Sagen aus dem Rheinland
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Der heilige Mauritius auf dem Speicher zu Georgsweiler

In Büchel wurde vor Zeiten eine neue Pfarrkirche errichtet. Als der Bau fertig war, trug man alle heiligen Geräte und Bilder aus der alten, baufälligen Vikariekirche (Kirche, der ein Vikar vorsteht) zu Georgsweiler in das neue Gotteshaus hinüber. Nur eine Reiterstatue des heiligen Mauritius, die aus Morschweiler stammte, vergaß man. Die Dorfkinder spielten damit und führten das hölzerne Pferd auf den Grasplatz bei der Kirche zur Weide. Eines Abends nahmen zwei Geschwister die Statue verstohlen mit heim. Als sie größer geworden waren und nicht mehr mit dem Pferd des Heiligen spielten, wurde die Statue in den Speicher gestellt und geriet allmählich in Vergessenheit. Da oben in der staubigen Dachkammer zwischen Spinnen und Mäusen mochte es dem Heiligen wenig gefallen. Durch eine Dachlucke konnte er auf die schöne neue Pfarrkirche hinübersehen, während er sich mit einem düsteren Kämmerlein begnügen mußte.

Eines Tages nun merkte der Bauer, daß sein Hafer, den er auch auf dem Speicher dem Heiligen gegenüber in einer Ecke aufgeschüttet hatte, bedenklich abnahm. Er dachte, es wären die Mäuse, und hielt sich Katzen. Doch das half nichts. Da meinte er, die Spatzen könnten den Hafer vielleicht gefressen haben, ließ sein Strohdach ausbessern und Drahtnetze vor die Lucken ziehen. Aber der Hafer nahm immer weiter ab.

Schließlich versteckte sich der Mann mit zwei Nachbarn auf dem Speicher im Stroh und wachte eine Nacht über, um endlich den Dieb zu erwischen. Da, als es zwölf Uhr schlug, bewegte sich der hölzerne Mauritius, gab seinem Schimmel die Sporen, und das Tier sprang von der Mauer herab, auf der es stand, nach der andern Ecke, mitten in den Hafer hinein, fraß sich dort tüchtig satt und schritt dann gemächlich in seine Ecke zurück. Roß und Reiter standen dann wieder unbeweglich dort wie zuvor.

Am andern Morgen ließ sich der Bauer vom Küster gleich die Kirche aufschließen und trug die Holzstatue auf seinen Armen hinein. So hatte Mauritius wieder einen Aufenthalt, wie er sich für einen Heiligen geziemt, und dem Bauern wurde kein Hafer mehr weggefressen.

 


 


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