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XLI.

Peregrine übernachtet in einem Dorfe, wo Hornbeck ihn einholt und unserm Helden die Lust anwandelt, des Letzteren Haupt zu schmücken.

Während ihrer Reise gab sich Jolter Mühe, seinem Zöglinge die Beobachtungen mitzutheilen, die er über die Betriebsamkeit der Franzosen gemacht hatte. Er suchte ihm bemerklich zu machen, wie jeder Fleck Land auf das sorgfältigste bebaut sey und forderte ihn auf, von der Fruchtbarkeit dieser Provinz, die für die ärmste in Frankreich gehalten würde, auf die Wohlhabenheit des Ganzen zu schließen.

Diese seltsame Bethörung wunderte Peregrine eben so sehr, als sie ihn verdroß, und er versetzte, was er hier für Betriebsamkeit ansähe, wäre nichts, als eine Frucht der Noth der Einwohner, denn die armen Landleute sähen sich gezwungen, jeden zollbreit Erde zu bebauen, um die Habsucht ihrer Unterdrücker befriedigen zu können, während sie selbst und ihr Vieh lebendigen Bildern des Hungers glichen. Der ganze Anblick den Landen verriethe deutlich die äußerste Armuth; nirgends sähe man etwas anderes als dürre Gersten- und Haferfelder, die kaum den Fleiß des Landmannes lohnten; die Wohnungen glichen elenden Hütten und es gäbe nichts Traurigeres, als die Tracht der gedrückten Einwohner. Selbst die Bespannung ihres Wagens wäre schlechter, als die des elendesten Karrens in England, und der Postillion, der sie fahre, in wahre Lumpen gehüllt.

Da der Hofmeister sah, daß sein Zögling so unbiegsam war, so beschloß er, ihn in seiner Unwissenheit zu lassen und sich weiter keine Mühe mehr mit ihm in dieser Hinsicht zu geben; ein Vorsatz, den er zwar schon oft gefaßt, immer aber wieder in der Hitze des Streites vergessen hatte.

So kam man nach Montreuil, wo man einige Erfrischungen einnahm und dann bis zu einem Dorfe fuhr, das Bernay hieß, wo der Wirth ihnen ankündigte, daß die Thore von Abbeville mit dem Schlage Neune geschlossen würden, sie also nicht mehr daselbst bis zur bestimmten Stunde anlangen könnten; und da nun seiner Aussage nach kein anderes Wirthshaus mehr auf dem Wege sey, wo man füglich über Nacht bleiben könne, so rieth er den Reisenden, bei ihm zu bleiben, indem sie in seinem Hause alle mögliche Bequemlichkeit und Aufwartung finden würden. Jolter, der diesen Weg zwar bereits gemacht hatte, konnte sich nicht entsinnen, ob die Aussage des Wirthes Wahrheit sey, da jedoch das Vorgeben wahrscheinlich klang, so beschloß Peregrine dem Rathe zu folgen und ließ sich ein Zimmer geben, indem er sich dabei zugleich erkundigte, was es zu essen im Hause gäbe, und dann auf alles dies für sich und sein Gefolge Beschlag legte. Während man aber das Abendbrod bereitete, vertrieb er sich die Zeit theils durch Gespräche mit der Tochter des Wirthes, einem munteren Mädchen, theils durchstrich er die Gegend um das Haus, das eine sehr hübsche ländliche Lage hatte.

Indem er noch so umherschlenderte, langte ein zweiter Reisewagen vor dem Wirthshause an und wie er sich nun nach den Ankömmlingen erkundigte, vernahm er, daß dies Hornbeck nebst seiner Frau war. Voll Bestürzung kam der Wirth, der recht gut wußte, daß er diese zweite Gesellschaft nicht zu bedienen im Stande war, jetzt zu ihm mit der Bitte: ihm einen Theil der bestellten Lebensmittel nachzulassen; Peregrine weigerte sich jedoch auch nur das Geringste herzugeben, ließ aber zugleich den Neuangekommenen seine Empfehlung melden und ihnen sagen, wie schlecht es mit der Bewirthung im Hause stehen würde und sie dieserhalb einladen Theil an seinem Abendbrode zu nehmen.

Hornbeck, dem es weder an Lebensart noch an Lust fehlte eine gute Mahlzeit zu halten, vermochte diesem zweiten Beweise der Zuvorkommenheit von Peregrine nicht zu widerstehen; dankbar nahm er die Einladung an und ließ darauf erwiedern: daß er und seine Frau das Vergnügen haben würden sich einzustellen. Peregrinens Wangen glühten bei der Aussicht nun endlich Bekanntschaft mit der hübschen Mistriß schließen zu können; ihr Herz glaubte er bereits erobert zu haben und es kam jetzt nur noch darauf an, Mittel zu ersinnen die Wachsamkeit des Mannes zu täuschen.

Als das Abendessen bereitet war, meldete er dies seinen Gästen selbst; dann führte er die Dame in das Zimmer, wies ihr ihren Platz oben am Tische an, und begann sie mit seinen Blicken zu belagern; er glaubte aber um so mehr ein solches Betragen gegen sie annehmen zu dürfen, da er voraussetzte, daß einer Person von ihrer Herkunft nicht mit den langweiligen Formalitäten gedient seyn dürfte, die Frauenzimmer von Erziehung bei dergleichen Gelegenheiten beobachtet zu sehen verlangen.

Wie es schien, so hatte er auch richtig gerechnet; Mistriß Hornbeck zeigte sich ganz zufrieden mit diesem Benehmen, und obschon sie die ganze Mahlzeit über nicht drei Worte zu sprechen wagte, so schien sie doch ein großes Behagen an ihrem Wirthe zu finden, wie dies mehrere bedeutende Blicke bewiesen, die sie ihm geschickt zuzusenden wußte, wenn ihres Mannes Augen anders wohin gerichtet waren, und das laute schallende Gelächter, wodurch sie mehrmals ihre Zufriedenheit über Pickles witzige Bemerkungen an den Tag legte.

Dieses freie Betragen schien ihrem Gemahl nicht besonders zu gefallen; er machte, um ihrer Lebhaftigkeit einen Damm zu setzen, ein sehr ernstes Gesicht aber sey es nun, daß ihre natürliche Munterkeit sich nicht zurückhalten ließ, oder daß sie ihren Mann für seine eifersüchtige Laune bestrafen wollte, genug ihre Heiterkeit stieg zu einem Grade der Hornbeck unendlich beunruhigte und entrüstete. Um ihr sein Mißvergnügen zu offenbaren und ihr zugleich einen heilsamen Wink zu geben, wollte er unter dem Tische durch einen Tritt auf den Fuß sie aufmerksam machen, allein sein Unwille hatte ihn so verwirrt gemacht, daß er sein Ziel verfehlte und auf Jolters Fuß kam, dessen kleine Zehe unglücklicherweise mit einem Leichdorn versehen war. Der Schmerz, den diese Berührung dem Hofmeister erregte, war so roh, daß er ihn nicht stillschweigend zu ertragen vermochte; wie unsinnig sprang er auf, tanzte in der Stube umher und schrie und brüllte wie ein Rasender, zum unaussprechlichen Vergnügen unseres jungen Herrn und der Dame.

Ungemein beschämt über sein Versehen bat Hornbeck den Hofmeister um Verzeihung und betheuerte dabei, der Stoß hätte nicht ihm sondern einer unbescheidenen Bestie von Hund gelten sollen, der sich seines Bedünkens nach unter dem Tische herumgetrieben habe, und da sich zum Glück für den armen Mann, wirklich auch ein Hund im Zimmer vorfand, so nahm Jolter, dem große Thränen über die Backen liefen, die Entschuldigung auch willig an und die Ruhe bei Tische war wieder hergestellt. Sobald es sich jedoch nur irgend schickte, brach der argwöhnische Ehemann unter dem Vorwande der Ermüdung von der Reise auf, nachdem er noch vorher Höflichkeitshalber Pickle den Vorschlag gemacht hatte, morgen die Reise miteinander zu machen.

Unser junge Freund führte die Dame jetzt nach ihrem Zimmer und empfahl sich dann mit einem feurigen Händedruck, den sie nicht ermangelte zu erwiedern. Dieser günstige Wink setzte sein Blut in die heftigste Wallung; er wartete jetzt nur auf eine Gelegenheit sich ihr näher zu erklären, und da er bald darauf bemerkte, daß der Mann noch einmal in den Hof hinabging, so fuhr er wie ein Blitz in ihr Zimmer hinein. Die Dame war bereits fast ganz ausgekleidet, dies diente nicht dazu seine Wallung zu besänftigen; mit Heftigkeit schloß er sie ohne Umstände in seine Arme und rief: »Beim Himmel, Madame, Ihre Reize sind unwiderstehlich!«

Gewiß würde er seinen Vortheil unaufhaltsam weiter benutzt haben, wenn sie ihn nicht um Gotteswillen gebeten hätte, sich zu entfernen, da sie, wenn Hornbeck zurück käme und ihn hier fände, auf immer unglücklich seyn würde. Seine Leidenschaft hatte ihn noch nicht so verblendet, daß er nicht die Richtigkeit dieser Bemerkung eingesehen hätte, er begnügte sich daher damit sich für ihren Verehrer zu erklären und ihr die Versicherung zu geben, daß er seine ganze Erfindungskraft aufbieten würde, um eine bequeme Gelegenheit herbeizuführen ihr seine Huldigungen widmen zu können. Während dieser Rede raubte er ihr in der Schnelle einige kleine Gunstbezeigungen, die sie in der Furcht und Verwirrung, in welcher sie sich befand, ihm nicht zu verweigern vermochte, dann aber eilte er in sein Zimmer zurück und zermarterte sich die ganze Nacht, Ränke zu ersinnen, um die eifersüchtige Wachsamkeit seines Reisegefährten zu hintergehen.


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