Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Vierzigste Erzählung.

Es lebte einmal vor einiger Zeit in Salerno ein trefflicher Wundarzt, der sich Mazzeo della Montagna nennen ließ, und der, wie er schon ziemlich betagt war, ein sehr schönes und munteres Mädchen aus seiner Stadt zum Weibe nahm und sie mit Kleidern, mit Schmuck und mit allem, was ein Weibchen sich von dergleichen Dingen nur wünschen kann, so reichlich wie irgend eine Frau in der ganzen Stadt versorgte. Für einen Arzt sorgte er indessen vielleicht nicht fleißig genug für ihre Gesundheit, und deckte sie im Bett nicht immer so warm zu, wie er wohl hätte thun sollen. So wie wir nun von dem wohlbelobten Herrn Ricciardo di Chinzica weiland gehört haben, daß er seiner Frau die Fast- und Feiertage im Kalender fleißig vorzählte, so schien dieser sein Weibchen belehren zu wollen, daß ein Arzt sich und seiner Frau gewisse Gesundheitsmaßregeln vorschreiben müßte, die nicht weniger Enthaltsamkeit erforderten; womit er aber seine junge Frau eben so wenig, als jener erbaute. Weil es ihr nun weder an Witz, noch an warmem Blute fehlte, so entschloß sie sich, um ihren Hausvorrat nicht anzugreifen, sich außer dem Hause zu versorgen und mit dem fremden Kalbe zu pflügen; und wie sie demzufolge eine Menge Jünglinge durchmustert hatte, fiel ihre Wahl auf einen, an dem sie so viel Gefallen fand, daß sie mit Leib und Seele an ihm hing. Dem Jünglinge, der dieses bald gewahr ward, kam es sehr gelegen, und er war froh, sich ihr ebenfalls gänzlich widmen zu können. Dieser nannte sich Ruggieri da Jeroli und war zwar von edler Geburt, aber desto verderbter von Sitten und Aufführung, so daß ihm auch kein Freund und Verwandter übrig geblieben war, der ihm wohl wollte, oder dem er auch nur vor Augen kommen durfte, weil er in ganz Salerno wegen Dieberei und anderer böser Streiche berüchtigt war; doch darum bekümmerte sich die Dame sehr wenig, da er ihr im Übrigen gefiel. Sie veranstaltete demnach durch die Vermittelung ihrer Magd eine Zusammenkunft mit ihm, und nachdem sie sich mit einander über ihre Liebesangelegenheit verständigt hatten, stellte sie ihm sein unordentliches Leben vor und bat ihn, es aus Liebe zu ihr zu unterlassen; und damit sie ihm auch die Mittel dazu erleichterte, so pflegte sie ihn von Zeit zu Zeit mit Geld zu unterstützen.

Indem sie auf diese Weise mit möglichster Vorsicht ihr Verständnis mit ihm unterhielt, trug es sich zu, daß dem Wundarzte ein Kranker zu behandeln anvertraut ward, der einen Schaden an einem Beine hatte. Wie er den Schaden besichtigte, erklärte er den Freunden der Kranken, wofern ihm ein eingefaulter Knochen nicht gleich herausgeschnitten würde, so müßte man ihm nachher das ganze Bein abnehmen oder er müßte sterben; auf alle Fälle aber könnte er für das Leben des Kranken nicht einstehen. Die Eltern waren mit allem zufrieden und übergaben ihm den Kranken. Weil der Wundarzt glaubte, daß er ohne einen Schlaftrunk nicht im Stande sein würde, den Schnitt auszuhalten, den er gegen Abend vorzunehmen gedachte, so ließ er zu diesem Ende ein Wasser aus gewissen Mitteln abziehen, welches den Kranken so lange fest einschläfern sollte, bis er mit der Arbeit fertig wäre. Die Flasche mit dem Schlaftrunk stellte er in seinem Zimmer in's Fenster und dachte nicht daran, seinen Hausgenossen zu sagen, was sie enthielte. Wie die Vesperstunde kam, und der Wundarzt bald zu seinem Kranken gehen wollte, kam ein Eilbote von einigen seiner besten Freunde aus Malfi, welche ihn bitten ließen, unverzüglich zu ihnen zu kommen, weil bei ihnen eine heftige Schlägerei vorgefallen wäre, bei welcher verschiedene von ihnen wären verwundet worden. Der Arzt ließ also seinen Kranken bis zum folgenden Morgen warten, stieg in ein Boot und fuhr nach Malfi. Weil nun seine Frau wußte, daß er die Nacht über nicht wieder nach Hause kommen würde, ließ sie ihrer Gewohnheit nach den Ruggieri heimlich zu sich kommen, und verschloß ihn in dem Zimmer ihres Mannes, bis gewisse Leute im Hause zu Bette gegangen waren. Indem Ruggieri in diesem Zimmer war, wandelte ihn entweder vor langer Weile, oder weil er etwas Salziges gegessen hatte, ober weil er von Natur gerne trinken mochte, ein gewaltiger Durst an, und wie er die Flasche am Fenster fand und etwas zu trinken darin vermutete, so setzte er sie an den Mund, leerte sie aus bis auf den letzten Tropfen und fiel bald darauf in einen tiefen Schlaf.

Die Frau vom Hause kam inzwischen, sobald es Zeit war, in das Zimmer; wie sie ihn schlafend fand, schüttelte sie ihn und sagte leise zu ihm, er möchte aufstehen; allein, er gab keine Antwort und rührte sich auch nicht. Sie ward darüber ein wenig böse, rüttelte ihn stärker und sagte: »So steh doch auf, Du Schläfer! Wenn Du schlafen wolltest, so hättest Du zu Hause bleiben und nicht hierher kommen sollen«. Indem fiel Ruggieri von einer Bank, worauf er sich niedergelegt hatte, herunter und blieb wie ein Toter, ohne das geringste Merkmal des Lebens, liegen. Jetzt schöpfte die Dame Verdacht, daß er gestorben wäre, und nachdem sie mit Zwicken, Kneipen und Brennen manchen vergeblichen Versuch gemacht hatte, ihn zur Besinnung zu bringen, zweifelte sie nicht mehr an seinem Tode; denn obwohl ihr Mann ein Arzt war, so war sie selbst doch eben keine Meisterin in der Heilkunde. Da sie ihn nun außerordentlich geliebt hatte, so kann man wohl denken, wie groß ihr Schmerz jetzt war; doch mußte sie in aller Stille ihr Unglück beklagen und über ihn weinen, weil sie kein Geräusch machen durfte. Damit sie jedoch außer ihrem Verlust nicht noch obendrein in Schande geriete, so mußte bald dafür gesorgt werden, den Leichnam aus dem Hause zu schaffen; und weil sie selbst sich auf kein Mittel besinnen konnte, so rief sie in der Stille die Magd, zeigte ihr, welch' ein Unglück sie betroffen hatte und bat sie um Rat. Die Magd war ganz erschrocken und nachdem sie gleichfalls den Ruggieri vergeblich gerüttelt und geschüttelt hatte, und ihn ebensowohl als ihre Frau für tot hielt, war sie mit ihr der Meinung, man müßte ihn eilig aus dem Hause schaffen.

»Allein wohin schaffen wir ihn (fragte die Dame), damit man morgen früh nicht merkt, daß er aus diesem Hause gebracht worden ist?«

»Madonna (sprach die Magd), ich sah heute Abend vor der Thüre unseres Nachbarn, des Zimmermanns, einen leeren Kasten stehen, der uns trefflich zu statten kommen wird, wenn ihn der Nachbar nicht wieder in's Haus genommen hat. Da wollen wir ihn hinein legen, ihm ein paar Messerstiche geben und ihn liegen lassen. Wer ihn dort findet, wird so wenig auf uns, als auf jemand anders Verdacht schöpfen, sondern weil er immer ein ausschweifender Mensch war, so wird man denken, daß einer von seinem Gelichter ihn aus Feindschaft umgebracht und in den Kasten geworfen habe.«

Die Dame bezeigte ihren Gefallen an dem Rat der Magd, die Messerstiche ausgenommen, gegen welche sie sich erklärte, weil sie es für keinen Preis in der Welt über ihr Herz bringen könnte. Sie ließ also ihre Magd zusehen, ob die Kiste noch da wäre; die Magd ging hin und fand die Kiste noch an Ort und Stelle. Sie kam wieder und da sie ein rüstiges, handfestes Weib war, so nahm sie den Ruggieri auf die Achseln; die Frau ging voraus und gab Achtung, ob auch jemand käme, und so packten sie ihn in den Kasten, machten den Deckel zu und gingen davon.

Ein Paar Häuser weiter waren vor einigen Tagen zwei Leute eingezogen, die auf Wucher liehen und gern viel gewinnen, aber wenig ausgeben mochten. Diese brauchten noch allerlei Hausrat und hatten unter anderen ihre Augen auf diesen Kasten geworfen, um ihn wegzunehmen, wenn er die Nacht über auf der Straße stehen blieb. Sie kamen also um Mitternacht heraus und schleppten den Kasten, obwohl er ihnen ein wenig schwer zu sein schien, ohne lange Untersuchung nach ihrem Hause und stellten ihn neben eine Kammer, wo ihre Mägde schliefen; worauf sie zu Bette gingen und sich vorderhand nicht darum bekümmerten, ob der Kasten feststände oder nicht.

Ruggieri, welcher eine geraume Zeit geschlafen hatte und bei welchem die Wirkung des Trankes allmählich verging, erwachte kurz vor Tages Anbruch; der Schlaf war ihm zwar vergangen und seine Sinne fingen an wieder ihre Dienste zu verrichten, doch fühlte er noch eine gewisse Betäubung im Kopfe, die noch wohl einige Tage nachher dauerte. Wie er die Augen öffnete und nichts sehen konnte, und wie er die Hände ausstreckte und fühlte, daß er in einem Kasten lag, fing er an nachzusinnen und dachte bei sich selbst: »Was ist das? wo bin ich? schlafe ich oder bin ich wachend? Ich war doch diesen Abend in dem Zimmer meiner Geliebten, und nun liege ich, wie es scheint, in einem Kasten, was mag das bedeuten? Sollte der Arzt wieder gekommen oder sonst etwas vorgefallen sein, daß sie mich in diesem Kasten verborgen hätte? So was muß es gewiß sein.« Er lag demnach still und horchte, ob er nicht etwas vernehmen könnte. Wie er aber lange geharrt hatte und seine Lage in dem engen Kasten ihm sehr unbequem ward, wollte er sich auf die andere Seite herum legen, weil ihn die eine schon schmerzte; und er that dieses so geschickt, daß der Kasten, der auf einer ungleichen Stelle stand, herumfiel und im Fallen ein solches Gepolter machte, daß die Mägde, welche dicht daneben schliefen, davon erwachten, aber vor Furcht still schwiegen. Dem Ruggieri ward bei dem Falle des Kastens bange; weil er aber merkte, daß im Fallen zugleich der Deckel aufgesprungen war, wollte er vor allen Dingen lieber heraus sein, als länger darin bleiben. Weil er aber nicht wußte, wo er war, und bald hier, bald dort im Hause herum tappte, um eine Thür oder eine Treppe zu suchen, so hörten ihn die Mägde sein Wesen treiben und riefen endlich: »Wer da?«

Ruggieri, welcher eine unbekannte Stimme hörte, gab keine Antwort; weswegen die beiden Mägde ihre Herren riefen, die aber, weil sie spät zu Bette gegangen waren, so fest schliefen, daß sie von Allem nichts hörten. Die Mägde, denen nun immer bänger und bänger ward, sprangen endlich an ein Fenster und riefen aus vollem Halse: »Diebe, Diebe!« Darüber kamen einige von den Nachbarn über die Dächer und Zäune in das Haus; die Hausherren wurden endlich von dem Lärm ebenfalls wach und standen auf. Ruggieri, der sich an diesem fremden Orte befand, war vor Erstaunen außer sich und wußte weder List noch Kunst, wie er entkommen sollte. Die Stadtknechte hörten den Lärm und kamen dazu, nahmen ihn gefangen und führten ihn zum Richter. Weil ihn jedermann als einen liederlichen Burschen kannte, so spannte man ihn ohne viele Umstände auf die Folter und zwang ihn zu bekennen, daß er den Wucherern in's Haus geschlichen wäre, um sie zu bestehlen; und schon wollte der Stadtrichter ihn deswegen ohne weitere Untersuchung hängen lassen.

Inzwischen verbreitete sich des Morgens in ganz Salerno das Gerücht, daß Ruggieri über einem Diebstahl bei den Wucherern ertappt worden wäre. Die Frau des Arztes und ihre Magd erstaunten darüber vor Wunder dermaßen, daß sie beinahe glaubten, alles, was sie am vorigen Abend gethan hätten, wäre nur ein Traum und keine Wirklichkeit gewesen. Überdies war der Dame, wegen der Gefahr, worin Ruggieri schwebte, so angst, daß sie beinahe von Sinnen kommen wollte. In der Frühstunde kam auch der Arzt von Malfi zurück und fragte nach seiner Flasche mit dem Tranke, weil er hingehen wollte, seinen Kranken zu besorgen; wie er nun die Flasche leer fand, machte er einen gewaltigen Lärm darüber, daß in seinem Hause nichts an Ort und Stelle unangetastet bleiben könnte. Seine Frau, welche andere Sorgen auf dem Herzen hatte, gab ihm verdrießlich zur Antwort: »Was würdest Du erst sagen, wenn etwas von Wichtigkeit geschehen wäre, wenn Du so viel Aufhebens um ein vergossenes Glas Wasser machst, als wenn sonst kein Wasser mehr in der Welt wäre.«

»Du denkst wohl, Frau (sprach er), daß nur klares Wasser in der Flasche war; aber das ist's nicht, sondern es war ein Schlaftrunk, den ich hatte machen lassen.« Er erzählte ihr zugleich, warum und für wen er ihn verordnet hätte.

Wie die Frau dieses hörte, fiel es ihr sogleich auf, daß Ruggieri ohne Zweifel diesen Trunk genommen und daß sie ihn aus dieser Ursache für tot gehalten hätte. Sie entschuldigte sich demnach mit der Unwissenheit und sagte zu ihrem Manne, er müßte ihn nun schon von neuem machen lassen; das that der Doktor, weil es nicht anders sein konnte.

Bald darauf kam die Magd zurück, welche ihre Frau ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was man von Ruggieri sagte. »Madonna (sprach sie), jedermann spricht Böses von ihm, und ich habe nicht gehört, daß ein einziger Freund oder Verwandter sich für ihn verwendet oder um ihn bekümmert, und man meint gewiß, daß ihn der Richter morgen wird aufknüpfen lassen. Ich will Euch noch mehr neues sagen, auf welche Art er, wie ich merke, in das Haus der Wucherer muß gekommen sein, und was meint Ihr wohl wie? Ihr wißt doch, daß wir ihn gestern Abend vor der Thüre des Nachbar Zimmermanns in einen Kasten legten? Jetzt eben gab's zwischen diesem und dem Manne, dem der Kasten gehört, einen heftigen Zank; denn der eine wollte das Geld für den Kasten haben, und der Zimmermann behauptete, er habe kein Geld dafür bekommen, sondern er sei ihm in der Nacht gestohlen worden. Das ist nicht wahr (sprach die Andere). Du hast ihn den Wucherern verkauft; das haben sie mir selbst gesagt; wie ich ihn bei Ruggieri's Gefangennehmung in ihrem Hause stehen sah.

Die Schelme lügen (antwortete der Zimmermann). Ich habe ihn nie an sie verkauft, sondern sie haben ihn mir diese Nacht entwandt. Laß uns zu ihnen hingehen. Damit gingen sie beide friedlich nach dem Hause der Wucherer und ich eilte nach Hause. Ihr begreift nun wohl eben so gut, wie ich, daß man den Ruggieri mit dem Kasten dahin getragen hat, aber das begreife ich nicht, wie er wieder auferstanden ist.«

Die Frau sah jetzt vollkommen ein, wie alles zugegangen war; sie erzählte der Magd, was sie von ihrem Manne gehört hatte, und bat sie, auf Mittel zu denken, den Ruggieri zu retten, wenn es irgend möglich wäre, ohne ihre eigene Ehre dabei aufs Spiel zu setzen.

»Sagt mir nur selbst, wie ich's anfangen soll (sprach die Magd), so bin ich zu Allem bereit.«

Die Frau, der es zwar gewaltig eng um's Herz war, besann sich dennoch geschwind auf einen Anschlag, den sie mit ihrer Magd verabredete. Demzufolge ging die Magd zuerst zu ihrem Herrn und sagte mit Thränen zu ihm: »Gestrenger Herr, ich muß Euch um Verzeihung bitten, wegen eines großen Fehltritts, den ich begangen habe.«

»Nun, was giebt's denn?« fragte der Arzt.

»Ach Herr, (fuhr sie weinend fort) Ihr wißt wohl, was Ruggieri da Jeroli für ein lockerer Gesell ist. Er hat sich in mich verliebt, und halb mit Liebe, halb mit Gewalt, hat er mich seit Jahresfrist bewogen, seine Liebste zu werden. Wie er nun hörte, daß Ihr gestern Abend nicht zu Hause wäret, hat er mir so lange zugesetzt, bis ich ihn in Eurem Hause zu mir in meine Kammer kommen ließ. Er ward durstig und weil ich mich vor Eurer Frau, die im Saale war, nicht wollte sehen lassen und die Flasche mit Wasser in Eurem Zimmer gesehen hatte, so holte ich sie her und gab sie ihm zu trinken und setzte die leere Flasche wieder hin. Ich höre, daß Ihr so zornig darüber gewesen seid, und ich muß in der That bekennen, daß ich sehr übel gethan habe; aber wer fehlt nicht einmal in seinem Leben? Es thut mir herzlich leid, daß ich's gethan habe; nicht nur wegen der Sache selbst, sondern auch um der Folgen willen. Ruggieri ist in Gefahr, das Leben darüber zu verlieren; ich bitte Euch deswegen demütig um Vergebung und um Erlaubnis, hinzugehen und mein Bestes zu versuchen, um ihm loszuhelfen.«

Wie der Arzt dies hörte, konnte er bei all' seinem Zorne sich des Lachens nicht enthalten und spöttelnd zu ihr zu sagen: »Du hast Dich diesmal selbst gestraft; denn statt eines rüstigen Gesellen, der Dir, wie Du meintest, den Schlaf vertreiben sollte, hast Du einen Schläfer bei Dir gehabt. Geh nur hin und suche Deinen Liebhaber zu retten; aber hüte Dich, daß Du ihn mir künftig wieder in's Haus bringst, wenn Du nicht willst, daß ich Dir das Alte mit dem Neuen zugleich bezahlen soll.«

Wie die Magd fand, daß der erste Streich ihr gut gelungen war, säumte sie nicht, nach dem Gefängnis zu eilen und wußte den Gefangenwärter zu bewegen, daß er ihr erlaubte, mit Ruggieri zu sprechen. Diesem gab sie Bericht von Allem, was er vor dem Stadtrichter aussagen müßte, wenn er sein Leben retten wollte und hernach brachte sie es dahin, daß der Stadtrichter sie vor sich kommen ließ. Weil sie ein hübsches flinkes Mädchen war, so sagt man, der Herr Stadtrichter habe sich nur unter gewissen Bedingungen dazu willfährig finden lassen, welche sie sich, um ihren guten Endzweck zu fördern, gerne gefallen ließ, und hernach zu ihm sagte: »Gnädiger Herr, Ihr habt einen gewissen Ruggieri da Jeroli als einen Dieb. verhaften lassen, allein ihm geschieht Unrecht.« Sie erzählte ihm darauf eine lange Geschichte, daß er ihr Liebhaber wäre, daß sie ihn zu sich in das Haus ihres Herrn, des Wundarztes, hätte kommen lassen; sie beschrieb ihm, wie sie ihm aus Unwissenheit den Mohntrank zu trinken gegeben und wie sie ihn hernach für tot in den Kasten gelegt habe; sie sagte ihm auch, wie sie das Gespräch zwischen dem Zimmermann und dem Eigentümer der Kiste gehört hätte und erklärte ihm auf diese Weise, wie Ruggieri in der Kiste nach dem Hause der Wucherer gekommen wäre.

Der Stadtrichter fand, daß er leicht auf den Grund dieser Geschichte kommen könnte; er sandte also vor allen Dingen nach dem Arzte und erfuhr von ihm, daß es mit dem Schlaftrunk seine Richtigkeit hatte. Darauf ließ er den Zimmermann und den Eigentümer des Kastens vorladen, desgleichen die beiden Wucherer und nach einer kurzen Untersuchung fand es sich, daß die Wucherer die Kiste wirklich in der Nacht gestohlen und nach ihrem Hause gebracht hatten. Zuletzt ließ er auch den Ruggieri vorführen und fragte ihn, wo er die Nacht zugebracht habe. Dieser antwortete ihm, wo er sie zugebracht habe, das wisse er selbst nicht; wohl aber, daß er des Abends zu der Magd des Doktors Mazzeo gegangen wäre, in der Absicht, sie bei ihr zuzubringen, daß er in Ihrer Kammer vor Durst ein Wasser getrunken habe und daß er nicht wisse, was hernach mit ihm vorgegangen sei, bis er sich beim Erwachen in einer Kiste in dem Hause der Wucherer befunden habe.

Der Stadtrichter fand die ganze Begebenheit so spaßhaft, daß er sie sich von dem Mädchen, von Ruggieri und von dem Zimmermann mehr als einmal wiederholen ließ. Wie er fand, daß Ruggieri unschuldig war, ließ er ihn auf freien Fuß stellen und legte den Wucherern für den Diebstahl an der Kiste eine Geldbuße von zehn Unzen Silber auf.

Ruggieri konnte froh sein, daß er so gut weg kam. Seine Dame war höchlich darüber erfreut, und oft pflegte sie noch mit ihm und mit dem gutherzigen Mädchen, das ihn mit Messerstichen hatte beschenken wollen, sich über diesen Vorfall zu ergötzen. Ihr Liebesverständnis behielt seinen ungestörten Fortgang – und ein gleiches möchte ich mir wohl selbst wünschen; doch mußte man mich nur nicht in eine Kiste stecken.

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