Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Briefe eines Verstorbenen
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfunddreißigster Brief

Glengarriff, den 4ten Oktober 1828

Liebe Julie!

Morgen reise ich ab, et bien à regret. Ich nehme aber ein liebes Andenken mit mir, eins der wenigen durchaus freundlichen Bilder meiner Lebenswanderung.

Auf meinem Morgenspaziergang fand ich heute so luxuröse Eriken von den Felsen herabhängen, daß eine Staude derselben zehn Fuß in der Länge maß. Der Gärtner, der mich begleitete, machte mich noch auf eine andere Merkwürdigkeit aufmerksam. An einem verborgenen Ort, nicht weit von der hübschen, ganz ländlichen dairy, hatten Bienen in freier Luft große Honigkämme, bloß an Brombeerästen hängend, im Dickicht gebaut. Die Schwere des Honigs bog den Strauch bis auf die Erde, und sie arbeiteten noch rüstig darin, als ich sie betrachtete. Die dairy ist mit Erde und roter, darauf angewachsener, Heide gedeckt, und das Dach von unten in sechs Spitzen ausgeschnitten, was nicht übel aussieht. Ein klarer Quell fließt mitten hindurch, an dessen Ufern der ägyptische Lotus vortrefflich gedeiht, und den Winter auch aushält.

Nachmittags ritt ich mit Col. W... aus, um ein Adlernest zu besehen. Zuerst passierten wir den Bezirk, in welchem Lord B...s schönes Jagdhaus steht, durchwateten dann dreimal den angeschwollenen Fluß, und erreichten nach einigen Stunden Weges eine wilde Einöde, wo, unter einer senkrechten Felsenwand, zwei einzelne Hütten stehen. Ohngefähr 500 Fuß über diesen, horsten die Adler, in einer mit Efeu überrankten Spalte. Zu der Zeit, wenn sie Junge haben, sieht man sie fleißig mit Hühnern, Hasen, Lämmern usw. angeflogen kommen, um den häuslichen Tisch zu versorgen; ein sonderbarer Instinkt aber ist es, der sie lehrt, nie etwas von den beiden unter ihnen wohnenden Familien zu rauben, und dadurch gleichsam die Gastfreundschaft zu ehren, welche jene ihnen beweisen. Ich bin sehr unzufrieden, daß noch keiner dieser Felsenkönige mir die attention bewies, sich sehen zu lassen; auch heute waren beide entfernt.

Über die Höhlen des Sugarloafs kehrten wir zurück. Hier gibt es einen wilden Jäger, und kein tally-ho der Menschen darf da erklingen, wo sein Jagdrevier angeht. Sonst stürmt er mit dem ganzen wilden Heer herbei, und reißt in dessen Wirbel die Unvorsichtigen mit sich fort. Bei alledem ist er von ganz anderer Natur, als sein deutscher Kamerad. Es ist ein Elfenkönig, klein wie Däumling, in Smaragdgrün prächtig gekleidet, und von einem Gefolge begleitet, das auf Pferden, nicht größer wie Ratten, über die Felsen, wie über das Meer, mit Windesschnelle galoppiert. Sugarloaf selbst ist der große Sammelplatz aller irländischen Feen. Die Höhlen sind voller Seemuscheln und phantastischer Steingestaltungen, welche die Neugierde des Besuchers reizen, in denen aber, für alle Schätze der Welt, kein Eingeborner die Nacht zubringen würde. – Von der Spitze des Berges, oder besser Felsen, bis gegen diese Höhlen herab, unterscheidet man bei klarem Wetter ein eignes Naturspiel: zwei gewundene, aber stets in gleicher Weite laufende Rinnen, die in der Ferne vollkommen einem Wagengeleise gleichen. Was könnte dies anders sein, als die Spur von der fairy-Königin Wagen? Worin sie auch mancher alte Bergbewohner bei Sonnenauf- oder -untergang in überirdischem Pomp hinauffahren sah, um das Jahresfest mit ihrer Gegenwart zu schmücken. Gewiß wird der Alte bereit sein, mit jedem beliebigen Schwur die Wahrheit seiner Aussage zu bekräftigen, denn er glaubt daran, und das eben gibt den Märchen dieses Volks einen so verführerischen Reiz, daß man selbst davon angesteckt wird.

Col. W..., der früher ein leidenschaftlicher Jäger war, kennt Fuß und Gipfel eines jeden Berges im ganzen Distrikt genau, und erzählte mir, chemin faisant, so viel Interessantes davon, daß mein Brief nicht enden würde, wenn ich ein getreues Echo aller dieser Geschichten aus ihm machen wollte. Hier ist die Jagd noch mit Gefahren verbunden, und diese wahrlich keine Kleinigkeit! Mancher verliert sein Leben dabei. Sie sind dreierlei Art: zuerst, mitten in den Felsen von einem jener Winternebel überfallen zu werden, welche hier öfters stattfinden, und fast plötzlich den Wanderer mit dunkler Nacht und eisiger Kälte umfangen, wo ihm dann, wenn er den Ausweg nicht findet, nur die Alternative bevorsteht, das Leben durch Erstarrung (denn oft halten die Nebel ganze Tage und Nächte in den Schluchten fest) oder durch den Sturz in unsichtbare Abgründe zu verlieren. Wollen ihm die fairies wohl, so kömmt er irgendwo glücklich wieder an's Licht, wehe aber denen, die sich ihre Ungnade zugezogen haben; – zerschmettert oder erfroren finden sie sicher die Freunde am nächsten Morgen. Die zweite Gefahr ist von ganz anderer Art. Auf den weiten, unabsehbaren Bergebenen, die, gleich dem Meere, mit dem Horizont zusammenfließen, ohne daß auch nur der kleinste Busch ihre erhabene Einförmigkeit unterbricht, sind weite Sümpfe, welche das verfolgte Wild (die grouse, eine Art Feld- oder Birkhuhn, den englischen Inseln eigentümlich) als Lieblingsaufenthalt wählt. Diese Sümpfe sind voll kleiner Erhöhungen, die durch Heidekraut gebildet werden und, so wie Maulwurfshügel, in geringer Entfernung voneinander darin verteilt sind. Nur, indem man von einer dieser Erhöhungen auf die andere springt, kann man den Sumpf passieren. Verfehlt man sie in der Hitze der Jagd, und findet nicht gleich eine andere in der Nähe, so ist man sicher, in dem grundlosen Moraste zu versinken. Das einzige Rettungsmittel bleibt zuletzt noch, schnell die Arme auszubreiten, oder sich mit dem horizontalliegenden Gewehr zu halten, bis endlich Hilfe kommt, oder es einem gelingt, den nächsten Hügel zu erfassen.

Schlimmer und gefährlicher als alles dies aber ist es, von einem der fast wild zu nennenden Stiere des Gebürges attackiert zu werden. In diesem Falle befand sich Herr W... öfters, entkam jedoch immer glücklich, wiewohl auf verschiedene Weise. Einigemal erschossen er selbst oder seine Begleiter den Bullen, ehe er noch nahe kam, ein anderesmal rettete er sich in einen der eben beschriebenen Sümpfe, wohin das wütende Tier zwar nicht folgen konnte, ihn aber doch länger als eine Stunde förmlich darin belagerte. Die Geschichte des letzten Anfalls aber schien mir besonders merkwürdig, und beweist, daß ein Mensch, mit Kraft, Mut und Gewandtheit ausgerüstet, wohl jedem andern lebenden Geschöpfe, allein widerstehen mag. Obrist W... war nur von einem Freunde und einem Eingebornen begleitet, welcher den Hund führte, und mit einem langen weißen Stabe, wie sie hier gebräuchlich sind, versehen war. Des Obristen Freund schoß eine grouse, und in demselben Moment sahen sie, in der Distanz von ohngefähr achtzig Schritt, einen Stier mit Wut auf sie zustürzen. W... rief seinem Freunde zu, schnell zu laden, während er den ersten Schuß tue, und legte an, als der Spürer rief: »Versprecht ihr mir ein Glas Whiskey extra zu geben, so will ich allein mit dem Stier fertig werden.« Indem drückte W... sein Gewehr ab, fehlte aber, sein Freund war noch nicht mit Laden fertig, und kaum hatte er Zeit, dem Manne zuzurufen: »Ein Dutzend Flaschen sollst Du haben« – als sie diesen Helden der Berge auch schon, in demselben Tempo, mit dem der Stier auf sie zustürzte, ihm selbst entgegenrennen sahen. Im Nu waren beide aneinander. Mit der größten Gewandtheit ergriff der junge Mann eines der Hörner des Bullen, dessen Kopf die Erde streifte, schwenkte sich einen Schritt seitwärts, und denselben Schritt dann während des Sprungs seines Gegners mit Blitzesschnelle wieder zurücktuend, faßte er mit beiden Händen des Bullen Schweif, ohne deshalb seinen weißen Stock fahren zu lassen. Alles dies war mit der Geschwindigkeit des Gedankens verrichtet worden – und nun begann der seltsamste Wettlauf den man je gesehen. Der Stier wandte alles an, die an seinem Schweif hängende Last abzuschütteln, aber vergebens. Bergauf, bergab, über Felsen und Waldbäche rannte er, wie rasend, umher, doch sein Begleiter, gleich einem Kobold, schwang sich mit ihm über jedes Hindernis, oft an des Schweifes Spitze mehr in der Luft schwebend, als laufend. In kurzer Zeit ward das Tier von Angst und Rennen ermattet, und sank endlich am Fuße eines weiten Rasenabhanges, grade unter dem Orte, wo Mr. W... und sein Freund erstaunt dem Ausgange entgegensahen, völlig erschöpft und kraftlos nieder. Jetzt aber begann erst seine regelmäßige Strafe, und wahrscheinlich ward dieses Individuum an dem Tage für immer von seiner wilden Laune kuriert. Denn nun gebrauchte der Hirt seinen, mit Blei ausgegossenen und mit einer Eisenspitze versehenen Stab, den er zu diesem Ende wohlweislich beibehalten hatte, als Korrektionsmittel, und damit den widerspenstigen Bullen fast lebendig gerbend, zwang er ihn, den Berg sich wieder hinanzuschleppen, wo er zuletzt, zu Mr. W...s Füßen, die Zunge weit aus dem Halse streckend, zum zweitenmale lechzend niedersank, und in diesem Zustande gänzlicher Machtlosigkeit von ihnen verlassen wurde. Der junge Bauer, den Mr. W... als ein Wunder jugendlicher Kraft und Agilität beschrieb, schien seinerseits nicht im geringsten von der Jagd ermüdet, noch eitel auf seine Tat, sondern ruhig den weggeworfenen Pulversack und die Hundeleine wieder aufsuchend, verlor er kein Wort weiter über das Vergangene, als dem Obristen, indem er vergnügt mit den Augen winkte, zuzurufen: »Now, Master, don't forget the bottles!« (Nun Herr, vergeßt die Flaschen nicht!)

Herrlich muß eine Hetzjagd sich in diesen Felsen ausnehmen! Bald auf der Höhe oder an ihren Seiten hinstürmend, bald Fuchs und Hunde über Abgründe setzend, oder alles plötzlich, wie ein Schattenbild, in der Bergschlucht verschwindend. Col. W... sah einst eine solche auf Hungryhill, wo die ganze Meute unter dem Wasserfall durchjagte, ihr Heulen und Bellen mit dem Brausen der Wasser wild vermischend – bis zuletzt Reinecke dasselbe Schicksal hatte, welches drei bis vier Hunde schon vorher betroffen, nämlich, von den glatten Felsen abzuglitschen, und unter der Jäger Gejubel, die unten im Wiesenkessel auf einem vorstehenden Felsen der Jagd bequem zusahen, viele hundert Fuß zu ihren Füßen herabzustürzen, wo alle seine List und alle seine Not ein Ende fand.

Soll ich nun noch mehr erzählen?

Wohlan – noch einmal Hexen! Sattelt mir den Pony – und dann valet dem Lande der Märchen, der Felsen und der seit Jahrtausenden an ihnen nagenden, noch immer ihre weißen Zähne fletschenden Wogen. –

Sitze dann auf mit mir, Julie! En croupe wie ein irländisches Mädchen, und folge mir schnell durch die Lüfte, zurück nach Iveragh, der Wildnis O'Connells. Freilich ist es ein Land der Adler und Geier, stürmender Wellen und abgerissener Felsen! aber dennoch gibt es dort einen Platz in Ballingskelligs-Bay, ohnfern O'Connells Schloßabtei, wo in alter Zeit mancher Tanz getanzt, und manche Heirat geschlossen wurde. Denn ruhig und lieblich war der einsame Fleck, mit seinem samtnen Boden, hohe Felswände schätzten ihn vor dem Sturm, und glatter Sand, wie Atlas, senkte sich bei der Ebbe nach dem Meere hinab, das in der hellen Mondscheinnacht, gleich dem Reste der Schöpfung, zu schlummern schien, seine kleinsten Wellen nur selten vom Hauch des Zephyrs berührt, wie im Traume sich regend und kräuselnd.

In einer solchen Nacht war es, daß Maurice Adair, der piperAdair wird ›Adehr‹, piper ›Peiper‹ ausgesprochen. seinem Dudelsack die einladendsten Töne entlockte, und die Jugend von Iveragh das Fest ihres Heiligen, lustiger als je, mit Tanz und Frohsinn feierte. Maurice war ein schöner und rüstiger junger Bursche – aber blind. Der Ärmste hatte nie der Sonne Licht gesehen, und Tag und Nacht war ihm gleich. Seiner Phantasie schwebten aber dennoch undeutliche Bilder von Schönheit und herzbewegenden Reizen vor, wenn sein Ohr die süßen Stimmen der Mädchen vernahm, oder seine Hand einen weichen Schwanenhals fühlte, oder auch, gleich Blumenduft, ein rosiger Atem seine Wange berührte. Maurice war verliebt, aber noch ohne Gegenstand – und sein Sehnen wußte sich nur in Melodien zu ergießen, die im einsamen Gesang, oder den Lauten seiner bagpipeAusgesprochen: ›Begpeip‹, der Dudelsack der Irländer, dem sie jedoch weit kompliziertere Eigenschaften zu geben und sanftere Töne zu entlocken wissen, als die Wenden, Polen etc. dem ihrigen. A. d. H. gar anmutig ertönten. Maurices Musik aber konnte noch weit mehr bewirken. Er hatte in seinem Instrumente einen Ton – der wundervolle Ton genannt, und wie man glaubte, von einem Elfen erst hineingebannt – einen Ton, den gleich Hüons Horn und gewiß von derselben Abstammung, niemand hören konnte, ohne sogleich seine Tanzlust zur unwiderstehlichen Leidenschaft anwachsen zu fühlen. Wie manches junge Mädchen in der Stadt, das eben ihrem ersten Balle beiwohnt, und keinen solchen Stimulus bedarf, würde doch viel darum geben, im Besitz jenes Tones zu sein, um die trägen dandies zu ermuntern, von denen einer nach dem andern sich wegschleicht, oder auf dem Sofa liegt, dem dolce far niente hingegeben, statt sich mit ihr im Kotillon herumzudrehen. Hier, auf der mondbeglänzten Wiese, bedurften jedoch die aufgeweckten Bauerburschen keines fremden, unwiderstehlichen Reizes. Hinlänglich war die Anregung ihrer eignen Lust, und Maurice, unermüdlich aufspielend, ergötzte sich selbst, in seinen lüsternen Gedanken, an dem, was die andern in der Wirklichkeit, und deshalb vielleicht weniger innig genossen. Doch fing auch er endlich an, sich nach einiger Realität zu sehnen, und da Musikanten nicht nur verliebter, sondern auch durstiger Natur zu sein pflegen, irländische Musikanten aber ohne Zweifel beide Bedürfnisse in doppeltem Maße empfinden, so versäumte Maurice nicht, die angenehmen Bilder seiner Phantasie gar fleißig mit heißem Whiskeypunsch zu erfrischen. Bald schien es ihm, als drehe sein Kopf sich noch schneller als die wirbelnden Paare, ja ganz Iveragh schaukelte unter seinen Füßen. »O, noch ein Glas, Kitty! und einen Kuß dazu«, rief er stammelnd – aber Kitty, bange für des Tanzes Ende, wenn der Whiskey die bagpipe des piper's Händen entrisse, versagte standhaft den Labetrank. Immer heftiger bestand dieser auf seinem Begehren – doch Kitty blieb unerbittlich. »Wer soviel trinkt, braucht nicht zu küssen, und überdem mußt Du spielen«, sagte sie, »damit wir tanzen, und kaum kannst du ja mehr die Finger rühren.« – »Ich nicht mehr die Finger rühren?« schrie Maurice entrüstet – »nun sollst Du, und ihr alle, tanzen, bis ihr genug habt, und Euch mehr nach einem Tropfen Wasser sehnt, als ich jetzt nach einem Glase gesegneten Whiskeypunsches!« Im Zorne hierauf die bagpipe an sich drückend, erschallte laut und schmetternd – der wunderbare Ton – und augenblicklich im wilden Getümmel, wirbelte alt und jung durcheinander. Aber sieh! Das schlafende Meer selbst erwacht, und hervor kommen Krabben und Seekrebse, ein zierliches Menuett auf dem glatten Sande exekutierend. Die Meerspinne tanzt vor, unnachahmliche pas mit ihren langen Beinen vollbringend, und cod-fish und Steinbutt, Schellfisch und sole balancieren auf ihren Schwänzen mit aller Grazie, die ihnen zu Gebote steht. Seehunde selbst versuchen den neuesten Galoppwalzer, und Austern ihre Schalen öffnend, gleiten dahin, mit dem Anstand einer Pariserin, die, die Ellenbogen ründend, beide Seiten ihrer Robe zierlich emporhebt. Staunend wurden diese ganz neuen Tänzer tanzend empfangen, unter denen sich Maurice, fortwährend blasend, und nichts von allem gewahrend, schadenfroh mit herumdrehte. Doch, da teilten sich nochmals die Fluten, und hervor schwebt, in wollüstig reizendem Tanz, die schönste der Meerjungfrauen. – Frisch wie der junge Morgen war ihr Antlitz, ihr langes Haar strömte herab über den schneeweißen Busen, gleich durchsichtigen Wellen, röter blühten die Lippen als des Ozeans feurigste Korallen, blendender glänzten die Zähne als seine kostbarsten Perlen. Ihr silbernes Gewand aber schien gewebt aus dem Schaume der Wogen, mit unbekannten Seeblumen geschmeckt, reicher schimmernd in brennenden Farben als Indiens funkelndster Edelstein.

Man sah ihr an, daß Damen, unter wie über dem Wasser, viel Sorge auf ihre Toilette verwenden, besonders wenn sie eine Eroberung beabsichtigen. Der Aussage der Augenzeugen nach, hatte man nie einen verführerischeren, koketteren Anzug gesehen, als den ihrigen, der so gut Schönes zu enthüllen, und noch viel besser erraten zu lassen wußte. Nur der arme Maurice sah von alledem nichts, und doch war er es, auf den allein die Seekönigin es abgesehen hatte, denn wenige Augenblicke nur waren vergangen, als in der Verwirrung des Tanzes, ihre Arme ihn sanft umfingen, und eine melodische Stimme in süßen Tönen ihm zurief:

Mein Reich ist das Meer,
Und prachtvoll mein Schloß
Komm Maurice Adair,
Komm Schwing dich auf's Roß.
Das Seepferd, horch! schnaubet,
Und harret auf dich,
Der das Herz mir geraubet,
Nun herrscht über mich!
So komm denn, und eile,
Geschmückt ist der Saal, –
Nicht länger mehr weile –
Und sei mein Gemahl! –

Es scheint, daß Maurice dieser eindringenden Einladung mit nicht weniger empressement entgegenkam, denn, obgleich seine alte Mutter, die ebenfalls seit einer halben Stunde wie rasend umherspringen mußte und schon beide Holzschuhe, nebst mehreren der wesentlichsten Kleidungsstücke, verloren hatte – ihren letzten Atem anstrengte, ihm kläglich nachzurufen, doch um Gottes und St. Patricks willen keinen Fisch zu heiraten, – obgleich sie, als letztes Argument, selbst anführte, daß sie ja künftig nicht einmal mehr Stockfisch mit zerlassener Butter essen könne, ohne fürchten zu müssen, vielleicht ihren eignen Enkel zu verspeisen – so war doch alles umsonst! – »halb zog sie ihn, halb sank er hin« und als der wundervolle Ton verhallte, und alle Tänzer ermattet Luft schöpften, hatte bereits eine hohe Welle, welche während der ganzen Zeit hinter ihnen gestanden (wahrscheinlich das erwähnte Leibroß der Königin) beide verschlungen, und nur ein leises: »Lebewohl Mutter!« das der Wind herübertrug, war der letzte Laut – den man je von Maurice dem piper vernahm.

Auch mein Brief schließt hiermit, liebe Julie; noch weiß ich nicht, woher ich Dir den nächsten adressieren werde, aber wenn Du meiner gedenkst, so sage Dir nur, daß ich mich nie wohler und froher befand.

Dein ewig treuer L...


 << zurück weiter >>