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XV.

Das Triumvirat richtet seine Angriffe gegen den Commodore.

Jetzt richteten die Verbündeten die Pfeile ihres Witzes gegen den Herrn vom Hause, den sie fast um seine Sinne plagten und schreckten. Eines Tages, als er eben zu Mittag speiste, kam Pipes und meldete ihm: es wäre Jemand unten, der ihn unverzüglich sprechen müßte, denn die Sache sey so wichtig, daß sie durchaus keinen Aufschub litte. Trunnion befahl, dem Fremden zu sagen: er habe jetzt zu thun, und Jener möchte ihm nur seinen Namen und sein Begehren wissen lassen. »Der Name der Person«, bekam er zur Antwort, »sey ihm unbekannt, das Geschäft aber der Art, daß es nur mit dem Commodore selbst abgemacht werden könne.«

Ueber diese Zudringlichkeit erstaunt, erhob sich Trunnion jetzt vom Tische, und ging hinab, wo der Fremde war. Mit einem mürrischen Tone fragte er ihn: was er in so verdammter Eile von ihm wolle, daß er ihn nicht einmal ruhig könne essen lassen. Diese rauhe Anrede brachte den Fremden nicht im Mindesten außer Fassung; er schlich auf den Zehen heran, legte mit einem Blick voll Zuversicht und hoher Einbildung seinen Mund gegen Trunnion's Ohr, und wisperte ihm zu: »Sir, ich bin der Anwald, den Sie insgeheim haben sprechen wollen.« – »Der Anwald!« rief der Commodore mit einem starren Blicke. »Ja Sir, zu Ihrem Befehl; und mit Ihrem gütigen Wohlnehmen will ich bemerken, daß, je eher wir die Sache abmachen, desto besser es ist, denn es ist ein alter Ausspruch, daß Zögern Gefahr bringt.« – »Weiß Gott, Bruder!« rief der Commodore, »da habt Ihr Recht; ich denke eben so wie Ihr, seht Ihr, und deshalb will ich Euch gleich abfertigen.« – Er erhob mit diesen Worten seinen Stock, und ließ dies Mittelding zwischen Krücke und Knüppel mit einem solchen Nachdrucke auf den Hirnkasten des Aktenreiters fallen, daß, wenn hier noch etwas Anderes als dichte Knochen gewesen wären, nothwendig der Inhalt des Schädels zum Vorschein hätte kommen müssen. So befestigt der Mann aber auch von der Natur gegen alle Angriffe war, so konnte er dennoch diesem Schlage nicht widerstehen, und sank besinnungslos zu Boden, worauf Trunnion schnell die Treppe wieder hinaufhumpelte und sich selbst mit kurz abgebrochenen Reden und Ausrufungen zu der Rache gratulirte, die er an dem unverschämten Zungendrescher genommen hatte.

Kaum hatte sich der Anwald jedoch wieder etwas von seiner Betäubung erholt, so blickte er um sich her, um wo möglich einen Zeugen zu entdecken, durch den er die ihm widerfahrene schmachvolle Beleidigung desto leichter erhärten konnte; da er jedoch Niemand gewahr wurde, so suchte er auf die Beine zu kommen, und folgte einem Diener ins Speisezimmer, mit dem Entschluß, hier von dem angreifenden Theile eine Erörterung zu verlangen und entweder eine Schadloshaltung an Geld zu erpressen, oder ihn in Gegenwart Anderer nochmals zu Thätlichkeiten zu reizen. In dieser Absicht trat er zum Erstaunen aller Gegenwärtigen und zum Schreck der Mistriß Trunnion, die über den Anblick des blutüberströmten, verzerrten Gesichtes laut aufschrie, mit einem großen Wortgetöse in das Zimmer und sprach: »Hören Sie mich an, Sir: wofern es noch Gesetze in England giebt, sollen Sie für diesen Ueberfall hart büßen. Sie glauben sich vielleicht dadurch, daß Sie geflissentlich alle Ihre Diener entfernten, vor jeder gerichtlichen Ahndung gesichert zu haben, aber schmeicheln Sie sich nicht damit: dieser Umstand wird bei der Untersuchung nur als ein vollständiger Beweis für Ihre böse Absicht gelten und Ihr eigenhändiges Billet, in welchem Sie mich aufforderten, wegen einer Sache von Wichtigkeit zu Ihnen zu kommen, wird gegen Sie zeugen.« – Indem er dies sagte, zog er einen Zettel hervor, und las:

»An Master Roger Rabine.«

»Sir!«,

»Da ich in meinem Hause gewissermaßen ein Gefangener bin, so ersuche ich Sie, Nachmittags Schlag drei Uhr bei mir vorzukommen und darauf zu bestehen, mich zu sprechen. Ich habe Ihnen eine wichtige Sache vorzulegen, wozu ich Ihres Rathes bedarf.            Ihr ergebener Diener

Hawser Trunnion

Der Commodore war mit der an dem Kläger selbst vollzogenen Strafe zufrieden gewesen, allein als er jetzt diese falsche Urkunde vorlesen hörte, die er für eine Frucht von der Büberei dieses Menschen hielt, sprang er auf und nahm einen vor ihm stehenden großen welschen Hahn, um ihn zusammt der Sauce, statt Pflaster auf die Wunde des Anwaldes zu legen, ein Beginnen, von dem ihn Hatchway zurückzuhalten suchte, indem er dabei zugleich Master Rabine rieth, sich mit der empfangenen Ladung zu begnügen und weiter zu segeln. Weit entfernt, diesem guten Rathe zu folgen, verdoppelte aber der Anwald seine Drohungen, und forderte Trunnion durch die Behauptung heraus: er sey kein Mann von Muth, obschon er Befehlshaber eines Kriegsschiffes gewesen wäre, sonst würde er nicht so memmenhafte und heimtückische Angriffe machen. Auf jeden Fall hätte er durch diesen Hohn seinen Zweck erreicht, wenn der Lieutenant den Commodore jetzt nicht mit Gewalt zurückgehalten und ihn durch das Versprechen beruhigt hätte, er wolle den Anwald für seine Verwegenheit prellen lassen, wie einen Fuchs. Dieser Vorschlag sagte dem alten Herrn gewaltig zu; er trocknete sich den Schweiß von der Stirne und verzog die Falten seines Gesichts in ein mürrisches Lachen.

Jetzt entfernte sich Hatchway, und Rabine fuhr fort seine Zunge so lange zu mißbrauchen, bis er durch Pipes Ankunft unterbrochen wurde, der ihn ohne Weiteres beim Kragen nahm und in den Hof hinabführte. Hier setzte man den Rechtsmann auf einen Teppich und schnellte ihn durch die Kraft einiger dienstbaren Geister, rüstige Bursche, die der Lieutenant ausdrücklich zu diesem seltsamen Geschäfte unter der Dienerschaft ausgesucht hatte, hoch in die Luft.

Vergebens bat der Unglückliche um Gottes und Jesu willen, sich seiner zu erbarmen und seinen unfreiwilligen Sprüngen ein Ende zu machen; man blieb taub gegen seine Bitten und selbst gegen seine Betheuerungen, alles Vorgefallene zu vergessen, und fuhr fort dies Spiel zu treiben, bis Ermüdung zum Aufhören zwang.

Rabine verfehlte nicht, nachdem man ihn in einem höchst traurigen Zustande fortgeschickt hatte, eine Klage gegen den Commodore einzureichen, in welcher er sich beschwerte, daß er von ihm überfallen und zerprügelt worden sey, und dabei die ganze Dienerschaft des Hauses zum Zeugen aufrief; da jedoch Keiner von allen diesen gesehen hatte, was vorgefallen war, so fand der Advokat seine Rechnung nicht bei der Klage, obschon er die Zeugen alle selbst vernahm, und ihnen unter andern auch die Frage vorlegte, ob sie ihn nicht hätten wie einen andern Menschen kommen sehen, und ob sie je einen Menschen in einem solchen Zustande erblickt hätten, wie der gewesen wäre, in welchem er sich hätte entfernen müssen? Auf diese letzte Frage waren sie jedoch nicht verbunden zu antworten, weil sich dieselbe auf die zweite Züchtigung bezog, die sie an ihm hatten vollziehen helfen; gegen sich selbst zu zeugen ist aber Niemand verbunden. Kurz, der Anwald mußte zur Freude aller derer, die ihn kannten, seine Klage zurücknehmen und sah sich noch genöthigt, den Beweis zu führen, daß er den Brief welcher für eine falsche und verläumderische Schrift erklärt wurde, durch die Post empfangen habe, um einer Gegenklage zu entgehen, womit ihn der Commodore bedrohte; denn daß Peregrine und die andern Beiden die ganze Sache angestiftet hatten, kam diesem keinen Augenblick in den Sinn.

Jetzt beschlossen die Verbündeten, den Commodore durch eine Erscheinung in Schrecken zu setzen, und richteten dies auf folgende Art ein: Pipes befestigte an einer großen Ochsenhaut eine scheußliche lederne Larve, die er über den Rachen eines von seinen Reisen mitgebrachten Seehundes zog; statt der Augen versah er dies furchtbare Bild mit ein paar hellen Gläsern, hinter welche er ein paar Binsenlichter steckte; dann machte er noch einen Satz aus Schwefel und Salpeter und klebte denselben zwischen den beiden Reihen Zähnen des Ungethüms. Als diese Gespenstertracht fertig war, legte er sie an einem finstern Abend, den man zur Ausführung des Vorhabens wählte, an, und folgte dem Commodore, dem Peregrine mit einem Lichte leuchtete, auf einem langen Gange nach. Hier brannte er sein Feuerwerk an und begann dabei wie ein Ochse zu brüllen. Der Knabe blickte, der Abrede gemäß, hinter sich, schrie laut auf und ließ das Licht fallen. Erstaunt über die Bestürzung seines Neffen, rief der Commodore: »Was Teufel giebts!« und blickte sich dabei um, aber kaum sah er jetzt das gräßliche blaue flammensprühende Phantom, so befiel ihn Todesangst und die Besinnung verließ ihn. Dennoch erhob er maschinenmäßig seine Krücke zur Vertheidigung, und als die Erscheinung sich ihm näherte, da führte er mit einer convulsivischen Anstrengung einen Streich nach dem Haupte derselben, daß Pipes nicht Ursache gehabt haben würde, sich seiner Erfindung zu rühmen, wenn der Schlag nicht zufällig auf eines der Hörner getroffen hätte; demohngeachtet taumelte Tom dennoch von der Gewalt des Streiches zurück, und hielt es nun für gut, einer zweiten Begrüßung dieser Art dadurch zuvorzukommen, daß er den Commodore schnell unterlief, ihm ein Bein stellte und sich dann aus dem Staube machte.

Jetzt that Peregrine als erhole er sich wieder, und lief mit großem Geschrei fort, die Dienerschaft herbeizuholen, um ihrem Herrn beizustehen, der in Todesschweiß gebadet auf der Erde lag. Hatchway eilte herzu. Man hob den Commodore auf, stärkte ihn durch ein Glas Rum und befragte ihn um die Ursache seines Schreckens; allein erst nach einer beträchtlichen Pause, während welcher er in tiefe Betrachtungen verloren zu seyn schien, erwiederte er: » Jack, Ihr mögt sagen, was Ihr wollt, ich will verdammt seyn, wenn's nicht Davy Jones selbst war Davy Jones heißt bei den englischen Seefahrern der Unhold, welcher über die Geister des Meerabgrundes gebietet und den Schiffern Unglück bereitet.. Ich erkannte ihn an seinen Ochsenaugen, seinen drei Reihen Zähnen, seinen Hörnern und Schwanz und dem blauen Dampf, der ihm aus den Nüstern fuhr. Was will aber die Höllenbrut von mir? Ich bin doch mein Lebelang ein ehrlicher Kerl gewesen, habe Niemand todt geschlagen, außer wo es das Metier mit sich brachte, und Keinem Unrecht gethan, seit ich zuerst in See stach.«


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