Sagen aus dem Rheinland
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Das blutende Marienbild

Im Jahre 1302 kam König Albrecht, des Kaisers Rudolf von Habsburg Sohn, an den Rhein und zog gen Bingen, um die Stadt zu erobern. Da entflohen die Nonnen aus dem ehrwürdigen Kloster Rupertsberg, wo vor Zeiten die heilige Seherin Hildegard Äbtissin gewesen war. Die Kriegsleute des Königs drangen in die verlassenen Zellen der Nonnen und in die Klosterkapelle ein und raubten, was ihnen des Mitnehmens wert schien.

Eine Mauernische im Chor der Kapelle barg ein altes Holzbild der hl. Jungfrau mit dem göttlichen Kind. Die Krone der Gottesmutter war mit vier Edelsteinen herrlich geschmückt; ein besonders kostbarer Diamant zierte die Halskette der hohen Frau. Angelockt durch den Glanz des Geschmeides, kam einer der Kriegsleute herbei und riß die Edelsteine aus der Krone. Auch nach dem fünften Steine streckte er die räuberischen Hände. Dabei stieß er mit dem Dolch in das fromme Bild. Und siehe, sogleich quoll rotes Blut aus dem harten Holze. Entsetzt sprang der Frevler zurück. Mit einem Fetzen vom Seidengewand des Gnadenbildes suchte er das Blut zu stillen. Doch vergebens! Da kam ein Priester, um das heilige Opfer darzubringen; ihm gelang es, mit dem geweihten Kelchtüchlein die Wunde zu schließen.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde von diesem großen Mirakel. König Albrecht und seine Scharen sahen staunend und ehrfürchtig, was geschehen war; und es dauerte nicht lange, da kamen von nah und fern fromme Pilger, um vor dem blutenden Marienbild ihre Andacht zu verrichten.

 


 


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