Sagen aus dem Rheinland
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Die Herdmännchen von Wachtendonk

In Wachtendonk wohnten die Erdmännchen oder Herdmännchen unter dem Rathaus; sie hatten einen großen kupfernen Kessel, den die Bürger bei Tage mitbenutzen durften. Dafür mußten sie ihn abends blankgescheuert wieder vor das Rathaus hinstellen und ein kleines Geschenk, ein Weißbrot oder dergleichen, hineinlegen. Ein Wachtendonker aber, der in der Nachbarschaft wohnte – man wußte sogar seinen Namen –, unterließ dies einst und machte sogar zum Hohn noch eine Schweinerei mit dem Kessel. Die Erdmännchen rächten sich damit, daß sie ihm in der nächsten Nacht alles Getreide aus dem Hause forttrugen. Da wollte er ihnen einen rechten Streich spielen und streute abends Erbsen auf die Treppe, daß sie in der Dunkelheit ausgleiten und herunterfallen sollten. Nun hatte er es aber ganz mit ihnen verdorben, sie stahlen ihm alles aus dem Hause weg, so daß er völlig verarmte.

Später als das Morgen-, Mittag- und Abendläuten in Wachtendonk eingeführt wurde, konnten die Erdmännchen das nicht ertragen und sind fortgezogen nach dem Hülser Berg im Kempener Land, dort hausten sie, wo jetzt der Aussichtsturm steht. Die Bauern der Umgegend hörten oft, wenn sie an dem Berg vorbeigingen, ein Gesumme wie von einem Bienenschwarm, konnten aber nirgends einen Eingang finden und sahen auch niemals irgend etwas Lebendiges aus- und eingehen. Solange die Erdmännchen aber in dem Berg wohnten, hatten die Bauern gute Tage. Einmal als der Rhein austrat, waren in einer Nacht tiefe breite Gräben gezogen, durch die das Wasser abfloß, so daß es den Feldern keinen Schaden tat; von diesen Gräben sind noch die Niepkuhlen erhalten. Und wenn die Bauern Roggen und Weizen gemäht auf dem Felde liegen hatten, konnten sie sicher sein, daß es am andern Morgen gedroschen und in Stroh und Körner gesondert auf der Tenne lag.

 


 


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