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CIV.

Peregrine schreibt gegen den Minister, der seine Verhaftung bewirkt, worauf er sich selbst in das Gefängniß abliefert.

Lady V. empfahl sich endlich, nachdem unser Held ihr noch das Versprechen gegeben hatte, ihr nächstens in ihrem Hotel seine Aufwartung zu machen, hierauf ging er aber wieder mit großem Fleiß an seine Arbeit, die in nichts Anderem als einer sehr ausführlichen Darstellung des Betragens des Ministers gegen ihn und in einer Auseinandersetzung der schlechten Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten dieses Staatsmannes bestand. Als er aber hiermit fertig war, sandte er den Aufsatz an den Herausgeber eines Wochenblattes von der Opposition und wenige Tage darauf erschien auch schon das Ganze in jenem Blatte in Druck, begleitet von einer Anmerkung des Herausgebers, in welcher derselbe den Verfasser ersuchte, ihm fernere Beiträge zu liefern.

Der Aufsatz war mit so viel Scharfsinn und Kenntniß der Verhältnisse geschrieben, daß er schnell die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zog und dem Blatte, in welchem er erschienen war, einen bedeutenden Ruf erwarb. Se. Herrlichkeit gehörten übrigens nicht zu den Letzten, denen diese Schrift in die Hände fiel und trotz der gepriesenen Mäßigung, fühlten sich dieselben doch so erzürnt über diese ihnen ungemüthliche Bekanntmachung, daß sie sogleich ihre Spürhunde ausschickten, um den Verfasser zu entdecken. Mittelst Bestechung des Druckers gelang dies auch bald; der Minister bekam das Manuscript in die Hand und erkannte nun durch Vergleichung die Handschrift unseres Helden. Hätte Sir Steady früher gewußt, daß Peregrine so viel Talent zur Persiflage und beißenden Declamation besaß, so würde er ihm vielleicht niemals Ursache zum Mißvergnügen gegeben, sondern vielmehr gesucht haben, sich seiner zur Rechtfertigung einiger ministeriellen Maßregeln zu bedienen, ja er würde ihn möglicher Weise auch jetzt noch wie manche andere Schriftsteller behandelt haben, die er sehr geschickt von der Oppositionsparthei abzuziehen wußte; wenn ihn nicht die Heftigkeit dieses Angriffs zu sehr zur Rache entflammt hätte; so aber gab er seiner Creatur, dem Obersteuereinnehmer, der die Verschreibung von Picklen in Händen hatte, einen Wink und als Peregrine an einem der nächsten Tage in einem Caffeehause saß und eben im Kreise mehrerer Bekannten mit großer Beredtsamkeit über die Gebrechen der Staatsverwaltung loszog, da trat ein Gerichtsdiener mit fünf bis sechs dienstbaren Geistern auf ihn zu und verkündete ihm, daß er auf Ansuchen des Master Ravage Gleaner einen Verhaftsbefehl wegen zwölfhundert Pfund wider ihn habe.

Die ganze Gesellschaft erstaunte nicht wenig über diese Anrede und Pickle selbst kam außer Fassung; dennoch begrüßte er den Sprecher, gleichsam aus Instinkt, mit seinem Rohre quer über den Kopf, aber alsbald umringte ihn nun die Schaar der Anderen und schleppte ihn auf die schimpflichste Art fort in eine nahe gelegene Taverne. Keiner seiner Freunde schlug sich dabei für ihn ins Mittel, keiner besuchte ihn während seiner Haft oder kam ihm mit Rath oder That zu Hülfe: es waren Caffeehausfreunde, Maulfreunde, die sich beim Nahen des Unglücks zurückzogen.

Der Vorfall schmerzte Peregrinen aber um so mehr, je unerwarteter er ihm kam, denn wirklich hatte er die Schuld rein vergessen. Vorzüglich war sein Unwille jedoch jetzt gegen den Gerichtsdiener gerichtet, der seine Pflicht auf eine so wenig schonende Art ausgeübt hatte, und der erste Gebrauch, den er von seiner Besinnung in dem Hause, wohin man ihn gebracht, machte, bestand darin, daß er diesen Menschen für sein übermüthiges und unschickliches Benehmen züchtigte. Diese Arbeit mußte er jedoch mit bloßen Händen verrichteten, da man alle andere Waffen klüglich über Seite geschafft hatte. Der Uebelthäter ertrug die Zurechtweisung indeß mit erstaunlicher Geduld und Resignation und betheuerte, indem er demüthig um Verzeihung bat: es sey ihm nie eingefallen, einen Gentleman unehrerbietig behandeln zu wollen, doch habe man ihm ausdrücklich befohlen, Peregrine ohne alle Schonung, und wo er ihn zuerst fände, zu verhaften.

Diese Erklärung besänftigte unsern Helden etwas, aber indem er nun gleichsam aus dem Taumel der Leidenschaften erwachte, bemächtigte sich seiner das Gefühl der Schrecknisse seiner Lage. Der Glanz seiner Jugend war nunmehr dahin, alle seine Hoffnungen verwelkt und er sah sich zu jedem Elende der Gefangenschaft verdammt, ohne die mindeste Aussicht zur Befreiung zu haben, wenn nicht etwa sein Proceß gegen den Erben seines ehemaligen Gönners gewonnen würde; eine Sache, woran er die letzte Zeit daher schon sehr zu zweifeln begonnen hatte.

Was würde aber aus den Unglücklichen werden, wenn nicht ihre Gemüthsverfassung es ihnen erlaubte, gewissermaßen eine Leidenschaft der andern entgegenzustellen, die dann in der menschlichen Brust gleich verschiedenartigen Giften in der Arznei wirken, wo die Kraft des einen die des andern hebt. Die Niedergeschlagenheit Peregrinens war grenzenlos, bis ihm endlich der Trost, den die Hoffnung auf Rache zu geben vermag, wieder aufrichtete, und wirklich sah er nun, so lange dieses Gefühl die Oberherrschaft bei ihm behielt, alles Vorgefallene als Mittel und Weg zur Befriedigung desselben an.

»Wenn ich auch,« sprach er zu sich selbst, »so lange ich lebe, im Kerker bleiben, wenn ich auch allen meinen Hoffnungen entsagen muß, so will ich mir doch wenigstens das Vergnügen verschaffen, so mit meinen Ketten zu klirren, daß mein Gegner keinen Augenblick Ruhe genießen soll. Von der Welt getrennt werde ich von aller Thorheit und Undankbarkeit derselben befreit und zugleich eines Aufwandes überhoben seyn, den ich nicht mehr zu erschwingen vermocht hätte. Ich werde wenig oder keine Versuchung fühlen, meine Zeit übel anzuwenden und so die beste Gelegenheit haben, mir meinen Unterhalt zu erwerben und meine Rache zu befriedigen. Ja, ein Kerker ist die beste Tonne, wohin sich ein cynischer Philosoph zurückzuziehen vermag.«

In Folge dieser Betrachtung schrieb er an Crabtree einen Brief, in welchem er demselben seinen Unfall und zugleich seinen Entschluß meldete, sich selbst in das Gefängniß der königlichen Bank zu Southwark, oder das sogenannte Fleet zu begeben. Dabei bat er seinen Freund, ihm einen verständigen Advocaten zu senden, der ihm Anleitung geben könne, wie er sich zur Ausführung dieser Maßregel zu benehmen habe.

So wie Crabtree diese Zeilen gelesen hatte, ging er sogleich zu einem Rechtsgelehrten, mit dem er sich alsdann nach dem Hause des Gerichtsdieners begab, wohin sich Peregrine einstweilen hatte bringen lassen. Unter Anleitung dieses Rathgebers ward unser Held nun vor den Richter geführt, und nachdem hier der gerichtliche Befehl in Bezug auf die Habeas-Corpus-Acte ausgewirkt worden war, wurde er von jenem Manne in das Fleet gebracht und dem Aufseher desselben überantwortet.

Hier führte man ihn in ein kleines Zimmer, wo er sich eine halbe Stunde lang mußte gefallen lassen, sich von allen Stockmeistern und Thürstehern auf das Genaueste besichtigen zu lassen, damit sie ihn beim ersten Blick wieder zu erkennen im Stande wären; dann brachte man ihn nach der sogenannten Herrenseite, ein Vorrecht, für welches er ein Ansehnliches entrichten mußte.

Diese Herrenseite ist ein großes, weitläufiges Gebäude, das eine Menge Wohnungen zur Bequemlichkeit der Gefangenen enthält; die dafür wöchentlich eine nicht unbeträchtliche Summe zu bezahlen haben. Der Ort gleicht ziemlich einer kleinen Stadt, die von aller Gemeinschaft mit andern Orten abgesondert ist, nach eigenen Gesetzen regiert wird und zu Nutz und Frommen ihrer Bewohner mit allen erforderlichen Bedürfnissen versehen ist. Man findet daselbst ein Caffeehaus, in welchem alle möglichen Getränke zu haben sind, desgleichen ein Speisehaus, wo man um einen billigen Preis sich beköstigen lassen kann, und auch an Dienern fehlt es nicht, die ohne besondere Bezahlung verbunden sind, Wege für die Gefangenen zu gehen. Ein freier, an das Gebäude stoßender und mit einer hohen Mauer umgebener Platz verschafft den Gefangenen Gelegenheit, sich Bewegung machen und sich hier durch Ballschlagen, Kegelschieben etc. belustigen zu können.

Als Peregrine jetzt das Bürgerrecht in dieser Gemeinde erlangt hatte, sah er sich nun auf einmal unter einer Masse von ihm völlig fremden Menschen, deren Ansehen ihn nicht sonderlich für dieselben einnahm. Seine erste Sorge war, mit Crabtree überall umherzugehen, um sich umzusehen, dann begab er sich aber mit demselben nach dem Caffeehause, um hier weitere Nachrichten über die Gebräuche des Ortes einzuziehen. Noch war er dieserhalb mit dem Wirth im Gespräch, da trat ein Fremder in Priesterkleidung zu ihm und fragte ihn sehr höflich: ob er erst neu angekommen sey? und da diese Frage mit: Ja beantwortet wurde, so bewillkommte der Fremde nun die Gesellschaft und übernahm es mit vieler Zuvorkommenheit, Peregrine mit den Einrichtungen dieses Ortes bekannt zu machen; zugleich gab er aber auch unserm Helden zu verstehen, seine erste Sorge müsse jetzt seyn, sich eine Wohnung zu verschaffen.

»Eine bestimmte Anzahl Zimmer,« fuhr er fort, »werden hier zu einem und demselben Preise vermiethet, einige davon sind jedoch besser als die andern, und wenn die Besetzer dieser besseren abgehen, so haben diejenigen, welche schon länger hier waren, das Vorrecht, sie vor allen Anderen, mögen diese auch noch so vornehme seyn, beziehen zu können.« Zu Zeiten, wenn das Fleet sehr voll wäre, würde zwei Personen nur eine Stube eingeräumt, doch betrachte man dies nicht als eine große Unbequemlichkeit, da es immer genug Männer gäbe, die so galant wären, gern mit den Frauenzimmern ihre Wohnung zu theilen, doch habe es auch schon Perioden gegeben, wo dieses Auskunftsmittel nicht mehr hingereicht hätte und wo aus Mangel an Platz eine Menge Personen ihre Wohnung in Mount-Scundrel hätten aufschlagen müssen, welches eine Reihe schlechter Zimmer sey, wo Alles bunt durcheinander in Unflath und unter Ungeziefer liegen müsse, bis diese armen Leute dann endlich auch an die Reihe kämen, ordentliche Zimmer zu erhalten.

Als Peregrine die Beschreibung dieses Ortes hörte, ward ihm wegen seines Unterkommens bange, der Geistliche aber, welcher seine Aengstlichkeit wahrnahm, führte ihn nun zu dem Aufseher des Gefängnisses, der ihm gegen eine halbe Krone wöchentlich ein elendes Stübchen einräumte. Hierauf sagte ihm sein Führer noch, daß man an diesem Orte ganz nach Belieben entweder allein oder an table d'Hôte speisen könne und rieth ihm dabei, das Letztere als das Anständigste zu wählen, indem er sich zugleich erbot, ihn in die beste Gesellschaft im Fleet einzuführen.

Peregrine bedankte sich bei dem gefälligen Manne für diese Höflichkeit, versprach sich nach dessen Rathe zu richten und bat ihn: den Abend bei ihm auf seinem Zimmer zuzubringen; dann schloß er sich aber mit Crabtree ein, um sich mit diesem über seine zerrütteten Angelegenheiten zu besprechen. Von seinem ganzen so ansehnlichen Vermögen, war ihm jetzt nichts mehr übrig, als seine nicht besonders prächtige Garderobe, etwa dreißig Guineen baar Geld und das Castell, welches ihm der Cyniker rieth zu verkaufen, um seinen jetzigen Unterhalt bestreiten zu können. Diesen Rath verwarf Peregrine jedoch, theils weil er dem Lieutenant den Nießbrauch jenes Grundstücks auf Lebenszeit versprochen hatte, theils aber auch, weil er dasselbe als Andenken an die Großmuth des Commodore zu behalten wünschte: er beschloß daher, die begonnene Uebersetzung zu vollenden und sich durch diese und andere dergleichen Arbeiten den Unterhalt zu erwerben. Dann bat er Crabtree, die Aufsicht über sein bewegliches Habe zu übernehmen und ihm die für seine Gefangenschaft nöthigen Kleider und Wäsche zu besorgen.

Nichts ging im Ganzen Peregrinen mehr zu Herzen, als sein treuer Pipes, den er ferner nicht mehr im Dienst behalten konnte; zwar wußte er wohl, daß sich derselbe bei ihm sein nothdürftiges Auskommen gesammelt hatte und dieser Gedanke beruhigte ihn etwas, doch hob er nicht ganz den Schmerz, einen so treuen Diener, der ihm gewissermaßen so unentbehrlich geworden war, wie ein Glied seines Körpers, von sich weisen zu sollen, um so mehr, da sich derselbe auch so an ihn gewöhnt hatte, daß es ihm selbst gewiß sehr schwer werden mußte, von ihm zu scheiden.

Crabtree erbot sich zwar, um Peregrine zu beruhigen, Pipes statt seines bisherigen Dieners in Dienste zu nehmen, doch machte er dabei die Bemerkung, unser Held habe den alten Burschen eigentlich ganz und gar verdorben; allein Peregrine fand es nicht für gut, dem Cyniker eine solche Last aufzubürden, denn er wußte, daß dessen jetziger Bedienter alle Sonderbarkeiten des alten Knaben kannte und daß Pipes diese weder studiren, noch sich darein finden würde. Er beschloß demnach, den Bootsmann zu dessen altem Schiffscameraden Hatchway, mit dem Pipes die erste Hälfte seiner Lebenszeit zugebracht hatte, zurückzusenden.

Nachdem diese Angelegenheiten in Ordnung gebracht waren, begaben sich die beiden Freunde wieder nach dem Caffeehause, um sich hier nach dem Rufe und dem Charakter des dienstfertigen Geistlichen zu erkundigen. Sie erfuhren hier, er sey ein Pfarrer, der sich den Unwillen seines Bischofs zugezogen habe und da er nicht Ansehn genug besessen, der Macht seines Gegners zu widerstehen, endlich durch seinen hartnäckigen Widerstand hierher ins Gefängniß gekommen sey; inzwischen genieße er hier ein recht hübsches Einkommen, welches er sich durch Ausübung nicht vorschriftsmäßiger Amtsverrichtungen erwürbe, womit er sich hauptsächlich seinen nothleidenden Mitmenschen verbinde.

Kaum hatten sie diese Nachrichten eingezogen, so trat der Priester, der genommenen Abrede gemäß, ins Zimmer und Peregrine bestellte nun Wein und Abendessen auf seine Stube, wohin sich dann alle Drei begaben. Als es später ward, entfernte sich Crabtree, die beiden Gefangenen brachten aber den Abend vollends gesellig mit einander zu und der Geistliche unterhielt nun seinen Mitgefangenen mit der geheimen Geschichte dieses Ortes, die einige merkwürdige Züge und Anekdoten enthielt.

»Der Mensch,« sagte er unter Anderm, »welcher uns bei Tische aufwartete und dabei immer sich so demüthig verbeugte, und mit nichts als Ew. Gnaden und Ew. Herrlichkeit um sich warf, war noch vor wenigen Jahren Hauptmann unter der Leibwache; nachdem er aber seinen Weg in der großen Welt gemacht, ist er von Stufe zu Stufe, von dem Stutzer, der im modischen Frack, einen Diener hinter sich und ein Mädchen am Arme, im Fleet herumspaziert, bis zum Aufwärter herabgesunken; ein Amt, worin er sich jetzt glücklich zur Ruhe gesetzt hat.«

»Kommen Sie in die Küche, dann werden Sie daselbst einen ehemaligen Elegant antreffen, der sich in einen Bratenwender verwandelt hat; wir haben hier einige Holzhauer und Wasserträger, die einst eigene Forsten und fischbare Seen besaßen, aber trotz dieses kläglichen Umschwunges des Glücks sind diese Menschen nichts weniger als Gegenstände der Achtung oder des Mitleids; denn ihre jetzige Lage ist bloß die Folge eines früheren lasterhaften Lebens und sie selbst ganz fühllos gegen ihr Elend.«

»Dagegen versagt man denen von unseren Leidensgenossen, die durch unverschuldetes Unglück oder jugendlichen Leichtsinn in Dürftigkeit geriethen, den brüderlichen Beistand nicht, falls sie sich nur anständig betragen und Gefühl für ihre Lage zeigen; auch fehlt es uns hier nicht an Macht, Ausgelassene zu züchtigen, wenn sie sich den Gesetzen dieses Ortes nicht unterwerfen wollen, und durch Unordnungen und Gewaltthätigkeiten die Ruhe der Gesellschaft stören. Die Gerechtigkeit wird hier von einem Billigkeitsgerichte ausgeübt, das aus einer erlesenen Zahl achtbarer Personen besteht, die alle Uebertreter mit gleicher Entschlossenheit bestrafen, wenn dieselben des angeschuldigten Verbrechens überführt worden sind.«

Nachdem der Geistliche unsern Freund auf diese Art mit der inneren Einrichtung dieses Ortes sowohl, als der Veranlassung zu seiner Verhaftung bekannt gemacht hatte, bezeigte er sein Verlangen, auch einiges Nähere über Pickle zu hören und dieser stand um so weniger an, diesen Wunsch zu befriedigen, da er sich dem Manne für die ihm bewiesene Artigkeit verbunden glaubte. Die Darstellung seiner Schicksale trug aber noch mehr dazu bei, den Geistlichen für sich einzunehmen, der sich jetzt ein doppeltes Vergnügen daraus machte, einen Mann, der eine so ansehnliche Rolle in der Welt gespielt hatte, in den Club einzuführen, von welchem er selbst ein Mitglied war. Nach Beendigung ihrer gegenseitigen Eröffnungen ließ er aber Peregrine allein, damit er ruhen, oder, richtiger gesagt, ernste Betrachtungen über sein Loos anstellen könnte, wozu es demselben bisher noch immer an Zeit gemangelt hatte.

Wirklich brachte Peregrine auch eine ziemlich schlaflose Nacht zu, am Morgen aber weckte ihn Pipes, der ihm auf Crabtree's Befehl einen Mantelsack mit Kleidungsstücken brachte, denselben auf den Fußboden hinlegte, dann ganz ruhig und ohne auch nur die geringste Theilnahme zu zeigen, Platz nahm und sich den Mund mit Tabak vollstopfte.

Nach einer Pause, die der Bootsmann keineswegs zu unterbrechen Miene machte, begann Peregrine endlich: »Ihr seht, wohin ich mich selbst gebracht habe.« – »Hm,« erwiederte der Andere, »wenn's Gefäß auf dem Strande festsitzt, da hilft aller weitere Schnak nicht. Man muß Hand anlegen thun und es fortzubugisren suchen, wenn's möglich ist, und wenn's nicht anders ist und die Masten vergebens gekappt worden sind, dann muß man ruhig darauf warten, bis ein frischer Windstoß oder die Fluth es wieder flott macht.... Hier sind zweihundert und zehn Pfund richtig gezählt in diesem Beutel von Segeltuch, und hier auf dem Wisch Papier..... Ne, alle Hagel! das ist ja mein Freizettel vom Kirchspiele wegen der Moll Trundle..... Da, da ist der rechte..... eine Anweisung von dreißig Pfund auf den Kerl da in der City, und zwei Zettel auf fünfundzwanzig und auf achtzehn Pfund. Sehen Sie, die gab ich dem Samuel Studding, um eine Ladung Rum zu kaufen, als er die Flagge des Commodores zu St. Catharine aufstecken that.«

Mit diesen Worten breitete er sein ganzes Vermögen auf dem Tische vor Peregrinen aus, der durch diesen neuen Beweis von Anhänglichkeit nicht wenig ergriffen ward und ihm seine Zufriedenheit darüber bezeigte, daß er so haushälterisch gewesen; dann zahlte er ihm aber seinen Lohn bis auf diesen Tag aus und sagte ihm dabei: er möchte sich, da er keinen Bedienten mehr brauche, nach dem Castell zu Hatchway begeben, der ihn liebreich aufnehmen würde.

Diese unerwartete Nachricht erschütterte den alten Seemann so, daß er blaß wurde. Er versetzte: er verlange weder Lohn noch Kost, sondern einzig nur, ihm auch ferner aufwarten zu dürfen und er würde nicht eher nach dem Castell steuern, bis sein Herr all' den Plunder da an Bord genommen habe. Dies schlug dieser jedoch standhaft mit der Bemerkung aus, daß er nicht einen Farthing davon nehmen würde und befahl ihm dann, das Geld wieder einzustecken; ein Gebot, wodurch sich Pipes aber so gekränkt fühlte, daß er die Zettel vor Aerger zusammenknitterte und sammt dem Beutel ins Feuer geworfen haben würde, wenn ihn nicht Peregrine davon abgehalten und dadurch zu beruhigen gesucht hätte, daß er ihm versprach, ihn beim ersten günstigen Glückswechsel wieder in seine Dienste zu nehmen, doch müsse er sich jetzt auch ungesäumt zu dem Lieutenant begeben und dort in Ruhe diesen Zeitpunkt abwarten. Dabei gab er ihm noch zu verstehen, daß er selbst bis diesen Augenblick noch kein Geld bedürfe, und befahl ihm wiederholt, bei Strafe seines Zornes, seine Baarschaft zu sich zu nehmen.

Durch alle diese Gebote sehr gekränkt, antwortete Pipes nichts weiter, sondern entfernte sich mit seinem Gelde mit einer Miene von Traurigkeit, wie man sie noch nie an ihm bemerkte. Pickle aber hatte die größte Mühe, seine Rührung zu bezwingen, so lange Pipes noch da war; nachdem sich dieser aber entfernt hatte, brach er in Thränen aus.

Um sich wo möglich zu zerstreuen, zog er sich schnell an, wobei ihm ein Mensch, der früher ein wohlhabender Krämer in der City gewesen war und jetzt den Aufwärter hier machte, half; dann ging er auf das Caffeehaus, um zu frühstücken. Hier traf er den Geistlichen und einige andere Personen von gutem Ansehen, mit denen ihn der Erstere als einen neuen Tischgenossen bekannt machte und die mit ihm den Nachmittag an einen Ort gingen, wo sie zusammen zum Zeitvertreibe Kegel spielten; um ein Uhr hielt aber der Gerichtshof Verhör über zwei Personen, welche die Gesetze der Rechtschaffenheit und guten Ordnung verletzt hatten.

Der Erste, welcher vor den Schranken erschien, war ein Anwald, den man beschuldigte, einem Gentleman das Schnupftuch aus der Tasche gezogen zu haben. Nachdem das Factum unwiderleglich erwiesen war, fällte man die Sentenz, daß der Verbrecher an einen Brunnen geführt und ihm hier ein tüchtiges Sturzbad gegeben werden sollte; eine Sache, die auch augenblicklich vollzogen ward.

Hierauf kam der Zweite an die Reihe; dies war ein Lieutenant von der Marine, der sich mit einem Frauenzimmer mehrere Unanständigkeiten erlaubt, und sich mit höhnischen Bemerkungen geweigert hatte, vor dem Gerichtshofe zu erscheinen und, als man ihn durch die Constables holen ließ, sich thätlich widersetzt hatte. Diese Gewaltthat vergrößerte aber jetzt sein Vergehen so sehr, daß der Gerichtshof sich nicht getraute, die Sache allein zu entscheiden, sondern sie an den Oberaufseher des Gefängnisses wies, welcher nun, kraft seiner unumschränkten Macht, den Friedensstörer zu fesseln und in den sogenannten Gehorsam zu bringen gebot, einen abscheulichen Kerker am Wassergraben, der reichlich mit Kröten und Ungeziefer versehen und jedem Strahle des Lichts unzugänglich ist.

Nach diesen Acten der Gerechtigkeit begab sich Peregrine mit seinen Gesellschaftern auf das Caffeehaus an die table d'Hôte. Seine Mitgäste bestanden, wie er hier erfuhr, aus einem Officier, ein paar Assecuranten, einigen Projectenmachern, einem Alchimisten, einem Advocaten, ein paar Dichtern, einem Baronet und einem Ritter des Bathordens. Das Essen war nicht kostbar aber gut, der Wein leidlich, und die Gesellschaft so heiter, als wenn Noth und Elend hier gänzlich fremd wäre, und dies machte denn, daß unser Held bald Behagen an seinen Mitgenossen fand und sich mit der ihm eigenen Munterkeit in ihre Gespräche mischte.

Nach Beendigung der Mahlzeit und nachdem man die Rechnung bezahlt, einige von den Anwesenden aber sich theils zu einer Parthie hingesetzt, theils einen andern Zeitvertreib ausgesucht hatten, kamen die Anderen, und unter diesen Peregrine, überein, den Nachmittag bei einer Bowle Punsch unter Gesprächen zuzubringen. Dies geschah und die Zeit verstrich ihnen sehr gesellig in Unterredungen über verschiedene Materien, wobei denn auch manche hübsche Anekdote, die sie selbst betraf, mit vorkam. Keiner von den Anwesenden trug dabei Bedenken, die Schuld einzugestehen, um derentwillen er hier verhaftet war, wenn dieselbe nicht etwa eine zu große Kleinigkeit betrug: im Gegentheil rühmten sie sich gern der Größe derselben, da dies zu erkennen gab, welche ansehnliche Rolle sie in der Welt gespielt hatten, und derjenige, der den Gerichtsdienern am öftersten auf eine schlaue Art zu entgehen gewußt, ward dabei als ein Mann von vorzüglicher Geschicklichkeit und Genie betrachtet.

In der Reihe dieser Begebenheiten zeichnete sich keine mehr aus, als die letzte Entweichung des Officiers. »Ich wurde,« erzählte er, »zu einer Zeit wegen zweihundert Pfund eingezogen, wo ich nicht so viel Farthings besaß. Man brachte mich in das Haus des Gerichtsdieners, woselbst ich vierzehn Tage blieb, während welcher ich nach Maßgabe, wie mein Credit abnahm, immer höher und höher rückte, so daß ich von der Putzstube im Erdgeschoß die Tour bis zum höchsten Dachkämmerchen machte. Hier hatte ich vollkommen Muße, meine weitere Verpflanzung nach Marshalsea zu überdenken, während unter Hunger und Kälte die Nacht heranrückte. Plötzlich hörte ich, daß sich ein mächtiger Sturm erhob, der die Ziegel von den Dächern warf und augenblicklich kam mir nun der Gedanke, das Unwetter zu benutzen, um unbemerkt aus dem Fenster meines Kämmerchens über die Dächer der benachbarten Häuser wegzuklettern und mir so meine Freiheit zu verschaffen.«

»Erfreut durch diese Hoffnung, untersuchte ich sogleich den Weg, fand aber zu meiner großen Kränkung das Fenster von Außen mit eisernen Stäben verwahrt. Diese Schwierigkeit schreckte mich jedoch nicht zurück, denn da ich auf meine Stärke baute, so glaubte ich mir ohne zu große Mühe einen Weg durch das schadhafte Dach selbst bahnen zu können. Um hierbei nicht gestört zu werden, verrammelte ich meine Thür von innen so gut als möglich mit den Mobilien des Gemachs, dann ging ich ans Werk und in wenigen Minuten war die Bahn offen. Ich kletterte nun auf das Dach, mein Unglück wollte jedoch, daß mir der Wind den Hut abwehte und ihn hinab in den Hof warf, wo sich gerade einer von den Gehülfen des Frohns befand, der nun sogleich seinen Meister davon unterrichtete, welcher hierauf, alsbald den Hergang ahnend, die Treppe hinauf nach meinem Kämmerchen eilte, die Thüre erstürmte und mir durch das Loch im Dache mit seinem Begleiter auf der von mir eingeschlagenen Fährte folgte.«

»Diese Jagd dauerte eine ganze Zeit zur augenscheinlichen Lebensgefahr von uns Dreien, als ich mich plötzlich in meinem Laufe durch ein Dachfenster aufgehalten fand, hinter welchem ich sieben Schneider wahrnahm, die an einem Tische bei ihrer Arbeit saßen. Ohne mich lange zu besinnen, stürzte ich mich mitten unter sie und ehe sie noch Zeit hatten, sich von ihrem Schreck über einen so unerwarteten Besuch zu erholen, erzählte ich ihnen schnell meine Lage, und wie ich keine Zeit zu verlieren habe. Einer dieser guten Leute verstand den Wink. Er führte mich die Treppe hinab und ließ mich auf die Straße. Während der Zeit kamen meine beiden Verfolger ebenfalls an die Bresche, die Cameraden meines Retters hielten ihnen aber hier ihre Scheren wie eine Reihe spanischer Reiter entgegen und nöthigten sie so zum Rückzuge. Der Gerichtsdiener mußte demnach wieder umkehren und da er mich hatte entwischen lassen, für meine Schuld einstehen; doch tröstete er sich mit der Hoffnung, mich gelegentlich wieder einzufangen. In dieser Erwartung täuschte ich ihn jedoch und hielt mich so gut versteckt, daß ich über den meiner Flucht wegen gegen mich erlassenen Verhaftsbefehl lachen konnte. Endlich bekam ich jedoch Ordre, mit dem Regimente außer Landes zu gehen; ich ließ mich daher in einem Sarge nach Gravesand bringen, woselbst ich mich nach Flandern einschiffte, da ich mich aber genöthigt sah, der Werbung wegen wieder zurückzukommen, so fischte man mich endlich dennoch weg und mein erster Fänger erhielt jetzt die Genugthuung, mich in Verwahrung zu halten; eine Sache, wodurch mein Aufenthalt hier wohl so lange festgesetzt seyn dürfte, bis das Parlament in seiner Weisheit es wieder einmal für gut finden wird, eine Acte zum Besten unvermögender Schuldner zu erlassen.«

Allgemein gestand man zu, daß das Glück des Hauptmanns der ächt militairischen Kühnheit seines Unternehmens gleich gewesen; doch bemerkte einer der Kaufleute, der Frohn müsse wenig Erfahrung gehabt haben, daß er einen so wichtigen Gefangenen an einen so schlecht verwahrten Ort habe bringen können. »Wären Sie,« sprach er, »einem so pfiffigen Buben in die Hände gefallen, wie der ist, der mich festnahm, so würde Ihnen das Entfernen nicht so leicht geworden seyn; denn die Art, wie man mich wegkaperte, ist vielleicht die außerordentlichste, deren man sich je bediente.«

»Sie müssen nämlich wissen, meine Herren,« fuhr er fort, »daß ich durch Assecurirung von Schiffen während des Krieges so große Verluste erlitt, daß ich mich genöthigt sah, die Zahlungen einzustellen, doch suchte ich, da mir noch immer einige Aussichten blieben, mir einen Handelszweig zu erhalten und vermied, mit meinen Gläubigern jetzt schon einen Vergleich zu treffen. Wie gewöhnlich empfing ich Waaren von auswärts in Commission und um nun nicht durch die Besuche von Gerichtsdienern gestört zu werden, ging ich nie aus und verwandelte das erste Stockwerk meines Hauses in eine Niederlage, indem ich die Waaren mittelst einer im Hause angebrachten Winde hinaufschaffen ließ.«

»Um mich aus meiner Verschanzung zu locken, bedienten sich jetzt die Spürhunde der Gerechtigkeit mancher List, wiewohl vergebens. Unzählige Male bekam ich Einladungen, mich wegen des Abschlusses eines Geschäfts nach irgend einer Revenue zu begeben; ein ander Mal forderte man mich auf, zu meiner angeblich im Todeskampfe liegenden Mutter auf das Land zu kommen; einen Abends kam eine rechtliche Frau vor meiner Hausthüre in Kindesnöthen, ein ander Mal entstand ein Geschrei wegen versuchten Mordes auf der Straße und wieder einmal hieß es: es sey Feuer nebenan. Da ich jedoch beständig auf meiner Hut war, so machte ich alle diese Versuche zu Schanden, bis endlich doch ein solcher durchtriebener Schuft, ohne Zweifel unter besonderem Beistande des Teufels, eine Schlinge ersann, in die ich fiel. Der Schelm erkundigte sich nämlich ganz genau nach allen Details meines Verkehrs und so erfuhr er, daß eine große Kiste Seidenzeug an mich angekommen sey. Sogleich ließ er sich nun eine ganz ähnliche Kiste machen, sie eben so signiren und legte sich in dieselbe. Auf diese Art ward er mit anderen Gütern vor meine Thüre gebracht und als ihn die Reihe traf, zu mir hinaufgewunden, der ich oben mit einem Hammer in der Hand dastand, um die ankommenden Kisten sogleich zu öffnen und ihren Inhalt mit den Facturen zu vergleichen. Denken Sie sich jetzt mein Erstaunen, als ich den Deckel wegreiße und mir der Gauner in die Augen fiel, der sich nun wie Lazarus aus dem Grabe erhob und mir die tröstliche Erklärung machte, wie er einen Haftbefehl wegen tausend Pfund gegen mich habe. Voll Grimm schlug ich mit dem Hammer nach seinem Kopfe, aber meine Bestürzung war so groß, daß ich ihn verfehlte und eh' ich den Streich noch zu wiederholen vermochte, sprang er mit außerordentlicher Behendigkeit auf mich zu und verrichtete sein Amt im Angesicht mehrerer zu diesem Zweck auf der Straße versammelten Zeugen, so daß ich mich ihm jetzt unmöglich entziehen konnte, ohne einen Verhaftsbefehl als gegen einen Entlaufenen, gegen mich ausgewirkt zu sehen, wo ich alsdann nirgends Schutz mehr erwarten konnte. Aber gewiß, hätte ich den Inhalt der Kiste gekannt, so würde ich meinen Leuten geboten haben, dieselbe so hoch hinaufzuziehen, als es nur möglich sey und dann wie von ungefähr den Strick zu zerschneiden.«

»Dies Mittel,« sprach der Ritter vom Bathorden, »würde sehr gut gewesen seyn, um den Patron in Zukunft von solchen gefährlichen Unternehmungen abzuhalten und zugleich wäre es ein heilsamer Wink für seine Collegen gewesen. Uebrigens erinnert mich Ihre Geschichte an den Streich, wodurch sich ein gewisser Tom Haccabout in Freiheit setzte. Es war dies ein wackerer Junge und ein alter Bekannter von mir, der sich durch seine Heldenthaten gegen die Häscher so in Respect gesetzt hatte, daß ein gewisser Herr, dem man in einem Schergenhause schlecht begegnet war, gleich nach seiner Befreiung eine von Haccabouts Schuldverschreibungen für fünf Schillinge kaufte, hierauf einen Verhaftsbefehl auswirkte und diesen nun jenem ungehobelten Gerichtsdiener zustellte, um ihn dadurch für die ihm erwiesene Beleidigung zu bestrafen. Nach fleißigem Umherspüren fand der Häscher auch Gelegenheit, den Befehl an dem Beklagten zu vollziehen; aber Haccabout schlug ihm ohne Umstände ein Bein entzwei und bearbeitete ihn dann so tüchtig, daß der Kerl besinnungslos auf dem Boden liegen blieb.«

»Durch diese und ähnliche Thaten machte er sich aber nach und nach so furchtbar, daß kein Gerichtsdiener allein sich mehr an ihn wagte und er nun frank und frei an allen öffentlichen Orten erscheinen konnte; endlich verbanden sich jedoch mehrere Häscher von Marshalsea und ihrer fünfe unternahmen es, ihn nahe am Strande beim Marktflecken Hungerford zu überfallen. Wie ergrimmte Tiger stürzten sie hier plötzlich auf ihn zu und hielten ihn so fest, daß er kein Glied mehr zu rühren vermochte; da er sich aber so übermannt sah, bat er, man möchte ihn nur sogleich ins Gefängniß bringen. Sie schleppten ihn demnach in ein Boot, als man sich aber mitten auf dem Wasser befand, sah sich Haccabout die Gelegenheit ab, das Fahrzeug wie von ungefähr umzustürzen. Jeder suchte sich nun durch Schwimmen zu retten, während Haccabout, ganz vertraut mit dem Element, an dem umgestürzten Kahn in die Höhe kletterte, sich auf dem Kiel desselben mit ausgespreiteten Beinen setzte und die Gerichtsdiener spottend ermahnte, ihr werthes Leben durch Schwimmen zu retten, da sonst keine Hülfe für sie sey.«

»Die Schiffer wurden bald von ihren Cameraden am Ufer aus dem Wasser geholt, den Häschern half jedoch Niemand, und im Gegentheil sah man mit Jubel, wie sie vergebens mit dem Elemente kämpften. Wirklich gingen auch zwei von den Fünfen zu Grunde und sahen die Sonne nicht mehr; die Anderen retteten sich nur mit Mühe, indem sie sich an das Ruder einer Mistbarke festhielten. Haccabout schwamm indessen mit großer Kaltblütigkeit der gegenüberliegenden Küste von Surry zu.«

»Jetzt wagte die ganze Bruderschaft nicht mehr, es mit ihm aufzunehmen, und alle Häscher zitterten schon, wenn sie nur seinen Namen hörten; allein eben dieser Ruf, den man für einen tief in Schulden steckenden Menschen höchst vortheilhaft erachten könnte, ward für ihn zur Unglücksquelle, denn kein Kaufmann wollte ihm nun mehr die geringste Kleinigkeit borgen, da Jeder voraussetzte, daß er durch den ordentlichen Lauf der Gesetze keine Entschädigung von ihm zu erlangen vermöchte.«

Das Mittel, wodurch Haccabout sich befreit hatte, ward von dem Pfarrer nicht gebilligt; er sah dasselbe als einen unchristlichen Versuch gegen das Leben Anderer an und meinte, es sey schon hinreichend, durch List den Gesetzen auszuweichen, ohne daß man noch Mordanschläge gegen die Diener derselben mache. »Was mich anlangt,« so sprach er, »so kann ich mit Wahrheit versichern, daß ich dem, der mich verhaftete, von ganzem Herzen verziehen habe, obschon die Art, wie er dies that, höchst schändlich und gottlos war.«

»Ich wurde nämlich eines Tages nach meiner Capelle gerufen, um daselbst ein Brautpaar einzusegnen. Meine Lage war damals so, daß ich mich vor einer Verhaftung in Acht zu nehmen hatte. Demnach besah ich mir den Menschen, der mir die Botschaft brachte, vorsichtig durch das Gitter, welches ich dieserhalb hatte anbringen lassen, eh' ich mich hinauswagte. Der Kerl hatte die Kleidung eines Matrosen und sah dabei so ehrlich aus, daß jeder Verdacht bei mir schwand; ich folgte ihm und begann meine Amtspflicht; aber kaum hatte ich die Trauformel zu Ende, da zog das vermeintliche Frauenzimmer ein Papier hervor und rief mir mit männlicher Stimme zu: ›Sir, Sie sind mein Gefangener; hier ist ein Verhaftsbefehl wegen fünfhundert Pfund.‹«

»Diese Erklärung wirkte wie ein Donnerschlag auf mich, jedoch nicht sowohl der Sache selbst wegen, als wegen der Ruchlosigkeit dieses Menschen, der eine so irdische Absicht unter dem Mantel der Religion versteckte und ohne Noth eine heilige Ceremonie schändete, da sein Zweck eigentlich schon erreicht war, eh' ich noch mein Amt begann; indeß verzeihe ich ihm doch, da er nicht wußte, was er that, und hoffe auch, daß Sie, Sir Sipple, eben so christlich gegen den Menschen denken werden, welcher Sie auf ähnliche Art hinterging.«

»Verdammt wäre der Schurke!« rief der Ritter. »Zum ewigen Feuer möchte ich ihn verurtheilen! Er hat mich auf die nichtswürdigste Art in einer Gesellschaft vom feinsten Tone beschimpft.«

Peregrine bezeigte seine Neugierde, das Nähere dieses Vorganges zu erfahren, und der Ritter erzählte nun: »Ich befand mich eines Abends in großer Gesellschaft bei einer Dame, als mir ein Bedienter meldete, es sey ein Herr in einer Sänfte, umgeben von mehreren Bedienten und Fackelträgern, gekommen, der den Wunsch hege, von mir eingeführt zu werden. Ich glaubte, es wäre einer von meinen vornehmen Freunden und ging hinab, ihn heraufzuführen. Hier erblickte ich einen Mann, den ich mich zwar nicht erinnern konnte, jemals gesehen zu haben, dessen Aufzug aber so prächtig war, daß ich nicht den geringsten Verdacht in Betreff seiner schöpfte. Mit einer sehr artigen Verbeugung sagte er mir, zwar habe er nicht das Glück, von mir persönlich gekannt zu seyn, doch hätte er sich nicht das Vergnügen versagen können, mir einen Brief von einem meiner vertrauteren Freunde selbst zu übergeben. Mit diesen Worten steckte er mir ein Papier in die Hand und kündigte mir dabei zugleich an, daß er einen Verhaftsbefehl wegen zehntausend Pfund auf mich habe und daß es jedenfalls das Gerathenste für mich seyn würde, mich ohne Widerstand zu ergeben, da alle Ausgänge von seinen Leuten besetzt wären.«

»Durch diese List des Schurken auf das Aeußerste erbittert und voll Vertrauen auf den Beistand der Diener dieses Hauses, rief ich ihnen zu: ›Werdet ihr es leiden, daß ein solcher Lump die Gesellschaft der Lady stört? Nehmt den Burschen, lieben Leute, und wälzt ihn ein Bißchen im Rinnstein umher; hier sind zehn Guineen für Eure Mühe.‹ Kaum hatte ich jedoch diese Worte gesprochen, so ergriff man mich in einem Nu und schleppte mich in die Sänfte; zwar suchten die Dienerschaft des Hauses und einige andere Leute mir beizustehen und brachten durch den Lärm, den dies machte, die ganze Gesellschaft in Aufruhr, da jedoch der Gerichtsdiener mit der größten Unverschämtheit behauptete, ich würde wegen einer Staatssache verhaftet und sich so viele Menschen zu seinem Beistand versammelten, so wollte die Dame von dem Hause nicht, daß man sich dem angeblichen Staatsboten widersetzen sollte und ich ward demnach fortgebracht.«

Nachdem der Ritter diese Erzählung vollendet hatte, meldete man Peregrinen, daß sich ein Fremder im Caffeezimmer befinde, der ihn zu sprechen wünsche. Es war Crabtree, welcher der genommenen Abrede gemäß kam, um ihm seinen Bericht über die Bemerkungen zu hinterbringen, zu welchen Peregrinens öffentliche und auffallende Verhaftung Veranlassung im Publicum gegeben hatte, wo man sich jetzt mit der Nachricht trug, die Schuld, wegen welcher er festgenommen, sey nicht zwölfhundert, sondern zwölftausend Pfund stark: eine Angabe, aus der man nun den Schluß zog, Peregrine sey eigentlich nichts als ein Glücksritter, dem es durch seine Unverschämtheit und sein Aeußeres gelungen sey, die Leute zu überreden, er wäre ein Mann von Ansehen und Vermögen. Deshalb freute man sich nun auch über seinen Unfall und sah denselben als eine gerechte Strafe an; dabei wollte man sich jetzt aber auch noch mancher Züge von ihm erinnern, die es längst schon deutlich gemacht hätten, daß er von Haus aus nichts als ein schlauer Abentheurer sey.

Peregrine, der hierdurch seinen Ruf in der Welt auf immer verloren zu haben glaubte, vernahm diese Nachricht mit jener philosophischen Ruhe, die uns in den Stand setzt, das Gerede der Welt zu verachten und statt sich zu betrüben, theilte er seinem Freunde auf eine unterhaltende Art Alles das mit, was er seit ihrer letzten Zusammenkunft hier an diesem Orte gesehen und gehört hatte; während Crabtree und er sich aber noch auf diese Art bei einer Tasse Caffee unterhielten, trat der Geistliche wieder zu ihnen heran und begann, ihnen einige merkwürdige Züge aus der Privatgeschichte mehrerer Gefangenen mitzutheilen, die zufällig in den Saal kamen.


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