Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Sechsundzwanzigste Erzählung.

In Neapel, einer uralten und vielleicht einer der angenehmsten Städte in Italien, war einst ein junger Mann von einem sehr edlen Geschlecht und von großem Reichtum, namens Ricciardo Minitolo. Dieser, welcher selbst ein schönes und artiges Weib zur Frau hatte, verliebte sich in eine andere, die nach dem Urteil eines jeden alle übrigen neapolitanischen Weiber bei weitem an Schönheit übertraf, namens Catella, die Frau eines eben so adeligen, jungen Mannes, welcher Filippello Fighinolfo hieß, welchen sie auch von ganzem Herzen und über alles in der Welt liebte und hochschätzte. Wie nun Ricciardo aus Liebe zu dieser Catella alles mögliche that, um sie zur Gunst und Gegenliebe zu bewegen, und dennoch nichts damit ausrichtete, wollte er schier verzweifeln; denn seine Liebe konnte er nicht los werden, zu sterben konnte er sich nicht entschließen und das Leben war ihm zuwider. Indem er sich in dieser Gemütslage befand fügte es sich einst, daß einige Damen von seiner Verwandtschaft ihm zuredeten, und ihn ermahnten, von seiner Liebe abzulassen, weil er sich nur vergebliche Mühe machte; denn Catella kenne kein Glück auf der Welt, außer ihrem Mann, auf welchen sie so eifersüchtig wäre, daß sie fürchtete, jeder Vogel in der Luft würde mit ihm davon fliegen.

Wie Ricciardo das Wort Eifersucht hörte, fiel ihm alsobald ein Anschlag ein, um zu dem Ziele seiner Wünsche zu gelangen; er fing deswegen an, sich zu stellen, als wenn er seiner Liebe zu Catella entsagt, und eine andere Dame zum Gegenstande derselben gewählt hätte, welcher zu Ehren er Turniere und Waffenspiele anstellte, und ihr eben die Aufwartung machte, wie er sonst bei Catella gethan hatte. Es währte auch nicht lange, so glaubte ganz Neapel und Catella selbst, daß er diese ganz vergessen, und sich seiner neuen Liebschaft völlig gewidmet hätte; kurz, er spielte seine Rolle so gut und so lange, daß Catella von ihrer Sprödigkeit nachließ, womit sie ihn sonst, wie er noch in sie verliebt war, abzuweisen pflegte, und ihn wie jeden anderen mit nachbarlicher Traulichkeit grüßte, wenn er kam und ging.

Nun traf es sich einmal in der heißen Jahreszeit, wenn die Neapolitaner in kleinen Gesellschaften von Männern und Weibern sich nach der Seeküste zu begeben und daselbst zu Mittag oder zu Abend zu essen pflegen, daß Ricciardo, welcher wußte, daß Catella mit einer Gesellschaft dahin gegangen war, sich ebenfalls mit einigen Freunden und Freundinnen dahin begab, und von den anderen Damen gebeten ward, mit ihnen Gesellschaft zu machen. Er ließ sich erst ein wenig bitten, als ob er nicht Lust hätte lange da zu bleiben. Darauf fingen die Damen an, mit ihm über seine neue Liebschaft zu scherzen, und weil er sich stellte, als ob es ihm damit sehr Ernst wäre, so gab dieses zur Verlängerung des Gespräches Anlaß. Wie endlich die Damen sich hie und da zerstreuten, wie es bei solchen Lustfahrten gewöhnlich zu geschehen pflegt, und Catella mit einigen wenigen zurückblieb, ließ Ricciardo ein Wörtchen von einer gewissen Liebschaft ihres Mannes Filippello fallen, wodurch ihre Eifersucht den Augenblick Feuer fing, so daß sie vor Begierde brannte, zu wissen, was Ricciardo damit meinte. Sie zwang sich anfänglich, aber endlich konnte sie sich nicht länger halten, und beschwor ihn bei seiner Liebe zu derjenigen, die ihm am teuersten wäre, sich deutlicher über das zu erklären, was er von Filippello gesagt hätte.

»Ihr beschwört mich (antwortete Ricciardo) bei einer so teuern Person, daß ich Euch nichts abschlagen kann, was Ihr verlangt und ich will es Euch demnach entdecken, wenn Ihr mir versprechen wollt, nie ein Wort davon, weder an Euren Gemahl, noch an jemand anderen zu sagen, bis Ihr selbst findet, daß alles wahr ist, was ich Euch entdecke; und dazu kann ich Euch, wenn Ihr es verlangt, Gelegenheit verschaffen.«

Die Dame ließ sich seine Bedingungen gefallen, glaubte immer mehr seinen Worten und schwor ihm Verschwiegenheit. Er ging deswegen mit ihr auf die Seite und sagte ihr unter vier Augen: »Madonna, wenn ich noch, so wie vormals in Euch verliebt wäre, so würde ich mich nicht unterstehen, Euch etwas zu sagen, was Euch gewiß verdrießen muß; weil aber meine Liebe vorüber ist, so kann ich mich eher entschließen, Euch alles zu entdecken. Ich weiß nicht, ob Filippello mir meine Liebe zu Euch jemals übel genommen, oder vielleicht gar geglaubt hat, daß ich von Euch wieder geliebt würde; wenigstens hat er sich gegen mich selbst nie etwas davon merken lassen. Jetzt aber hält er es vielleicht für die rechte Zeit, um mir (wie er meint) Gleiches mit Gleichem zu vergelten, indem ich mich am wenigsten Arges zu ihm versehe, und meine Frau zu Gunstbezeigungen zu bewegen. Wie ich merke, so hat er schon seit einiger Zeit oft heimlich Botschaft zu ihr gesandt; denn meine Frau hat mir alles wieder erzählt und ihm solche Antworten geschickt, wie ich ihr sie in den Mund gelegt habe. Aber siehe da, ehe ich ausging, fand ich wieder eine Unterhändlerin bei meiner Frau. Ich erkannte den Vogel an den Federn, rief also meine Frau und fragte, was das Weib wollte. »Das kommt (sagte sie zu mir) von der Aufmunterung, die ich auf Dein Anstiften dem Filippello durch meine Antworten habe geben, und ihm Hoffnung machen müssen. Jetzt will er durchaus wissen, wie weit ich gesonnen bin, zu gehen, und läßt mich bitten und nötigen, daß ich mich zu einer heimlichen Zusammenkunft mit ihm verstehen soll, wie er mir in einer gewissen Badestube hier in der Stadt vorschlägt. Wenn Du mich nicht (ich weiß nicht warum) dazu gebracht hättest, mich mit ihm in solche Unterhandlungen einzulassen, so hätt' ich ihn mir längst auf eine solche Art vom Halse geschafft, daß er mir nimmermehr hätte nachlaufen sollen.«

Jetzt schien es mir selbst, daß das Ding zu weit ginge, und nicht länger zu dulden wäre, und ich nahm mir deswegen vor, es Euch zu sagen, damit Ihr seht, wie Eure große Treue Euch belohnt wird, womit Ihr mich schier in die Grube gebracht hättet. Und damit Ihr dies nicht für leere Worte und Fabeln haltet, sondern alles (wenn Ihr Lust habt) mit Euren Augen sehen und mit Händen greifen könnt, so habe ich meiner Frau befohlen, ihm durch eine Unterhändlerin sagen zu lassen, sie wolle morgen in der Nachmittagsstunde, wenn alles schliefe, zu ihm in die Badestube kommen, worüber das Weib sehr vergnügt fortging. Ihr könnt wohl denken, daß ich meine Frau nicht hinschicken werde; wenn ich aber an Eurer Stelle wäre, so würde ich machen, daß er mich anstatt der erwarteten Person vorfinden sollte, und nachdem ich so lange bei ihm gewesen wäre, daß ich hinlänglichen Beweis in Händen hätte, so wollte ich ihm zeigen, wer ich wäre, und wollte ihm solche Ehrentitel geben, wie er verdiente. Ich glaube, er würde sich dermaßen schämen, daß wir Beide, Ihr und ich, für die Beleidigung, die er uns hat zufügen wollen, gerächt würden.«

Catella, die nicht einen Augenblick bedachte, wer derjenige war, der ihr dieses erzählte, und seinen Betrug nicht argwöhnte, fiel mit der gewöhnlichen Gierigkeit der Eifersüchtigen in die Schlinge, glaubte seinen Worten, und da sie einige kleine Vorfälle, die sich zugetragen hatten, diesem Geschichtchen anpaßte, so ließ sie sich schnell vom Zorn hinreißen und antwortete, sie wollte dies allerdings thun, weil es ohne Schwierigkeit geschehen könnte, und wenn ihr Mann käme, so wollte sie ihn dergestalt heruntermachen, daß er sich daran erinnern sollte, so oft ihm der Gedanke an ein Frauenzimmer in den Kopf käme.

Ricciardo war froh, und wie er sah, wie gut ihm seine List gelang, fuhr er fort, sie durch mancherlei Reden noch treuherziger zu machen, und empfahl ihr zugleich auf's Nachdrücklichste, sich nimmermehr merken zu lassen, daß er der Angeber gewesen wäre, welches sie ihm auch heilig zusagte.

Des andern Morgens ging Ricciardo zu der Frau, welche die Badestube hielt, die er Catella bezeichnet hatte, sagte ihr, was seine Absicht wäre, und bat sie, ihm darin behülflich zu sein. Da sie ihm viele Verbindlichkeit schuldig war, so bezeigte sie sich willig, und verabredete mit ihm Alles, was sie dabei thun und sagen sollte. Neben der Badestube war ein dunkles Zimmer, in welchem sie alles Nötige vorbereitete und welches Ricciardo einnahm. Die gute Dame, welche seinen Worten mehr Glauben beimaß, als sie hätte thun sollen, war des Abends vorher verdrießlich nach Hause gekommen, und da Filippello vielleicht eben auch den Kopf voll anderer Gedanken heim kam, und ihr nicht mit seiner gewöhnlichen zärtlichen Vertraulichkeit begegnen mochte, so ward sie dadurch noch mehr in ihrem Argwohn bestärkt, und dachte: »Der denkt gewiß nur an seine Liebschaft, und wie er sich morgen mit ihr gütlich thun will; aber es soll ihm nicht gelingen.« Mit solchen Gedanken und mit dem Entwurfe der Strafpredigt, die sie ihm nach ihrer Zusammenkunft halten wollte, beschäftigte sie sich fast die ganze Nacht.

Kaum war die Nachmittagsstunde gekommen, so ließ sich Frau Catella durch nichts abhalten, auf ihre eigene Hand nach der Badestube zu wandern, die ihr Ricciardo beschrieben hatte und fragte die Wirtin, ob Filippello heute dagewesen wäre.

»Seid Ihr vielleicht die Dame, die ihn hier hat sprechen wollen?« sprach die Frau, die von Ricciardo abgerichtet war.

»Das bin ich,« antwortete Catella.

»So tretet nur hier zu ihm hinein,« versetzte die Frau.

Catella, welche denjenigen suchte, welchen sie lieber nicht hier zu finden wünschte, ließ sich in die Kammer führen, wo Ricciardo war; sie trat verschleiert zu ihm hinein und schloß die Thüre hinter sich zu. Ricciardo sprang ihr entzückt entgegen und sagte leise, indem er sie umarmte. »Sei mir tausendmal willkommen, meine Geliebte!«

Catella erwiederte seine Umarmung, um sich nicht vor der Zeit zu verraten, und da sie beiderseits ihre Ursachen hatten, sich nicht zu erkennen zu geben, so erfolgte zwischen ihnen ein stummer Auftritt, welcher darum (wenigstens an der einen Seite) nicht weniger zärtlich war und eine geraume Zeit dauerte. Wie aber Catella endlich glaubte, daß es Zeit wäre, ihrem gerechten Zorn Luft zu machen, fing sie an, voll brennenden Eifers auszurufen: »Wie unglücklich ist das Los der armen Weiber, und wie übel wird manchen ihre Liebe von ihren Männern vergolten! Ich Aermste habe Dich nun Jahre lang mehr als mein Leben geliebt, und nun muß ich erfahren, daß Du böser und gewissenloser Mann Dich in ein fremdes Weib verliebst! In wessen Armen glaubst Du Dich zu befinden? Du bist in den Armen derjenigen, die Du seit langer Zeit fälschlich hintergangen und der Du Liebe vorgeheuchelt hast, obgleich Du doch anderswo liebest. Ich bin Catella und nicht die Frau des Ricciardo. Du Falscher, Du Ungetreuer! Kennst Du meine Stimme? Ich bin's selbst, und jeder Augenblick scheint mir ein Jahr bis ich Dich an's Licht führen und Dich in's Angesicht beschämen kann, wie Du es verdienst, Du Nichtswürdiger! O ich armes Weib! An wen habe ich so lange Zeit meine Liebe verschwendet? An einen Ungetreuen, der mich in dem Wahne, ein fremdes Weib zu umarmen, in dieser kurzen Frist mit mehr Liebkosungen überhäuft hat, als in der ganzen, langen Zeit, da ich die Seinige gewesen bin! Wie feurig beweisest Du Dich heute, Du Meineidiger, während Du zu Hause so laulich bist! Aber Gott sei Dank, daß Du keinen fremden Acker gepflügt hast, sondern Deinen eigenen! Kein Wunder, daß Du mich gestern Abend so kaltsinnig vermiedest; Du dachtest heute Deine ganze Zärtlichkeit anderswo ausströmen zu lassen; aber Dank sei dem Himmel und meiner Vorsicht, daß ich sie in ihr gehöriges Bett zu leiten wußte! Warum antwortest Du nicht, Du Verbrecher? warum sagst Du kein Wort? Verstummst Du vor meiner Rede? Wahrlich ich weiß nicht, was mich hindert, daß ich Dir nicht die Augen auskratze. Du glaubtest Deinen Verrat sehr heimlich zu spielen, aber andere Leute sind wahrhaftig so klug wie Du, und es ist Dir nicht gelungen. Ich habe Dir besser auf den Dienst gelauert, als Du dachtest.«

Ricciardo freute sich innerlich über die Ausbrüche ihres Zornes, und überhäufte sie, indem er sie nicht aus den Armen ließ, mit neuen und größeren Liebkosungen. Catella aber fuhr fort: »Wenn Du meinst, mich jetzt mit Deinen Liebkosungen wieder zu besänftigen und zufrieden zu stellen, so irrst Du Dich, Du Verhaßter. Ich werde nie wieder ruhig und zufrieden sein, bis ich Dich vor allen unseren Freunden und Verwandten zu Schanden gemacht habe. Sage mir, Du Gottloser, bin ich weniger schön, als die Frau des Ricciardo? Bin ich weniger adelig, als sie? Warum antwortest Du mir nicht, Du Ehrvergessener? In welchem Stücke ist sie besser, als ich? Hebe Dich weg von mir, und rühre mich nicht mehr an; Du bist mir heute schon überlästig geworden. Weiß ich etwa nicht, daß jetzt, da Du mich kennst, nur ein verstellter Eifer Dich beseelt? Aber wenn mir Gott gnädig ist, so will ich Dir wohl den Brotkorb höher hängen. Ich weiß nicht, was mich abhält, nach Ricciardo zu schicken, der mich seit langer Zeit mehr als sich selbst liebt, und hat sich doch nie rühmen können, daß ich ihn nur angesehen hätte; und ich wüßte noch nicht, ob es Unrecht wäre, wenn ich es thäte. Du hast geglaubt, seine Frau hier zu haben, und das ist gut, als ob es wirklich so geschehen wäre; denn an Dir hat es nicht gelegen, und folglich könntest Du mir nichts vorwerfen, wenn ich ihn brauchte, um mich an Dir zu rächen.«

Kurz, ihre Klagen und Vorwürfe nahmen kein Ende, bis Ricciardo endlich dachte, wenn er sie in ihrem Irrtum davon gehen ließe, so möchte die Sache sehr schlimme Folgen haben. Er entschloß sich also, sich zu erkennen zu geben, und sie aus ihrem Irrtum zu reißen. Er schloß sie demnach so fest in seine Arme, daß sie ihm nicht entwischen konnte und sagte: »Zürne mir nicht, mein liebstes Leben; was ich von Dir durch Liebe nie erhalten konnte, das hat mich die Liebe selbst gelehrt, durch List zu erlangen. Ich bin Dein Ricciardo.«

Wie Catella dies hörte, wollte sie sich mit Gewalt von ihm losreißen; allein, es war ihr nicht möglich. Sie wollte schreien, allein, er hielt ihr den Mund zu und sagte: »Madonna, es ist jetzt nicht mehr möglich, das Geschehene ungeschehen zu machen, wenn Ihr auch all' Euer Leben lang schreien wolltet. Und wenn Ihr schreiet, so entstehen daraus unfehlbar zwei Folgen, wovon Euch die eine besonders wichtig sein muß; daß Ihr nämlich Eure Ehre und Euren guten Namen auf's Spiel setzet. Denn gesetzt, Ihr sagtet, ich hätte Euch durch Betrug hierher gelockt, so würde ich es leugnen und vorgeben, Ihr hättet Euch durch Geschenke und Gaben von mir bewegen lassen, und weil Euch diese jetzt nicht hinlänglich schienen, so machtet Ihr darum so viel Geschrei und Aufhebens. Da ihr nun wohl wißt, daß die Leute das Böse lieber glauben als das Gute, so würde ich mehr Glauben finden, als Ihr. Zweitens würde daraus Todfeindschaft zwischen Eurem Gemahl und mir entstehen, und es wäre eben so leicht als möglich, daß er von meiner Hand stürbe als ich von der seinigen; und dann würdet Ihr nimmermehr froh und vergnügt sein können. Stürzet Euch demnach, meine Teuerste, nicht in Verdruß und Schande, und stiftet nicht Zank und Totschlag zwischen mir und Eurem Gemahl. Ihr seid nicht die Erste und nicht die Letzte, die sich hat hintergehen lassen, und ich habe Euch nicht betrogen, um Euch das Eurige zu rauben, sondern mich bewog die überschwengliche Liebe, die ich bisher für Euch empfunden habe und ewig empfinden werde; und so wie seit langer Zeit meine Person und Alles, was ich in der Welt vermag und besitze, Eurem Dienste gewidmet war, so wird es Euch künftig mehr, als jemals gewidmet sein. Ihr seid ja sonst so klug in allen Dingen; ich hoffe demnach gewiß, Ihr werdet es auch in diesem Falle sein.«

Catella fing an, bitterlich zu weinen, indes Ricciardo sprach; allein bei all' ihrem Gram und Bekümmernis konnte sie sich doch nicht verhehlen, daß Ricciardo wahr spräche. Sie milderte demnach ein wenig ihren Zorn und sagte: »Ich weiß nicht, Ricciardo, wie ich es vor Gott verantworten kann, den Betrug und Schimpf zu ertragen, womit Du mich beleidigt hast. Ich will jetzt nicht schreien, weil ich durch meine Thorheit und Eifersucht mich habe verleiten lassen, mich hierher zu begeben; sei aber versichert, daß ich nimmermehr Ruhe haben werde, bis ich mich auf eine oder die andere Art wegen Deiner Beleidigung räche. Laß mich los und halte mich nicht länger. Du hast Deine Absicht erreicht und mir Qual genug verursacht; jetzt ist es Zeit, mich gehen zu lassen. Laß mich los, ich bitte Dich!«

Ricciardo, welcher sah, daß ihr Zorn sich noch nicht völlig gelegt hatte, war fest entschlossen, sie nicht eher von sich zu lassen, bis er volle Verzeihung erhalten hatte. Er fing demnach von Neuem an, sie mit den liebevollsten Reden zu besänftigen, und er wußte so gut und so lange zu sprechen, zu bitten und zu flehen, daß sie sich endlich überwinden ließ und seine Verzeihung mit der zärtlichsten Gunstbezeugung versiegelte.

Salomon sagt, die verstohlenen Wasser sind die süßesten und das mochte die Dame wohl auch so finden; denn von der Stunde an verwandelte sich ihre Sprödigkeit gegen Ricciardo in die zärtlichste Liebe, welche sie an beiden Seiten mit Klugheit öfters zu befriedigen wußten; und das wolle der Himmel uns allen angedeihen lassen!

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