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XXIX.

Versöhnung.

So sehr auch sein Stolz und sein Unwille ihn in seinem Entschlusse bestärkten, so konnte Peregrine doch nicht umhin, das Mißliche seiner gegenwärtigen Lage zu überlegen, und diese Vorstellung schlug ihn nicht wenig nieder. Er hatte bisher so im Ueberflusse gelebt, daß ihn der Gedanke, von seiner Höhe herabsteigen zu sollen, sehr schwer wurde. Alle die heiteren Plane, welche seine Phantasie sich entworfen, sanken nun auf einmal in Nichts zusammen; eine Schaar trüber Bilder bemächtigte sich seiner Seele und Emiliens bevorstehender Verlust war dabei nicht das kleinste seiner Leiden. Wie sehr er sich aber auch bemühte, diesen Kummer zu unterdrücken, so entging seine Bewegung doch den scharfen Blicken der jungen Dame nicht.

Ihr Herz sympathisirte mit dem seinen, obschon sie sich den Zwang anthat, ihn nicht nach der Ursache seines Trübsinns zu fragen. So feurig er auch in den Aeußerungen seiner Leidenschaft für sie bisher gewesen war, so hatte er ihr doch bisher noch kein Geständniß von Gegenliebe zu entreißen vermocht, und dies aus dem Grunde, weil er sich, trotz allen seinen Beweisen von Ehrfurcht und Achtung, noch nicht über die eigentliche Endabsicht seiner Huldigungen erklärt hatte. So viel Vertrauen sie aber auch in seine Rechtlichkeit setzte, so glaubte sie doch, es könne einmal eine Zeit kommen, wo Leichtsinn, Eitelkeit oder auch vielleicht Eigennutz ihn abwendig von ihr zu machen vermöchten, und sie wollte dann wenigstens ihm keinen Anlaß gegeben haben, sich auf ihre Kosten lustig machen zu können, und so kam es, daß sie ihm nicht allein bisher ein Gegengeständniß ihrer Liebe verweigerte, sondern ihn auch zuweilen, munter wie sie war, durch eine verstellte Coquetterie peinigte, gleichsam um ihm zu zeigen, es fehle ihr nicht an anderen Bewunderern, wenn seine Neigung etwa nachlassen sollte.

Bei diesem Plane läßt es sich nicht vermuthen, daß sie es unternahm, sich jetzt selbst nach der Ursache seiner Verstimmung zu erkundigen; im Gegentheil übertrug sie dies Geschäft ihrer Cousine, die nun bei einem Spaziergange in den Park die Bemerkung hinwarf: es schien ihr, als sey Sir Pickle seit einiger Zeit weniger aufgeräumt. Eine solche Bemerkung macht in der Regel, gerade wenn sie gegründet ist, das Uebel nur noch schlimmer, und dieser Fall trat auch jetzt ein. Ziemlich verdrießlich erwiederte Peregrine: sie irre sich, und er sey vollkommen heiter. »Das denke ich auch,« fiel Emilie ein, »ich habe Sir Pickle nie aufgeräumter gesehen.« Diese Worte machten seine Verwirrung vollständig; er erkünstelte ein Lächeln, aber im Herzen verwünschte er die Lebhaftigkeit der beiden Mädchen, und um Alles in der Welt wäre er jetzt nicht im Stande gewesen, ein zusammenhängendes Gespräch zu unterhalten. Der Gedanke, daß man die kleinsten seiner Handlungen belauschte, machte ihn so verdrießlich, daß er Mühe hatte, in der Gesellschaft der beiden Freundinnen auszudauern, und noch befand er sich in dieser unangenehmen Stimmung, als Sophy nach der Pforte hinblickte und sagte: »Dort kömmt Ihr Bedienter, Sir Pickle, und noch ein anderer Mann, der, wie mich dünkt, einen Stelzfuß hat.« Peregrine sah hin, und veränderte die Farbe, denn er wußte, daß sein Schicksal von der Botschaft abhing, die ihm sein Freund brachte.

Hatchway hatte sich unterdessen der Gesellschaft genähert und die Damen mit einigen Verbeugungen begrüßt, dann zog er aber seinen jungen Freund bei Seite, und händigte ihm den Brief des Commodores ein. Unser Held befand sich in diesem Augenblicke in einer solchen Aufregung, daß er kaum die Worte: »Entschuldigen Sie, meine Damen!« hervorzustottern vermochte; als er aber jetzt den Brief öffnete, da befiel ihn ein solches Zittern, daß Emilie, die auf alle seine Bewegungen achtete, nicht umhin konnte, den innigsten Antheil an seiner Lage zu nehmen, und sich wegwenden mußte, um die Thränen zu verbergen, die ihr in die Augen traten.

Kaum hatte Peregrine jedoch die ersten Zeilen des Briefes gelesen, als sich sein Gesicht aufzuklären begann, und zuletzt jeder Zug von Trübsinn aus demselben verschwand und nur noch Freude und Dankbarkeit in seinen Blicken glänzten. Mit Herzlichkeit schloß er Hatchway in seine Arme, und stellte ihn den Damen als seinen besten Freund vor, worauf Jack, liebreich von Beiden empfangen, Emilie treuherzig die Hand schüttelte, sie seine gute alte Bekannte nannte, und ihr versicherte, er sey bereit, einer so nett laufenden Fregatte, wie sie, unbedingt zu gehorchen.

Die ganze Gesellschaft nahm an der günstigen Veränderung Theil, die sich mit Peregrine zugetragen hatte, und seine Unterhaltung wurde jetzt so heiter und belebt, daß selbst des Bootsmannes eisenfestes Gesicht sich einige Male zu einem beifälligen Lächeln verzog.

Da es schon ziemlich spät war, so trat man endlich den Rückweg an. Pipes begleitete den Lieutenant in den Gasthof, Peregrine aber die Damen in ihre Wohnung, wo er ihnen gestand: Miß Sophie's vorherige Bemerkung wäre vollkommen gegründet gewesen, dann ihnen aber eröffnete, ein Zwist zwischen ihm und seinem Onkel habe ihn so außerordentlich bekümmert, doch hätte jetzt der eben erhaltene Brief ihm die Beilegung desselben verkündet. Beide Frauenzimmer wünschten ihm hierzu aufrichtig Glück, und baten ihn, zum Abendessen zu bleiben; er lehnte dies jedoch ab, da sein Verlangen, den Lieutenant zu sprechen, zu groß wäre, und eilte dann ebenfalls in den Gasthof, um sich hier von Hatchway Alles genau berichten zu lassen, was sich im Castell zugetragen hatte.

Der Plan, ihn außerhalb Landes zu schicken, gefiel ihm ganz wohl; er sah darin eine Aussicht, die seiner Eitelkeit, seiner Wißbegierde und seinem Hange zu beobachten, schmeichelte; auch glaubte er nicht, daß eine kurze Entfernung seiner Liebe nachtheilig seyn würde, sondern hoffte vielmehr das Gegentheil, indem der Werth seines Herzen nur dadurch erhöht werden konnte, wenn er mit mehr Vollkommenheiten zurückkehrte. Diese Ideen entzückten ihn und öffneten sein Herz der Freude, und da sich hierbei seine natürliche Gutmüthigkeit nicht länger zurückzuhalten vermochte, so ließ er nun auch Jolter, mit dem er seit acht Tagen kein Wort gesprochen hatte, freundschaftlich einladen, ihm und dem Lieutenant seine Gesellschaft diesen Abend zu schenken.

Jolter war vernünftig genug, dies nicht abzuschlagen: er erschien, und da ihn Peregrine mit unverstellter Herzlichkeit empfing und ihm die Versicherung gab: das bisher waltende Mißverständniß thäte ihm leid, und er würde sich bemühen, ihm ferner keinen Anlaß zur Klage zu geben, so fühlte sich auch der Hofmeister, dem es nicht an Herz fehlte, ergriffen, und betheuerte: daß das Wohlbefinden und das Beste seines jungen Freundes stets und immer sein vorzüglichstes Augenmerk und Streben bleiben sollte.

So ausgesöhnt, brachte die Gesellschaft den größten Theil der Nacht beim fleißig rundgehenden Glase zu, den folgenden Morgen begab sich aber Peregrine zu seiner Gebieterin, um ihr zu melden, daß sein Onkel gesonnen sey, ihn außerhalb Landes auf Reisen zu senden. Dabei beschloß er, ihr zugleich Alles, was er in Betreff seiner Liebe für nöthig hielt zu sagen.

Er fand Emilie mit ihrer Cousine beim Frühstück und, ganz voll von der Veranlassung seines Besuches, hatte er kaum Platz genommen als er auch schon die Sache mit der lächelnd hingeworfenen Frage zur Sprache brachte: ob die Dame etwas nach Paris zu bestellen hätte.

Emilie stutzte bei diesen Worten, ihre Freundin wünschte aber dagegen zu wissen, wer dahin zu reisen gedächte? Kaum hatte er jetzt geäußert, er selbst sey gesonnen, in Kurzem dahin abzugehen, so wünschte ihm Miß Gauntlet auch schon eine glückliche Reise, und zwang sich, mit verstellter Gleichgültigkeit von den Vergnügungen zu sprechen, die ihn dort erwarteten. Als er aber ihrer Cousine auf die Frage, ob dies wahr sey, versicherte, sein Onkel bestände darauf, daß er die Welt etwas sehen solle, da stürzten der armen Emilie Thränen aus den Augen. Zwar gab sie sich die äußerste Mühe, ihre Betrübniß zu verbergen, und schützte in ihrer Verlegenheit vor: der Thee wäre so entsetzlich heiß, daß ihr die Augen davon naß wurden; allein dieser Vorwand war zu gesucht, als daß ihn Peregrine nicht sogleich hätte durchblicken sollen, oder daß sie dadurch die Aufmerksamkeit ihrer Freundin zu täuschen vermochte, die jetzt nach dem Frühstück die erste sich ihr darbietende Gelegenheit ergriff, das Zimmer zu verlassen.

Jetzt, allein mit der Geliebten entdeckte ihr Peregrine, was er von des Commodores Gesinnungen vernommen hatte, doch verschwieg er ihr dabei sorgfältig dessen Widerwillen gegen ihr beiderseitiges Verständniß. Zugleich begleitete er aber diese Eröffnung mit festen Versicherungen seiner Beständigkeit und so feierlichen Betheuerungen seiner baldigen Rückkehr, daß es dem Mädchen nach und nach wieder leichter um das Herz wurde, und der Verdacht bei ihr schwand, dieser Reiseplan sey nur von ihm entworfen worden, um seine Unbeständigkeit zu bemänteln.

Nachdem die Sache auf diese Art zur gegenseitigen Zufriedenheit besprochen war, erkundigte sich nun Peregrine, wann Emilie zu ihrer Mutter zurückkehren würde? »In drei Tagen auf jeden Fall,« erwiederte sie, »und meine Cousine wird mich in ihres Vaters Wagen begleiten.« Pickle wiederholte jetzt seine Bitte, ihr auf diesem Wege Gesellschaft leisten zu dürfen, und ließ dann, als ihm dies zugestanden worden war, den Lieutenant und Jolter nach dem Castell abreisen, indem er ihnen den Auftrag gab, dem Commodore und dessen Gemahlin zu versichern, er würde unfehlbar in längstens sechs Tagen ebenfalls daselbst eintreffen. Nach diesen Vorbereitungen machte er sich aber, in Begleitung von Pipes, mit den Damen auf den Weg, wobei Sophie's Vater, der schon ganz gut mit ihm bekannt war, und einige Meilen mit der Gesellschaft fuhr, dieselben seiner Fürsorge und Obhut dringend empfahl.


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