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In Lunigiana, einem Ländchen nicht weit von Florenz, war ein Kloster, welches einst reicher an Mönchen und an Helligkeit war, als heutigen Tages, und woselbst sich unter anderen ein junger Klosterbruder befand, dessen Kräfte und Gesundheit weder Fasten noch Nachtwachen schwächen konnten. Wie dieser einst nach Mittag, indes die übrigen Mönche alle schliefen, außer den Mauern des Klosters lustwandelte, welches an einem ziemlich einsamen Orte lag, ward er ein sehr hübsches, junges Mädchen gewahr (vielleicht die Tochter eines Landmanns aus der Gegend), welches im Felde ging, um Kräuter zu sammeln. Er hatte sie kaum erblickt, wie ihn auch schon die Fleischeslust mit aller Gewalt bestürmte. Er näherte sich also dem Mädchen und knüpfte ein Gespräch mit ihr an, wobei er seine Worte so gut zu machen wußte, daß er mit ihr einig ward, und sie in seine Zelle führte, ohne von jemand bemerkt zu werden. Indem er hier von gar zu großer Begierde getrieben, ein wenig zu laut mit ihr koste, traf sich's, daß der Abt, der nach geendigtem Mittagsschläfchen aufgestanden war, das Gekicher der beiden Liebenden hörte, indem er mit leisen Tritten vor der Zelle vorbei ging. Um die Stimmen desto besser zu erkennen, schlich er sich an die Thür der Zelle und horchte, wo er denn deutlich vernahm, daß ein Frauenzimmer sich in der Zelle befand. Schon war er willens, sich die Thür öffnen zu lassen, doch bedachte er sich wieder und ging in sein Zimmer, um zu warten, bis der Mönch aus seiner Zelle käme. Diesen hatte jedoch, so sehr ihn auch das Vergnügen mit dem jungen Mädchen beschäftigte, bereits eine kleine Furcht angewandelt, und weil es ihm geschienen, als hätte er jemand im Erholungszimmer gehen gehört, so hatte er durch eine kleine Spalte geguckt und den Abt deutlich wahrgenommen. Er konnte wohl denken, daß dieser das Mädchen in seiner Zelle bemerkt haben müßte, und da er wußte, daß ihm dafür eine schwere Strafe bevorstand, so ward er darüber sehr niedergeschlagen; doch ließ er das Mädchen nichts von seiner Verlegenheit merken, sondern dachte nur geschwinde hin und her, wie er sich heraushelfen wollte, und da besann er sich auf eine ganz neue List, die ihm auch glücklich gelang. Er stellte sich gegen das Mädchen, als ob er glaubte, daß es Zeit wäre, sie wieder zu entfernen, und sagte: »Ich will hinausgehen, und suchen Anstalt zu machen, daß Du wieder ungesehen hinaus kömmst; halte Dich unterdessen hier ganz still, bis ich wiederkomme.« Darauf ging er hinaus, verschloß seine Zelle, und ging gerade zu dem Abt in sein Zimmer, übergab ihm den Schlüssel, wie es bei den Mönchen Sitte war, wenn sie ausgingen, und sagte mit unbefangener Miene: »Hochwürdiger Herr, ich konnte heute früh nicht alles Holz heimfahren lassen, das ich schlagen ließ, und ich gehe jetzt mit Eurer Erlaubnis in den Wald, um das Uebrige herbringen zu lassen.«
Der Abt, welcher nicht glaubte, daß ihn der Klosterbruder bemerkt hätte, und welcher wünschte, sich genauer von seinem Vergehen zu unterrichten, war froh über diese Gelegenheit, und empfing mit Vergnügen den Schlüssel; er gab ihm Urlaub, und wie er weggegangen war, überlegte er, was am besten gethan wäre, ob er in Gegenwart des ganzen Klosters die Zelle des Mönchs öffnen und sein Verbrechen jedermann zeigen sollte, damit man über ihn nicht murren möchte, wenn er den Mönch bestrafte, oder ob er erstlich von dem Mädchen erforschen sollte, wie alles zugegangen wäre. Da er nun zugleich erwog, daß es vielleicht die Tochter oder Verwandte irgend eines solchen Mannes sein könnte, dem er ungern die Schande zufügen möchte, daß er sie allen Mönchen zeigte, so entschloß er sich erstlich zu sehen, wer sie wäre, und dann seine Maßregeln zu nehmen. Er ging demnach in der Stille nach der Zelle, öffnete die Thür, ging hinein, und schloß hinter sich zu. Wie das arme Mädchen den Abt hereintreten sah, ward ihr angst und bange, und zitternd vor Scham fing sie an bitterlich zu weinen. Der Abt, der sie indessen aufmerksam betrachtete, und an ihr ein schönes, frisches Geschöpf fand, fühlte plötzlich, so alt er auch war, den Stachel des Fleisches nicht minder rege werden, als es dem jungen Mönch widerfahren war. Er dachte bei sich: »Ei nun, warum soll ich nicht das Vergnügen genießen, wenn es sich mir darbietet. Verdruß und Unannehmlichkeiten finde ich ja ohnehin immer genug bei der Hand. Hier ist ein hübsches Mädchen, kein Mensch in der Welt weiß etwas davon; wenn ich sie dahin bringen kann, mir zu Willen zu sein, so weiß ich nicht, warum ich es nicht versuchen sollte; wer wird's erfahren? kein Mensch! und heimliche Sünde ist halb vergeben. Es wird mir vielleicht nie wieder so gut geboten, und ich denke, es ist vernünftig gethan, das Gute auch mit zu genießen, wenn es der Himmel anderen bescheret.« Wie der Abt dieses bei sich überlegte, änderte er völlig seinen Vorsatz, womit er gekommen war, und indem er näher zu dein Mädchen trat, fing er an, sie zu beruhigen, und bat sie, nicht zu weinen, und wie nun ein Wort das andere gab, so kam er endlich dahin, ihr sein Begehren zu eröffnen. Das Mädchen, das nicht von Stahl und Stein war, ließ sich auch leicht genug bewegen, sich gefällig gegen den Abt zu beweisen. Das Ruhebettchen des Klosterbruders war Zeuge ihrer Umarmung, und da der gute Abt vermutlich das zarte Alter des Mädchens in Erwägung zog, so war er gutherzig genug, ihr seine eigene Brust zum Pfühl herzugeben, indem er sie herzte. Der Mönch, der sich nur gestellt hatte, als ob er in den Wald ginge, hatte sich im Erholungssaal verborgen, und wie er sah, daß der Abt in seine Zelle ging, schöpfte er gute Hoffnung, daß ihm sein Anschlag gelingen würde, und wie er vollends hinter sich zuschloß, blieb ihm kein Zweifel mehr übrig. Er verließ demnach seinen Schlupfwinkel und schlich sich an ein kleines Loch, wo er alles sehen und hören konnte, was der Abt sagte und that. Wie dieser glaubte, sich lange genug mit dem Mädchen unterhalten zu haben, schloß er sie in der Zelle wieder ein und begab sich zurück in sein Zimmer. Wie er darauf nach einiger Zeit den Klosterbruder hörte und glaubte, daß er aus dem Walde zurückgekommen wäre, nahm er sich vor, ihm eine derbe Strafpredigt zu halten, und ihn einkerkern zu lassen, um die eroberte Beute für sich allein zu behalten. Er ließ ihn demnach rufen, schalt ihn mit finsterem Angesicht, und kündigte ihm sein Gefängnis an. Der Mönch gab ihm geschwind zur Antwort: »Hochwürdiger Herr, ich bin noch nicht so lange im Orden des heiligen Benedikts gewesen, daß ich alle Gebräuche desselben vollkommen inne habe und Ihr hattet mich bisher noch nicht unterwiesen, daß wir Mönche uns der Bürde der Weiber eben so wohl unterwerfen müßten, als der Last der Fasten und Nachtwachen. Jetzt aber, da Ihr mir selbst das Beispiel gegeben habt, verspreche ich Euch, wenn Ihr mir diesmal verzeiht, künftighin in diesem Stücke nicht mehr zu fehlen, sondern immer nach Eurem Vorbilde zu handeln.«
Der Abt, der ein schlauer Mann war, merkte wohl, daß jener mehr wußte als er, und daß er ihm hinter seine Schliche gekommen war. Er schämte sich also, da er sich desselben Vergehens schuldig wußte, den Klosterbruder mit der Strafe zu belegen, die er selbst verdient hatte. Er verzieh ihm demnach und befahl ihm, zu verschweigen, was er gesehen hätte, worauf sie beide das Mädchen ohne Geräusch aus dem Zimmer schafften; doch läßt sich vermuten, daß sie sie bisweilen wieder kommen ließen.
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