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LX.

Die Buhlerin bestrickt das Herz des Juden. Der Maler spinnt ein Complott gegen den glücklichen Nebenbuhler an, wodurch Peregrinens Absichten abermals fehlschlagen und des Hebräers Unenthaltsamkeit an den Tag kommt.

Es ist jetzt Zeit, daß wir uns nach der Sirene umsehen, die, nachdem ihr Plan auf den englischen Gimpel, der so muthlos geworden war und die Ohren so traurig hängen ließ, gescheitert war, den Entschluß faßte, ihre Reize gegen den holländischen Kaufmann spielen zu lassen, um doch einigen Vortheil von dieser Reise zu ziehen. In der That hatte sie auch bereits einen solchen Eindruck auf das Herz des Hebräers gemacht, daß er ihr mit großer Zuvorkommenheit bei jeder Gelegenheit zur Hand ging, sie unaufhörlich mit lüsternen Blicken anstarrte und sein Gesicht in ächt israelitisch-freundliche Falten legte.

Dies Verständniß wurde von dem Maler mit dem größten Unwillen bemerkt; er sah hierin eine Beleidigung nach dem ihm widerfahrenen Unfall, und zugleich einen Hohn durch Vorziehung eines solchen Nebenbuhlers. Um nun seine dürre Einbildungskraft zu beleben und seine Furchtsamkeit zu beseitigen, damit irgend ein Plan der Rache ihm einfallen und der Muth ihm werden möchte, ihn auszuführen, stürzte er schnell einige Gläser Wein hinunter, allein dies brachte nicht die erwünschte Wirkung hervor; seine Einbildungskraft blieb so unfruchtbar wie sonst, und nur sein Rachegefühl steigerte sich. In dieser Noth theilte er sein Vorhaben unserm Helden mit, um sich bei ihm Raths zu erholen; Peregrine war aber viel zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um sich noch in die eines Andern mischen zu können. Er schlug ihm daher seinen Beistand rund ab, und Pallet blieb somit nun nichts übrig, als sich an den Kammerdiener des jungen Herrn zu wenden, einen pfiffigen Schelm, der mit Freuden auf die Sache einging und sogleich einen Plan entwarf, an dessen Ausführung Beide jetzt ämsig arbeiteten.

Nachdem es schon ziemlich spät geworden war, die Gesellschaft sich getrennt und Jeder sich auf sein Zimmer begeben hatte, eilte Pickle voll Ungeduld und Sehnsucht nach dem Zimmer seiner Dame, dessen Thüre er zu seinem Vergnügen unverriegelt fand. Der Schimmer des Mondes führte ihn an das Lager der Geliebten, die er durch einen sanften Kuß aus ihrem Schlummer zu wecken suchte. Dies Mittel schlug jedoch nicht an, denn die Schöne war entschlossen, sich die Verwirrung zu ersparen, Theilnehmerin seines Vorgehens zu seyn. Nachdem er diesen Versuch einige Male wiederholt und ihr in sanften und zärtlichen Worten seine Nähe zugeflüstert hatte, überzeugte er sich endlich, daß sie schlafen wollte. Voll unnennbarer Freude riegelte er die Thüre hinter sich zu und jetzt glaubte er dem Schicksal selbst Trotz bieten zu können. Aber ach! so nahe er sich schon dem Ziele aller seiner Wünsche wähnte, so ward er dennoch abermals bitter in seinen Hoffnungen getäuscht. Ein fürchterlicher Lärm begann im Hause, und die nun schnell aufwachende Geliebte horchte mit Entsetzen auf. Der Kammerdiener, den Pallet zum Bundesgenossen seiner Rache gegen die Tochter der Freude und ihren jüdischen Verehrer sich erkoren, hatte von einigen Zigeunern, die sich zufällig ebenfalls im Wirthshause befanden, einen Esel mit einem Schellengeläute gemiethet, den die beiden Verbündeten, nachdem die ganze Gesellschaft zur Ruhe und der Hebräer, ihrem Vermuthen nach, zu seiner Dame sich geschlichen hatte, die Treppe hinauf nach einem langen Gange leiteten, welcher die Schlafzimmer auf beiden Seiten von einander absonderte, und wo dann Pallet, als er die Thür der Dulcinea nur angelehnt erblickte, das Thier in der Absicht bestieg, so in das Zimmer hineinzureiten und das Pärchen in seinen Entzückungen zu stören. Aber leider ließ der Esel nicht von seiner Art; da er einen unbekannten Reiter auf sich fühlte, begann er, trotz aller Anstrengungen des Malers, statt vorwärts, rückwärts zu marschiren, mochte ihn Pallet auch stoßen und schlagen, so viel er wollte.

Der Lärm von diesem Hader zwischen dem Esel und dem Maler war es nun, was Peregrinen und der Flamländerin in die Ohren fiel, und Keins von Beiden vermochte sich irgend einen vernünftigen Grund von der Veranlassung zu diesem fürchterlichen Getöse zu geben, das stärker und stärker wurde, jemehr die beiden Thiere sich ihrem Zimmer naheten, dessen Thüre endlich den Krebsgang des Vierfüßlers, jedoch nur auf einen Augenblick, hemmte; denn ein einziger Stoß von diesem reichte hin, sie aufzusprengen, worauf denn der Esel und sein Reiter mit einer so seltsamen Musik in das Zimmer kamen, daß die Dame vor Schrecken beinahe in Ohnmacht sank und ihr Verehrer selbst in die größte Bestürzung und Verlegenheit gerieth. Der Maler, welcher sich so gewaltsam in ein ihm unbekanntes Schlafgemach versetzt sah, war während dem voll der größten Furcht, der Besitzer möchte ihn vielleicht für einen Räuber halten und eine Pistole auf ihn abfeuern. In dieser Angst und Bestürzung suchte er seinen Rückzug auf jede mögliche Art zu beschleunigen und schwitzte dabei große Tropfen, während er andächtige Stoßgebete um Rettung gen Himmel sendete. Sein halsstarriger Camerad bekümmerte sich aber um alles dieses nicht und begann, statt sich dem Willen seines Führers zu unterwerfen, rund zu gehen wie ein Mühlstein, wobei denn der vereinigte Schall von seinen Tappen und Schellen das wunderbarste Concert von der Welt machte.

Gern hätte der unglückliche Reiter, der auf diese Art herumgewirbelt wurde, seinen Sitz aufgegeben und das Thier nach Herzenslust allein sich drehen lassen; allein der Kreislauf ging so schnell, daß die Furcht, hinzustürzen, ihn von jedem Versuche hierzu abhielt. In seiner Verzweiflung ergriff jetzt der Maler eines der Ohren des Esels und kniep es so unbarmherzig, daß das Vieh die Kehle aufsperrte und laut zu brüllen begann.

Kaum vernahm die schöne Flamländerin dieses gräßliche Geschrei, als sie, ohnedem schon vor Furcht ganz außer sich und von abergläubischen Ideen erfüllt, sich einbildete, der Teufel sei gekommen und habe wegen ihrer Untreue gegen ihren Gemahl Macht über sie erhalten. Sie stieß daher ein lautes Gekreisch aus und begann ihr Paternoster herzusagen. Jetzt sprang Peregrine, genöthigt, sie zu verlassen, voll Muth und Erbitterung, sich abermals in seinen Hoffnungen getäuscht zu sehen, auf und rannte nach dem Orte hin, woher der Höllenlärm kam, und wie er hier auf den Esel stieß, so theilte er diesem sowohl, als dessen Reiter, eine so volle Ladung Schläge mit, daß das Thier den Letzteren alsbald in einem runden Trapp wegtrug und Beide den ganzen Weg über laut und einstimmig sich vernehmen ließen.

Nachdem auf diese Art das Zimmer von dieser unangenehmen Gesellschaft befreit worden war, kehrte Peregrine aber wieder zu der Geliebten zurück und suchte sie durch die Versicherung zu beruhigen, wie der ganze Vorfall nichts als ein Narrenstreich von dem Maler wäre; dann nahm er aber mit dem Versprechen von ihr Abschied, wiederzukehren sobald Alles im Hause würde ruhig geworden seyn.

Der Lärm des Esels und des Malers, so wie das Geschrei der Dame, hatten das ganze Haus unterdessen in Aufruhr gebracht, und als jetzt der Esel bei seinem Rückzuge eine Menge Menschen mit Lichtern vor sich erblickte, da suchte er Zuflucht in eben dem Zimmer, für welches er erst bestimmt war. Der Jude hatte gerade in diesem Augenblick, ebenfalls durch das fürchterliche Getöse bewogen, seine Schöne verlassen und wollte in ein Kämmerlein schleichen, als ihm das Thier sammt einem langen, hagern, laternenbäckigen und halbnackten Reiter, dessen Haupt mit einer Schlafmütze bedeckt und dessen natürliche Blässe von der Furcht noch mehr erhöht war, in die Augen fiel, und ihm einen solchen Schreck beibrachte, daß er glaubte, Bileam und sein Esel erschiene ihm zur Strafe seiner Sünden. Voll Entsetzen eilte der geängstigte Israelit sogleich in das Schlafgemach seiner Dulcinea zurück und verkroch sich hier unter deren Bette. Der Hofmeister und der Kapuziner, die mit unter den Ersten waren, welche der Lärm geweckt hatte, fühlten sich ebenfalls nicht wenig erschüttert, als sie ein solches Ungethüm in die Kammer hineinrauschen sahen, und da nun gleich darauf die Besitzerin derselben laut aufkreischte, so machte der Hofmeister auf der Stelle Halt und auch der Priester schien nicht Lust zu haben, weiter vorzurücken; der ihnen nachfolgende Haufe drängte sie jedoch wider Willen der Erscheinung bis an die Thüre nach, wo Jolter mit vielen Ceremonien sich mit Sr. Ehrwürden über den Vortritt zu becomplimentiren begann und den Mönch bat, immer vorauszuspazieren. Dieser war jedoch zu höflich und zu demüthig, auf eine solche Ehre Anspruch zu machen und es entstand zuletzt aus lauter Artigkeit ein ernstlicher Wortwechsel deshalb zwischen ihnen. Aber jetzt erblickten sie plötzlich den Esel und dessen Reiter, und zur Stelle war der Streit entschieden; denn diese abermalige Erscheinung bestürzte Beide dermaßen, daß sie mit einer solchen Heftigkeit zurücksprangen, daß dadurch die hinter ihnen Stehenden zu Boden geworfen wurden, und da diese nun den Stoß ihren Nachbarn mittheilten und diese wieder den ihrigen, so war in einem Augenblick der ganze Gang mit Leuten besäet, die in einer Reihe wie der Sequens im Kartenspiele dalagen.

Mitten in dieser Verwirrung kam Peregrine aus seinem Zimmer und erkundigte sich mit der Miene des Erstaunens nach der Ursache dieses Aufruhrs und da Jolter, noch ganz voller Angst, ihm keine befriedigende Antwort hierüber zu geben vermochte, so nahm er ihm das Licht aus der Hand und ging selbst in das Zimmer, wohin ihm nun alle Gegenwärtige folgten und, als sie die Veranlassung ihres Schreckens entdeckten, in ein lautes Gelächter ausbrachen.

Pallet bemühte sich jetzt, mit in diese Lustigkeit einzustimmen; die erduldete Furcht hatte ihn aber abgemattet, und die von Peregrine empfangene Züchtigung verursachte ihm noch solche Schmerzen, daß er die Spuren der Traurigkeit nicht aus seinem Gesichte zu vertilgen vermochte und seine Bemühungen dieserhalb das Komische und Unangenehme seiner Lage nur erhöhten. Auch wurde das Letztere durch das Benehmen der Buhlerin gegen ihn nicht verbessert. Voll Wuth, sich durch ihn um ihre Erwartungen gebracht zu sehen, warf sie schnell einen Ueberrock um und sprang wie eine Furie mit ihren Nägeln auf Pallet los, dem sie sicher kein Auge im Kopfe gelassen haben würde, wenn die Andern ihn nicht aus ihren unbarmherzigen Händen gerettet hätten. Erbittert durch dies Benehmen so wie durch die Kränkungen, die er schon früher von ihr in der Diligence erlitten hatte, erklärte jetzt der Maler öffentlich, weshalb er in einem so seltsamen Aufzuge in der Kammer erschienen sey, und da er den Juden unter den Zuschauern vermißte, so behauptete er nun, derselbe müsse noch irgendwo im Gemache versteckt seyn. Diesem Winke zufolge durchsuchte man sogleich das Zimmer und zog den tiefgebeugten Israeliten bei den Beinen unter dem Bette hervor, wodurch denn Pallet das Glück hatte, das Gelächter von sich ab und auf seinen Nebenbuhler und dessen Dame zu wälzen, die beide dadurch der ganzen Gesellschaft zum Spott wurden.


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