Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Achtzigste Erzählung.

Es war vor Zeiten der Gebrauch in allen Seehäfen, daß die Kaufleute, welche mit Waren ankamen, ihre Güter beim Ausladen in eine Niederlage brachten, welche der Staat oder der Landesherr unterhielt, und welche man an einigen Orten das Kaufhaus oder Zollhaus zu nennen pflegte. Hier überlieferten sie den dazu bestellten Aufsehern ein Verzeichnis ihrer Waren mit dem beigefügten Werte, worauf man einem jeden ein Warenlager einräumte, in welchem er seine Güter unter seinem Schlüssel bewahrte. Die Zollbedienten trugen dann die Waren auf den Namen des Kaufmanns in das Zollbuch ein und ließen sich von ihm den Zoll für das Ganze oder für denjenigen Teil, den er wieder wegnahm, bezahlen. In diesem Zollbuche sahen die Mäkler oft nach, was für Ware am Markte vorrätig war und welchen Kaufleuten sie gehörte, und handelten mit ihnen, wie sich die Gelegenheit traf, über Preise, Tausch, Kauf und Verkauf, und was sonst dazu gehörte. Dies war auch unter anderen zu Palermo in Sizilien gebräuchlich, woselbst es zugleich viele hübsche Weiber gab, deren Ehrbarkeit nur im äußerlichen Scheine bestand. Wer sie nicht kannte, der hielt sie für Weiber von Stande und von guter Erziehung; sie gingen aber darauf aus, die Leute nicht nur zu scheren, sondern ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen, und sobald sie einen fremden Kaufmann gewahr wurden, sahen sie nach in den Zollregistern, was er hatte und wie viel er vermochte, und dann suchten sie durch Schmeicheleien und glatte Worte die Menschen an sich zu locken und zur Liebe zu reizen, und manchem haben sie einen großen Teil seiner Ware und nicht selten alles aus den Händen gespielt; ja einige haben nicht nur Gut und Schiff, sondern Mark und Bein dabei zugesetzt und auf diese Weise Haar und Bart unter dem Schermesser dieser behenden weiblichen Bartscherer sitzen lassen.

So traf es sich auch einst, daß ein junger Florentiner, namens Nicolo der Cigniano (den man aber gewöhnlich Salabaetto zu nennen pflegte), mit einer Partie Wollenwaren dahin gesandt ward, die ihm von dem Jahrmarkte zu Salerno nachgeblieben waren und die wohl an fünfhundert Goldgülden wert sein mochten. Nachdem er seine Ware am Zoll angegeben hatte, übereilte er sich eben nicht, sie zu Gelde zu machen, sondern er schlenkerte zu seinem Vergnügen fleißig in der Stadt umher. Da er weiß und rot, hübsch von Gesicht und wohlgewachsen war, so richtete eine von jenen Bartputzerinnen, die sich Madonna Jancofiore nennen ließ, ihr Augenmerk auf ihn, nachdem sie seinetwegen Erkundigung eingezogen hatte. Wie er es merkte und sie für ein vornehmes Frauenzimmer hielt, glaubte er, sie hätte sich in seine schöne Gestalt verliebt, und meinte, seine Liebschaft mit ihr recht vorsichtig einzuleiten; daher er, ohne jemand etwas davon zu sagen, anfing, sich oft vor ihrem Hause sehen zu lassen. Sobald sie dieses gewahr ward und ihn eine Zeitlang durch ihre Blicke aufgemuntert und sich gestellt hatte, als ob sie aus Liebe zu ihm verschmachtete, schickte sie auf eine geheimnisvolle Weise eine Magd an ihn ab, die in dem Kupplerhandwerk eine erfahrene Meisterin war. Diese sagte nach einer langen Vorrede fast mit thränenden Augen zu ihm, er hätte durch seine Schönheit und Liebenswürdigkeit ihre Gebieterin dergestalt bezaubert, daß sie weder Tag noch Nacht Ruhe hätte und daß sie nichts so sehnlich wünschte, als daß es ihm gefallen möchte, ihr eine geheime Zusammenkunft mit ihm in einer Badestube zu gewähren. Sie zog zugleich einen Ring hervor, den sie ihm in ihrem Namen überreichte.

Salabaetto war der vergnügteste Mensch von der Welt, wie er dieses hörte; er nahm den Ring, drückte ihn an seine Augen, küßte ihn und steckte ihn an seinen Finger, dann gab er der Unterhändlerin zur Antwort, wenn Madonna Jancofiore ihm gut wäre, so bliebe er ihr ebenfalls nichts schuldig, indem er sie mehr als sein Leben liebte, und er wäre bereit zu kommen, wohin und zu welcher Stunde sie befehle. Die Abgesandte brachte ihrer Herrschaft seine Antwort, und diese ließ ihn unverzüglich wissen, in welcher Badestube er sie am folgenden Abend nach der Vesperstunde erwarten sollte. Er unterließ nicht, sich um die festgesetzte Zeit, ohne jemand ein Wort zu sagen, pünktlich einzufinden, und fand auch, daß die Dame die Badestube bestellt hatte. Kaum war er hineingetreten, so kamen zwei Sklavinnen, die eine mit einem schönen weichen Pfühl auf dem Kopfe, die andere mit einem großen gefüllten Korbe. Sie legten den Pfühl auf eine Bettstelle in einer Kammer der Badestube, breiteten ein Paar der feinsten mit Seide gestreiften Betttücher darauf und eine Decke darüber von schneeweißem cyprischen Drillich, nebst zwei wunderschön gearbeiteten Ohrkissen. Nicht lange darnach kam auch die Dame mit noch zwei anderen Sklavinnen in die Badestube, wo sie unverzüglich den Salabaetto mit großen Freuden bewillkommte und nach manchem Seufzer, nach manchen zärtlichen Umarmungen und Küssen zu ihm sagte: »ich wüßte nicht, wer mich zu diesem Schritte hätte bewegen können, außer Dir; Du hast mir das Feuer in alle Adern gejagt, Du loser Toskaner!« Salabaetto mußte hierauf nebst ihr und zweien von den Sklavinnen nackend in das Bad steigen: sie ließ ihn in demselben von keiner anderen Hand bedienen, sondern badete ihn selbst mit wohlriechender Seife und mit balsamischen Kräutern und ließ sich selbst hernach von den Sklavinnen gleichfalls baden und reiben. Darauf brachten die Mägde zwei feine weiße Tücher, die von Rosenwasser dufteten, wie ein Garten. Die eine wickelte den Salabaetto und die andere die Dame in eines dieser Tücher und sie trugen sie beide auf ihrem Rücken in das aufgemachte Bett. Nachdem sie hier das Bad verschwitzt hatten, zogen ihnen die Sklavinnen die feuchten Tücher weg und ließen sie auf den anderen nackend ruhen. Aus dem Korbe zogen sie köstliche silberne Fläschchen hervor, die mit Rosen-, Pommeranzen-, Jasmin- und anderen wohlriechenden Wassern gefüllt waren, womit sie sie besprengten und sie hernach mit Süßigkeiten und köstlichen Weinen erfrischten. Salabaetto glaubte im Paradiese zu sein; tausendmal verschlang er mit seinen Blicken seine Gesellschafterin, die in der That sehr schön war, und jede Minute schien ihm hundert Jahre zu währen, bis die Sklavinnen sich entfernen und bis er seine Schöne in seine Arme schließen konnte. Endlich verließen jene das Zimmer, in welchem sie auf Befehl ihrer Frau ein kleines Wachskerzchen brennen ließen; worauf Salabaetto eine volle Stunde in den Armen der Schönen zubrachte und sich höchst glücklich pries, weil er meinte, daß sie vor Liebe zu ihm verginge. Wie sie glaubte, daß es Zeit war aufzustehen, rief sie ihre Sklavinnen wieder herein; sie kleideten sich an, wurden abermals mit Konfekt und Wein bedient und wuschen sich Gesicht und Hände mit wohlriechendem Wasser. Wie Salabaetto gehen wollte, sprach die Dame zu ihm: »Wenn es Dir nicht zuwider wäre, so thätest Du mir einen großen Gefallen, diesen Abend mit mir zu essen und die Nacht bei mir zuzubringen.«

Salabaetto, der durch ihre Reize und durch ihre künstlichen Schmeicheleien schon ganz für sie eingenommen war und sich fest einbildete, daß sie ihn wie ihre Seele liebte, gab ihr zur Antwort: »Madonna, alles, was Euch gefällt, ist mir über die Maßen lieb; darum bin ich bereit, diesen Abend und zu jeder anderen Zeit zu thun, was Euch beliebt und was Ihr mir befehlt.«

Die Dame begab sich hierauf nach Hause, wo sie alle ihre Kleider und Geräte in ihren Zimmern zur Schau stellen und ein herrliches Abendmahl zurichten ließ, und den Salabaetto erwartete. Dieser stellte sich ein, sobald es anfing, dunkel zu werden; er ward mit vielen Freuden und Liebkosungen empfangen und beim Abendessen auf's beste bewirtet. Wie er hernach mit ihr in die Kammer ging, duftete ihm brennendes Aloeholz entgegen, auf den Vorhängen des reichen Bettes flatterten kleine Liebesgötter und überall hingen schöne Kleider und Gewänder umher. Je mehr ihm dies alles ins Auge fiel, um desto höher erhob sich sein Begriff von dem Reichtum und dem vornehmen Stande seiner Gellebten. Er hatte zwar dagegen auch manches zum Nachteil ihres guten Rufes murmeln hören; allein er konnte sich schlechterdings nicht entschließen, es zu glauben; und wenn er es ja einigermaßen wahrscheinlich finden mochte, daß sie einem anderen einen Streich gespielt hätte, so glaubte er doch um alles in der Welt nicht, daß ihm selbst dergleichen von ihr widerfahren könnte. Er brachte vielmehr die Nacht höchst vergnügt in ihren Armen zu und ward immer mehr und mehr in sie verliebt. Am folgenden Morgen schenkte sie ihm einen schönen aus Silber gewirkten Gürtel und Börse und sagte: »Liebster Salabaetto, vergiß mich nicht. So wie meine Person Deinem Willen gewidmet ist, so steht alles, was Du hier siehst, und was ich vermag, Dir stets zu Befehl.«

Salabaetto umarmte und küßte sie mit inniger Wollust und verließ sie, um sich nach dem Versammlungsorte der Kaufleute zu begeben. Nachdem er sie in der Folge mehrmals, und immer ohne alle Unkosten besucht hatte, traf es sich, daß er seine Tücher mit gutem Vorteil für bares Geld verkaufte.

Dies hörte Madonna Jancofiore den Augenblick (nicht von ihm selbst, sondern von anderen), und wie darauf Salabaetto einst an einem Abend zu ihr kam, fing sie zuerst an, mit ihm zu schwatzen, zu tändeln, ihn zu umarmen und zu küssen, und sich so verliebt zu stellen, als wenn sie ihm vor Zärtlichkeit in den Armen sterben wollte. Ja, sie wollte ihm sogar mit Gewalt ein paar schöne silberne Becher schenken; allein Salabaetto weigerte sich, sie anzunehmen, weil er schon zu verschiedenen Zeiten Geschenke von ihr erhalten hatte, die sich in allem wohl auf dreißig Goldgulden belaufen mochten, wogegen er sie nie hatte bewegen können, die geringste Kleinigkeit von ihm zum Geschenk anzunehmen. Wie sie ihn nun durch ihre vorgespiegelte Liebe recht in Flammen gesetzt hatte, kam auf ihr Anstiften eine von ihren Sklavinnen herein, um sie abzurufen. Sie ging aus dem Zimmer, blieb eine kleine Weile draußen, kam ganz verweint wieder herein, warf sich mit dem Gesichte aufs Bett und erhob das jämmerlichste Klagegeschrei, das je ein Weib angestimmt hat. Salabaetto erstaunte; er schloß sie in seine Arme, weinte mit ihr und sagte: »Ach, liebste Seele meines Lebens! Was ist Dir so plötzlich zugestoßen? Was ist die Ursache Deines Kummers? Sage mir's doch, meine beste!«

Nachdem sie sich lange von ihm hatte bitten lassen, sprach sie endlich: »Ach, mein liebster Freund! Ich habe diesen Augenblick aus Mossina einen Brief von meinem Bruder bekommen, worin er mir schreibt, ich soll ihm, wenn ich auch alle meine Habe verpfänden oder verkaufen müßte, unfehlbar innerhalb acht Tagen tausend Goldgulden schicken; wo nicht, so wird man ihm den Kopf vor die Füße legen. Ich weiß nicht, wie ich mir helfen soll, um diese Summe so bald zu bekommen. Wenn ich nur vierzehn Tage Zeit hätte, so würde ich wohl Mittel finden, sie hie und da aufzutreiben, wo ich viel mehr als dies zu fordern habe, oder ich würde auch eins, oder das andere von unseren Grundstücken verkaufen; da aber dies so geschwind nicht möglich ist, so möchte ich lieber des Todes sein, als daß ich diese unglückliche Nachricht empfangen mußte.« Sie beschloß ihre Rede mit den Merkmalen der äußersten Bekümmernis und hörte nicht auf, zu weinen.

Salabaetto, bei welchem die Glut der Liebe einen großen Teil seiner gesunden Überlegung verzehrt hatte, und der ihre Thränen für aufrichtig und ihre Worte für ungeheuchelte Wahrheit hielt, sagte: »Madonna, mit tausend Goldgulden kann ich Euch nicht helfen, aber wohl mit fünfhundert, wenn Ihr meint, daß Ihr sie mir in vierzehn Tagen wiedergeben könnt; und auch dabei ist es noch ein Glück, daß ich eben gestern mein Tuch verkauft habe, sonst würde ich Euch keinen Groschen leihen können.«

»O Himmel! (erwiderte sie) so hast Du wohl gar selbst Mangel an Geld gelitten? Warum hast Du denn mich nicht darum angesprochen? Wenn ich gleich keine tausend bei der Hand habe, so fehlt es mir doch nicht an hundert oder zweihundert, um sie Dir zu leihen. Du benimmst mir allen Mut, die Dienstleistung von Dir anzunehmen, wozu Du Dich erbietest.«

Salabaetto, der sich durch diese Worte vollends fangen ließ, gab ihr zur Antwort: »Meine Liebe, Du mußt Dich dadurch nicht abhalten lassen; denn wenn ich so in Not gewesen wäre, wie Du bist, so hätte ich Dich gewiß angesprochen.«

»Ach, lieber Salabaetto! (sprach sie) jetzt sehe ich, wie treu und aufrichtig Du mich liebst, da Du mir in dieser Not ohne meine Bitten aus freiem Willen mit einer so ansehnlichen Summe beistehst. Gewiß, ich war Dir auch ohne dies schon von ganzem Herzen ergeben; doch jetzt bin ich es noch weit mehr, und ich werde es nimmermehr vergessen, daß ich Dir das Leben meines Bruders zu verdanken habe. Gott weiß indessen, wie ungerne ich die Summe von Dir annehme, wenn ich bedenke, daß Ihr Kaufleute mit Eurem Gelde Eure Geschäfte im Gange erhalten müßt. Weil mich jedoch die Not drängt, und weil ich gewiß hoffen darf, Dir Dein Geld bald wiedererstatten zu können, so will ich es doch annehmen, und wenn ich kein anderes Mittel finden kann, mir das Fehlende auch zu verschaffen, so will ich gerne all' mein Bißchen Habseligkeit versetzen.«

Mit diesen Worten sank sie dem Salabaetto weinend in die Arme. Er bemühte sich, sie zu trösten, und nachdem er die Nacht bei ihr zugebracht hatte, kam er und brachte ihr, zum Beweis, wie gerne er ihr diente, die fünfhundert Gulden ohne weitere Bitten in's Haus. Sie empfing sie mit weinenden Augen und mit lachendem Herzen, und Salabaetto begnügte sich mit ihrem Versprechen, ihm das Geld wieder zu geben.

Sobald sie es aber in den Händen hatte, änderte sich auch ihr Betragen. Sonst stand dem Salabaetto zu jeder Stunde, wenn es ihm beliebte, ihre Thüre offen; jetzt aber traten oft Umstände ein, daß er unter siebenmal nicht einmal vorgelassen ward, auch fand er nicht mehr dasselbe freundliche Gesicht und das liebkosende Betragen, womit man ihn sonst empfangen hatte. Die Zahlungsfrist verfloß nicht nur, sondern auch ein Monat und zwei darüber, und wie Salabaetto sein Geld forderte, ward er mit leeren Worten abgespeist. Jetzt fing er an, die Arglist des bösen Weibsbildes zu merken, und seine eigene Thorheit zu erkennen; und da er wußte, daß sie über alles, was er gegen sie klagen könnte, nur lachen würde, indem er weder Handschrift noch Zeugen hatte, und sich überdies schämte, anderen seine Not zu klagen, weil er vorher gewarnt worden war, und folglich befürchten mußte, für seine Dummheit ausgelacht zu werden, so beweinte er heimlich und mit schwerem Herzen seine Thorheit. Da er nun von seinen Herren schon verschiedene Briefe bekommen hatte, in welchen sie ihm befahlen, ihnen das gelöste Geld zu übermachen, so entschloß er sich zu entweichen, damit sein Vergehen dort nicht laut würde, und anstatt nach Pisa zu gehen, wie ihm war aufgetragen worden, setzte er sich auf ein Schiffchen und fuhr nach Neapel. Dort befand sich zur gleichen Zeit Pietro dello Canigiano, als Schatzmeister der Kaiserin von Konstantinopel, ein sehr verständiger und kluger Mann, und ein sehr großer Freund des Salabaetto und der Seinigen. Diesem, als einem sehr zuverlässigen Manne, klagte Salabaetto nach einigen Tagen seine Not, erzählte ihm, was er gethan hätte, und wie übel es ihm gegangen wäre, und bat ihn um Rat und Hülfe, um in Neapel seinen Unterhalt zu finden, weil er ihm versicherte, daß er nie wieder nach Florenz gehen würde.

Dem Canigiano war der Vorfall unangenehm. »Du hast übel gethan (sprach er), und hast Dich nicht rechtschaffen betragen, hast Deinen Herren schlecht gedient und zu viel Geld auf einmal verleckert; allein, was ist zu thun? Der Schaden ist geschehen, und man muß suchen, ihn wieder gut zu machen.« Als ein kluger Mann besann sich auch Canigiano sogleich auf einen Anschlag, den er dem Salabaetto mitteilte. Diesem gefiel der Rat, und er beschloß, die Ausführung zu unternehmen. Mit dem Gelde, das er noch übrig hatte und mit einer kleinen Summe, die ihm Canigiano vorstreckte, ließ er einige Ballen und Kisten packen, und schaffte sich etwa zwanzig leere Oelfässer an, die er füllen und verspunden ließ, lud alles an Bord eines Schiffes und ging wieder damit nach Palermo, wo er den Zöllnern sein Register von dem Inhalte und Wert seiner Waren gab, sie im Kaufhause niederlegte und, nachdem er alles auf seinen Namen hatte einzeichnen lassen, vorgab, daß er nicht eher willens wäre, zu verkaufen, bis der Rest seiner Waren, die er noch erwartete, gleichfalls angekommen wäre.

Jancofiore bekam bald Wind davon, und wie sie vernahm, daß die Waren, die er mitgebracht hatte, an zweitausend Goldgulden und noch mehr wert sein sollten, außer denjenigen, die er noch erwartete, und die er noch auf mehr als dreitausend Goldgulden, schätzte, so glaubte sie, mit der Wurst nach der Speckseite werfen zu müssen, und nahm sich vor, dem Salabaetto seine fünfhundert Goldgulden wieder zu geben, um einen guten Teil von den fünftausend zu erobern. Sie ließ ihn demnach zu sich einladen, und Salabaetto, der nunmehr an seiner Seele listig geworden war, ging zu ihr.

»Sieh da! (sprach sie). Bist Du auch böse auf mich geworden, daß ich Dir Dein Geld nicht zu rechter Zeit wiedergegeben habe?«

Salabaetto lachte und antwortete: »Madonna, es war mir freilich ein wenig unangenehm; zumal, da ich mir würde das Herz aus dem Leibe reißen können, um Euch zu dienen. Aber hört nur, wie sehr ich böse auf Euch bin. Meine Liebe zu Euch ist so groß, daß ich fast alles Meinige zu Geld gemacht habe, so daß ich jetzt über zweitausend Goldgulden an Wert mitbringe, und noch für mehr als dreitausend erwarte, weil ich willens bin, hier in dieser Stadt ein Gewölbe anzulegen, um mich hier ganz niederzulassen, um beständig bei Euch zu sein, denn ich liebe Euch weit mehr, als irgend ein anderer Liebhaber.«

»Glaube mir, Salabaetto (antwortete sie), daß mir alles Vergnügen macht, was Dir behagt, weil ich Dich mehr als mein Leben liebe; und es macht mir viele Freude, daß Du wiedergekommen bist, in der Absicht hier zu bleiben. Ich hoffe mit Dir noch manchen fröhlichen Tag zu verleben; allein ich muß mich doch ein wenig bei Dir deswegen entschuldigen, daß Du vor Deiner Abreise bisweilen zu mir gekommen bist, und mich nicht hast sprechen können, und wenn Du mich sprachst, daß ich Dich nicht mit so fröhlichem Gesichte, wie sonst empfing, und daß ich Dir überdies Dein Geld nicht zur bestimmten Zeit wiederbezahlt habe. Du mußt wissen, daß ich damals vielen Verdruß und Jammer auszustehen hatte, und in einer solchen Gemütsstimmung kann man selbst demjenigen, den man am liebsten hat, nicht immer ein fröhliches Gesicht zeigen, und sich stets so aufmerksam gegen ihn beweisen, wie er es wohl erwartet. Du kannst auch wohl denken, daß es einem Frauenzimmer sehr schwer wird, tausend Goldgulden zusammen zu bringen. Aus dieser Ursache, und aus keiner anderen, habe ich Dir damals Dein Geld nicht wiedergeben können; allein ich bekam es gleich nach Deiner Abreise, und wenn ich nur gewußt hätte, wohin ich es schicken könnte, so kannst Du versichert sein, daß ich es Dir nachgesandt hätte. Weil ich das aber nicht wußte, so habe ich Dir's aufgehoben.«

Sie ließ sich hierauf den Beutel geben, in welchem sich seine eigenen fünfhundert Goldgulden noch befanden, und überreichte sie ihm mit der Bitte, sie nachzuzählen, ob sie auch richtig wären. Salabaetto war nie froher gewesen. Er zählte das Geld nach, fand es richtig und steckte es zu sich. »Madonna (sprach er), ich bin überzeugt, daß Ihr die Wahrheit sagt. Ihr habt Alles gethan, was hinlänglich ist, und ich versichere Euch deswegen, und wegen meiner großen Liebe zu Euch, daß ich bereit bin, Euch zu jeder Zeit, und mit jeder Summe, die ich in meinem Vermögen habe, zu dienen, und Ihr dürft nur den Versuch machen, wie gut ich im Stande bin, Euch Wort zu halten.«

So erneuerte er sein Liebesverständnis mit ihr in Worten; trug aber gegen sie den Schalk im Herzen; und sie überhäufte ihn dagegen mit Bezeigungen ihrer Aufmerksamkeit und Liebe, und that ihm alles zum Vergnügen. Wie sie ihn nun einst wieder zum Abendessen und Nachtlager bei sich eingeladen hatte, vergalt er ihr Betrug mit Betrug, wie er sich längst vorgenommen hatte. Er kam nämlich ganz niedergeschlagen zu ihr und stellte sich so betrübt, als ob er in den Tod ginge. Jancofiore umarmte und küßte ihn und fragte, was ihm fehlte. Nachdem er sich eine lange Zeit hatte bitten lassen, sprach er: »Ich bin verloren; das Schiff, mit welchem ich meine übrigen Waren erwartete, ist von Seeräubern aus Monaco genommen worden und muß mit zehntausend Goldgulden ausgelöst werden, wovon tausend auf meinen Anteil kommen, und ich habe keinen Heller Geld in den Händen; denn die fünfhundert, Die Du mir wiedergegeben hast, schickte ich gleich nach Neapel, um mir Leinwand dafür schicken zu lassen. Wenn ich jetzt meine Waren losschlagen müßte, so gewänne ich bei meinen beiden Unternehmungen nichts und ich bin hier nicht bekannt genug, um jemand zu finden, der mir Geld darauf borgt. Ich weiß mir also weder zu raten, noch zu helfen, und wenn ich das Geld nicht ohne Verzug schickte, so wird mein Gut nach Monaco geschleppt, und ich bekomme in meinem Leben nichts davon wieder.«

Diese Nachricht gefiel Jancofiore ganz und gar nicht, weil sie fürchtete, ihre Beute zu verlieren. Weil ihr nun sehr daran gelegen war, daß die Ladung nicht zu Monaco aufgebracht würde, so sagte sie: »Gott weiß, dies schmerzt mich mehr um Deinetwillen; allein was hilft es, sich so sehr darüber zu grämen? Wenn ich das Geld hätte, so ist der Himmel mein Zeuge, daß ich es Dir gern den Augenblick gäbe; allein ich habe es nicht. Ich kenne zwar jemand, der mir auch neulich die fehlenden fünfhundert geborgt hat; allein er fordert schrecklich hohen Wucher und hat mir nicht unter dreißig vom Hundert leihen wollen. Wenn Du von ihm borgen wolltest, so würdest Du ihm ein sicheres Unterpfand geben müssen. Ich für mein Teil will gerne für Dich alle diese Sachen verpfänden, und mich selbst dazu, soweit er dies für ein Unterpfand will gelten lassen; allein wie willst Du ihm das übrige versichern?«

Salabaetto merkte wohl, wohin ihre Dienstfertigkeit abzielte, und daß sie ihm ihr eigenes Geld leihen wollte; und dies war ihm eben sehr lieb. Er dankte ihr vorläufig und setzte hinzu, daß er sich in seiner dringenden Not den unbilligen Wucher wohl müßte gefallen lassen. Übrigens erbot er sich, alle seine Waren im Kaufhause zum Pfande zu setzen, und sie demjenigen, der ihm das Geld liehe, als Sicherheit verschreiben zu lassen, jedoch mit der Bedingung, daß er mittlerweile den Schlüssel behielte, teils um seine Waren den Käufern zeigen zu können, teils auch, damit sie ihm nicht vertauscht oder verfälscht würden.

Sie antwortete, sein Vorschlag wäre gut, und das Pfand hinlänglich; und schickte des andern Morgens zu einem vertrauten Mäkler, mit welchem sie die nötigen Maßregeln nahm, und gab ihm die tausend Goldgulden. Dieser überbrachte sie dem Salabaetto, dessen Warenlager er sich dagegen im Zollbuche verschreiben ließ, und nachdem sie beide darüber die nötige Verschreibung und Gegenverschreibung mit einander ausgewechselt hatten, ging ein jeder nach seinen andern Geschäften. Salabaetto ging, so bald er konnte, mit seinen fünfzehnhundert Goldgulden an Bord eines Schiffes, und segelte nach Neapel zu seinem Freunde Pietro dell Canigiano, schickte seinen Herren in Florenz, die ihm ihre Tücher anvertraut hatten, richtige Rechnung und Bezahlung, befriedigte seinen Freund Pietro und jeden anderen, dem er schuldig war, und ergötzte sich mit Canigiano über den Streich, den er der Sizilianerin gespielt hatte. Hierauf ging er nach Florenz zurück und gab die Handelsgeschäfte gänzlich auf.

Wie Salabaetto in Palermo vermißt ward, verwunderte sich die Jancofiore und fing an Argwohn zu schöpfen. Nachdem sie fast zwei Monate vergeblich auf ihn gewartet hatte, trug sie endlich dem Mäkler auf, sein Warenlager erbrechen zu lassen. Wie man zuerst die Ölfässer untersuchte, fand man, daß sie mit Wasser angefüllt waren, und daß nur etwa ein Ankerchen Öl die Oberfläche in jedem Fasse bis an das Spundloch bedeckte. Wie die Ballen und Kisten geöffnet wurden, fand sichs, daß nur zwei davon mit Tüchern, und die übrigen mit Werg vollgepackt waren: kurz, das Ganze enthielt an Geldeswert höchstens nicht über zweihundert Goldgulden. Die betrogene Jancofiore hatte jetzt völlige Muße, die zurückgegebenen fünfhundert und noch mehr die geliehenen Tausend zu bedauern, und zeitlebens an das Sprüchlein zu denken:

Um den Toskaner zu hintergehn,
muß man des Morgens früh aufstehn.

Mit einem Worte, sie fand zu ihrem Schaden und Schande, daß zwei harte Steine selten reines Mehl mahlen.

*


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