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VI.

Mistriß Grizzle fährt fort für die Befriedigung der Gelüste ihrer Schwägerin zu sorgen. Peregrine wird geboren und gegen die Vorschrift seiner Tante behandelt, die nun ihren alten Plan wieder aufnimmt.

Der gute Erfolg dieser List würde Mistriß Pickle Muth gemacht haben ihrer Schwägerin noch mehr Streiche dieser Art zu spielen, wenn diese nicht ein heftiges Fieber von den Anstrengungen ihrer Reise davon getragen und dies die Erstere abgeschreckt hätte, weitere Versuche zu machen. So lange diese Krankheit dauerte hatte sie auch ohnedem so viele Ruhe als sie sich nur wünschen konnte; aber kaum war Mistriß Grizzle wieder hergestellt, so zwang sie durch ihre lästigen Zuvorkommenheiten ihre Schwägerin von neuem zu einigen Erfindungen ihre Zuflucht zu nehmen, und man muß gestehen, daß sie dies Alles so fein einzufädeln verstand, daß niemand bis auf den heutigen Tag noch weiß, ob sie wirklich so wunderlich und eigensinnig in ihren Gelüsten war als sie vorgab; denn diese beschränkte sich jetzt nicht mehr allein auf Forderungen des Gaumens oder Magens, sondern begannen sich auf alle anderen Organe zu erstrecken und sogar ihre Einbildungskraft zu ergreifen, die ganz außerordentlich zerstört und aufgeregt zu seyn schien.

So hatte sie z. B. einstmals das Gelüste, ihres Mannes Ohr zu kneipen und nur mit großer Schwierigkeit gelang es der Schwester den Sir Gamaliel dahin zu bringen sich dieser Operation zu unterwerfen. Wie leicht aber war dies zu bewerkstelligen gegen einen anderen Auftrag, den sie bald darauf erhielt, und der in nichts Geringerem bestand als den alten Trunnion zu bereden, sein Kinn der schwangeren Dame preis zu geben und sich von derselben drei seiner borstigen Barthaare ausraufen zu lassen!

Als dieser Antrag dem Commodore zuerst durch Sir Gamaliel gemacht wurde, da bestand eine Antwort in nichts anderem als einem so schrecklichen Strome von Flüchen, die mit so starren Blicken und einem so furchtbaren Tone herausgepoltert wurden, daß der Bittende sogleich voll Schrecken schwieg; aber nun sah sich Mistriß Grizzle genöthigt die ganze schwierige Angelegenheit über sich zu nehmen.

Sie begab sich demzufolge den nächsten Tag nach dem Castell, wo ihr, durch des Lieutenants Vermittlung, während der alte Herr noch schlief, der Eintritt gestattet wurde. Geduldig wartete sie hier auf dem Hofe, bis Sir Trunnion seinen Morgenspaziergang beginnen würde und sobald er sich sehen ließ, nahte sie sich ihm. Bei dem Anblicke eines Frauenzimmers an einem Orte, den er bisher rein und unberührt von diesem Geschlechte erhalten hatte, war er wie vom Donner gerührt und wollte eben seinen Unwillen in einer heftigen Apostrophe an Tom Pipes auslassen, der zufällig die Wache hatte, als Mistriß Grizzle vor ihm auf die Knie fiel und ihn beschwor ihre Bitte anzuhören; allein kaum vernahm er nur einigermaßen den Sinn derselben, so brüllte er so heftig die Worte: M--, und v--! heraus, daß alle Winkel des Hofes davon wiederhallten; auch wiederholte er diese Ausdrücke mit einer erstaunenden Schnelligkeit, jedoch ohne allen Sinn und Zusammenhang, und eilte dann in das Haus zurück unbekümmert um die Bittende, die in ihrer demüthigen Stellung liegen blieb.

So schmerzlich auch eine solche Behandlung einem so hochherzigen Frauenzimmer seyn mußte, so gab sie deshalb doch nicht ihren Vorsatz auf, sondern suchte des Commodores Rathgeber und Anhänger in ihr Interesse zu ziehen. Demüthig wandte sie ich zuerst an den Lieutenant und dieser, ungemein erfreut über eine Sache, die so viel Vergnügen und Zeitvertreib versprach, ermangelte nicht ihren Absichten beizutreten, und ihr zu versprechen, seinen ganzen Einfluß zu ihrem Besten zu verwenden. Tom Pipes wurde von ihr durch eine Guinee, die sie ihm in die Hand drückte, gewonnen.

Ganze zehn Tage hatte die Mistriß mit dieser Unterhandlung voll auf zu thun und der Commodore wurde in dieser Zeit durch ihre Vorstellung und die Ermahnungen seiner Verbündeten dermaßen gepeinigt, daß er schwor: es sey ein Anschlag gegen sein Leben im Werke, und daß er sich endlich, um nur dieser endlosen Plagen los zu werden, nach dem Orte der Handlung, wie ein Opfer zum Altare hinführen ließ, oder besser gesagt, wie ein sträubender Bär, der unter dem Geschrei und Gejauchze der Menge zur Hetze geschleppt wird.

Demohngeachtet war der Sieg so entscheidend nicht als die, welche ihn davon trugen, sich einbildeten, denn als die Operation losgehen sollte und die Dame mit einem Rupfzängelchen bewaffnet sich ihm näherte, da zeigte sich eine Schwierigkeit, die man nicht erwartet hatte; denn nirgends auf der ganzen Oberfläche von des Commodores Gesicht, ließ sich ein schwarzes Haar entdecken. Höchst bestürzt hierüber nahm Mistriß Grizzle ihre Zuflucht zu einem Vergrößerungsglase und machte mit Hülfe desselben endlich ein dunkelfarbiges Fäserchen ausfindig, worauf denn Mistriß Pickle ihr Zängelchen ansetzte und es mit der Wurzel herausriß. Sir Trunnion wurde aber darüber nicht wenig erbost, denn der Schmerz war weit größer als er geglaubt hatte; grimmig sprang er auf und schwor: er gäbe kein Haar mehr her und wenn sie alle darüber in der Hölle verbrennen sollten.

Master Hatchway ermahnte ihn dagegen zur Geduld und Ergebung in sein Schicksal und Mistriß Grizzle wiederholte de- und wehmüthig ihre Bitte; da sie ihn aber fest entschlossen fand das Haus zu verlassen so umfaßte sie jetzt in ihrer Angst seine Knie und bat ihn um Gotteswillen sich einer unglücklichen Familie zu erbarmen und um des armen Kindes willen nur noch wenige Minuten zu dulden da dieses sonst mit einem grauen Barte zur Welt kommen müßte: allein weit entfernt, daß ihn dies erweicht hätte, wurde er nur noch erbitterter und rief im vollen Zorne: »Hol' Euch der Teufel! Ihr glupäugiges Mensch! der Balg wird längst am Galgen hängen eh' er einen Bart hat!«

Mit diesen Worten riß er sich los und hinkte so erstaunlich schnell zur Thüre hinaus und seinem Hause zu, daß Hatchway ihn nicht eher als an dem Thore desselben einzuholen vermochte, Mistriß Grizzle war aber über diese Flucht so betreten, daß ihre Schwägerin aus bloßem Mitleiden sie bat, sich zu beruhigen und ihr betheuerte, sie hätte ihren Wunsch vollkommen befriedigt, indem sie gleich an des Commodore Geduld zweifelnd, demselben auf einmal drei Haare ausgerissen habe.

Dies Abentheuer setzte jedoch den Mühen der alten Jungfer noch kein Ziel und ihre Beredsamkeit und Thätigkeit wurde unaufhörlich durch die Aufträge in Thätigkeit gesetzt, die ihre Schwägerin ihr gab. So hatte diese Letztere z. B. einmal das unüberwindliche Verlangen ein Fricassee von Fröschen zu essen, die aber aus Frankreich stammen mußten, weshalb man denn einen einen Boten über den Kanal senden sollte; da jedoch der Redlichkeit eines solchen Miethlings nicht zu trauen war, so übernahm Mistriß Grizzle dies Geschäft selbst und segelte nach Boulogne, von wo sie nach zweimal vier und zwanzig Stunden mit einer ganzen Tonne voll lebendiger Frösche zurückkehrte. Als man diese aber nach aller Kunst zugerichtet hatte, wollte die Schwägerin nichts von dem Fricassee essen, da ihr die Lust nach diesem Gerichte unter der Zeit wieder vergangen war und unterdessen ihre Begierde eine andere Richtung genommen und sich auf ein seltsames Hausgeräthe geworfen hatte, welches einer vornehmen Dame in der Nachbarschaft gehörte, und für eine ungemeine Seltenheit galt. Es war dies übrigens nichts anderes als ein porzellanenes Nachtgeschirr von vortrefflicher Arbeit und von der Erfindung der hochgebornen Eignerin, die dasselbe lediglich zu ihrem ganz alleinigen Gebrauche bestimmt hatte und als ein Hausgeräth von unschätzbarem Werthe, betrachtete.

Mistriß Grizzle erschrack als sie dies Verlangen ihrer Schwägerin merkte, denn zu verkaufen war das köstliche Geräthe nicht und Zuvorkommenheit und Gefälligkeit keine von den Haupttugenden der Besitzerin desselben, sodaß fast keine Hoffnung blieb das Geschirr auf kurze Zeit geborgt erhalten zu können. Sie versuchte daher diesmal der Schwägerin ihren Wunsch als eine ausschweifende Grille, die man bekämpfen mußte, auszureden; dem Anscheine nach wurde auch Mistriß Pickle durch diese Gründe überzeugt, aber ach! sie konnte sich keines anderen Geschirres bedienen und fühlte sich von einer sehr gefährlichen Zurückhaltung bedroht.

Jetzt eilte, durch die Gefahr beflügelt, in der sie die Schwägerin glaubte, Mistriß Grizzle zu der Lady und stellte dieser in einer Privataudienz die traurige Lage der Schwangeren vor. Wider alles Vermuthen empfing die Dame sie sehr huldreich und schien nicht abgeneigt zu seyn, das seltsame Verlangen der Mistriß Pickle zu befriedigen. »Aber,« setzte sie hinzu, »da ich nicht das Vergnügen habe Ihr Haus zu kennen, so werden Sie es mir nicht verübeln, wenn ich mich einigermaßen gegen die Unfälle zu sichern suche, die meinem lieben Geschirre begegnen können.«

Voller Freude ließ Mistriß Grizzle sich gern alle Bedingungen gefallen, welche die Dame machte; sie legte hundert Guineen zum Unterpfand für das kostbare Geräthe nieder und überbrachte dann dasselbe mit nicht minderer Zufriedenheit, als die Argonauten einst empfunden haben mochten, da sie das goldene Vließ fortführten. Leider folgte ein kleiner Unfall diesem Glücke, denn als ein treuer Bedienter am nächsten Tage das köstliche Geräthe der Besitzerin wieder zurückbringen sollte, da wurde dieser Mensch auf dem Hofe der Lady von einem Diener derselben umgerannt. Der Topf fiel auf das Pflaster und zerbrach in tausend Stücke, und so sehr auch der arme Ueberbringer seine Unschuld betheuerte und in's Licht setzte, so half dies doch alles nichts; die Lady blieb taub gegen diese Vorstellungen und behielt ohne Umstände das in Händen habende Pfand zurück, wodurch denn der ziemlich starke Verdacht entstand, dieser sogenannte Zufall möchte nicht ohne geflissentliche Herbeiführung sich ereignet haben.

Sey dem wie ihm wolle, Sir Pickle begann über die vielen Ausgaben, welche die Launen seiner Frau herbeiführten, ungeduldig zu werden, und sie selbst hielt von jetzt an, beunruhigt durch dieses letzte Ereigniß, ihre Einbildungskraft etwas in Schranken, so daß Mistriß Grizzle von nun an weniger Beschwerden hatte und endlich nach Verlauf einiger Monate, die Früchte ihrer Erwartungen und Mühen durch die Ankunft eines hübschen Knaben belohnt sah, mit welchem ihre Schwägerin niederkam.

Die Freudenfeste und Bezeigungen, welche es bei dieser wichtigen Gelegenheit gab, will ich übergehen und lediglich erwähnen, daß die Mutter der Mistriß Pickle, ihre Schwägerin und der Commodore bei dem Kinde Pathenstelle vertraten, welches, einem alten Ohm zu Ehren, Peregrine getauft wurde.

So lange die Mutter das Bette hüten und ihr Ansehn nicht ausüben konnte, übernahm Mistriß Grizzle die Sorge für das Kind und führte mit erstaunender Wachsamkeit die Oberaufsicht über die Amme und Wehemutter, die nichts ohne ihre ausdrücklichen Verordnungen unternehmen durften; kaum war aber Mistriß Pickle wieder im Gange, so beliebte sie mehrere Anordnungen, die ihre Schwägerin wegen des Kindes hatte treffen lassen, abzuändern, und befahl unter anderem die Windeln, womit das Kind, wie eine Mumie, eingepackt war, wegzunehmen, damit die Natur sich frei bewegen und das Blut besser umlaufen könne; auch badete sie das Kind täglich mit eigenen Händen in kaltem Wasser; ein Verfahren, welches der weichherzigen Mistriß Grizzle so grausam dünkte, daß sie sich mit aller ihrer Beredsamkeit dagegen setzte und, als dies nichts half, jedesmal dabei eine Thränenfluth vergoß. Hiermit jedoch noch nicht zufrieden, machte sie sich auf den Weg zu einem berühmten Landdoctor, den sie folgendermaßen anredete: »Doctor, ich bitte Sie, sagen Sie mir, ob es nicht eben so grausam als gefährlich ist, dadurch an dem Tode eines armen Kindes Theil zu nehmen, daß man es in eiskaltes Wasser taucht?« – »Allerdings,« erwiederte der Arzt; »es ist dies ein offenbarer Todtschlag.« – »Sie sind, wie ich sehe, ein Mann von Kenntnissen und Einsichten,« fuhr sie fort, »haben Sie doch die Güte mir Ihre Meinung schriftlich und mit eigner Hand aufzusetzen.« – Der Doctor erfüllte dies Verlangen und stellte folgende Erklärung aus:

»Kund und zu wissen sey hiermit einem Jeden, dem daran gelegen ist, daß ich fest glaube und unveränderlich die Meinung hege, daß derjenige, welcher ein Kind durch Eintauchen in Wasser, wenn dasselbe auch nicht eiskalt seyn sollte, umkommen läßt, sich des Mordes dieses Kindes schuldig macht. Dies bezeugt eigenhändig

Comsit Coloquintus

Nachdem die Dame dies Certificat, wofür sie sich sehr erkenntlich bewies, in Empfang genommen, kehrte sie triumphirend und voll der freudigen Hoffnung nach Hause zurück, mit dieser Autorität allen Widerstand zu besiegen, und als nun ihr kleiner Neffe am folgenden Morgen wieder die tägliche Taufe ausstehen sollte, da zog sie Vollmacht hervor und glaubte dies unmenschliche Beginnen für immer verbieten zu können; allein ihre Erwartung wurde getäuscht, denn obschon Mistriß Pickle es nicht wagte anderer Meinung zu seyn als der berühmte Doctor Coloquintus, so äußerte sie doch: der gelehrte Mann habe nur eine Warnung aufgestellt, der sie zu folgen sich Mühe geben würde, »denn,« setzte sie hinzu, »weit entfernt mein Verfahren zu verdammen, behauptete er bloß, das Tödten eine Mordthat ist; eine Behauptung, deren Wahrheit ich nie ableugnen werde.«

Mistriß Grizzle hatte das Certificat nur flüchtig überblickt; sie sah das Papier jetzt genauer an und schämte sich ihres Mangels an Scharfsinn und ob sie gleich in ihrer Meinung von dem kalten Bade jetzt widerlegt war, so fühlte sie sich doch nicht überzeugt. Im Gegentheil beehrte sie den Arzt, wegen seiner Unredlichkeit und Unwissenheit, mit einer Menge schimpflicher Benennungen und protestirte feierlich und ernstlich gegen den abscheulichen Gebrauch, mit dem Beisatze: daß, wenn sie ein Kindlein hätte, eine solche Barbarei nie von ihr verübt werden würde; hierauf aber schloß sie sich in ihr Kämmerlein und wusch ihre Hände in Unschuld.

Wegen der Folgen, die aus diesem abscheulichen Verfahren entstehen würden, hatte sie sich indes geirrt; statt elend und kränklich zu werden, wurde das Kind mit jedem Tage kräftiger, und es hatte fast den Anschein, als wollte es die Weisheit und Vorsicht seiner Tante zu Schanden machen. Höchst wahrscheinlich konnte sie dem Kleinen diesen Mangel an Ehrerbietung und Achtung nie ganz vergeben; eine Muthmaßung, die sich auf ihr Benehmen gegen ihn den folgenden Jahren seiner Kindheit gründet, denn nicht selten peinigte sie ihn, wie man behauptet, dadurch daß sie ihn, wenn es unbemerkt geschehen konnte, mit einer Stecknadel stach, oder auf andere Weise ein Leid zufügte; kurz, ihre Zuneigung wandte sich nach und nach von dieser Hoffnung ihrer Familie völlig ab, so daß sie nun der Mutter gänzlich die Sorge für das Kind überließ; eine Sache, die dieser auch allerdings am ersten zukam.

Unterdeß nahm sie ihre Operationen gegen den Commodore wieder vor, den sie um jeden Preis in ihr Joch zu bringen beschlossen hatte, und man muß gestehen, daß sie hierbei sowohl eine große Kenntniß des menschlichen Herzens, als der Mittel zeigte, die ihr zur Erreichung ihres Zweckes dienen konnten.

Es war ihr nicht schwer gewesen unter der rauhen und unpolirten Schaale, welche Trunnions Seele umgab, eine reichliche Portion von der Eitelkeit und dem Dünkel zu entdecken, die überall so häufig die Oberhand haben, und an diese war es nun, daß sie sich jetzt beständig wendete. Unaufhörlich declamirte sie in seiner Gegenwart gegen die Arglist und Verstellung der Welt, auch verfehlte sie nicht gegen die Kunstgriffe und Schikane loszuziehen, deren sich die Rechtsgelehrten so oft zum Verderben ihrer Mitmenschen bedienen, und bemerkte dabei, daß sie bei den Seeleuten, soviel sie dazu Gelegenheit gehabt hätte, dies beurtheilen zu können, nichts als Offenheit, Ehrlichkeit und herzliche Verachtung gegen alles wahrgenommen habe, was nach Schlechtigkeit und Selbstsucht schmecke.

Diese durch besondere Höflichkeitsbezeigungen unterstützte Redensarten, verfehlten nicht nach und nach Eindruck auf den Commodore zu machen, und dies um so mehr, je schwächer der Grund war, auf den sich seine alten Vorurtheile stützten. Sein Widerwille gegen die alten Jungfern, die er nur von Hörensagen kannte, nahm allmählig ab, da er fand, daß sie nicht ganz die bösen Geschöpfe waren, für die man sie ihm ausgegeben hatte, und nicht lange dauerte es, so hörte man ihn eines Abends erklärten: Pickles Schwester habe doch nicht so viel M--artiges als er anfänglich geglaubt habe. Dies negative Lob kam der Mistriß Grizzle durch ihren Bruder schnell wieder zu Ohren; sie gewann dadurch Muth und verdoppelte nun ihre Anstrengungen so sehr, daß nach Verlauf von drei Monaten der Commodore in Tunley's Schenke äußerte: sie wäre ein verdammt gescheutes Mensch.

Diese Erklärung begann den Lieutenant zu beunruhigen; er hielt sie für eine unglückliche Vorbedeutung für sein Interesse, und erwiederte daher mit einem höhnischen Lächeln: »Dies verdammt gescheute Mensch wäre am Ende wohl gar pfiffig genug, auch ihn unter den Spiegel zu bringen, und er zweifle nicht, daß ein so altes, baufälliges Gefäß wie er, besser fortkommen würde, wenn man es bugsirte. Doch«, setzte er hinzu, »möchte ich Ihnen wohl rathen, Ihr Oberstübchen zu bedenken, denn wenn Sie einmal an Ihrem Spiegel festsitzen, so kann sie leicht so scharf vor dem Winde segeln, daß Ihnen die Balken im Rumpfe knacken.«

Dieser hämische Wink hätte bald den ganzen Plan der Mistriß Grizzle vernichtet. Zorn und Argwohn erwachten mit einem Male bei Trunnion; seine gewöhnliche lohgelbe Gesichtsfarbe verwandelte sich in Leichenblaß, und ging dann zu einem tiefen Dunkelroth über, wie man dies zuweilen bei gewitterschweren Wolken wahrnimmt. Nach der gewöhnlichen Einleitung einer Menge bedeutungsloser Flüche, rief er: »verdammt über so einen nothmastbeinigen Hund! Ihr gäbt gern Eure ganze Ladung darum, wenn Ihr noch so dicht und fest wäret, als ich. Und was das Bugsiren anlangt, seht Ihr, so bin ich noch nicht so abgenutzt, daß ich nicht unter Segel bleiben und meine Fahrt allein vollenden könnte. Verflucht! keine Menschenseele soll je Hawser Trunnion hinter einer alten Rabaster hersegeln sehen.«

Mistriß Grizzle, die nie unterließ, ihren Bruder alle Morgen über seine Gespräche mit seinen Freunden auszufragen, erfuhr auch diese unwillkommene Nachricht von des Commodores Abneigung gegen den Ehestand sogleich wieder, und schrieb dieselbe mit Recht den boshaften Anmerkungen des Lieutenants zu, indem sie dabei zugleich beschloß, dies Hinderniß eines guten Erfolges aus dem Wege zu räumen. In der That wußte sie Hatchway für ihren Plan zu gewinnen, und man muß dieserhalb vermuthen, daß sie mit dem großen Ueberredungsmittel bekannt war, welches von einigen Personen unserer Zeit mit so vielem Erfolge angewendet zu werden pflegt, und offenbar viel wirksamer ist, als die Phrasen eines Cicero und Demosthenes. Außerdem ward aber Master Hatchway's Treue gegen seine neue Bundesgenossin auch dadurch noch befestigt, daß er in Trunnions Verheirathung einen unendlichen Stoff zur Befriedigung seiner neckenden Laune erblickte.

Er unterließ demnach von jetzt an seine Spöttereien gegen den Ehestand; da er aber nicht im Stande war, irgend Jemandem in der Welt ein positives Lob zu ertheilen, so schloß er von nun an Mistriß Grizzle von den Kritiken aus, die er im reichlichen Maaße über das ganze weibliche Geschlecht verhing, und pries sie wenigstens negativ. »Sie ist« sprach er z. B. »keine alte Branntweinflasche, wie Nan Castik von Deptford, keine alberne Gans, wie Peg Simper von Woolwich, keine Vettel, wie Kate Coddel von Chatham, kein Brummeisen, wie Nel Griffin auf der Spitze von Portsmouth« – nebenbei bemerkt, alles Damen, denen diese Seeleute zu verschiedenen Zeiten ihre Huldigungen gebracht hatten, – »sondern ein nettes, aufgeräumtes, gescheidtes Mädel, die ihren Compaß gut zu stellen weiß und von allen Seiten wohl ausstaffirt und beplankt ist.«

Anfänglich hielt Trunnion dies Lob für Spott; da er es aber immer von neuem hören mußte, so wunderte er sich nicht wenig über die Sinnesänderung seines Kumpans, und kam endlich nach langem Nachdenken auf die Idee: Hatchway habe wohl selbst Absichten auf Mistriß Grizzle und gehe damit um sie zu heirathen.

Jetzt traf die Reihe den Lieutenant, aufgezogen zu werden. Eines Abends trank ihm Trunnion die Gesundheit der Dame zu, und da diese, wie gewöhnlich, dies sogleich wieder erfuhr, und diese That für eine Aeußerung seiner eigenen Zärtlichkeit hielt, so wünschte sie sich nun zu ihrem Siege Glück, und beschloß von Stund an, die bisher geflissentlich beobachtete Zurückhaltung bei Seite zu setzen, und ihrem Benehmen einen solchen Anstrich zu geben, daß der Commodore sich überzeugen müßte, es brenne in ihrer Brust eine gleiche Flamme für ihn.

Demzufolge veranstaltete sie, daß er von ihrem Bruder zu einem Mittagsessen gebeten wurde, wobei sie ihm so viele Beweise ihrer Güte und Achtung gab, daß alle Anwesende die Sache merkten und es zuletzt auch dem Commodore klar wurde, der sich hierdurch nicht wenig beunruhigt fühlte, und in den Ausruf ausbrach: »Aha! ich sehe wohl, wo's Land liegt; aber ich will verdammt seyn, wenn ich nicht vorbeisegle.«

Nach dieser Aeußerung machte er sich in möglichster Eile nach seinem Castell auf den Weg, wo er zehn Tage lang eingeschlossen blieb und mit seinen Freunden und Dienern blos durch Blicke und Gebärden verkehrte, die unendlich malerisch waren.


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