Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Vierundsechzigste Erzählung.

In Arrezzo wohnte ein reicher Mann, namens Tofano. Diesem ward ein sehr schönes Weibchen zu Teil, welches Ghita hieß, auf das er aber, ohne es selbst zu wissen warum, sehr bald eifersüchtig ward. Wie die Frau dieses merkte, war es ihr sehr empfindlich, und sie nahm mehr als einmal Gelegenheit, ihn nach der Ursache seiner Eifersucht zu fragen. Weil er aber keine andere, als lauter unbestimmte und nichtsbedeutende Antworten gab, so geriet sie endlich auf den Einfall, ihm das Übel wirklich zu geben, von welchem er nur bisher geträumt hatte. Da sie nun bemerkte, daß ein Jüngling, der ihr sehr artig zu sein schien, sie mit lüsternem Auge betrachtete, so knüpfte sie mit aller nötigen Vorsicht eine Bekanntschaft mit ihm an; und wie die Sache zwischen ihnen so weit gediehen war, daß es an nichts mehr fehlte, als von den Worten zur That zu schreiten, so sann das Weibchen auf Mittel, auch dazu Rat zu schaffen. Sie hatte bereits gemerkt, daß ihr Mann unter anderen Untugenden auch dem Trunke ergeben war; sie fing demnach an, sich seine Völlerei nicht nur willig gefallen zu lassen, sondern ihm auch mit guter Art bisweilen selbst dazu Vorschub zu thun. Kurz, sie wußte sich so gegen ihn zu benehmen, daß sie, so oft es ihr gelüstete, ihn dahin bringen konnte, sich ganz von allen Sinnen zu saufen. Wenn er dann völlig betrunken war, pflegte sie ihn zu Bette zu bringen und sich hierauf mit ihrem Liebhaber zu unterhalten, welches sie auch mit aller Sicherheit thun konnte. Ja, sie verließ sich zuletzt so sehr auf die Trunkenheit ihres Mannes, daß sie nicht nur ihren Liebhaber zu sich in's Haus kommen ließ, sondern auch zu ihm ging und bisweilen halbe Nächte in seinem Hause zubrachte, welches nicht weit von dem ihrigen entfernt war.

Da nun das verliebte Weibchen diese Weise immer fortsetzte, so fiel es einst dem betrogenen Ehemanne von ungefähr auf, daß seine Frau niemals mit ihm trank, wenn sie ihm so fleißig einschenkte, und er fing an, die Wahrheit zu mutmaßen, daß sie ihn nämlich betrunken machte, um ungehindert thun zu können, was sie wollte, indes er seinen Rausch ausschliefe. Um der Sache auf den Grund zu kommen, stellte er sich einst des abends, obwohl er den ganzen Tag nichts getrunken hatte, in Worten und Gebärden, als wenn er völlig besoffen wäre. Die Frau, welche dem Scheine traute und glaubte, daß er schon volle Ladung hätte, um fest genug zu schlafen, brachte ihn zu Bette und ging, ihrer Gewohnheit nach, zu ihrem lieben Nachbar und blieb bei ihm bis Mitternacht. Sobald Tofano seine Frau nicht mehr hörte, stand er auf, verriegelte seine Thür von inwendig und legte sich in's Fenster, um ihr aufzupassen, wenn sie wiederkäme, und ihr zu zeigen, daß er hinter ihre Schliche gekommen wäre. Er wartete, bis sie kam. Wie sie erschien und die Thür verschlossen fand, ward sie äußerst bekümmert und versuchte alle ihre Kräfte, die Thür mit Gewalt zu öffnen. Tofano ließ sie ein Weilchen sich zerarbeiten; endlich aber rief er ihr zu: »Frau, Du machst Dir vergebliche Mühe; hier kömmst Du gewiß nicht wieder herein. Gehe nur immer wieder dahin, wo Du bis zu dieser Stunde gewesen bist, und sei versichert, daß Du nicht über meine Schwelle kommst, bis ich Dir für Deine Streiche in Gegenwart Deiner Verwandten und aller Nachbarn die Ehrentitel gegeben habe, die Du verdienst.«

Die Frau bat ihn um Gottes willen sie einzulassen, und versicherte ihm, sie wäre auf keinem solchen Wege gewesen, womit er sie im Verdacht hatte, sondern sie hätte die Zeit bei einer Nachbarin verplaudert, weil die Nächte so lang wären, und weil sie weder so früh schlafen gehen, noch allein aufsitzen könnte. Doch alle ihre Bitten halfen nichts; denn der Thor hatte sich nun einmal vorgenommen, daß alle Leute in Arrezzo seine Schande wissen sollten, von welcher noch kein Mensch etwas ahnte. Wie die Frau fand, daß sie mit Bitten nichts ausrichten konnte, legte sie sich auf's Drohen und sagte: »Wenn Du mich nicht einlässest, so mach' ich Dich zum unglücklichsten Menschen von der Welt.«

»Und wodurch denn das?« fragte Tofano.

Die Frau, welche die Liebe erfinderisch gemacht hatte, gab ihm zur Antwort: »Ehe ich die Schmach erdulde, die Du mir unschuldigerweise zugedacht hast, stürze ich mich lieber in diesen Brunnen und wenn man mich tot darin findet, so wird kein Mensch daran zweifeln, daß Du mich im trunkenen Mute hineingestürzt habest, und Du wirst entweder fliehen und als ein Verbannter alles im Stiche lassen müssen, oder man wird Dir den Kopf vor die Füße legen, als meinem Mörder, der Du auch wirklich bist.«

Wie Tofano sich durch diese Reden von seinem verkehrten Sinne noch nicht abwenden ließ, sagte sie: »Nein, länger kann ich Dein Hohnnecken nicht ausstehen. Gott verzeihe Dir! Da liegt meine Spindel, die kannst Du aufbewahren.«

Da die Nacht so finster war, daß man seine Hand vor den Augen nicht sehen konnte, so ging sie an den Brunnen, nahm einen großen Stein, der neben dem Brunnen lag, rief: »Gott verzeiht mir!« und ließ den Stein in den Brunnen fallen, der mit einem großen Geplätscher ins Wasser plumpte.

Wie Tofano dieses hörte, meinte er im Ernst, seine Frau hätte sich in den Brunnen gestürzt. Er nahm deswegen in aller Eile den Eimer und das Seil, sprang zum Hause hinaus und lief nach dem Brunnen, um sie zu retten. Das Weibchen, welches sich unterdessen neben der Thüre versteckt hatte, schlüpfte in dem Augenblicke, da ihr Mann nach dem Brunnen eilte, wieder in das Haus, verriegelte die Thür, lief an's Fenster und rief ihm zu: »Gieß Wasser zu, wenn andere noch trinken, und nicht nach Mitternacht.«

Wie Tofano ihre Stimme hörte, fand er, daß sie ihm zum Narren gehabt hatte. Er ging nach der Hausthüre und wie er sie verschlossen fand, befahl er seiner Frau, ihm aufzumachen. Sie erhob aber ihre Stimme jetzt etwas höher, als sie bisher gethan hatte, und rief ihm zu: »Beim Kreuze Christi, Du liederlicher Saufaus sollst mir diese Nacht nicht in's Haus kommen! Deine Aufführung ist nicht länger auszustehen, und alle Menschen sollen gewahr werden, wer Du bist und um welche Stunde der Nacht Du nach Hause kommst.«

Tofano wollte vor Gift bersten und gab ihr ihre Schimpfworte mit Zinsen wieder; so daß alle Nachbarn und Nachbarinnen den Lärm hörten, aufstanden und an die Fenster kamen, und fragten, was es gäbe.

»Seht mir den gewissenlosen Menschen, (sprach die Frau mit Thränen), der mir immer des abends betrunken nach Hause kommt, oder in den Schenken seinen Rausch ausschläft, und dann um diese Nachtzeit erst heimkehrt. Ich habe es lange Zeit ertragen und ihn genug davon abgemahnt; allein es hat nichts geholfen, und weil ich es endlich nicht länger aushalten konnte, hab' ich ihm einmal zur Schande die Thür vor der Nase verriegelt, um zu sehen, ob ihn dieses bessern wird.«

Tofano an seiner Seite erzählte dagegen, wie ein Narr, alles so, wie es sich wirklich begeben hatte, und drohte seiner Frau, was er nur konnte. Sie aber sagte wieder zu ihren Nachbarn: »Da seht Ihr, was für ein Mensch das ist. Was würdet Ihr aber wohl denken, wenn Ihr mich auf der Straße fändet wie ihn, und er wäre an meiner Stelle hier am Fenster? Bei Gott, mich deucht, Ihr würdet sagen, er spräche die Wahrheit. Nun könnt Ihr sehen, wie es um seinen Verstand steht, da er gerade das von mir behauptet, was er vermutlich selbst gethan hat. Er meinte mich zu schrecken, indem er etwas, ich weiß nicht was, in den Brunnen warf. Aber wollte Gott, er hätte sich nur selbst hineingestürzt, und sich tüchtig den Wein gewässert, den er zuviel gesoffen hat!«

Alle Nachbarn und Nachbarinnen schalten nun mit einer Stimme den Tofano, daß er so übel von seiner Frau spräche; kurz, die Sache ging von einem Nachbar zum andern und ward bald so laut, daß sie auch den Eltern und Freunden der Frau zu Ohren kam. Diese eilten herzu, und wie sie von den Nachbarn die Bestätigung hörten, fielen sie über den Tofano her und droschen ihn ohne Barmherzigkeit. Darauf gingen sie in das Haus, nahmen die Sachen der Frau weg und führten diese mit sich fort, indem sie den Tofano noch obendrein Rache drohten.

Wie er die Prügel weg hatte und fand, daß ihn seine Eifersucht übel angeführt hätte, zumal da er seiner Frau im Herzen gut war, war er froh, es durch die Unterhandlung einiger Freunde dahin zu bringen, daß er seine Frau in Güte wieder bekam; und er versprach ihr, nie wieder eifersüchtig zu werden und ihr freie Hand zu lassen, nach ihrem eigenen Vergnügen zu handeln, jedoch mit solcher Vorsicht, daß sie es ihn nicht zu deutlich merken ließe.

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