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XXXVII.

Peregrines Abreise und sein Eintreffen mit Jolter in Dover.

Dies war übrigens der letzte Streich den das Triumvirat dem Commodore spielte, denn da nun alle Anstalten zu der Abreise des jungen Mannes beendet waren, so wandte dieser die letzten Tage seines Aufenthaltes dazu an, Abschied von allen Bekannten in der Nachbarschaft zu nehmen.

Am Abend vor seiner Abfahrt befand er sich länger als ein paar Stunden im Cabinet seiner Tante, die ihm eine Menge frommer Ermahnungen mitgab, ihm alle die Wohlthaten vorrechnete, die er von Kindesbeinen an durch ihre Vermittlung empfangen hätte, ihn vor leichtfertigen Frauenzimmern warnte, durch welche schon Mancher an den Bettelstab gerathen sey, und ihn ernstlich ermahnte in der Furcht des Herrn und im reinen protestantischen Glauben zu verharren, Hader und Zwietracht zu vermeiden, Master Jolter zu ehren und zu achten, und sich vor allen Dingen der abscheulichen Sünde des Trunkes zu enthalten. »Denn« sagte sie, »diese setzt den Menschen der Beschimpfung und Verachtung seiner Brüder aus, und macht ihn durch Beraubung der Vernunft zu jedem Laster fähig.« Sie empfahl ihm, gut hauszuhalten und seine Gesundheit zu bewahren und auch bei der kleinsten Handlung immer die Ehre seiner Familie im Auge zu behalten. Wenn er so handeln würde, dann könne er zu allen Zeiten auf seines gütigen Onkels Unterstützung und auf ihre Freundschaft rechnen. Zuletzt gab sie ihm noch ihr Bildniß in Gold gefaßt und hundert Guineen aus ihrer eigenen Tasche; dann umarmte sie ihn zärtlich und wünschte ihm alles mögliche Glück und Wohlergehen.

Peregrine begab sich hierauf zu seiner Schwester Julie, die er nun seinerseits ermahnte, ihrer Tante die ehrfurchtvollste Aufmerksamkeit zu schenken, doch sich dabei auch nichts unwürdiges zumuthen zu lassen. Er versicherte ihr, daß seine Hauptsorge stets dahin gehen würde sie für das zu entschädigen, was sie aus Liebe zu ihm aufgeopfert hätte; bat sie, sich in keine Verbindung ohne sein Wissen einzulassen, und drückte ihr dann das von seiner Tante erhaltene Geld in die Hand, damit sie in seiner Abwesenheit etwas habe um ihre kleinen Ausgaben bestreiten zu können. Hierauf schied er nicht ohne Thränen von ihr, während sie mehrere Minuten lang an seiner Brust weinte.

Nachdem er diese Pflichten der Ehrerbietung und Liebe erfüllt hatte, begab er sich zur Ruhe und ward des Morgens um vier Uhr geweckt, wo er die Kutsche, die Postchaise und alles Andere in völliger Bereitschaft, so wie seine Freunde Gauntlet und Hatchway, schon auf dem Platze und selbst den Commodore bereits halb angekleidet fand, während sich die Dienerschaft des Hauses auf dem Hofe versammelte, um ihm hier noch ein Lebewohl zu sagen. Peregrine drückte jedem dieser Leute noch einmal die Hand, indem er ihnen zugleich ein Zeichen seiner Erkenntlichkeit gab, doch wunderte er sich nicht wenig, den Bootsmann nicht unter ihnen zu erblicken. Als er aber über dies Ausbleiben seines alten Gefährten sein Befremden äußerte, da liefen einige hin ihn aufzusuchen: man fand jedoch dessen Kammer und Hängematte leer und kam mit der Nachricht zurück: Pipes müsse ausgerissen seyn.

Dies beunruhigte unsern Freund sehr, denn er glaubte nun die ehrliche Seele habe sich vielleicht aus Verzweiflung, nicht mitgenommen zu werden, zu einem übereilten Schritte hinreißen lassen und er bedauerte nun sehr, nicht seiner Neigung hierin gefolgt zu seyn. Da er sich jedoch nicht länger aufzuhalten vermochte, so empfahl er Pipes, falls sich derselbe wieder einstellen sollte, der besonderen Vorsorge seines Onkels und des Lieutenants, und fuhr dann unter einem dreimaligen Hurrahruf der Hausgenossenschaft zum Thore des Castells hinaus.

Trunnion, Gauntlet, Hatchway, Peregrine und Jolter setzten sich zusammen in die Kutsche um sich einander so lange als möglich zu genießen, und man beschloß unterwegens in einem Wirthshause einzukehren, um hier zu frühstücken, worauf dann Trunnion und Hatchway den Reisenden Lebewohl sagen wollten. Der Kammerdiener saß in der Postchaise und der französische Bediente ritt nebenher und führte noch ein Pferd am Zügel, während ein anderer Domestik aus der Garnison hinten auf der Kutsche Platz nahm. So ging es Dover zu.

Da der alte Herr das schnelle Fahren nicht gut vertragen konnte, so legte man die erste Station ziemlich langsam zurück und Trunnion erhielt hierdurch eine bequeme Gelegenheit seinem Neffen gute Lehren in Betreff seiner Aufführung in der Fremde zu geben. Vorzüglich empfahl er ihm an, sich in Frankreich vor dem schmucken Wind und Wetter der dortigen Politesse in Acht zu nehmen, dieweil derselben so wenig zu trauen sey, als den Wasserwirbeln auf der See. Schon Mancher, meinte er, sey mit einer guten Ladung Verstand nach Paris gegangen und von dort mit viel Segeltuch und ohne allen Ballast zurückgekehrt; dadurch wäre er dann sein Lebelang schwankend geworden und hätte wohl gar den Kiel über Wasser gekehrt. Dann bat er Jolter, seinen Zögling nicht in die Hände der lügenhaften Pfaffen fallen zu lassen, die immer auf der Lauer lägen um junge Fremde zu ihrem Baalsdienst zu bekehren, und ihn hauptsächlich vor aller Gemeinschaft mit den Pariser Damen zu bewahren, die, wie man ihm gesagt hätte, nur prächtig aufgetackelte, mit Tod und Verderben gefüllte Brander wären.

Diese Ermahnungen hörte Peregrine alle mit stiller Ehrerbietung an und versprach sie getreulich zu beobachten. Dann machte man auf der ersten Station Halt, um hier zu frühstücken: Jolter versah sich mit einem Pferde und Trunnion setzte noch die Art des Briefwechsels mit seinem Neffen fest. Als aber nun der Augenblick des Abschieds kam, da drückte der alte Mann seinem Pathen die Hand und sprach: »Ich wünsche Dir eine glückliche Fahrt und ein Leben voll Juchhe und Lust, lieber Junge. Meine Stewen sind jetzt ein bischen hinfällig, siehst Du, und Gott mag wissen, ob ich noch so lange herumtreibe um dich wiederzusehen. Doch sey deshalb nicht bange; Du sollst immer im Stande seyn mit den besten von Deinen Cameraden in einer Linie segeln zu können.« Nach diesen Worten erinnerte er Gauntlet an sein Versprechen, bei seiner Rückkehr von Dover in der Garnison noch einmal vorzukommen und raunte dann Joltern etwas zu, Hatchway aber, dem seine Rührung nicht zu sprechen erlaubte, drückte sich den Hut in das Gesicht und reichte Peregrinen zum Andenken eine Pistole von vorzüglicher Arbeit hin. Gerührt nahm unser Held, der bei dieser Scene nicht unerschüttert blieb, dies Unterpfand der Freundschaft in Empfang und vergalt es mit einer silbernen Tabacksdose, die er dieserhalb gekauft hatte: dann stiegen die beiden alten Knaben wieder in die Kutsche und fuhren still und niedergeschlagen nach dem Castell zurück.

Gauntlet und Peregrine setzten sich dagegen in die Postchaise und Jolter, der Kammerdiener und der Lakai, auf ihre Pferde: so reisten sie dem Orte ihrer vorläufigen Bestimmung zu, woselbst sie noch denselben Abend anlangten und sogleich ihre Plätze auf dem Paketboot bestellten, das den folgenden Tag unter Segel gehen wollte.


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