Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Einhundertste Erzählung.

Vor vielen Jahren war einmal ein junger Herr namens Gualtieri, der Stammhalter der Markgrafen von Saluzzo. Er hatte weder Gemahlin noch Kinder, brachte seine Zeit beständig mit der Jagd und Reiherbeize zu und dachte nie daran, sich nach einer Gattin umzusehen; und daran that er sehr klug. Weil aber seine Unterthanen damit nicht recht zufrieden waren, so baten sie ihn oft, sich zu vermählen, damit es ihm nicht an Erben und ihnen nicht an Landesherren fehlen möchte, und sie selbst erboten sich, ihm eine Gemahlin aus einem solchen Hause vorzuschlagen, daß er sich eine glückliche Ehe mit ihr versprechen könnte.

Gualtieri antwortete: »Meine Freunde, Ihr nötigt mich zu etwas, wozu ich nicht geneigt war, weil ich sehe, wie schwer es hält, jemand zu finden, dessen Gesinnung mit der unsrigen übereinstimmt und wie groß hingegen die Menge derjenigen ist, welche anders denken, und wie sauer demjenigen das Leben gemacht wird, der ein Weib bekömmt, das sich nicht für ihn schickt. Wenn Iihr meint, von der Weise der Väter und Mütter auf die Sitten der Töchter schließen und mir nach dieser Regel ein Weib nach meinem Herzen auserwählen zu können, so irrt Ihr Euch sehr; denn ich wüßte nicht, wie Ihr die Väter ausfindig machen oder hinter die Geheimnisse der Mütter kommen wolltet; und wenn Ihr das alles auch wüßtet, so sind doch oft die Töchter von den Müttern sehr verschieden. Weil Ihr aber einmal entschlossen seid, mich an diese Kette zu legen, so bin ich es gleichfalls zufrieden; und damit ich mich über niemand zu beklagen habe, als über mich selbst, wenn die Sache übel ausfallen sollte, so will ich selbst für mich wählen. Allein ich versichere Euch, wofern Ihr diejenige, die ich mir wähle (sie mag sein, wer sie will), nicht als Eure Gebieterin ehret, so sollt Ihr zu Eurem Schaden gewahr werden, wie schwer es mir ankömmt, mich wider meinen Willen auf Eure Bitte zu vermählen.«

Die guten Leute gaben ihm zur Antwort, sie wollten sich alles gefallen lassen, wenn es ihm nur gefällig wäre, sich zu verheiraten. Gualtieri hatte schon seit einiger Zeit großen Gefallen an der Aufführung eines gewissen armen Mädchens gefunden, welches auf einem Dorfe nahe bei seinem Palaste lebte, und da er sie überdies sehr schön fand, so glaubte er, mit ihr ganz vergnügt leben zu können, und nahm sich deshalb, ohne länger zu wählen, vor, sie zu heiraten; weswegen er ihren Vater, einen sehr armen Mann, zu sich kommen ließ und mit ihm Abrede nahm, sie zu seiner Gemahlin zu machen. Hierauf ließ Gualtieri alle seine getreuen Vasallen zusammen berufen und sagte zu ihnen: »Meine Freunde, es ist Euer Wunsch gewesen und Ihr wünscht es noch jetzt, daß ich mich entschließen soll, mich zu vermählen, und ich will es thun, mehr um Euch zu gefallen, als aus eigener Neigung, eine Frau zu nehmen. Ihr wißt, was Ihr mir versprochen habt, nämlich, daß Euch diejenige als Eure Gebieterin lieb und wert sein sollte, die ich mir erwählen würde. Da nun die Zeit gekommen ist, mein Versprechen gegen Euch zu erfüllen, so erwarte ich dagegen von Euch, daß Ihr mir gleichfalls Wort haltet. Ich habe hier ganz in der Nähe ein junges Mädchen nach meinem Herzen gefunden, mit welchem ich willens bin, mich zu verbinden und sie in wenigen Tagen heimzuführen. Machet demnach Anstalt, ein schönes Hochzeitsfest zu bereiten und sie ehrerbietig zu empfangen, damit ich Ursache haben möge, mit Euch zufrieden zu sein, sowie ich Euch durch die Erfüllung meines Versprechens zufrieden stellte.«

Die guten Leute bezeugten ihm ihre herzliche Freude darüber und versicherten ihm, die Braut als ihre Gebieterin anzuerkennen und zu ehren, sie möchte sein, wer sie wollte. Hierauf bestrebten sie sich um die Wette, alles zu einem herrlichen und fröhlichen Feste zu veranstalten, und dieses that auch Gualtieri an seiner Seite. Er ließ alles auf's prächtigste und schönste zurüsten, eine Menge seiner Verwandten und Freunde, der vornehmsten Herren in der Nachbarschaft und andere einladen; auch ließ er viele schöne und köstliche Kleider verfertigen, die er einem andern Mädchen anmessen ließ, welches mit derjenigen, die er sich erwählt hatte, von einerlei Wuchs und Größe war, nebst einer Menge Gürtel, Ringe und einer kostbaren Krone, kurz Alles, was sich für die künftige fürstliche Braut schickte. Wie der Tag kam, den er zu seiner Vermählung angesetzt hatte, stieg er des Morgens, nachdem er alles Nötige angeordnet hatte, nebst allen denen, welche gekommen waren, ihm ihre Ehrerbietung zu bezeigen, zu Pferde und sagte: »Meine Herren, es ist Zeit, daß wir die Braut heimholen.« Er ritt hierauf mit allen seinen Begleitern nach dem Dörfchen, und wie sie vor der Hütte des Mädchens ankamen, sahen sie das Mädchen, welches eben in großer Eile mit einem Kruge Wasser vom Brunnen zurückkehrte, um mit anderen Mädchen hinzugehen, die Braut des Markgrafen zu sehen. Wie Gualtieri sie gewahr ward, rief er sie bei ihrem Namen Griselda und fragte, wo ihr Vater wäre.

Sie antwortete bescheiden: »Gnädiger Herr, er ist in der Hütte.«

Gualtieri stieg ab und befahl allen, die bei ihm waren, zu warten. Er selbst ging hinein und sprach zu dem Vater des Mädchens, welcher Giannucole hieß: »Ich bin gekommen, Griselda zu meiner Gemahlin zu machen; allein vorher will ich sie in Deiner Gegenwart um einige Dinge befragen.« Er verlangte hierauf von ihr zu wissen, ob sie, wenn er sich mit ihr vermählte, sich jederzeit bestreben wollte, ihm zu Gefallen zu leben und sich nichts verdrießen zu lassen, was er sagen oder thun würde; ob sie ihm stets wollte gehorsam sein und was dergleichen Dinge mehr waren, welches alles sie willig versprach. Darauf nahm Gualtieri ihre Hand, führte sie hinaus, ließ sie in Gegenwart Aller, die mit ihm gekommen waren, nackend auskleiden, ließ die Sachen bringen, die er für sie bestellt hatte, und sie damit bekleiden und beschuhen, und ließ ihr auf ihr losfliegendes Haar eine Krone setzen! Indem sich noch ein jeder höchlich darüber verwunderte, sprach er: »Meine Herren, hier ist diejenige, die ich entschlossen bin, zu meiner Gemahlin zu machen, wenn sie mich zu ihrem Gemahl annehmen will.« Darauf wandte er sich an Griselda, und fragte sie: »Griselda, willst Du mich zu Deinem Gemahle?« Sie antwortete: »Ja, gnädiger Herr!« »Und ich begehre Dich zu meiner Gemahlin,« antwortete der Markgraf und verlobte sich mit ihr in aller Gegenwart. Er ließ sie hiernächst ein Staatsroß besteigen und führte sie in Begleitung eines stattlichen Gefolges nach seinem Palast. Hier ward die Vermählung mit eben so vieler Pracht gefeiert, als wenn er sich mit einer königlichen Prinzessin aus Frankreich verbunden hätte. Die junge Braut schien auch mit den neuen Kleidern einen neuen Sinn und ein neues Betragen angenommen zu haben. Sie war, wie bereits gesagt worden, schön von Angesicht und Gestalt, und jetzt zeigte sie sich eben so reizend, liebenswürdig und einnehmend, als schön; so daß sie nicht schien die Tochter des Giannucole und hinter den Schafen erzogen, sondern die Tochter eines edlen Rittersmanns zu sein, welches einen jeden verwunderte, der sie sonst gekannt hatte. Sie bezeigte sich übrigens so demütig und gehorsam gegen ihren Gemahl, daß er sich als den glücklichsten und zufriedensten Menschen von der Welt betrachtete; und gegen die Unterthanen des Markgrafen war sie so liebreich und gütig, daß ein Jeder sie mehr als sich selbst liebte, sie herzlich ehrte und für ihre Wohlfahrt und ihre Erhöhung betete; und da man anfänglich meinte, Gualtieri hätte nicht klüglich gehandelt, sie zur Gemahlin zu nehmen, so pries man jetzt seine Weisheit und Klugheit über alles in der Welt, weil niemand anders als er ihre hohen Tugenden unter der ärmlichen Hülle der bäurischen Kleidung jemals würde ausfindig gemacht haben. Mit einem Worte, nicht nur in seinem Gebiete, sondern überall wußte sie es in kurzer Zeit dahin zu bringen, daß man ihre Tugenden und ihr löbliches Betragen einstimmig erhob und alles zurücknahm, was man von ihrem Gemahl gesagt hatte, wie er sich mit ihr zuerst vermählte. Nicht lange, nachdem sie die Gemahlin des Gualtieri geworden, ward sie schwanger und brachte ein Töchterchen zur Welt, welches dem Gualtieri viel Freude machte. Allein bald nachher bekam er einen sonderbaren Einfall und nahm sich vor, durch eine langwierige Prüfung die Geduld seiner Gattin auf die schwerste Probe zu stellen. Er begegnete ihr deswegen zuerst mit harten Worten und gab vor, seine Unterthanen wären höchst mißvergnügt wegen ihrer niedrigen Herkunft, zumal, weil sie fänden, daß sie fruchtbar wäre, und sie murrten beständig über die Geburt ihrer Tochter, die ihnen äußerst mißfällig zu sein schiene. Die Markgräfin, ohne den geringsten Unmut in ihren Gebärden und Betragen blicken zu lassen, gab ihm zur Antwort: »Mein Herr und Gebieter, verfahre mit mir wie Du glaubst, daß es Deiner Ehre und Deiner Ruhe am zuträglichsten ist; ich werde mit allem zufrieden sein, da ich weiß, daß ich die geringste unter allen Deinen Unterthanen bin und daß ich die Ehre nicht verdiente, die Du mir aus Gnaden erzeigt hast.«

Diese Antwort gefiel dem Markgrafen so außerordentlich, weil er fand, daß die Erhebung, die ihr von ihm und von anderen widerfahren war, sie nicht im geringsten stolz gemacht hatte. Nicht lange darauf, nachdem er sich in unbestimmten Ausdrücken gegen sie hatte verlauten lassen, daß ihre Tochter seinen Unterthanen im Wege wäre, schickte er einen Diener an sie ab, welcher ihr mit verstellter Traurigkeit sagen mußte: »Gnädige Frau, mein Leben hängt an der Vollziehung eines Befehls, den mir mein Herr gegeben hat. Er hat mir befohlen, Euch Eure Tochter abzufordern, und ich soll . . .«

Hier schwieg der Diener, und die Markgräfin, welche die Worte hörte, die Miene des Dieners beobachtete und sich an die Reden ihres Gemahls erinnerte, konnte nicht anders denken, als daß er Befehl hätte, das Kind umzubringen. Sie nahm es aus der Wiege, küßte es und gab ihm ihren Segen; und so schwer es ihrem mütterlichen Herzen auch ward, so gab sie es doch dem Diener in die Arme und sagte: »Da hast Du es, thue mit ihm alles, was Dein Herr Dir befohlen hat; nur überlasse es nicht (wenn es nicht sein ausdrücklicher Wille ist) den Tieren und den Vögeln zum Raube.«

Der Diener nahm das Kind und sagte seinem Herrn, was die Markgräfin gesprochen hatte. Dieser verwunderte sich über ihre Standhaftigkeit, schickte den Diener mit dem Kinde zu einer seiner Verwandten nach Bologna und ließ sie bitten, das Kind mit aller Sorgfalt warten und erziehen zu lassen, ohne jemand zu entdecken, wessen Tochter sie wäre.

Nach einiger Zeit ward Griselda abermals schwanger und kam zur großen Freude des Markgrafen zur rechten Zeit mit einem Knäbchen nieder. Weil ihm aber an demjenigen, was er bereits gethan hatte, noch nicht genügte, so verwundete er das Herz seiner Gemahlin noch tiefer, indem er mit verstelltem Zorn eines Tages zu ihr sagte: »Weib, seitdem du diesen Knaben geboren hast, kann ich mit meinen Leuten gar nicht mehr auskommen; so laut beschweren sie sich darüber, daß nach mir dereinst ein Enkel des Giannucole über sie herrschen soll. Ich besorge deswegen, wenn ich mich nicht selbst von Land und Leuten will vertreiben lassen, daß ich mich werde gezwungen sehen, zum zweiten Male so zu verfahren, wie ich schon einmal gethan habe; und daß ich mich am Ende noch überdies werde von Dir scheiden und eine andere heiraten müssen.«

Griselda hörte alles gelassen an und antwortete bloß: »Mein Herr, sorge nur für Deine eigene Ruhe, und wenn es darauf ankömmt, Deine Wohlfahrt zu befördern, so nimm auf mich nicht die geringste Rücksicht; denn nichts in der Welt ist mir teurer, als nur insofern ich sehe, daß es Dich glücklich macht.«

Nach einigen Tagen ließ Gualtieri ihr den Knaben auf eben dieselbe Art abfordern, wie er ihr vorhin ihr Töchterchen hatte abnehmen lassen und schickte ihn gleichfalls zur Erziehung nach Bologna, indem er die Mutter in dem Wahne ließ, daß ihr Söhnchen umgebracht wäre. Sie äußerte sich darüber in Gebärden und Worten nicht anders, als das erste Mal, worüber sich Gualtieri zum höchsten verwunderte und sich selbst gestehen mußte, kein anderes Weib könnte es ihr in diesem Stücke gleich thun. Ja, wenn er nicht oft Zeuge gewesen wäre, wie zärtlich sie sich gegen ihre Kinder betrug, so lange dieses ihm gefällig war, so würde er geglaubt haben, daß sie sich aus ihnen wenig machte; jetzt aber konnte er ihr Betragen für nichts anderes, als für die Wirkung ihrer großen Klugheit halten.

Seine Unterthanen, welche wirklich glaubten, er hätte die Kinder aus dem Wege räumen lassen, ärgerten sich sehr über ihn und hielten ihn für einen Grausamen, indes sie seine Gemahlin herzlich bemitleideten. Griselda sagte inzwischen zu ihren Frauen, welche ihr Beileid über den Tod ihrer Kinder bezeugten, nichts weiter, als daß sie sich alles gefallen ließe, was demjenigen beliebte, der sie gezeugt hätte.

Schon waren seit der Geburt ihrer Tochter viele Jahre verflossen, wie Gualtieri glaubte, daß es nunmehr Zeit wäre, ihre Gelassenheit und Ergebung auf die letzte aber schwerste Probe zu stellen. Er sagte demnach zu Verschiedenen von den Seinigen, er könnte den Gedanken nicht länger ausstehen, Griselda zur Gemahlin zu haben; er sehe wohl ein, daß er vormals eine jugendliche Thorheit begangen hätte, wie es ihm eingefallen wäre, sie zu nehmen; er wollte deswegen wo möglich sich von dem Papste die Erlaubnis zu verschaffen suchen, Griselda verstoßen und eine andere Gemahlin nehmen zu dürfen.

Dieses ward ihm zwar von vielen rechtschaffenen Männern widerraten; allein er antwortete weiter nichts darauf als: es müßte so sein. Wie Griselda dieses hörte und daß ihr nichts anderes bevorstände, als wieder zu ihrem Vater zurückgeschickt zu werden und vielleicht wieder die Schafe zu hüten, wie sie vormals gethan hatte, und daß sie würde eine andere Gattin in dem Besitze desjenigen sehen müssen, welchem sie ihr ganzes Herz ergeben hatte, schmerzte sie dieses zwar tief in ihrer Seele; allein sie beschloß nichtsdestoweniger, es mit eben dem festen Mute, wie alle vergangenen Ungerechtigkeiten ihres Schicksals geduldig zu ertragen.

Nicht lange darnach ließ Gualtieri untergeschobene Briefe von Rom kommen und gab vor, der Papst habe ihm erlaubt, Griselda zu verstoßen und sich mit einer anderen zu vermählen. Er ließ demnach in Gegenwart einer zahlreichen Versammlung Griselda vor sich kommen und sprach zu ihr: »Griselda, ich habe von dem Papste Erlaubnis erhalten, Dich zu entlassen und eine andere zu heiraten. Da nun alle meine Vorfahren Männer von hohem Adel und Herren dieses Landes gewesen sind, die deinigen hingegen lauter Ackersleute, so will ich Dich nicht zu meiner Gemahlin behalten, sondern Du kannst mit dem Mahlschatze, den Du mir zugebracht hast, nach dem Hause des Giannucole zurückkehren und ich will eine andere Braut heimführen, die sich besser für mich schickt.«

Griselda hielt, wider die Natur der Weiber, doch nicht ohne die äußerste Mühe, ihre Thränen zurück, indem sie diese Worte hörte, und antwortete: »Gnädiger Herr! Ich habe zu jeder Zeit wohl eingesehen, daß meine niedere Herkunft Eurem hohen Stande nicht angemessen wäre. Was ich Euch bisher gewesen bin, das verdankte ich Gott und Euch, und ich habe Euer Geschenk nie als mein Eigentum, sondern nur als ein Darlehen betrachtet. Es gefällt Euch jetzt, es wieder zu fordern, und ich muß es mir gefallen lassen, es Euch zurück zu geben. Hier ist der Ring, mit welchem Ihr mich Euch vermählt habt; empfanget ihn wieder zurück. Ihr befehlt mir, die Morgengabe wieder mit nach Hause zu nehmen, die ich Euch gebracht habe. Dazu habt Ihr keinen Zahlmeister nötig, und ich brauche weder Beutel, noch Saumtier: denn es ist mir noch nicht entfallen, daß Ihr mich nackend genommen habt. Wenn Ihr es nun für schicklich haltet, daß dieser Leib, welcher zwei von Euch erzeugte Kinder getragen hat, dem Anblick eines jeden Preis gegeben werde, so will ich auch nackend wieder hingehen; doch bitte ich Euch, zum Lohn für meine Jungfrauschaft, die ich Euch zugebracht habe und die ich nicht wieder mitnehme, daß Ihr mir wenigsten erlaubt, über die mitgebrachte Aussteuer ein einziges Hemd mit mir zu nehmen.«

Gualtieri, der sich kaum der Thränen erwehren konnte, hielt sich hart und sagte: »So nimm denn ein Hemd mit!«

Alle, die um ihn waren, baten ihn, er möchte ihr doch ein Kleid geben, damit man diejenige, welche dreizehn Jahr und darüber seine Gemahlin gewesen wäre, nicht so armselig und schmählich im bloßen Hemde aus seinem Hause gehen sehe. Doch alle Bitten waren vergeblich und Griselda mußte im Hemde, mit unbedeckten Haupte und barfuß davon gehen, und jedermann zerfloß in Thränen, wie sie Abschied nahm und sich nach dem Hause ihres Vaters begab.

Giannucole, der sich nie hatte überreden können, daß Gualtieri seine Tochter wirklich zur Gemahlin erkoren hätte und der demnach täglich einen solchen Auftritt erwartete, hatte die Kleider aufgehoben, welche sie am Tage ihrer Vermählung ablegte. Jetzt gab er sie ihr wieder, und sie legte sie an und verwaltete wie vormals jeden niedrigen Dienst in der väterlichen Hütte, indem sie mit standhaftem Mute die Schläge ihres harten Schicksals ertrug.

Nachdem Gualtieri es so weit getrieben hatte, gab er gegen seine Leute vor, er hätte sich mit der Tochter eines Grafen von Panago versprochen, und indem er große Zurüstungen zu seiner Hochzeit machen ließ, schickte er nach Griselda und ließ sie zu sich rufen. Wie sie kam, sprach er zu ihr: »Ich bin im Begriff, das Beilager mit meiner erwählten Braut zu vollziehen, und ich wünsche, daß sie bei ihrer ersten Ankunft standesmäßig möge empfangen werden. Du weißt wohl, daß ich kein Frauenzimmer im Hause habe, welches die Zimmer gehörig einzurichten und manches andere anzuordnen wüßte, was zu einer solchen Feierlichkeit erforderlich ist. Weil Du nun mit allem hier im Hause am besten bekannt bist, so bringe alles in Ordnung, wie es sich gebührt; laß diejenigen Frauen einladen, die sich nach Deiner Meinung dazu schicken, und empfange sie, als wenn Du die Frau im Hause wärest. Wenn die Hochzeit vorbei ist, kannst Du wieder nach Hause gehen.«

Obgleich ein jedes dieser Worte für Griselda ein Dolchstich durch das Herz war, indem sie es nicht so leicht fand, ihre Liebe aufzugeben, als ihrem äußerlichen Glücke zu entsagen, so sprach sie doch: »Mein Herr, ich bin willig und bereit.« Sie kam in ihrer groben bäuerischen Kleidung in den Palast zurück, den sie erst kürzlich im bloßen Hemde verlassen hatte; fegte die Zimmer und brachte sie in Ordnung; ließ die Teppiche aufhängen, die Decken ausbreiten, und die Küche bestellen; verrichtete jeden Dienst wie die geringste Magd im Hause und ruhte nicht, bis sie alles Nötige bereitet und angeordnet hatte. Hierauf ließ sie in Gualtieri's Namen alle Edelfrauen in der Gegend einladen und bereitete sich zu dem Tage der Vermählung. Wie dieser herankam, empfing sie, zwar in ihrer ärmlichen Kleidung jedoch mit edler weiblicher Würde und Anstand und mit fröhlichem Angesichte die eingeladenen Frauen.

Gualtieri, welcher seine beiden Kinder in Bologna bei seiner Base, die mit einem Grafen von Panago vermählt war, sorgfältig hatte erziehen lassen, hatte jetzt, da das Mädchen schon zwölf Jahre alt und sehr schön, und der Knabe im sechsten Jahr war, nach Bologna gesandt, und seinen Vetter bitten lassen, mit den beiden Kindern nach Saluzzo zu kommen, und ein zahlreiches und standesmäßiges Gefolge mitzubringen, unter dem Anschein, daß er die junge Person dem Markgrafen als Braut zuführte, und sich gegen niemand merken zu lassen, daß die Sache sich anders verhielte.

Der Graf that, was Gualtieri ihn gebeten hatte; er begab sich nach einigen Tagen mit dem Fräulein und ihrem Bruder und mit einem angemessenen Gefolge auf den Weg und kam um Mittagszeit nach Saluzzo, woselbst eine Menge Landleute und andere Menschen aus der Nachbarschaft versammelt waren, um die junge Braut zu erwarten. Nachdem die Edelfrauen sie empfangen hatten, kam auch Griselda in den Saal, wo die hochzeitliche Tafel gedeckt war, und begrüßte sie als ihre Gebieterin. Die Frauen, welche den Markgrafen vergeblich gebeten hatten, Griselda in einem Zimmer verborgen bleiben zu lassen, oder ihr eines von ihren ehemaligen Kleidern zu leihen, damit sie nicht so armselig vor den fremden Gästen erscheinen müßte, wurden nunmehr zur Tafel gebeten und man fing an aufzutragen. Ein Jeder heftete seine Augen auf die junge Braut und alle erklärten, Gualtieri habe einen guten Tausch getroffen; auch Griselda beeiferte sich, sie und ihren Bruder zu loben.

Gualtieri glaubte nunmehr die Geduld seiner Gemahlin genugsam geprüft zu haben, weil er fand, daß alle diese außerordentlichen Schritte sie nicht im Geringsten erschütterten, und weil er gewiß überzeugt war, daß sie sich nicht durch Leichtsinn oder Thorheit leiten ließ, indem er ihre Klugheit sehr wohl kannte. Er hielt es demnach für hohe Zeit, sie des Grams zu überheben, welcher unter der Hülle ihrer Standhaftigkeit an ihrem Herzen nagen mußte. Er rief sie demnach in Gegenwart aller Gäste zu sich und fragte sie lächelnd: »Was denkst Du von meiner Braut, Griselda?«

»Gnädiger Herr (antwortete sie), ich denke alles Gute von ihr, und wenn sie (wie ich nicht zweifle) ebenso vollständig ist, so bin ich versichert, daß Ihr mit ihr als der glücklichste Herr in der Welt leben werdet. Allein ich bitte Euch inständig, ihr nicht so viel Herzwehe zu verursachen, als derjenigen, die vormals die Eurige war; denn ich zweifle sehr, daß sie es würde ertragen können, teils wegen ihrer großen Jugend, und teils deswegen, weil sie in aller Weichlichkeit des Wohllebens erzogen ist, da hingegen jene von Jugend auf durch Beschwerlichkeiten abgehärtet war.«

Wie Gualtieri fand, daß sie in allem Ernste glaubte, seine künftige Gemahlin vor sich zu sehen, und daß sie dennoch in keinem Stücke anders als Gutes von ihr sprach, ließ er sie neben sich sitzen und sprach zu ihr: »Griselda, es ist Zeit, daß Du die Früchte Deiner langwierigen Geduld genießest und daß diejenigen, welche mich für grausam, ungerecht und unvernünftig gehalten haben, einsehen lernen, daß alles, was ich that, zu einem wohlberechneten Endzweck hinzielte; denn ich wollte dich lehren, ein gutes Weib zu sein, und jene, Dich als ihre Gebieterin anzusehen, und zu schätzen, damit ich mir selbst dauerhafte Ruhe verschaffte, so lange ich mit Dir lebe. Dies alles hoffte ich damals, wie ich mich zuerst vermählte, kaum zu erlangen, und Du weißt am besten, wie viel Qual und Kummer ich Dir verursacht habe, daß Du in Worten oder in Handlungen Dich meinen Wünschen widersetzt hättest und weil ich hoffen darf, die Freude, die ich mir wünschte, an Dir zu erleben, so will ich Dir in einer einzigen Stunde alles wiedererstatten, was ich Dir in vielen Jahren entzogen habe, und will mit dem sanftesten Balsam die Wunden heilen, die ich Dir schlug. Umarme demnach mit fröhlichem Herzen diejenige, die Du für meine Braut hältst, nebst ihrem Bruder, als Deine und meine leiblichen Kinder. Sie sind dieselben, von welchen Du und viele andere längst geglaubt haben, ich hätte sie grausamer Weise umbringen lassen; und ich bin Dein Gemahl, der Dich mehr, als alles in der Welt liebt; und ich glaube mich rühmen zu können, daß kein Mann so sehr wie ich Ursache hat, sich seines Weibes zu freuen.«

Mit diesen Worten umarmte und küßte er sie und führte sie, vor Freuden weinend, zu ihrer Tochter, die über alles, was sie hörte, ganz erstaunt war, umschloß sie und ihren Bruder auf's Zärtlichste und riß sie und viele andere, die gegenwärtig waren, aus ihrem Irrtum. Die Frauen verließen fröhlich die Tafel und gingen mit Griselda in ein Nebenzimmer, wo sie ihr unter günstigeren Vorbedeutungen ihre schlechten Kleider auszogen und sie mit einem von ihren eigenen reichen Gewändern bekleideten, und führten sie (die auch in ihren Lumpen den edlen Anstand nicht abgelegt hatte) als ihre Gebieterin in den Saal zurück. Hier empfing sie voll Wonne ihre Kinder, und da jedermann über diese glückliche Begebenheit herzlich froh war, so vervielfältigten sich die Freudenfeste und Jubelfeiern und währten noch viele Tage, und ein jeder pries die Klugheit des Gualtieri; wiewohl man sich nicht enthalten konnte, die mit seiner Gemahlin angestellten Prüfungen etwas zu hart und bitter zu finden; allein über alles ward Griselda's weises Betragen mit Recht erhoben. Der Graf von Panago ging nach einigen Tagen wieder nach Bologna zurück. Gualtieri erhob den Giannucole aus dem Bauernstand und versetzte ihn, als seinen Schwiegervater, in eine solche Lage, daß er sein Alter in Ehren und mit großer Zufriedenheit beschließen konnte.

Was lernen wir aus dieser Begebenheit? Daß vom Himmel eben sowohl göttliche Gesinnungen in die niedrigsten Hütten herabsteigen, als es in den königlichen Palästen Menschen giebt, welche vielmehr verdienten, Schweine zu hüten, als über Länder und Leute zu herrschen. Wer anders, als eine Griselda, hätte die schweren und unerhörten Prüfungen des Gualtieri, nicht bloß ohne Murren, sondern mit fröhlichem Angesichte, ertragen können? Ja, vielleicht hätte er verdient, an ein Weib zu geraten, welches sich, nachdem er sie im bloßen Hemde aus dem Hause gejagt, an einen anderen gehängt hätte, um zu einem hübschen Rock zu kommen.

 


 


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