Sagen aus dem Rheinland
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Die Nachtwandlerin zu Düssel

Auf einem Bauernhofe zwischen Düssel und Wülfrath lebte einst eine Bäuerin, welche sehr geizig war. Den ganzen Tag hörte man ihr Zanken und Schelten durch das ganze Haus. Versah die Magd nur das Geringste im Dienst, so folgte eine Flut von Schimpfwörtern aus dem Munde ihrer Herrin.

Namentlich war die Bauersfrau hart gegen die Armen. Nahte jemand ihrer Türe und bat um ein Stück Brot oder eine kleine Gabe, so wies sie ihn hart ab. Das Essen, welches übrig blieb, schüttete sie regelmäßig in den Schweinetrog.

Da starb die Bäuerin. Aber sie konnte keine Ruhe im Grabe finden. Regelmäßig, wenn am Abend die Schweine gefüttert wurden, erschien sie klagend und stöhnend. Dann wurden die Schweine und die andern Haustiere in ihren Ställen sehr ungebärdig.

Lange war man auf dem Hofe ratlos, wie diesem Unwesen zu steuern sei, da man die Nachtwandlerin nicht zu erblicken vermochte. Aber man war überzeugt, daß nur ein Geist diese Beunruhigung des Viehs hervorbringe. Dagegen konnte nur ein Mittel empfohlen werden: Der Geist mußte »besprochen« werden. Dazu wollte sich lange Zeit niemand verstehen, bis endlich eine Magd sich bereit erklärte.

Als am nächsten Abend der Geist wieder sein Wesen trieb, rief die Magd herzhaft: »Wer ist da?« Eine Stimme antwortete: »Die Frau vom Hause!« Die Magd erkundigte sich nun, was jene wünsche. Da erwiderte die Abgeschiedene, sie könne keine Ruhe im Grabe finden, weil sie zu ihren Lebzeiten so hart und unbarmherzig gegen die Armen gewesen sei, und das Essen lieber den Schweinen als den Armen gegeben habe. Man möchte doch ihre Schuld durch Güte gegen die Armen wieder gut machen und vor allen Dingen das Essen nicht mehr den Schweinen geben. Dann würde sie Ruhe im Grabe finden.

Die Magd versprach, die Wünsche ihrer früheren Herrin getreulich zu erfüllen. Als diese nun ein Pfand begehrte, reichte sie einen Zipfel ihrer Schürze (nicht die Hand, wie man sie ausdrücklich belehrt hatte) hin, welcher jäh abgerissen wurde.

Die Tiere beruhigten sich von der Zeit an, und von dem Geiste der nachtwandelnden Bäuerin wurde seit der Zeit nichts mehr verspürt.

 


 


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