißheit blickten sie um sich her; als nun aber vollends Geoffry wieder einen Ball mit unendlicher Leichtigkeit machte, da entfärbten sich ihre Wangen und der Ausruf: »Alle Teufel!« erscholl sogleich aus jedem Munde.

Schrecken und Erstaunen hatte sie überwältigt, als sie so hinter einander drei Bälle gegen einen so gewandten Spieler, wie ihr Freund es war, gewinnen sahen, und sie kamen nun auf die Vermuthung, die ganze Sache möchte wohl ein zu ihrem Untergange abgekarteter Plan seyn. Sie suchten deshalb jetzt dadurch das Blatt zu wenden, daß sie Wetten auf Gauntlets Hand anboten; aber die Meinung der Anwesenden hatte sich durch den glücklichen Erfolg von diesem seinem Spiele so geändert, daß Niemand sich mehr mit der Sache seines Gegners einzulassen Belieben trug. Zwar verbesserte der Letztere sein Spiel durch einen glücklichen Stoß und verringerte dadurch die Angst seiner Anhänger, doch hatte dieser Glücksschimmer keine lange Dauer, denn Geoffry nahm alle seine Kunst und Geschicklichkeit zusammen und machte abermals des Gegners Ball, so daß er nun zehn Points hatte; dann hielt er einen Augenblick inne und weidete sich an dem Anblick der bestürzten Brüderschaft.

In der That hatten die Gesichter dieser Herren bei jedem Ball, den Gauntlet machte, die Farbe gewechselt. Zuerst war ihr natürlicher Teint ins Fahle gefallen, vom Fahlen war er zur Todtenblässe, von dieser zum Gelben und endlich ins Mahagonyfarbene übergegangen: jetzt aber, da von einem einzigen Stoße siebzehnhundert Pfund ihres Capitals abhingen, standen sie wie schwarzbraune Mohren da, die vor Schreck und Angst gelbsüchtig geworden sind. Das Feuer, das sonst auf den Wangen und der Nase von Gauntlets Gegenpart glühte, schien gänzlich erloschen zu seyn und die Finnen seinen Gesichts sahen so gelbbraun aus, als wenn der Krebs bereits in seinem Antlitze um sich gefressen hätte. Seine Hand begann zu zittern und seine Kniee dermaßen zu schlottern, daß er sich genöthigt sah, ein Glas Liqueur hinter zu stürzen, um seine Nerven nur einigermaßen wieder zur Ruhe zu bringen; aber dies Mittel hatte nicht die gewünschte Wirkung; er stieß mit solcher Verwirrung auf den ausgesetzten Ball, daß der seinige falsch anschlug und sich ins Mittelloch verlief.

Dieser unglückliche Zufall bewirkte jetzt ein solches Aechzen, als wenn das ganze Weltall zusammenstürzen wollte, und trotz der Gelassenheit, die man sonst an den Spielern rühmt, machte dieser Verlust einen so großen Eindruck auf sie, daß es ihnen unmöglich war, ihren Schmerz zu verbergen. Der Eine verdrehte die Augen und zerbiß sich die Unterlippe; ein Anderer lief wie unsinnig im Zimmer hin und her und kaute an den Nägeln; ein Dritter stieß die ungeheuersten Gotteslästerungen und Verwünschungen aus; der aber, welcher mit Gauntlet gespielt hatte, schlich mit den Zähnen knirschend davon, und indem er zur Thüre hinausging, rief er unwillkührlich mit einem nicht zu beschreibenden Blick aus: »Gott verdamm' mich! das heißt ein Schneller!« Die Sieger höhnten sie indeß noch mit der Frage: ob ihnen vielleicht noch eine Parthie gefällig sey? Dann trugen sie aber mit dem Schein der größten Kaltblütigkeit ihren Gewinnst fort; auch ward ihr Herz dabei von inniger Freude bewegt, nicht sowohl über die gemachte Beute, als weil sie hierdurch ein schändliches Ungeziefernest vertilgt hatten.

Peregrine glaubte jetzt eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben, seinem Freunde dienen zu können, ohne dessen Zartsinn zu beleidigen; daher sprach er zu ihm, sowie sie in ihre Wohnung kamen: er freue sich, daß ihn das Glück endlich in den Stand gesetzt habe, mittelst dieses Gewinns einigermaßen unabhängig leben oder sich wenigstens durch Erkaufung einer Compagnie eine behaglichere Lage verschaffen zu können. Mit diesen Worten schob er dem Freunde den Theil von dem Gewinne hin, der diesem zukam, und versprach ihm dabei, seinetwegen an einen vornehmen Herrn zu schreiben, der Ansehn genug besäße, eine so schnelle Diensterhöhung durchzusetzen.

Aber Geoffry dankte nicht allein für dies Anerbieten, sondern schlug es auch geradezu ab, etwas von dem Gewinnst anzunehmen, der, wie er meinte, Peregrine allein zukomme; ja, er war nicht einmal dazu zu bewegen, auch nur soviel als ein Darlehen anzunehmen, um sich eine Compagnie kaufen zu können, sondern äußerte vielmehr genug Vertrauen in die künftige Anwendung seinen Talents, das mit einem so guten Anfang gesegnet worden war, um sich hierdurch selbst gelegentlich das Benöthigte zu verschaffen.

Da Peregrine ihn so taub gegen seinen eigenen Vortheil fand, so beschloß er, sich bei seinen ferneren freundschaftlichen Bemühungen nach diesem Zartsinn seines Freundes zu richten und machte nun von den Früchten seines Spielglücks ein bedeutendes Geschenk an das Hospital, zweihundert Pfund wandte er jedoch dazu an, um für Miß Emilie sehr schöne diamantene Ohrringe und einen Solitär zu kaufen.


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