Sagen aus dem Rheinland
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Das Kräutermännchen

Ein Fischer stand bei Sonnenuntergang mit seinem Wurfgarn oberhalb der Fließemer Mühle an der Kyll. Immer wieder warf er das Netz in die klare Flut, doch es gelang ihm nicht, auch nur ein einziges Fischlein zu fangen. Das machte ihn sehr verdrießlich, hatte er doch zu Hause zwei kranke Zwillingskinder, die einen Fisch zu essen begehrten.

Während er so ungeduldig harrend am Ufer stand, kamen auf dem Wasser zwei junge Schwäne daher, die, schwach und matt, langsam flußaufwärts schwammen. Schon war er versucht, das Garn nach ihnen auszuwerfen, da trat am andern Ufer das grasgüne Kräutermännlein aus dem Walde und drohte ihm mit erhobenem Finger. Doch der Fischer achtete nicht auf die Warnung, er ließ das Garn fliegen, und die Schwäne waren gefangen. Als er aber das Netz aus dem Wasser zog, da waren statt der Schwäne zwei glänzende Forellen drin. Nicht wenig war darüber der Fischer verwundert; er eilte rasch nach Hause, um den kranken Kindern die sehnsüchtig erwartete Speise zu bringen. Als er sich seiner Hütte näherte, sah er zwei Schwäne über dem Dache emporsteigen und in nebelhafter Ferne verschwinden. Die Kinder aber lagen in ihren Betten und waren tot.

Da wußte er, daß die kranken Schwäne seine eigenen Kinder gewesen waren, und untröstlich sprach er immer wieder: »O hätte ich doch dem Kräutermännlein gefolgt! «

 


 


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