Sagen aus dem Rheinland
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Das versunkene Schloß (2)

Wo sich jetzt das Weinfelder Maar ausbreitet, da stand vor Zeiten auf gesegneter Flur ein prächtiges Schloß. In diesem Schlosse wohnte ein reicher Graf, der wegen seiner Mildherzigkeit weit und breit berühmt war. Seine Gemahlin aber hatte ein hartes Gemüt. Lieber trat sie das Brot mit Füßen, als daß sie es einem Hungrigen reichte. Das bereitete dem Grafen großen Kummer. Doch still duldend ertrug er sein Leid. Er fand nur Trost in der Liebe zu seinem einzigen Kinde.

Eines Tages war der Graf mit seinem Gefolge zur Jagd geritten. Da verfinsterte sich plötzlich über dem Schlosse der Himmel, aus schwarzem Gewölk zuckten grelle Blitze, unheimlich rollte der Donner. Unter betäubendem Getöse spaltete sich der Boden, und ungeheure Wassermassen stiegen empor und verschlangen das Schloß mit allem, was darin war. In den aufsteigenden Fluten fand auch die Gräfin einen jähen Tod.

Ein Bote überbrachte dem heimkehrenden Herrn die schreckliche Kunde. Schon von weitem rief er dem Ahnungslosen zu: »Herr Graf, verschwunden ist Euer Schloß; wo es gestanden hat, da flutet jetzt ein tiefer See! « Ungläubig erwiderte der Graf: »Das ist ebensowenig möglich, als daß mein treuer Falchert, auf dem ich sitze, hier eine Quelle aus dem Boden stampfen könnte.« Noch hatte er nicht ausgesprochen, da fing das Pferd an zu scharren, und unter seinen Hufen sprudelte alsbald eine frische Quelle hervor. Der Graf wurde bleich wie der Tod. Er drückte seinem Pferde die Sporen in die Weichen und sprengte der Unglücksstätte zu. Als er dort ankam, sah er nichts als eine weite, unheimliche Wasserfläche. Bleich und zitternd starrte der Schwergeprüfte auf die dunkle Flut, die ihm alles genommen hatte. Doch siehe, da trieb, wie durch ein Wunder gerettet, sein liebes Kind wohlbehalten in einer Wiege ans Ufer. Voll Dank gegen Gott drückte er es an seine Brust und zog getröstet von dannen.

 


 


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