Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Dreiundachtzigste Erzählung.

Als dem Calandrino eine Base starb, die ihm ein paar hundert Gulden an Scheidemünze vermachte, ließ er sich vermuten, daß er ein Gut dafür kaufen wolle, und er handelte deswegen mit so vielen Mäklern in Florenz, als wenn er zehntausend Goldgulden hätte anzulegen gehabt, wiewohl der Handel sich immer wieder zerschlug, sobald von dem Preise des Gutes die Rede war.

Bruno und Buffalmacco, die davon gehört hatten, sagten ihm zwar oft, er thäte besser, sich für das Geld etwas zu gute zu thun, als auf Ländereien zu handeln, wie wenn er Seifenkugeln kaufen wollte; allein, sie konnten ihn nicht einmal dahin bringen, daß er ihnen ein einziges mal was zum besten gegeben hätte. Indem sie nun einst darüber murrten, und noch einer von ihren Mitgesellen, der Maler Nello, dazu kam, fingen sie an, alle drei mit einander zu ratschlagen, wie sie sich auf Kosten des Calandrino einmal den Bauch füllen könnten. Sie wurden auch bald über einen Anschlag einig, dessen Ausführung sie auf den folgenden Morgen mit einander verabredeten, und wie Calandrino des Morgens kaum aus seinem Hause gegangen war, kam ihm Nello entgegen und sagte: »Guten Tag, Calandrino.«

»Gott gebe Dir desgleichen (antwortete Calandrino) und ein gutes Jahr dazu!«

Nello stand ein wenig stille und sah ihm steif in's Gesicht, bis ihn Calandrino fragte: »Was betrachtest Du?«

»Hast Du diese Nacht nichts empfunden? (fragte Nello) Du bist ja ganz verändert.«

Calandrino war gleich erschrocken und sagte: »Ach Himmel! was meinst Du denn, das mir fehlen sollte?«

»Ei ich meine eben nichts besonderes damit (sprach Nello). Du scheinst mir ganz verändert, doch das mag wohl eine andere Ursache haben.«

Calandrino ging betroffen weiter, obwohl er nicht fühlte, daß ihm das geringste fehlte. Aber bald darauf begegnete ihm Buffalmacco, der nur gelauert hatte, bis Nello ihn verließe, und fragte ihn, indem er ihn grüßte, ob er nichts fühlte.

»Ich wüßte nichts (sprach Calandrino); allein eben jetzt sagte mir auch Nello, daß er mich ganz verändert fände. Sollte mir wirklich etwas fehlen?«

»Ja wohl, fehlt Dir was und keine Kleinigkeit (sprach Buffalmacco). Du siehst aus, wie bald halb tot.«

Jetzt glaubte Calandrino schon wenigstens ein Fieber am Halse zu haben; und siehe da, Bruno kam auch, und sein erstes Wort war: »Calandrino, was machst Du für Gesichter? Du siehst ja aus wie eine Leiche; was fehlt Dir?«

Wie Calandrino sie alle so reden hörte, glaubte er ganz gewiß, daß er krank wäre, und fragte ängstlich, was er anfangen sollte.

»Mich deucht (sprach Bruno), Du solltest wieder nach Hause gehen und Dich zu Bette legen, und schicke Dein Wasser zum Doktor Simon, der unser guter Freund ist, wie Du wohl weißt. Er wird Dir bald sagen, was Du thun mußt. Wir wollen mit Dir gehen, und wenn etwas nötig ist, so wollen wir Anstalt dazu machen.«

Nello kam auch wieder zu ihnen und sie begleiteten sämtlich den Calandrino nach Hause. Er trat ganz atemlos in seine Kammer und sprach zu seiner Frau: »Komm und decke mich warm zu, ich befinde mich garnicht wohl.«

Sobald man ihn zu Bette gebracht hatte, schickte er sein Wasser durch ein kleines Mädchen zum Doktor Simon, der damals seine Apotheke am alten Markte im Zeichen der Melone hatte. Bruno sprach indessen zu seinen Kameraden: »Bleibt Ihr jetzt bei ihm; ich will hingehen und hören, was der Doktor sagt, und will ihn, wenn es nötig ist, mit herbringen.«

»Ach ja, Brüderchen! (sprach Calandrino) Geh hin und bringe mir Nachricht, wie es mit mir ist. Ich weiß nicht, was es ist, das ich im Leibe fühle.«

Bruno ging hin und kam zu dem Doktor, ehe das Mädchen ihm das Wasserglas brachte, und gab ihm die nötigen Winke. Wie demnach das Mädchen kam, und der Doktor das Wasser besah, sprach er zu ihr: »Geh' und sage dem Calandrino, er soll sich recht warm halten; ich werde gleich zu ihm kommen und ihm sagen, was ihm fehlt und was er brauchen muß.«

Das Mädchen ging mit der Antwort zurück, und nicht lange darnach kam auch der Doktor mit Bruno. Der Doktor setzte sich neben ihn, fühlte ihm den Puls und sagte zu ihm nach einer kleinen Pause in Gegenwart seiner Frau: »Höre, Calandrino, ich muß Dir als Dein Freund sagen, Dir fehlt weder mehr, noch weniger, als daß Du schwanger bist.«

»Ach, Du lieber Himmel, Tessa! (rief Calandrino mit kläglicher Stimme) Daran bist Du schuld! Hab' ich Dir nicht längst gesagt, es würde nimmer gut gehen, daß Du stets oben liegen willst?«

Die Frau, ein gutes ehrbares Weibchen, ward vor Scham bis über die Ohren rot, wie sie ihren Mann so reden hörte. Sie schlug die Augen nieder und ging ohne ein Wort zu reden, aus dem Zimmer. Calandrino fuhr indessen fort, zu klagen und sagte: »Was soll ich machen, ich armer unglücklicher Mann. Wie soll ich das Kind zur Welt bringen? Die thörichte Grille meiner Frau wird mir noch das Leben kosten. Daß sie der Himmel züchtige! Wenn ich nur nicht so krank wäre, wie ich bin, so könnt ich aufstehen und ihr so viele Rippenstöße geben, daß sie keinen gesunden Fleck am Leibe behielte; und doch muß ich mich selbst schämen, denn ich hätt' es ihr nie erlauben sollen, mich unterzukriegen. Aber wenn ich nur wieder gesund werde, so will ich ihr künftig die Lust wohl vertreiben.«

Bruno, Buffalmacco und Nello wollten vor Lachen über sein Geschwätz bersten; doch hielten sie sich; aber Doktor Simon lachte aus vollem Halse. Endlich bat Calandrino den Doktor um Rat und Hülfe, und der Doktor sagte: »Sei nur nicht bange, Calandrino; denn wir sind glücklicherweise das Ding noch früh genug gewahr geworden, um Dich in kurzer Zeit von dem Übel befreien zu können. Du wirst aber müssen ein wenig den Beutel ziehen.«

»Ach ja, gerne, (sprach Calandrino) helft mir nur um des Himmelswillen! Ich habe hier ein paar hundert Gulden, wofür ich ein Gütchen kaufen wollte. Nehmt sie alle hin, wenn's nötig ist, damit ich nur nicht niederkommen muß; denn ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte. Man hört ja, welchen Zeter die Weiber anheben, wenn es damit losgeht, und sie haben doch ganz andere Mittel und Wege, sich ihrer Bürde zu entledigen. Ich aber glaube, ich müßte vor Schmerzen den Geist aufgeben, eh' ich damit zu Stande käme.«

»Mache Dir keine Sorgen (sprach der Doktor). Ich will Dir einen Trank abziehen lassen, der Dir sehr gut und angenehm schmecken soll, und Dir in drei Tagen alles dermaßen auflöst, daß Du wieder so gesund wirst, wie ein Fisch. Aber sieh zu, sei künftig klüger und begehe nicht wieder solche Thorheiten. Zu dem Getränk brauchen wir drei Paar recht gute fette Kapaune, und zu allerhand anderen Kleinigkeiten, die noch dazu erforderlich sind, gieb einem von diesen fünf Gulden an kleiner Münze mit, daß er sie einkauft, und mir alles in meine Apotheke liefert; so will ich Dir morgen früh den Trank schicken, wovon Du jedesmal einen guten Becher voll nehmen mußt.«

»Ich verlasse mich auf Euch, Doktor,« sprach Calandrino, gab dem Bruno die fünf Gulden und das Geld zu den Kapaunen und bat ihn, er möchte sich ihm zu Liebe die Mühe nicht verdrießen lasten. Der Doktor nahm Abschied, ließ ein wenig Graupenwasser kochen und schickte es ihm. Bruno kaufte die Kapaunen und was dazu gehörte, und machte sich mit dem Arzt und den übrigen einen fröhlichen Tag. Calandrino trank drei Tage nacheinander Gerstenwasser, und am vierten Tage kam der Arzt nebst seinen Freunden zu ihm und sagte: »Calandrino, Du bist nun völlig genesen und kannst von nun an Deinen Geschäften wieder nachgehen.« Calandrino stand fröhlich auf, ging an seine Hantierung und rühmte allenthalben, wohin er nur kam und mit Leuten redete, die treffliche Kunst, welche Doktor Simon an ihm bewiesen, indem er ihn in drei Tagen ohne alle Schmerzen seine Schwangerschaft vertrieben hätte. Bruno, Buffalmacco und Nello freuten sich unterdessen, daß sie ihn mit seiner Knauserei ein wenig zum Besten gehabt hatten. Frau Tessa, aber die den Streich merkte, schmollte mit ihrem Manne noch lange darüber.

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