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LXXIX.

Peregrine langt in der Garnison an. Der Commodore stirbt den Tag darauf und wird ganz nach seinen Anordnungen begraben. Einige Gentlemans aus der Nachbarschaft bemühen sich, wiewohl vergebens, ein gutes Vernehmen zwischen Gamaliel Pickle und dessen ältestem Sohne herzustellen.

Gegen vier Uhr des Morgens langte Peregrine im Castell an, wo er seinen großmüthigen Wohlthäter im Verscheiden fand. Seine Schwester Julie und Hatchway saßen an seinem Lager und gingen ihm hülfreich zur Hand, während Jolter abwechselnd bemüht war, dem Sterbenden und der Mistreß Trunnion geistlichen Trost zu gewähren. Die Dame saß mit der Magd am Feuer und weinte mit vielem Anstande; der Arzt hatte sich eben mit seinem letzten Honorar in der Tasche und der Prophezeiung zurückgezogen, daß der Kranke es nicht mehr lange treiben würde.

Obschon der Commodore durch ein heftiges Schlucken am Sprechen gehindert ward, so hatte er dennoch den Gebrauch aller seiner Sinne und hielt jetzt mit sichtbarem Vergnügen seinem eintretenden Neffen die Hand hin, dessen Herz von Dankbarkeit und Liebe überfloß und der nur mit Thränen dies Schauspiel zu betrachten vermochte. Zwar bemühte er sich, diese Rührung zu unterdrücken, die er in verkehrter Ansicht für eine Herabwürdigung seines männlichen Charakters hielt, aber das Gefühl siegte und er war, als er die Hand des alten Mannes küßte, so außer Fassung, daß ihm die Zunge den Dienst versagte, als er zu sprechen versuchte.

Der Commodore bemühte sich jetzt mit Aufbietung seiner letzten Kräfte ihn zu trösten. »Säubere Dein Bogspriet,« sprach er, »vom Spritzwasser und wende deine Courage auf, mein guter Junge. Du mußt die Segel Deines Herzens nicht sinken lassen, weil Du mich auf dem Punkte siehst, in den Grund zu gehen. Bin ja alt genug dazu und es ist mancher bessere Kerl als ich untergegangen, ohne die Hälfte meines Weges zu machen. Jetzt habe ich zur göttlichen Barmherzigkeit das Vertrauen, in wenigen Stunden auf gutem Ankergrund zu liegen. Freund Jolter hat's Tagebuch meiner Sünden nachgesehen und zusammensummirt, und nach den Beobachtungen, die er von meiner Seele gemacht hat, hoffe ich meine Reise glücklich zu enden und in der Breite des Himmels aufgebracht zu werden. Es ist noch ein Doctor hier gewesen, der hat mich wollen mit Medicin vollladen; was soll ich aber mit so einer Apothekerbude absegeln thun, wenn doch Zeit und Stunde da ist? Dies Volk kommt den Sterbenden am Bord wie die Admiralitätsboten mit dem Befehl, unter Segel zu gehen; ich sagte ihm aber: ich könnte wohl ohne seine Hülfe mein Kabeltau lichten, und da ist er voll Aerger abmarschirt. Der verfluchte Schluckuf macht so ein verteufeltes Gebrause in meinem Maulstrom, daß Ihr mich wohl kaum werdet verstehen thun.«

»Doch jetzt, da die Klappe meiner Pumpe noch im Stande ist, will ich Euch noch was sagen thun, seht Ihr, und ich hoffe, Ihr werdet's in Euer Logbuch einschreiben, um Euch daran zu erinnern, wenn ich steif bin. Dort sitzt Eure Base beim Feuer und heult: ich bitte Dich, halt sie dicht und warm in ihrem Alter. Sie ist eine brave Seele, aber freilich auf ihre Manier; sie hat zwar oft geschwankt und ist ziemlich brummisch gewesen, wenn sie eine volle Ladung von Andacht und Nanscher hatte, aber sie war doch ein treuer Schiffskumpan und hat, so lange wir in einem Fahrwasser segelten, keinen Andern an Bord kommen lassen, das kann ich sagen. Hört, Hatchway, Ihr kennt sie besser als irgend ein Mensch in England, und ich glaube, sie hat ein Auge auf Euch. Wollt Ihr nun, wenn ich nach der andern Welt abgesegelt bin, durch eine Heirath bei ihr entern, so denke ich, wird mein Pathe hier, aus Freundschaft für mich, es Euch wohl erlauben, Euer Lebstage im Castell mit einander zu wohnen.«

Peregrine versicherte hierauf, daß er Alles mit Vergnügen thun würde, was zum Besten zweier Personen gereiche, die er so sehr schätze, und der Lieutenant dankte Beiden mit einer Spötterei, die er, trotz dem Ernst des Augenblicks, nicht zu unterdrücken vermochte. »Ich bin Ihnen für Ihren guten Willen sehr verbunden,« sprach er zum Commodore, »daß sie mir so freundschaftlich zum Commando eines Schiffes verhelfen wollen, welches Sie selbst in Ihren Diensten abgenutzt haben; doch ich lasse es mir gefallen und will es unter meine Aufsicht nehmen, obschon ich dies nur schüchtern zu thun vermag, da ich einen so tüchtigen Seemann zum Vorfahr hatte.«

So schwer Trunnion auch darnieder lag, so mußte er doch über diesen Einfall lächeln; dann setzte er nach einer kleinen Pause seine Ermahnungen wie folgt fort: »Von Pipes brauche ich nichts zu sagen; Ihr werdet für ihn ohne meine weiteren Befehle schon sorgen. Der ehrliche Junge ist durch manchen Sturm mit mir gesegelt und ist so ein wackerer Seemann, wie nur jemals einer Wind und Wellen Trotz geboten hat; aber für mein übriges Volk hoffe ich, werdet Ihr Sorge tragen und es nicht neuer Leute wegen ablohnen.«

»Und was das junge Weibsbild, Ned Gauntlets Tochter, anlangt, so habe ich gehört, daß es eine treffliche Dirne und Dir nicht gram ist. Willst Du aber auf unerlaubte Art bei ihr an Bord, so hinterlasse ich Dir meinen Fluch und bin versichert, daß es Dir auf Deiner ganzen Reise nicht wohlgehen kann; doch hoffe ich, daß Du ein zu ehrliches Blut bist, um Dich so seeräubermäßig zu betragen. Nimm, ich bitte Dich, so lieb Du mich hast, Deine Gesundheit in Acht, und hüte Dich, auf Deinem Cours mit leichtfertigen Weibsbildern zusammenzustoßen, die nicht besser sind als die Seenixen, die auf den Felsen im Meere sitzen und zum Untergang der Vorüberfahrenden ein schmuckes Gesicht aushängen, obschon ich meines Theils sagen kann, daß ich niemals so einen Lockvogel getroffen habe, wenn gleich ich ein paar Mandel Jahre auf dem Wasser umhergeschwommen bin. Sey es aber wie es wolle, so steure stets vor solchen H–– vorbei; hüte Dich vor Processen wie vor dem Teufel und sieh alle Advokaten und Anwalde für hungrige Seehunde an.«

»Wenn mein Athem weg ist, dann laß die Stücke abfeuern, bis ich in Grund gesenkt bin. Ich will in meinem rothen Wamms begraben werden, das ich anhatte, als ich die Renommée erstieg. Meine Pistolen, meinen Säbel und meinen Taschencompaß soll man mir zur Seite in die Kiste legen, und meine eigenen Leute sollen mich in den schwarzen Kappen und weißen Hemden, die mein Schiffsvolk zu tragen pflegte, in die Grube senken, und man soll Achtung geben, daß keine Spitzbuben von Mauseköpfen kommen und mich wegen des Profits, den sie dabei machen können, aufheben, eh' Ihr einen Stein auf meinen Leichnam gewälzt habt. Und was das, Epitafchen, oder wie Ihr das Ding heißt, anlangt, so überlasse ich das Dir und Jolter; Ihr seyd ja ein paar Studirte; aber das sage ich Euch: daß mir Nichts Griechisches oder Lateinisches, oder gar Französisches darauf kommt, denn ich kann das Zeugs nicht leiden. Setzt was in gut Englisch darauf, damit der Engel am jüngsten Tage, wenn er in alle Welt hinposaunt, weiß, daß ich ein ehrlicher Brite bin und meine Muttersprache mit mir spricht. Nun habe ich weiter nichts zu sagen, als Gott möge meiner Seele gnädig seyn und Euch Allen gut Wind und Wetter geben.«

Mit diesen Worten blickte er Alle noch einmal voll Wohlwollen an und legte sich dann zur Ruhe, und Alles, was im Zimmer war, selbst Pipes, schmolz in Wehmuth hin. Mistreß Trunnion aber verließ, auf den Rath der Andern, das Zimmer, um den Schmerz nicht zu haben, ihren Mann sterben zu sehen.

Sein letzter Augenblick war jedoch noch nicht so nahe, als man es glaubte; er schlummerte ein und genoß bis zum Nachmittage des nächsten Tages abwechselnd einige Ruhe. Während dieser Zeit hörte man ihn manches fromme Stoßgebete thun, in denen er die Hoffnung äußerte: daß es ihm, trotz seiner schweren Sündenfracht, gelingen würde, die Wand der Verzweiflung zu ersteigen und zum großen Mars der göttlichen Barmherzigkeit hinaufzuklimmen. Endlich ward seine Stimme so leise, daß man ihn nicht mehr zu verstehen vermochte, fast eine Stunde lag er ohne Lebenszeichen da, dann verkündete ein tiefer Seufzer das Entschwinden seines Geistes.

Julie eilte jetzt mit lautem Weinen in das Zimmer ihrer Tante, worauf die betrübte Wittwe mit allen Anwesenden ein lautes Concert anstimmte. Peregrine und Hatchway zogen sich bis zur Ausstellung der Leiche in ihre Gemächer zurück; Pipes aber sah mit einem jammervollen Blick auf die entseelte Hülle und sprach: »Da ist nun Deine Seele hingefahren, alter Hawser Trunnion! Ich habe Dich als Mann und Junge ganzer siebenunddreißig Jahre gekannt, und weiß Gott! es hat nie ein ehrlicher Blut Zwieback gekaut. Hast manchen sauern Wind Dir müssen gefallen lassen; aber nun ist kein Sturm und Unwetter mehr für Dich und Du bist in gutem Grund. Einen bessern Commandeur habe ich mir mein Lebtage nicht gewünscht, und wer weiß, ob ich Dir nicht in der andern Welt noch Dein Takelwerk werde aufsetzen helfen thun.«

Die ganze Dienerschaft des Hauses war über den Verlust ihres alten Herrn gerührt und die Armen des Kirchspiels versammelten sich vor dem Thore und bezeugten durch lautes Weinen ihren Schmerz um den Verlust ihres Wohlthäters.

Obschon Peregrine nicht minder tief ergriffen war und Alles empfand, was Liebe und Dankbarkeit in solchen Augenblicken einzuflößen pflegen, so besaß er doch Fassung genug, die Besorgung der häuslichen Angelegenheiten zu übernehmen, und nachdem er seine Tante durch die Versicherung der unverbrüchlichen Fortdauer seiner Achtung und Zuvorkommenheit getröstet hatte, die Anstalten vom Leichenbegängniß zu treffen. Er bestellte für Alle im Hause Trauer und ließ die Nachbarn zum Begräbniß einladen. Selbst seinen Vater und seinen Bruder Gam schloß er hiervon nicht aus; Beide erschienen jedoch nicht, und auch Mistreß Pickle war lieblos genug, ihre Schwägerin nicht in ihrer Trauer zu besuchen.

Was das Begräbniß anlangt, so wurde des Commodores Wille dabei auf das Pünktlichste erfüllt; Peregrine theilte aber zugleich funfzig Pfund unter die Armen des Kirchspiels aus und kam somit einer Pflicht nach, die der Sterbende in seinem letzten Willen anzuordnen vergessen hatte.

Nachdem dies Alles vollzogen war, untersuchte Peregrine das Testament, das seit seinem ersten Entwurf keinen Zusatz erhalten hatte. Er zahlte alle Legate aus und rechnete dann, als einziger Testamentsvollstrecker, den Betrag dessen aus, was ihm zufiel. Die Summe belief sich, nach Abzug alles Andern, auf dreißigtausend Pfund.

Ein so ansehnliches Vermögen, von dem er jetzt unumschränkter Besitzer war, hob seinen hochfahrenden Sinn noch mehr und erweckte in ihm eine Menge neuer Ideen von Größe und Pracht und trieb seine Hoffnungen auf den äußersten Gipfel.

Fast alle Gentlemans der Grafschaft besuchten ihn jetzt, um ihm ihre Glückwünsche abzustatten, und mehrere derselben erboten sich, eine Versöhnung zwischen ihm und seinem Vater zu Stande zu bringen; ein Vorhaben, wozu sie besonders durch den Haß gebracht wurden, den sie gegen Gam hegten, der in der ganzen Umgegend als ein wahres Ungeheuer von Bosheit und Uebermuth angesehen ward.

Diesen Vorschlag nahm Peregrine mit Dank an, auch schien Sir Gamaliel sehr geneigt zu einem Vergleiche zu seyn, doch wagte er es nicht, sich eher in etwas einzulassen, bis er sich mit seiner Frau darüber besprochen habe. Dies hatte jedoch die Folge, daß nichts aus der Sache wurde, worauf denn auch unser Held völlig auf den Gedanken Verzicht leistete, sich jemals mit seines Vaters Hause wieder ausgesöhnt zu sehen.

Sein Bruder Gam ließ es sich übrigens, wie gewöhnlich, angelegen seyn, jede Gelegenheit zu ergreifen, um durch Verleumdungen Peregrinens Ruf zu beflecken, und selbst seiner Schwester Julie mißgönnte man ihr Glück; Peregrine hatte jedoch zu viele Achtung gegen die Pflichten der Blutsfreundschaft, um seinen Arm zur Bestrafung gegen den Sohn seiner Eltern zu erheben und verkürzte lieber seinen Aufenthalt im Castell, den er erst auf einige Monate festgesetzt hatte, um diesen Verfolgungen zu entgehen.


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