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2.
Was ist jetzt mehr wert als zehn Millionen Gulden?

Ihr werdet sagen: »Erreichen! Der Wiener Freiheitskampf!« Bravo; aber nicht ganz richtig. Der Wiener Freiheitskampf ist nicht mit allem Gold zu bezahlen; aber für die Zukunft– wer ist mehr wert als zehn Millionen Gulden? Ihr lächelt ungewiss? So will ich Euch helfen. Mehr als zehn Millionen Gulden ist jetzt ein Volksfreund wert, ein echter, wahrer Volksfreund – – der Euer Bestes von Grund aus kennt, über dieses Beste Euch täglich und richtig belehrt und immer die richtigen Wege zeigt, wie dieses Beste auf richtige, gesetzliche Weise erreicht werden soll! Das ist die richtige Antwort. Ihr schaut mit großen Augen drein? Ihr fragt: Sind die braven Studenten und Künstler, Professoren, Doktoren, Bürger und Handwerker keine wahren Freunde des Volks? Haben sie nicht Gut und Blut gewagt für das Volk, indem sie für die Freiheit gefochten? Gut, allerdings, ganz richtig. Aber hört mich an. Der Student wird bald die Waffen niederlegen und seine Studien fortsetzen, er wird seine Kenntnisse vermehren, seine freiheitliche Gesinnung durch die Wissenschaft läutern und stählen, damit er einst schlagfertig dastehe auf jedem Posten, wohin ihn das Vaterland ruft; der Künstler kehrt wieder in die weihevollen Räume seiner Schöpfungen heim und setzt sein stilles Wirken fort; der Professor eilt auf den Katheder, der Doktor zu seinen Rechtsgeschäften oder Patienten, der Bürger folgt seinen Pflichten, der Handwerker seinen Arbeiten – wer bleibt nun übrig, der seine ganze Zeit und all' seine Kenntnisse, Kraft und Mühe bloß dazu verwendet, das Volk wach zu halten, täglich durch Neues aufzuklären, täglich zur Standhaftigkeit aufzumuntern, es in Stunden der Verwirrung ehrlich zu leiten, im Namen des Volkes über die Gericht zu halten, welche es schlecht mit dem Volke meinen? Das wäre der echte, wahre Volksfreund, der jetzt mehr als zehn Millionen wert ist. Ihn fragt: »Wo findet sich ein solcher? Weiß er, was dies sagen will? Ist er in allem zu Hause, was in gelehrten und nützlichen Büchern steht? Kennt er die Geschichte, Welt und Zeit? Spricht er die Sprache des Volks? Weiß er, was diesem zu allererst und zum Nächsten Not tut? Hat er vor allem ein treues deutsches Herz? Kann er uns heute erleuchten und morgen erheitern? Jetzt uns rühren, dass eine Träne die andere schlägt und dann ein Gelächter erregen, dass es dem Steidinger Peter den Mund bis zu den Ohren verzieht? Wer das nicht kann, sagt Ihr weiter, das ist unser Mann nicht; findet sich aber einer, der das kann, so bringt ihn her, das ist der Mann, der wirklich mehr als zehn Millionen wert ist!«

Liebes, braves, österreichisches Volk!

Wir haben Boten nach allen vier Winden ausgeschickt, um einen solchen Freund des Volkes zu erforschen, bis wir ihn finden, hört, was wir Euch sagen.

Heilig ist uns die Religion, heilig der Friede, heilig das Vaterland, heilig das gute Recht des Volkes!

Wir wollen Euch ein Volksblatt bringen, das Euch über diese Dinge unsere klare, reine Meinung sagen wird; wir werden jeden Glauben achten, aber jeden Missbrauch ehrlich rügen; wir werden den Frieden predigen, so lange er mit der Ehre des Volkes übereinstimmt; wir werden in helle Lärmtrompeten stoßen, wenn das Vaterland in Gefahr geraten sollte; aber vor allem werden wir die guten Rechte des Bürgers und des Volkes mit dem Flammenschwert Cherubims verfechten und zurück müssen diese gegeben werden, wo sie auch stecken mögen, hinter Schloss und Riegel, hinter falschen Privilegien! Wer einen Geleitsmann braucht durchs Leben, der komme zu uns, wir wollen ihn freundlich zum Wahren und Guten führen; wer sich in seinen Rechten gekränkt sieht, der komme zu uns, wir wollen verletztes Recht und gekränkte Ehre mannhaft schützen; wer fasslich Einsicht gewinnen möchte in Staat und Kirche, in Dinge des Vaterlandes und des Auslands, wer das Leben des Volkes in heitern Bildern liebt, wer sich gerne rühren und erheitern lässt durch einfache Geschichten, wer überhaupt Rat bedarf und uns vertrauen will – der komme und sammle sich um uns! Bürger in der Stadt, Bauern aus dem Lande, Handwerker in Stadt und Dorf, mit gleicher Liebe umfassen und verfechten wir Euch! Hört also, was wir Euch bringen werden, bis der große Volksfreund gefunden ist, der mehr als zehn Millionen Gulden wert ist!

Wir sehen Euch an den Augen an, dass Ihr vor allem gerne wissen möchtet, was am 13., 14., 15. März geschehen ist? Alle Welt ist voll davon, alle Zeitungen stoßen in die Lärmtrompete – aber darum viel Stückwerk, wenig Ganzes; wir wollen das Ereignis schlicht und wahr, treu und möglichst lebendig schildern.

Wir werden Euch ferner das ganze Jahr hindurch ein merkwürdiges Uhrwerk zeigen und erklären:

Das Staatsuhrwerk.

Es soll Euch kein Rad daran unbekannt bleiben von den großen Rädern, den Ministern, angefangen bis herunter zu den kleinwinzigen Rädchen, den Praktikanten. Braves Volk, man hat dir bisher dieses Staatsuhrwerk hinter chinesischen Mauern verborgen und du hast nicht sehen können, wie viele nutzlose Räder da mitgeschnarrt haben, wie so manches wichtige Rad anstatt vorwärts immer rückwärts gelaufen ist, wie so manches große wichtige Rad schon lange keine Zähne mehr gehabt hat und doch nicht hinausgeworfen worden ist. Armes Volk! Du hast Jahr aus Jahr ein den Staatsuhrmacher zahlen können, mit deinem Schweiße hat man die Räder geschmiert, und doch hat das alles nicht helfen wollen, das Staatsuhrwerk hat nur immer mehr gekostet und ist nur immer schlechter gegangen. Da ist das schöne, herrliche Wien endlich aufgesprungen, hat auf den Staatstisch geschlagen, hat, brandrot im Gesicht, getobt und gewettert: Mordelement! Das geht nicht mehr! Heraus mit den alten Rädern, funkelnagelneue hinein! Die besten Uhrmacher müssen zur Reparatur herbei, und das österreichische Volk muss dabei sein, wenn Falsches hinausgeworfen und Gutes eingesetzt wird! Der Lärm ist so groß gewesen, dass er dem guten Kaiser zu Ohren gekommen; gleich hat er gesagt: Was? So schlecht steht es mit meinem Staatsuhrwerk? Und meine Ministerräder haben mir Tag und Nacht vorgeschnarrt, es gehe alles vorzüglich und ganz prächtig! Und da hat der Kaiser auf der Stelle das Zifferblatt herabgenommen und mit eigener Hand die schlechten Haupträder entfernt – womit vorläufig das Schlimmste entfernt werde, das jedem zwischen die Beine gefahren ist, wenn es merkte, dass es vorwärts gehen sollte; mit den Haupträdern sind auch viele kleinere geflogen und das Hinauswerfen wird noch eine Weile dauern! Der Kaiser hat beschlossen, in Zukunft will ich nicht bloß mit einem einzigen Ratgeber regieren, ich bin Vater meines Volkes und will in Zukunft dieses selbst, das ist, ihre Vertrauensmänner um mich sehen und sie fragen, was sie wünschen, was sie brauchen, wo es fehlt; wir werden miteinander regieren und das Staatsuhrwerk verbessern. Siehst du nun, liebwertestes Volk, der gute Kaiser selbst will deinen Rat erfahren, mit dir gemeinsam das Staatsuhrwerk prüfen! Freilich wirds da von dir heißen, Einsicht haben, deine gescheitesten Männer nach Hofe schicken! Aber getrost und nicht gleich wieder verzagen; wir wollen schon zusammenhelfen und die rechten Vertrauensmänner finden und das Staatsuhrwerk richtig stellen, dass es die richtige Stunde auch schlägt, die es zeigt. Natürlich wird das ein wenig Kopfbrechen geben; aber getrost! Die Mühe wird alsbald belohnt. Wir halten ein liebes, freundliches Gärtchen bereit, in das Ihr jederzeit eintreten und nach jeder Anstrengung Euch ins Gras hinstrecken könnt, um rührende und lustige Geschichten anzuhören, die wir erzählen werden. Im Namen des großen Volksfreundes, der über zehn Millionen wert ist, eröffnen wir also

unser Blumengärtchen

zur Erheiterung und Erhebung Euerer Herzen. Aber da geschehen auch gar viele Wunderdinge in der Heimat und in der weiten Welt, von denen Ihr erfahren möchtet, wenigstens vom Besten derselben. Da verjagt man z. B. einen König und Ihr möchtet ins drei Teuxels Namen gleich wissen, warum. Dort bricht Krieg aus und Ihr fragt beim Binder, Schreiner und Schmied herum, ha, warum? Kurz, Ihr möchtet schnell und kurz, freimütig und in Wahrheit von allem in der Welt das Beste wissen – gilt, so verlasst Euch darauf, wir wollen Euern Wunsch erfüllen; der Volksfreund soll Euch die

Wunderdinge von Nah und Ferne

pünktlichst vermelden. Aber noch nicht genug. Der Volksfreund hat viele Menschen gesehen und besonders viel auf dem Lande gelebt. Und da hat er oft gesehen, dass in manchem Hause, trotzdem Mann und Weib redlich zusammen helfen, guter Rat teuer ist. In allen Winkeln spukt's und wäre da zu raten und zu helfen ohne Ende. Der Volksfreund hat sich vieles ad notam genommen und ist drum in der Lage, bei jedem Besuche seinen Lesern ein

Schatzkästlein

zu öffnen und mit Lächeln und freundlichen Worten guten Lebensrat auszuteilen. Und so bleibt nur eines noch zum Schlusse übrig – eine recht innige Bitte! Da der vorläufige Volksfreund sich nicht einbildet, alles Wissen auf dem Kraut gegessen zu haben, auch da er nicht überall zugleich sein und alles selbst sehen kann, so bittet er jedermann, alle Beschwerden, die er vor seinem Gewissen vertreten kann, einzusenden – und nicht nur Beschwerden, sondern auch, wie der Arzt von Beinbrüchen sagt, schöne Fälle, edle Handlungen und Seelenzüge; sie werden mit Freuden und sogleich aufgenommen; denn der Volksfreund will eine weihevolle offene

Gerichts- und Berichtshalle

für alles und alle eröffnen und so viel als möglich sehen, hören, beurteilen lassen und dadurch bessern und erleuchten!

Joses Rank,
verantwortlicher Redakteur, bis der »Volksfreund« sich findet, der mehr als zehn Millionen wert ist!


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