Sagen aus dem Rheinland
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Der Schäfer am Pulvermaar

In alter Zeit zogen alljährlich in den ersten Frühlingstagen die Bauern aus den Dörfern am Pulvermaar um den See und flehten betend und singend den Segen Gottes auf ihre Fluren herab. Aus Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit unterblieb einmal der fromme Bittgang. Da geriet das Wasser des tiefen Kessels in Bewegung; wie von unterirdischen Feuern erhitzt, wallte es auf, stieg höher und höher und drohte über die Ufer zu treten. Unheimlich grollte und dröhnte es aus der Tiefe, und die Erde erbebte im weiten Umkreis.

Ein Schäfer, der in der Nähe seine Herde hütete, gewahrte voll Schrecken das nahende Verderben. Sein frommer Sinn sagte ihm sogleich, daß Gottes Strafgericht drohe, weil die Dorfbewohner vom frommen Väterbrauch abgewichen waren. Um das Versäumte nachzuholen, steckte er seinen Hut auf den Hirtenstab und zog, gefolgt von seinen Schafen, mit Gebet und Gesang um den See. Alsbald beruhigte sich die zürnende Flut, mehr und mehr trat sie zurück, und als der Schäfer den Umgang beendet hatte, lag der Wasserspiegel wieder ruhig und friedlich wie sonst an stillen Frühlingstagen.

 


 


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