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27. März. In der Nacht beinahe 20 Grad Kälte – noch immer Winter! Um ein Uhr mittags aber hatten wir 8 Grad Wärme – der Frühling kam also!
Der Alte verkaufte uns am Morgen vier Schafe und hielt sich dann unter allerlei Vorwänden bei unseren Zelten auf. Er konnte durchaus nicht begreifen, weshalb wir hierhin gekommen waren, und gar noch um diese Jahreszeit. Aber Abdul Kerim machte ihm vor, die ärgste Kälte sei schon vorüber gewesen, als wir Tok-dschalung verlassen hätten. Dies war eine neue Geschichte, die wir uns ausgedacht hatten, weil sie wahrscheinlicher klang als die erste und zu den südlicheren Teilen des Landes besser paßte.
Auch hier lag das übliche Zelt, das den Paß beobachtete und mich zwang, auch den Ladung-la mit seinen 5302 Metern ganz zu Fuß zu erklimmen! Hier aber war die Aussicht erfreulich: wir mußten etwa vier Tage durch abfallendes oder ebenes Gelände! Der südliche Abhang ist sehr abschüssig, man glitscht und rutscht durch den Schutt, der mit- und nachrollt, und hat dabei noch das wenig befriedigende Gefühl, sich die Stiefel und Kleider noch ärger zu zerreißen. Unten biegt das Tal nach rechts, Südwesten, ab, und in der Gegend Janglung, wo wir das Lager aufschlugen, erzählte uns ein junger Hirt, daß wir am nächsten Tag Tsongpun Taschis Zelte erreichen würden!
Zahlreiche Quellen entspringen im Talgrund und bilden einen klaren Bach, der zwischen Graswällen hinfließt und sehr fischreich ist. Hier blieben einige von uns und benutzten Kutus' Leibbinde als Netz. Beim ersten Zug fingen wir schon 18 Fische, und dadurch ermutigt, gaben wir uns erst zufrieden, als wir 160 Stück hatten, die zwar nicht groß waren, aber doch genügten, uns alle dreizehn zu sättigen. Klein-Puppy war gar zu komisch, wie er mit gespannter Aufmerksamkeit still dabei stand, sich die zappelnden Fische besah, sie anbellte und dann den Kopf schüttelte. Er hatte in seinem Leben noch nie fließendes Wasser gesehen und mag wohl geglaubt haben, daß man darauf ebenso sicher gehen könne wie auf klarem Eis. Ohne etwas Schlimmes zu ahnen, sprang er daher an einer Stelle, wo der Bach zwei Fuß tief war, von dem Graswall herunter und verschwand unter Wasser. Nachdem er sich mit vieler Mühe wieder herausgearbeitet hatte, war er ebenso beleidigt wie verdutzt und knurrte noch lange verdrießlich über das kalte Bad. Später blieb er dem tückischen Bache fern.
28. März. Jetzt glaubten wir uns auf Takkar verlassen zu können und machten ihn daher los. Er brannte uns auch nicht durch, war brillanter Laune, schoß wie ein Pfeil die Abhänge hinauf und hinunter und spielte mit Klein-Puppy, der wütend wurde, als der Koloß so schnell über ihn hinweggaloppierte, daß der Kleine sich mehrmals am Boden überkugelte.
In meinem Ladakisattel sollte Abdul Kerim sich nun auf dem neuen Pferd mit zwei Begleitern auf Rekognoszierung begeben und über Tsongpun Taschi Erkundigungen einziehen. Er hatte reichlich Geld im Beutel, um einzukaufen, was man uns ablassen wollte. Auf dreiste Fragen sollte er antworten, daß Gulam Rasul uns befohlen habe, in Ragatasam zu einer seiner Karawanen zu stoßen, die vor etwa zehn Tagen aus Lhasa abgereist sei, und dann mit ihr nach Ladak zu ziehen.
Ich selber ritt ohne Sattel auf meinem Grauschimmel, war aber noch nicht weit gelangt, als wir schon zwei Zelte passierten, aus denen vier Tibeter herauskamen, um uns anzugaffen. Zwei der unseren sprachen mit ihnen, während wir anderen in dem deutlich ausgeprägten Tal längs des Baches weiterzogen. Noch etwas weiter hatten wir wieder vorsichtig zu sein, diesmal dreier Zelte und zweier großer Herden wegen, deren Besitzer 3000 Schafe hatte. Überall stießen wir auf Schafhürden, ehemalige Lagerplätze und Manis; wir befanden uns also endlich wieder auf einer großen Straße. Ich gehörte nun ganz zu den Schafen, ging mit ihnen, pfiff ihnen und trieb sie an. Im Eingang eines von links einmündenden Tales stand ein großes weißes Zelt mit blauen Streifen, das, wie man uns sagte, dem Häuptling der Gegend, dem Gova Tschykjyng, gehörte. Ein Mann kam heraus, eilte uns nach und erkundigte sich nach dem »Woher und Wohin«. Auch aus einem von Bettlern bewohnten Zelt kamen zwei Frauen, die dieselben Fragen stellten. Zwei Kilometer weiter konnte man uns von den Zelten aus nicht mehr sehen, und ich sprang daher wieder auf meinen Grauen, durfte aber nur ein paar Schritte reiten, weil weiter unten im Tal schon wieder neue Zelte auftauchten. Wir lagerten nun am Ufer des Baches in der Gegend Kung-scherja, an einer Stelle, wo das Tal sehr breit war und man auf mehreren Seiten Zelte sah. Aus einem unterhalb der unseren stehenden Zelt kam wieder ein Mann, um sich zu erkundigen, wer wir seien. Er teilte uns mit, eines der Zelte, das groß und vornehm aussah, gehöre Takjung Lama, dem Abt des drei Tagereisen weit nach Südosten hin liegenden Klosters Mendong-gumpa. Gemütlicher konnten wir es ja gar nicht treffen! Unsere nächsten Nachbarn waren der Häuptling des Distriktes, ein Oberlama und Tsongpun Taschi und ein bißchen weiter entfernt auch noch der Statthalter der großen Provinz Bongba in eigenster Person! Es mußte wirklich wunderbar zugehen, wenn es mir gelingen sollte, aus diesem Wespennest unbehelligt hinauszukommen. Morgen früh, ehe man über uns zu reden begonnen hatte, mußten wir schon abziehen, das stand fest.
Nachdem ich mehrere Stunden gewartet hatte, kam Abdul Kerim wieder. Schon aus der Ferne sah man, daß er ein Pferd gekauft hatte, das mit Säcken und Beuteln beladen war, die Reis, Gerste, Butter und Tsamba enthielten. In Tsongpun Taschi hatten sie einen alten Mann gefunden, der sehr ärmlich und unbedeutend ausgesehen hatte, aber sein gewaltiges Zelt war voll Warenballen, Säcken und Teepaketen, und sein Wanderladen sehr reich versehen gewesen. Natürlich hatte er sich sehr über den Besuch gewundert, aber trotzdem die Geschichte, die Abdul Kerim ihm vorlog, geglaubt. Er hatte meinem Karawan-baschi sogar die Namen aller Orte gesagt, wo wir auf dem Weg nach Saka-dsong und Ragatasam lagern sollten, und uns geraten, in einer Gegend, die er Bupgolathit genannt, sehr auf unserer Hut zu sein, weil dort immer Räuber seien. Auch hatte er Abdul Kerim erzählt, daß eine Räuberbande vor einigen Wochen Targjaling-gumpa überfallen und geplündert habe, jenes Kloster, in dem wir im Juni des vorigen Jahres so feindselig empfangen worden waren. Nun seien 40 Mann mit Flinten und Pferden aufgeboten worden, um der Räuberbande nachzusetzen, aber Tsongpun Taschi hatte gesagt, diese 40 seien nicht viel besser als die Räuber selber, und wir sollten uns unterwegs überall nach ihnen erkundigen, um ihnen, wenn irgend möglich, aus dem Weg zu gehen, wenn sie zurückkämen. Abdul Kerim hatte Tsongpun Taschi versprochen, ihm unsern kranken Rappen gegen irgend etwas Eßbares zu vertauschen, aber ohne zu wissen, daß Abdullah das Pferd schon beim Bettlerzelt verschachert und zwei Schafe und eine Ziege dafür erhalten hatte. Dort hatte das treue Tier sicherlich noch gute Tage, wenn wieder frisches Gras keimte.
Nachdem Abdul Kerim Tee getrunken hatte, mußte er wieder forttraben. Diesmal galt der Besuch dem Gova Tschykjyng, der selber aus seiner Zelttür trat und ihm auseinandersetzte, daß ihm Takjung Lama gerade heute ein achttägiges »Jangguk« auferlegt habe, d. h. er durfte in dieser Zeit keinerlei Handel treiben, sondern mußte sich innerhalb seiner vier Pfähle der Meditation hingeben, um seine Sünden zu büßen. Für mich war das ein Glück, der Gova blieb also aus dem Spiel.
29. März. Nur -10,6 Grad in der Nacht und +13 Grad um sieben Uhr morgens, das ist endlich Frühling! Seid uns willkommen, ihr lieben, linden Lüfte, und macht uns die wintersteifen Glieder wieder geschmeidig!
Früh am Morgen kamen zwei unserer Leute mit einem neuen Hund an, einem hellgelben, schmutzigen, unangenehmen Köter. Er wurde von Takkar nichts weniger als gastfreundlich empfangen, da dieser ihn sofort tüchtig im Nacken zauste und der Ansicht zu sein schien, das neue Mitglied der Karawane sei völlig überflüssig, solange er selber Wache halte.
Weit hinten im Norden erblickten wir einen einsamen Tibeter, der sich unserem Lager näherte. Ich saß gerade beim Frühstück und freute mich der Hoffnung, diesen gefährlichen Ort bald zu verlassen. Nun ging ich hinaus, um den Ankömmling durch das Fernglas zu betrachten; der Fremde ging gerade auf unsere Zelte zu. Nach einer Weile gesellte sich Abdul Kerim zu mir und teilte mir mit, daß es Tsongpun Taschi selber sei. Der Besuch blieb in einiger Entfernung stehen und rief uns zu, unsere Hunde anzubinden, denn besonders Takkar stürmte so auf den alten Mann los, daß dieser sich mit Steinwürfen verteidigen mußte. Meine Leute zögerten absichtlich mit dem Maulkorb so lange, bis ich Zeit gehabt hatte, das Innere meines Zeltes in Verteidigungszustand zu setzen. Bei solchen Gelegenheiten wurden meine Tagebücher und Instrumente in einem Sack Reis begraben, der immer in der Nähe stand. Andere Möbel waren nicht vorhanden – wir hatten alle europäischen Sachen und Kisten ja längst verbrannt.
Inzwischen führte Abdul Kerim den Besuch in sein Zelt, das Wand an Wand mit dem meinigen stand. Als ich bei ihrer Unterhaltung den Horcher spielte, waren sie wenig mehr als einen Meter von mir entfernt. Das Gespräch wurde nach und nach, gelinde gesagt, lebhaft. Tsongpun Taschi wurde immer lauter, und Abdul Kerim saß augenscheinlich arg in der Klemme.
»Habt ihr nicht gestern versprochen, mir den Rappen gegen Butter zu vertauschen? Sofort her mit dem Gaul! Wenn ihr euer Wort nicht haltet, lasse ich euch und euer sämtliches Gesindel hier festnehmen! Wortbrüchige lassen wir nicht durch Bongba ziehen. Ich habe euch gestern für ehrliche Leute gehalten, aber jetzt sehe ich, was ihr für eine Sorte seid! Jetzt werde ich erst einmal euere Zelte untersuchen!«
Damit erhob er sich, wütend wie eine gereizte Biene, und verließ das Zelt. Aber Gulam, der stets auf dem Platz war und sich kein Wort von einer Unterhaltung entgehen ließ, hatte schnell Takkar wieder losgemacht. Sobald Tsongpun Taschi sich in der Zelttür zeigte, fuhr der Hund wieder auf ihn los. Er retirierte schnell in das Zelt hinein, und Abdul Kerim benutzte die Gelegenheit, um mit barscher Stimme aus der Tür zu rufen: »Kutus, nimm Hadschi Baba mit und sucht mir das verlorene Pferd!«
»Was für ein Pferd?« fragte Tsongpun.
»Das Pferd, das ins Gebirge gelaufen ist und das wir erst wieder haben müssen, ehe wir aufbrechen können.«
»Welche Farbe hat es?« fragte Tsongpun mit unzeitgemäßer Wißbegierde.
»Grau«, rief Abdul Kerim, der seine Unruhe kaum mehr verbergen konnte, denn er war es ja gewesen, der den schwarzen Gaul versprochen hatte, ohne zu wissen, ob wir ihn noch hatten.
»Schön, ich bleibe hier, bis die beiden das Pferd gefunden haben.«
Während der Minute, die mit dieser Unterhaltung verging, hatte Tsongpun Taschi sich meinem Zelt genähert, und Kutus eilte von der anderen Seite herein, packte mich beim Kragen und flüsterte mir ins Ohr: »Fort!« Wir entfernten uns in der Richtung nach Südosten, wo ein Berg vorsprang, liefen aber dabei erst recht Tsongpun Taschi beinahe in die Arme.
»Was ist denn das da für einer?« fragte der Alte, auf mich zeigend, der mit klotzigen, wiegenden Schritten fortging.
»Hadschi Baba, einer meiner Leute«, erwiderte Abdul Kerim, ohne eine Miene zu verziehen. Wir drehten uns nicht einmal um, als wir nach dem vorspringenden Berg hingingen, und freuten uns, als uns endlich ein Felsstück verdeckte. Von da kletterten wir in eine Schlucht hinauf, von der aus wir das ganze Tal überblicken konnten. Hier blieben wir in atemloser Aufregung eine gute Stunde, während Tsongpun Taschi unten auf die Rückkehr des entlaufenen Pferdes wartete, das gar nicht fortgelaufen war. Alle unsere Tiere standen schon vor unseren Zelten angebunden. Aber die Geduld muß ihm wohl ausgegangen sein. Nachdem Gaffar sich nach dem Bettlerzelt begeben, um das schwarze Pferd, wenn möglich, wiederzukaufen, aber die Antwort erhalten hatte, daß daraus nichts werden könne, weil der Rappe bereits mit Gerste gefüttert sei und sich vortrefflich befinde, sahen wir Tsongpun Taschi selber in Begleitung Gaffars dorthin trotten. Er wurde jedoch bald anderen Sinnes, denn als er etwa den halben Weg zurückgelegt hatte, sahen wir ihn nach dem Zelt des vornehmen Seelsorgers gehen, das gegen 300 Meter weiter unten im Tale lag. Mit ihm ging einer unserer Leute, der ihm die Säcke tragen half, in denen die gestern eingekauften Sachen steckten.
Wir lagen noch immer in unserem Versteck von stark verwittertem, grünem Schiefer voller Quarzitadern, hinter denen wir ungesehen spionieren konnten und auf unsere Weise das verlorene Pferd suchten. Nun aber war die Karawane fertig und setzte sich in Marsch, um talabwärts am Zelt des Abtes vorbeizuziehen. Tsongpun Taschi hatte noch dem Prälaten Lebewohl sagen wollen, der gerade heute nach dem auf keiner Karte der Welt angegebenen Kloster Mendong-gumpa aufzubrechen gedachte und dessen Yaks schon, inmitten einer Dienerschar, beladen an ihren Pflöcken standen. Abdul Kerim war so klug, uns keinen Boten nachzuschicken, sondern uns nach eigenem Ermessen handeln zu lassen. Das taten wir denn auch, als es uns in dem grünen Schiefer nicht länger gefiel – wir konnten ja nicht bis zum jüngsten Tag dort liegen bleiben. Aber am Abtzelt mußten wir vorüber, und drinnen saß Tsongpun Taschi, falls er nicht gar einer der Männer war, die sich draußen vor dem Zelt bewegten. Wir stiefelten also auf gut Glück los. Kutus ging auf der Zeltseite, um mich teilweise zu verdecken. Meine Verkleidung konnte kein Mißtrauen erregen, mein Gesicht war schwarz. Nicht ohne Herzklopfen gingen wir dicht am Zelt vorüber. Nur zwei bissige Hunde stürmten uns nach, die wir uns mit Steinwürfen vom Leibe hielten, was aber unsere Marschordnung störte und uns zu einer Frontveränderung zwang. Die verwünschten Hunde! Wenn uns aber Tsongpun Taschi sah – und das war kaum anders möglich, da die Hunde wie besessen bellten – würde er sich wohl wundern, wo das graue Pferd geblieben war. Hegte er aber jetzt noch keinen Argwohn gegen uns, so war er zweifellos der größte Esel, dem ich je in meinem Leben begegnet bin!
Wir beschleunigten unsere Schritte, holten die andern bald ein und mischten uns unter sie. Das Tal senkte sich – ein großes Glück, da hier so viele Hinterhalte auf allen Seiten lauerten, daß ich zu Fuß gehen mußte. Abdul Kerim ritt auf seinem neuen Pferd vornehm an der Spitze. Links standen ein weiß und blaues und ein schwarzes Zelt, um das 20 Yaks grasten. Zwei Männer kamen auf uns zu, doch Abdul Kerim ritt ihnen entgegen und verwickelte sie in ein Gespräch. Wir marschierten an dem zugefrorenen Bach entlang. Noch an fünf Zelten ging es vorüber, und aus allen kamen Menschen heraus, um uns anzugaffen. Ich selbst zog mit den Schafen in größerem Abstand von den Zelten als die Karawane. Zwanzig Zelte passierten wir an diesem Tag – eine gefährliche Gegend und ein Wunder, daß ich wieder mit heiler Haut davonkam.
Eine Frau, die eine Last Wolle auf dem Rücken trug, holte uns ein. Sie war so dreist, sich mitten durch unsere Leute zu drängen und zu verlangen, daß ihre Wolle dem einen Yak noch aufgepackt werde. Ein verteufeltes Frauenzimmer; nie in meinem Leben habe ich ein weibliches Wesen so von Herzen dahin gewünscht, wo der Pfeffer wächst! Abdul Rasak nahm sich aber der Schönen an und erbot sich, ihr die Hälfte ihrer Last nach ihrem Zelt zu tragen, und als sie dies annahm, trabte er mit ihr voraus und ging so schnell, daß er mich von der verdächtigen Person befreite.
Daß sie ein Spion war, hielten wir für ausgemacht. Als wir unterhalb einer Schafhürde lagerten, blieb auch sie stehen, richtete sich in der Hürde selbst häuslich ein, zündete Feuer an und holte sich Wasser. Sie müsse Tee trinken, ehe sie ihren Weg nach Hause fortsetze, erklärte sie; glücklicherweise zog sie auch wirklich ab, ehe es dämmerig wurde.
Im Licht der untergehenden Sonne zeichnete ich die wechselvollen Ereignisse dieses Tages auf. Ich saß in meiner Zelttür und erfreute mich an dem schmeichelnden Säuseln des Frühlingswindes. Da – was erblickten meine Augen? Das war ja Takkar in eigenster Person, der, geniert und blöde, zu mir herankam, die seltsamsten Bewegungen machte, den Kopf auf die Seite legte und mit seiner Pfote auf meinem Arm zu kratzen begann. Ich sah ihn an und er sah mich an, und endlich verstanden wir einander.
»Ich konnte doch nicht wissen,« sagte er, »daß ihr so nette Menschen seid, als ihr mir die scheußliche Zeltstange am Halse festbandet. Ich glaubte, daß ihr mich quälen und plagen wolltet, mich hungern lassen und mich mit Steinwürfen traktieren würdet, wie es die Tibeter immer getan haben, seit ich auf der Welt bin! Aber ich sehe, daß ihr es gut mit mir meint und mir zweimal täglich herrliches Schaffleisch gebt. Wohl weiß ich, daß du in deinen Lumpen der Bombo Tschimbo bist und daß Abdul Kerim nur ein Knecht ist. Sei ruhig, ich lasse keinen an dein Zelt heran; ich werde nachts über dich wachen, ich werde dich nie verraten, ich werde dich begleiten, wohin es auch gehe, und du kannst dich auf mich verlassen! Nun aber komm auch und spiele ein bißchen mit mir; nimm mir die eklige Zeltstange ab und laß uns einander nicht länger fremd bleiben!«
Es stand so deutlich in seinen klugen braunen Augen geschrieben, daß er dies alles, Wort für Wort, dachte. Ich nahm seinen zottigen Kopf und kraute ihn; da sprang er an mir in die Höhe, begann vor Freude zu tanzen und zu heulen und lockte mich aus dem Zelt heraus. Nun fing ich ihn wieder ein, löste die Knoten und befreite ihn von der Stange, zur großen Verwunderung meiner Leute, die unter freiem Himmel an ihrem Feuer saßen. So nahe hatte sich, außer Klein-Puppy, bisher noch niemand an Takkar herangewagt, und ohne eine Spur von Neid mischte sich der kleine Hund in das Spiel, mit dem ich von nun an täglich ein paar Stunden meiner langweiligen Gefangenschaft totschlug.