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III.

Mistriß Grizzle verheirathet ihren Bruder.

Da der Commodore im Laufe dieser Geschichte eine große Rolle spielt, so glaubte ich bei der Darstellung seines Charakters umständlich seyn zu dürfen; jetzt aber ist es Zeit, uns wieder zu Mistriß Grizzle zu wenden, die seit ihrer Ankunft in dieser Gegend mit einer doppelten Sorge sehr beschäftigt war, der nämlich, für ihren Bruder eine passende Frau, und für sich einen behaglichen Gatten zu finden.

Dies geschah übrigens nicht aus arger Absicht oder weiblicher Schwachheit, sondern ihre Vorsorge für die Erhaltung ihres Familiennamens war die Haupttriebfeder dieser Bemühungen, und sie zeigte sich hierbei so uneigennützig, daß sie willig ihr eignes Interesse hinten an setzte, oder wenigstens ihr Schicksal der stillen Wirkung ihrer Reize überließ. In der That arbeitete sie mit so unermüdlichem Eifer zum Besten ihres Bruders, daß, ehe noch ein Vierteljahr seit ihrer Ankunft in dieser Gegend vergangen war, die bevorstehende Vermählung zwischen dem reichen Sir Pickle und der schönen Miß Appleby das allgemeine Gespräch in allen Gesellschaften in der Nähe war. Diese junge Dame war die Tochter eines Gentlemans aus dem nächsten Kirchspiele, der seinen Kindern zwar wenig mitgeben konnte, dafür aber, nach seinem eignen Ausdrucke, »ihre Adern mit dem besten Blute in der Grafschaft gefüllt hatte.«

Nachdem Mistriß Grizzle den Charakter der jungen Person gehörig erforscht und nach ihrem Geschmack befunden hatte, bestimmte sie dieselbe zur Gattin ihres Bruders, und der Vater nahm den dieserhalb ihm gemachten Antrag so freudig auf und betrieb die Vollziehung der Sache von Stund an mit einem solchen Eifer, daß es fast schien als hege er entweder Mißtrauen gegen Sir Pickles Beständigkeit, oder gegen das Temperament seiner Tochter, die er vielleicht für zu feurig hielt, um sie lange warten zu lassen.

Jetzt, nachdem diese vorläufigen Punkte in Richtigkeit waren, legte Sir Pickle, auf Antrieb seiner Schwester, einen Besuch bei seinem künftigen Schwiegervater ab, wo er bei dessen Tochter eingeführt wurde und noch denselben Nachmittag Gelegenheit erhielt, mit ihr allein zu seyn.

Was bei dieser Unterredung vorfiel, ist dem Verfasser nicht bekannt geworden, doch wird sich der Leser denken können, daß die junge Dame von ihrem Verehrer nicht mit allzuvielem Geschwätz heimgesucht wurde. Vielleicht gefiel er ihr darum nur desto besser, denn das ist wenigstens gewiß, sie machte seiner Wortkargheit wegen keinen Einwand gegen ihn, und unterwarf sich mit kindlicher Ergebenheit dem Willen ihres Vaters.

Um der jungen Dame einen vortheilhafteren Begriff von seinem Verstande beizubringen, als die Unterredung ihr vielleicht gewährt hatte, entwarf Mistriß Grizzle einen Brief, den ihr Bruder abschreiben und als eignes Product übersetzen sollte; allein der Liebhaber richtete diesen Plan zu Grunde. Ihrer ewigen Erinnerungen müde, kam er ihrem Entwurfe zuvor, schrieb selbst und sandte den Brief eines Nachmittags, als seine Schwester im Pfarrhause zum Besuch war, fort.

Man glaube nicht, daß Eitelkeit oder Uebereilung ihn hierzu veranlaßte; er hätte sich gern die Marter erspart, sein Gehirn anzustrengen, wenn er hätte ahnen können, daß sie gesonnen war, ihm diese Mühe abzunehmen; da aber seine Einbildungskraft gerade von keiner andern Vorstellung ergriffen oder gestört war, so benutzte er die Gelegenheit ihrem Rathe zu folgen und brachte folgendes Stück Arbeit zu Stande:

An Miß Sally Appleby.

»Insonders hochgeehrte Demoiselle!

E. E. haben, laut Avis, eine Parthie Herz liegen, die von guter Qualität seyn soll; ich bin dahero nicht abgeneigt, unter billigen Conditionen von besagtem Artikel ein Abnehmer zu werden; nicht zweifelnd, darüber miteinander Handels einig zu werden, und bin E. E. fernerweitigen Avis erwartend, wenn und wo E. E. gelieben wollen. Ein mehreres finde nicht nöthig

E. E.                                    dienstwilliger

Gamaliel Pickle

Dieses Briefchen wurde von derjenigen, an die es gerichtet war, so gut aufgenommen, als wär' es in den besten Ausdrücken abgefaßt gewesen; ja es war vielleicht seiner kaufmännischen Deutlichkeit wegen nur um so willkommener, denn billig sieht ein verständiges Frauenzimmer, wenn von einer vortheilhaften Parthie die Rede ist, die blumenreichen Erklärungen und die entzückungsvollen Ausrufungen der Liebe, nur als verführerische Doppelsinnigkeiten oder wenigstens als unnütze Präliminarien an, die den Abschluß verzögern.

Kaum hatte sie, ein gehorsames Kind, dies zärtliche Billet dem Vater gezeigt, so machte sich dieser aber als ein Mann, dem das Wohl der Seinigen am Herzen lag, sogleich auf den Weg zu Sir Pickle, um von demselben, in Gegenwart von dessen Schwester, eine förmliche Erklärung in Betreff seiner Gesinnungen gegen Sally zu verlangen, und Sir Pickle versicherte nun kurz und rund, er sey gesonnen mit des Vaters gütiger Erlaubniß, fernerhin Freud und Leid mit der jungen Dame zu theilen. Der alte Appleby bezeigte jetzt seine Zufriedenheit damit, daß der ehrenwerthe Sir Pickle ein günstiges Auge auf ihn und die Seinen geworfen hätte, und ermunterte den Liebhaber durch die Versicherung: sein Antrag würde dem Mädchen angenehm seyn. Hierauf schritt man zu den Heirathspunkten.

Nachdem dies aber alles verabredet war, ließ man einen Notar holen, um die Sache ins Reine zu bringen; die Hochzeitskleider wurden gekauft und der Tag zur Trauung festgesetzt. Was in der Nachbarschaft nur einigermaßen von Stande war, wurde eingeladen, und es versteht sich, daß man den Commodore Trunnion und Master Hatchway, als die Einzigen nicht vergaß, mit denen der Bräutigam in einer Art von engerem Freundschaftsbündnisse stand.

Beide hatten übrigens durch Tunley einen vorläufigen Wink von dem erhalten, was vorging, eh' noch Sir Pickle für gut fand, es ihnen selbst zu offenbaren, und Trunnion hatte daher schon seit einigen Abenden bei ihren Zusammenkünften von nichts als der Thorheit des Heirathens und den Plagen des Ehestandes gesprochen. Er declamirte dabei mit der größten Heftigkeit und in den anzüglichsten Ausdrücken gegen das ganze schöne Geschlecht, das er als eingefleischte Teufel beschrieb, die der Hölle entstiegen wären, die Männer zu quälen. Vorzüglich aber zog er gegen die alten Jungfern los, gegen welche er einen besonderen Widerwillen zu hegen schien.

Sein Freund Jack ermangelte nicht dies alles zu bekräftigen und dabei zugleich seiner satyrischen Ader freien Lauf zu lassen; jede Sentenz wurde von ihm mit einem Scherz auf den Ehestand, der aus einer Anspielung auf das Seefahrerleben bestand, geschlossen. Er verglich die Weiber mit großen Kanonen, die mit Feuer, Schwefel, Donner und Blitz geladen wären, und die, wenn sie heftig erhitzt würden, von einander platzten und einen Teufelslärm und Geknalle machten. »Ein Weib,« sagte er, »ist einem Orkane gleich, der nie aus einer Gegend kömmt, sondern durch alle Punkte der Windrose läuft. Sie ähnelt einer gut angestrichenen und schön aufgetakelten Galeere, die aber einen nicht zu verstopfenden Leck hat; ihre Neigungen sind wie die Bai von Biscaya, wo man keinen Grund trifft, so tief man auch das Senkblei hinunterläßt, und wer an einem Weibe ankert, gewahrt zu spät, daß er auf faulem Grunde liegt und zuletzt das Kabeltau nicht mehr lichten kann, und wenn es ihm das Leben kostete. Ich, meines Theils,« fuhr er fort, »mache wohl auch zuweilen einen kleinen Abstecher, aber zur Lebensreise mit einem Weibe, schiffe ich mich nicht ein, weil ich sonst befürchten müßte beim ersten Unwetter zu Grunde zu gehen.«

Höchst wahrscheinlich verfehlten diese deutlichen Winke nicht Eindruck auf Sir Pickle zu machen, der noch weniger als irgend ein Anderer es liebte, sich in Wagnisse einzulassen; aber der Wille der Schwester überwog die Meinung seiner Seefreunde, die, als sie sahen, daß ihre Warnungen nichts halfen, nun unter sich übereinkamen, seine Einladung anzunehmen und sein Hochzeitsfest durch ihre Gegenwart zu verschönern.


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