Sagen aus dem Rheinland
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Der Ritter in der Manne

Auf einer von der Üß umflossenen Anhöhe in der Nähe von Bertrich stand in alter Zeit die Entersburg. Dort hauste ein Raubritter, der die Handelswege im Moseltal und in den Eifelbergen unsicher machte. Die Reisigen des Trierer Kurfürsten hatten Befehl, ihm das Handwerk zu legen, doch er entging durch eine List immer wieder ihren Verfolgungen. Wenn er die Feinde in der Nähe wußte, ließ er seinem Pferde die Hufeisen umgekehrt aufschlagen, so daß die Spuren nach der entgegengesetzten Richtung zeigten und die Verfolger in die Irre führten.

Um des verwegenen Räubers habhaft zu werden, beschloß der kurfürstliche Hauptmann, seine Burg zu belagern. Einige Zeitlang hielt die Besatzung tapfer stand; dann aber gingen ihr die Lebensmittel aus, und sie mußte sich ergeben. Die Gemahlin des Ritters erschien auf der Ringmauer und führte die Verhandlungen. »Wir übergeben euch«, so rief sie hinab, »die Burg, wenn ihr mir gestattet, frei auszuziehen und soviel mitzunehmen, wie ich in einer Manne auf dem Kopfe tragen kann.«

Der Anführer der Belagerer war mit diesem Vorschlage einverstanden. Das Burgtor ward von innen geöffnet, und heraus kam mit einem großen Korbe auf dem Kopf eine stattliche Frau. Unbehelligt schritt sie mitten durch die Schar der staunenden Feinde und verschwand im nahen Walde.

Die Kurtrierer drangen nun in die Burg ein, um den Räuber dingfest zu machen. Doch sie fanden ihn nicht, obwohl sie jeden Winkel vom Burgverlies bis zum höchsten Turmgemach hinauf durchsuchten. Zu spät fiel es ihnen ein, daß sie veräumt hatten, sich den Inhalt der Manne zeigen zu lassen.

 


 


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