Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Zweiunddreißigste Erzählung.

Es lebte einmal in Imola ein äußerst verworfener und lasterhafter Mensch, namens Berto della Massa. Sein schändlicher Lebenswandel war bei allen seinen Mitbürgern so berüchtigt, daß ihm nicht nur kein Mensch in Imola eine Lüge, sondern auch die Wahrheit selbst nicht mehr glaubte. Wie er nun fand, daß er dort mit seinen Bubenstücken nicht mehr durchkommen konnte, so ging er aus Verzweiflung nach Venedig, wo man allen und jeden Auswurf aufnimmt, und nahm sich vor, daselbst auf eine andere Art sein gottloses Wesen zu treiben und etwas Neues anzufangen, das er an anderen Orten noch nicht versucht hatte. Er stellte sich also, als wenn er sich zum gottseligsten Menschen von der Welt umzubilden bestrebte; daher ging er hin und ward ein Mönch bei den Minoriten, wo er sich Bruder Alberto von Imola nennen ließ. Er führte auch anfänglich zum Schein ein sehr strenges Leben: sprach von nichts als von Fasten und Kasteien; aß kein Fleisch und trank keinen Wein (wenn er ihn nicht recht wohlschmeckend fand). Es ward es fast auch kein Mensch gewahr, wie bald er aus einem Diebe, Kuppler, Betrüger und Mörder auf einmal ein gewaltiger Prediger wurde, ohne deswegen seinen vorigen Lastern zu entsagen, wenn er sie nur heimlich genug hätte ausüben können. Wenn er als Priester am Altar ein Hochamt hielt und von vielen Leuten gesehen ward, so weinte er über das Leiden Christi wie ein Kind, weil ihm die Thränen nichts kosteten, wenn er sie brauchte. Kurz, er wußte mit seinen Predigten und Thränen die Venetianer dergestalt zu verstricken, daß ihm fast von allen Testamenten die Ausführung anvertraut ward, daß ihn manche ehrliche Leute über ihre Beutel und Kisten schalten ließen und daß ihn die meisten Männer und Weiber zu ihrem Beichtvater und Ratgeber erwählten, und so warf sich dieser Wolf zum Schäfer auf und stand fast in größerem Geruch der Heiligkeit als der heilige Franz von Assisi.

Einst begab es sich unter anderem, daß ein junges, einfältiges Weibchen, namens Madonna Lisetta da Caquirino, die Frau eines angesehenen Kaufmanns, der zu Schiff nach Flandern verreist war, mit einigen anderen Frauen zu diesem heiligen Mann kam, um ihm zu beichten. Wie sie nun vor ihm hinkniete und als echte venetianische Plaudertasche ihm einen Teil ihrer Heimlichkeiten entdeckt hatte, fragte sie Bruder Alberto, ob sie auch einen Liebhaber hätte.

»Was, Herr Pater? (gab sie ihm höhnisch zur Antwort). Habt ihr denn keine Augen im Kopfe? Scheinen Euch meine Reize nur so, wie die Reize anderer Frauenzimmer? Ich könnte allerdings Liebhaber genug bekommen, wenn ich nur wollte; aber meine Schönheit ist für einen jeden Liebhaber zu gut. Wie viele habt Ihr wohl schon gesehen, die so hübsch wären, wie ich? Im Paradiese selbst würde man mich für schön müssen gelten lassen.«

So fuhr sie fort, noch eine Menge Albernheiten über ihre Schönheit bis zum Ekel auszukramen, so daß Bruder Alberto bald gewahr ward, daß sie nicht viel Verstand übrig hatte; weil sie ihm jedoch übrigens wohl behagte, so verliebte er sich in sie, doch verschob er es bis zu bequemerer Zeit, ihr Artigkeiten zu sagen, und um für diesmal den Schein der Heiligkeit beizubehalten, fing er an, sie zu ermahnen, sie wegen ihrer Eitelkeit zu strafen und was dergleichen Dinge mehr waren.

Sie gab ihm aber zur Antwort, er wäre nicht gescheit und wüßte keinen Unterschied zwischen gewöhnlicher und übernatürlicher Schönheit zu machen.

Bruder Alberto wollte sie nicht zu böse machen; er gab ihr also die Absolution und entließ sie mit ihren Freundinnen. Einige Tage nachher ging er mit einem vertrauten Freunde nach ihrem Hause, wo er mit ihr in ein besonderes Zimmer ging und wie niemand ihn beobachten konnte, fiel er ihr zu Füßen und sagte: »Madonna, ich bitte Euch um Gottes willen, verzeiht mir, was ich Euch am verwichenen Sonntage wegen Eurer Schönheit sagte; man hat mich in der Nacht darauf so unbarmherzig dafür gezüchtigt, daß ich erst heute habe von meinem Lager wieder aufstehen können.«

»Ei, wer hat Euch denn so gezüchtigt?« fragte Frau Gänschen.

»Das will ich Euch sagen (sprach Bruder Alberto). Wie ich meiner Gewohnheit nach mein Gebet mitten in der Nacht verrichtete, sah ich mich plötzlich von einem großen Lichte umgeben und ehe ich mich umkehren konnte, zu sehen, was es wäre, fiel ein wunderschöner Jüngling mit einem derben Knüttel über mich her, zog mich bei meiner Kutte unter sich und drosch mir fast alle Knochen im Leibe entzwei. Ich fragte ihn hernach, warum er das gethan hätte. »Weil Du Dich heute unterstanden hast (sprach er), die himmlische Schönheit der Frau Lisetta herabzuwürdigen, die ich nächst unserm Herrgott am meisten liebe.«

»Aber wer bist denn Du?« fragte ich ihn.

Er gab mir zur Antwort, er wäre der Engel Gabriel.

»Ach mein Herr (sprach ich), dann bitt' ich um Verzeihung.«

»Gut (sprach er), ich will Dir verzeihen; doch mit der Bedingung, daß Du hingehst, sobald Du nur kannst und sie um Verzeihung bittest und wenn sie Dir nicht vergiebt, so komm' ich wieder und gebe Dir noch so viel dazu, daß Du Dein Leben lang an mich denken sollst.« Was er mir noch weiter sagte, das mag ich Euch eher nicht erzählen, bis Ihr mir verziehen habt.«

Frau Windfläschchen, die mehr Grütze als Hirn im Kopfe hatte, freute sich mächtig über diese Nachricht und hielt jedes Wort für Wahrheit: »Ich hab' es Euch wohl gesagt, Bruder Alberto (sprach sie), daß meine Reize himmlisch wären; aber bei Gott! es ist mir doch leid um Euch und damit Euch in Zukunft nicht mehr Leid geschehe, so will ich Euch herzlich gern verzeihen, wenn Ihr mir sagt, was der Engel noch weiter mit Euch gesprochen hat.«

»Madonna (sprach Bruder Alberto), da Ihr mir verziehen habt, so will ich es Euch gerne sagen; aber hütet Euch um Gottes Willen, daß Ihr mit keinem Menschen in der Welt davon redet, sonst verderbt Ihr Euch selbst den ganzen Handel. Wißt demnach, Ihr seid das glücklichste Weib auf Erden; denn der Engel Gabriel läßt Euch durch mich sagen, er liebe Euch so sehr, daß er schon manchmal gerne eine Nacht bei Euch würde zugebracht haben, wenn er nicht gefürchtet hätte, daß Ihr Euch vor ihm entsetzen würdet. Jetzt hat er mir aufgetragen, Euch zu melden, daß er Euch einmal des Nachts besuchen und ein wenig bei Euch verweilen will. Weil er aber ein Engel ist und Ihr mit ihm in seiner Engelgestalt nicht in Berührung kommen könntet, so will er, Euch zu Liebe, eine menschliche Gestalt annehmen und wenn Ihr ihn nur wollt wissen lassen, wenn es Euch gefällt, daß er kommen soll und in wessen Gestalt, so will er gleich zu Euch kommen; Ihr könnt Euch deswegen, mehr als irgend ein Weib auf Erden, glücklich preisen.«

Frau Gimpelin antwortete, sie freute sich sehr, daß der Engel Gabriel ihr so gut wäre, denn sie wäre ihm auch von Herzen gut, und seitdem sie zuerst sein Bild gemalt gesehen, hätte sie nie versäumt, ihm ein Dreierlicht zu opfern; wenn er kommen wollte, so sollte er ihr zu jeder Stunde willkommen sein und sie in ihrer Kammer finden; er müßte sie aber auch nicht, der Jungfrau Maria zu Gefallen, wieder verlassen; denn sie hätte schon längst gehört, daß er dieser gut wäre und das schiene wohl auch wahr zu sein, denn allenthalben, wo sie ihn nur sähe, läge er vor ihr auf den Knieen; übrigens stände es bei ihm, zu kommen, in welcher Gestalt er wollte, wenn er sie nur nicht erschreckte.

»Madonna (sagte Alberto), Ihr habt klüglich gesprochen, und ich werde ihm Alles richtig bestellen, was Ihr mir sagt. Ihr könnt mir aber auch wieder eine große Gnade erweisen, die Euch nichts kostet, wenn Ihr ihn nämlich in dieser meiner Gestalt bei Euch erscheinen laßt. Ich will Euch auch wohl sagen, in welcher Rücksicht Ihr mir dadurch eine Gnade erzeigt. Er wird nämlich meine Seele aus meinem Leibe gehen lassen, und sie in's Paradies schicken, indem er in meinen Leib fährt, und so lange er bei Euch bleibt, so lange wird meine Seele im Paradiese sein.«

»Ich bin es zufrieden (sprach Frau Albernheit), daß Ihr dieses Vergnügen genießt für die Prügel, die er Euch um meinetwillen gegeben hat.«

»So laßt nur (sprach Alberto) diesen Abend Eure Hausthüre offen, damit er hineinkommen könne; denn da er einen menschlichen Leib annimmt, so kann er nicht anders, als durch die Thüre hereinkommen.«

Sie versprach es; Bruder Alberto ging fort, und sie war so außer sich vor Freude, daß sie nicht einen Augenblick auf einer Stelle sitzen bleiben und vor Ungeduld den Abend nicht erwarten konnte, bis der Engel Gabriel käme.

Bruder Alberto, welcher glaubte, daß es nicht überflüssig wäre, wenn sich der Engel Gabriel zugleich als ein mannhafter Ritter zeigte, hielt deswegen für gut, sich mit stärkenden Mitteln auszurüsten, um sich nicht aus dem Sattel heben zu lassen. Er forderte deswegen nebst einem treuen Gefährten Urlaub, und ging mit ihm gegen den Abend zu einer guten Freundin, bei welcher er schon mehrmals die Sporen geholt hatte, wenn es ein Turnier gelten sollte. Wie er nun glaubte, daß es Zeit wäre, zog er seine Verkleidung an, begab sich nach dem Hause der Dame und ging als verkörperter Engel hinauf in ihre Kammer.

Indem sie die weiße Gestalt hereintreten sah, kniete sie nieder; der Engel gab ihr seinen Segen, erhob sie von der Erde und winkte ihr, sich zu Bette zu begeben. Sie gehorchte ihm willig; der Engel folgte nach, und da Bruder Alberto noch ein hübscher und rüstiger Kerl war, so lehrte er seine schöne Anbeterin mehr als einmal ohne Flügel fliegen, und erzählte dazwischen so vieles von den Freuden des Paradieses, daß er sie ganz vergnügt machte. Wie es bald tagen wollte, nahm er seine Sachen wieder zusammen, und kehrte wieder zu seinem Gefährten zurück, welchem indessen (damit ihm nicht bange würde, wenn er allein schliefe) seine Wirtin Gesellschaft geleistet hatte.

Nach dem Mittagessen ging Frau Lisetta mit einigen Freundinnen zum Bruder Alberto, und erzählte ihm von dem Engel Gabriel, was er ihr von den himmlischen Freuden berichtet hatte, wie er gestaltet wäre, und noch hundert andere Fabeln dazu

»Madonna (antwortete ihr Bruder Alberto), ich kann nicht wissen, wie Ihr Euch bei ihm befunden habt; aber von mir kann ich Euch sagen, daß er diese Nacht zu mir kam, und wie ich Euren Auftrag an ihn ausgerichtet hatte, trug er den Augenblick meine Seele an einen Ort, wo so viele Rosen und andere Blumen waren als ich in meinem Leben nicht gesehen habe, und bis zur Frühstunde befand ich mich an dem reizendsten Orte von der Welt. Was unterdessen aus meinem Leibe geworden ist, davon ist mir nichts bekannt.«

»Hört Ihr denn nicht (sprach Frau Lisette), daß ich ihn samt dem Engel die ganze Nacht in meinen Armen gehabt habe? Wenn Ihr's nicht glaubt, so seht nur Eure linke Brust an, die ich ihm so herzlich geküßt habe, daß das Mal noch wohl ein paar Tage zu sehen sein wird.«

»Sehr wohl (sprach Alberto), ich will einmal heute etwas thun, das ich seit langer Zeit nicht gethan habe, ich will mich ausdrücklich deswegen auskleiden.«

Nach mancherlei dergleichem Geschwätze ging das Weibchen wieder nach Hause, und Bruder Alberto stattete ihr in der Gestalt des Engels noch manchmal ungehindert seinen Besuch ab.

Endlich kam Frau Lisetta einmal zu einer Gevatterin, und wie die Rede von der Schönheit war und Frau Lisetta die ihrige über alle andern erheben wollte, sagte sie in ihrer Einfalt: »Wenn Ihr wüßtet, wer an meinen Reizen Gefallen findet, so würdet Ihr wahrlich von allen anderen schweigen.«

Die Gevatterin, die ihre Freundin wohl kannte, und sie gern ausforschen wollte, antwortete: »Freundin, Ihr mögt wohl wahr sprechen; aber mancher würde dies denn nicht so leicht zugeben, wenn man nicht weiß, wen Ihr damit meint.«

Das einfältige Ding ließ sich nicht lange fragen, sondern sagte: »Hört, Gevatterin, es soll es zwar niemand wissen, aber Euch will ich es wohl sagen, daß der Engel Gabriel mein Liebhaber ist, daß er mich mehr als sich selbst liebt, und mich, wie er sagt, für das schönste Weib in der Welt und überall hält.«

Der Gevatterin war das Lachen sehr nahe; doch hielt sie sich, um sie noch mehr schwatzen zu hören. »Bei Gott, Frau Lisetta! (sprach sie) wenn der Engel Gabriel Euer Liebhaber ist und Euch so etwas sagt, dann muß es wohl wahr sein; aber ich hatte nie gedacht, daß die Engel sich mit solchen Dingen bemengten.«

»Da irrt Ihr Euch, Gevatterin (sprach Lisetta). Bei den Wunden Jesu! er versteht's besser, als mein Mann, und er sagt mir, daß sie's dort oben auch thun; weil ich ihm aber besser gefalle, als irgend eine im Himmel, so kommt er recht oft zu mir; versteht Ihr mich?«

Wie die Gevatterin von Frau Lisetta Abschied nahm, konnte sie die Zeit kaum erwarten, bis sie jemand fand, dem sie Alles wieder sagen konnte; und am nächsten Feiertage erzählte sie es laut in einer Gesellschaft von Weibern. Diese sagten es wieder ihren Männern und anderen Frauen, so daß in weniger als zwei Tagen die Geschichte in ganz Venedig bekannt ward. Unter denen, welchen sie zu Ohren kam, waren auch Lisetta's Schwäger, welche sich in der Stille vornahmen, den Engel kennen zu lernen und zu versuchen, ob er auch fliegen könnte, weswegen sie ihm einige Abende nach einander aufpaßten. Zufälligerweise hatte auch Bruder Alberto etwas von dem Gerüchte vernommen, und begab sich eines Abends zu Lisetta, um sie deswegen zur Rede zu stellen. Kaum hatte er Flügel und Kleider abgelegt, so waren auch ihre Schwäger, die ihn hatten kommen sehen, an der Kammerthür und im Begriffe, sie aufzusprengen. Bruder Alberto, der das Geräusch hörte und ahnte, was es zu bedeuten hatte, öffnete ein Fenster, welches nach dem großen Kanal hinausging, und sprang hinab in das Meer. Da er Tiefe genug hatte und ein guter Schwimmer war, so kam er ohne Schaden hinüber nach der anderen Seite, wo er eine Hausthür offen fand, in welche er sich flüchtete, und einen ehrlichen Mann, der ihm entgegen kam, um Gottes willen bat, ihm das Leben zu retten, indem er ihm eine Fabel erzählte, warum er nackend und zu solcher Stunde sich dort befände. Der gute Mensch erbarmte sich über ihn, und da er schon früh etwas zu beschicken hatte, so räumte er ihm sein Bett ein und hieß ihm, darin liegen zu bleiben, bis er wieder käme.

Unterdessen waren Lisetta's Schwäger in ihre Kammer gekommen und hatten gefunden, daß der Engel Gabriel davon geflogen war, aber die Flügel im Stiche gelassen hatte, worüber sie sich ärgerten, und das Weibchen, nachdem sie ihr die bittersten Vorwürfe gemacht hatten, ganz trostlos verließen und das Gerät des Erzengels mit sich nach Hause nahmen. Es war inzwischen Tag geworden und wie der gute Mann, der den Bruder Alberto bei sich beherbergt hatte, auf Rialto vernahm, daß der Engel Gabriel in der vergangenen Nacht bei Frau Lisetta zum Besuch gewesen und wie er in Gefahr geraten wäre, von ihren Schwägern ertappt zu werden, vor Furcht in den Kanal gesprungen sei und sich noch nicht wiedergefunden habe, so kam er auf den Gedanken, daß er ihn vermutlich bei sich in seinem Hause hätte. Er kehrte also zurück, brachte seinen Gast zum Geständnis, und brachte es nach einigem Wortwechsel dahin, daß er ihm fünfzig Dukaten geben mußte, damit er ihn nicht den Schwägern auslieferte. Wie Bruder Alberto hiernächst auf Mittel sann, weiter zu entkommen, sagte sein Wirt zu ihm: Ich weiß nur ein einziges Mittel und es kommt nur darauf an, ob Ihr Euch dazu entschließen könnt. Wir haben heute ein Volksfest, bei welchem man Menschen als Bären, wilde Männer u. s. w. verkleidet, aufzuführen und hernach eine Hetze zu geben pflegt. Sobald der Spaß vorbei ist, geht ein Jeder mit demjenigen, den er zur Schau geführt hat, wohin er will. Wollt Ihr, ehe man Euch hier sucht, Euch auf die eine oder andere Art von mir dahin führen lassen, so kann ich Euch hernach bringen, wohin Ihr wollt, denn die Schwäger der Dame, die Euch in dieser Gegend vermuten, lassen allenthalben aufpassen, um Euch einzufangen.«

So schwer es dem Bruder Alberto auch ankam, in einem solchen Aufzuge zu erscheinen, so trieb ihn doch die Furcht vor Lisetta's Verwandten, sich den Handel gefallen zu lassen; er sagte also seinem Wirt, wohin er ihn bringen sollte, und überließ ihm die Art und Weise. Dieser beschmierte ihn erst mit Honig und bedeckte ihn hernach mit Flaumfedern, legte ihm eine Kette um den Hals, that ihm eine Maske vor, gab ihm eine große Keule in die Hand und ließ ihn an der anderen ein Paar Bullenbeißer führen, die er von einem Fleischer borgte. Darauf schickte er jemand nach Rialto und ließ ausrufen: wer den Engel Gabriel sehen wollte, der sollte nach dem Sankt Markus-Platz kommen; und das war venezianische Ehrlichkeit. Wie dieses geschehen war, machte er sich mit ihm auf den Weg und ließ ihn an der Kette vor sich hingehen. Unter einem großen Zulauf von Menschen, die beständig riefen: »Was ist das? was giebt's da?« führte er ihn nach dem Marktplatze, wo die Menschen, die ihm nachgefolgt waren und diejenigen, welche der Ausruf auf Rialto herangelockt hatte, eine ungeheure Masse ausmachten. Hier band er seinen wilden Mann an einem hohen hervorragenden Orte an einen Pfahl und stellte sich, als ginge er hin, um die Hetze mit anzusehen, indes den armen Teufel, der mit Honig angeschmiert war, die Fliegen und Wespen bis auf's Blut marterten. Wie nun der Platz ganz mit Menschen angefüllt war, ging er zu seinem wilden Mann, als wenn er ihn wieder losmachen wollte, zog ihm aber statt dessen die Maske vom Gesichte und rief: »Ihr Herren, weil heute der Eber nicht gehetzt wird, und sonst nichts zu thun ist, so will ich Euch den Engel Gabriel zeigen, der des Nachts zur Erde herunter kommt, um den Weibern in Venedig ein Vergnügen zu machen.«

Sobald die Maske herunter war, erkannte ein Jeder den Bruder Alberto, und es erhob sich überall ein Geschrei über ihn und ein Jeder sagte ihm so viele Schimpfwörter ins Gesicht, als jemals ein Schlemmer hat hören müssen. Ueberdies bewarf man ihn von allen Seiten mit Kot und Unrat und dieses dauerte so lange, bis von ungefähr die Brüder in seinem Kloster Nachricht davon bekamen; worauf mehrere von ihnen herbei eilten, ihm eine Kutte umwarfen, ihn losmachten und nicht ohne ein lärmendes Gefolge nach ihrem Kloster schleppten, wo sie ihn einkerkerten und wo er elendlich soll umgekommen sein.

So ging es diesem Heuchler, der Tugend log und Laster trieb und dennoch unbescholten blieb, bis er sich unterfing, den Engel Gabriel zu spielen, worüber er auf die Länge zum Wilden gemacht ward und mit verdienter Schmach für seine Lasterthaten dienen mußte. Gott lasse es allen seines Gleichen so ergehen.

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