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XXXVI.

Der Commodore fordert Gamaliel heraus und wird durch den Lieutenant, Peregrine und Gauntlet, geneckt.

Dieser Schimpf war dem alten Herrn unerträglich; er hielt mit seinem Orakel Hatchway, eine Berathung dieserhalb, deren Schluß endlich dahin ausfiel, daß er dem alten Pickle eine Herausforderung senden und ihn auffordern sollte sich an einen bestimmten Ort zu Pferde und mit Pistolen zu stellen.

Nichts konnte Jack mehr Vergnügen machen als die Annahme einer solchen Herausforderung, die er Gamaliel mündlich überbrachte und ihn dieserhalb aus seinem Clubb bei Tunley herausrufen ließ. Die Beschaffenheit dieser Botschaft brachte übrigens eine sehr auffallende Wirkung auf den Körper des friedlichen Gamaliel hervor: seine Eingeweide begannen zu knurren und er bekam auf der Stelle so heftige Krämpfe und Schmerzen in denselben, als hätte ihm ein schlechter Spaßvogel etwas aus der Apotheke in sein Bier gemischt. Da der Bote unter diesen Umständen an einer genügenden Antwort verzweifeln mußte, so verließ er ihn in diesem kläglichen Zustande, doch konnte er sich unmöglich entschließen, diese schöne Gelegenheit, dem Commodore einen Streich zu spielen, so ungenutzt vorüber gehen zu lassen. Er begab sich daher unverzüglich zu den beiden jungen Herren, erzählte ihnen die ganze Sache und bat sie um Gotteswillen, auf Mittel zu sinnen, den alten Hannibal auf den Kampfplatz zu bringen. Diese Idee behagte den beiden Freunden ungemein und nach einer kurzen Berathung kam man überein, Hatchway solle Trunnion melden: seine Herausforderung sey angenommen worden und Gamaliel würde sich am nächsten Tage mit seinen Secundanten am bestimmten Orte einfinden, jedoch erst im Abenddunkel, damit, wenn einer von Beiden fiele, der andere desto leichter die Flucht ergreifen könnte. Bei dieser Comödie sollte Geoffry den Freund des alten Pickle und Peregrine diesen selbst vorstellen, der Lieutenant aber bei Ladung der Pistolen Sorge tragen, daß keine Kugeln hinein kämen und so die Sache ohne Schaden abliefe.

Nachdem dies alles abgemacht war, begab sich Hatchway zu dem Commodore und brachte ihm eine sehr stolze Antwort von seinem Gegner zurück. Zwar konnte dies muthige Benehmen den alten Seemann nicht einschüchtern, allein in Verwunderung setzte es ihn doch und er verfehlte nicht dasselbe auf Rechnung von Pickles Frau zu setzen, die ihn auf jeden Fall dazu angespornt hätte. Uebrigens gab Trunnion sogleich den Befehl, seine Kartätschenbüchsen fertig zu machen und ihm morgen das ruhigste Pferd aus dem Stalle zu satteln; dabei glänzte sein eines Auge von Munterkeit und Vergnügen bei dem Gedanken, noch einmal vor seinem Ende Pulver riechen zu sollen, und als Jack ihn jetzt erinnerte doch alle möglichen Fälle zu bedenken und zur Vorsorge sein Testament zu machen, da verwarf er diesen guten Rath mit stolzer Verachtung und erwiederte: »Wo denkst Du hin? Hawser Trunnion hat das Feuer so mancher schwimmenden Batterie ausgehalten und sollte jetzt vor der lumpigen Knallbüchse einer alten Landratze in Gefahr seyn? Du sollst sehen wie ich ihm will die Segel streichen lehren thun.«

Peregrine und sein Freund versahen sich am nächsten Tage im Wirthshause mit Pferden und ritten zur bestimmten Stunde nach dem Kampfplatz; sie hatten sich dabei in große Mäntel gewickelt und waren sowohl hierdurch, als durch Hülfe der Dunkelheit, dem Commodore völlig unkenntlich, der sich unter dem Vorwande eines Spazierrittes, aus dem Castell entfernte und bald darauf mit Hatchway ebenfalls erschien.

Als sich die Gegner einander im Gesicht hatten, näherten sich die Secundanten um den Kampfplatz zu bestimmen, und die Bedingungen fest zu setzen, die mit beiderseitiger Bewilligung darin bestanden, daß man zwei Pistolen abfeuern und, wenn dies nichts entscheiden sollte, seine Zuflucht zum Degen nehmen wolle.

Nachdem dies in Richtigkeit gebracht war, begaben sich die Kämpfer auf die ihnen angewiesenen Plätze und indem jetzt Peregrine den Hahn spannte, ermahnte er den Commodore mit der nachgemachten Stimme seines Vaters, sein einziges Auge wohl in Acht zu nehmen, worauf denn auch Trunnion, der den letzten Rest seiner Sehkraft nicht muthwillig aufs Spiel setzen wollte, wohlbedächtig den Kopf wegwendete und dem Gegner nur die bepflasterte Seite seines Gesichts mit den Worten zukehrte: er solle sich nur weiter nicht mit Schnickschnack aufhalten und thun was er zu thun hätte, worauf denn auch der junge Herr sogleich abfeuerte.

Da die Entfernung nicht groß war, so traf der Ladepfropfen mit einem schmerzlichen Stoß auf Trunnions Stirne und dieser, der nun glaubte die Kugel säße ihm bereits im Schädel, wurde dadurch so erbittert, daß er seinem Roß die Sporen gab, in voller Verzweiflung auf den Gegner losjagte und ohne weiter auf die Gesetze des Kampfes zu achten, seine Pistole dicht vor ihm abschoß. Da er jedoch sah, daß die Kugel dennoch nichts ausgerichtet hatte, so brüllte er vor Erstaunen und Wuth laut auf und rief mit einer schrecklichen Stimme: »O hol' euch doch der Teufel! Ihr habt tüchtige Futterbohlen um euch, merk' ich! da kann der Teufel durchkommen.« Darauf näherte er sich noch mehr und feuerte seine zweite Pistole so dicht vor seines Neffen Kopfe ab, daß wenn diesen nicht sein Mantel geschützt hätte, das Pulver ihm das Gesicht würde verbrannt haben. Da er sich auf diese Art nun verschossen hatte, so war er in Peregrinens Gewalt, der ihm jetzt seine noch übrige Pistole vorhielt und ihn ermahnte, um sein Leben und um Verzeihung wegen seiner Kühnheit zu bitten. Diese Aufforderung empörte den Commodore entsetzlich; er antwortete gar nicht darauf, sondern warf seine Pistole weg und riß seinen Degen so schnell aus der Scheide, daß Peregrine, wenn er nicht dem Stoße geschickt ausgewichen wäre, diesen Spaß hätte bitter bereuen können, und jetzt, da er wohl sah, daß es vergebens seyn würde noch daran zu denken, ebenfalls den Degen zu ziehen oder sich blos vertheidigungsweise gegen einen so wüthenden Gegner zu benehmen, seinem Gaule die Sporen gab und sein Heil in der Flucht suchte. Trunnion verfolgte ihn jedoch mit unglaublicher Hitze und da dessen Pferd besser war als das des jungen Mannes, so würde er ihn gewiß sehr bald eingeholt haben, wenn er nicht zum Glück für diesen, mit dem Kopf so heftig gegen einen Baumast der sich auf seiner blinden Seite befand, angerannt wäre, daß er dadurch betäubt und genöthigt wurde, den Degen fallen zu lassen und sich an der Mähne seines Pferden festzuhalten um nur im Sattel zu bleiben. Als Peregrine aber jetzt das Unglück seines Gegners bemerkte, und nun Zeit hatte ebenfalls den Degen zu ziehen, da wandte er sich schnell um und drohte, ihn eine Spanne kürzer zu machen wenn er nicht um Gnade bitten und sich ergeben würde. Dieses Ansinnen kam dem alten Herrn durchaus unstatthaft vor: er führte zu seiner Vertheidigung an, daß er ja vorher schon den Feind gezwungen hatte, alle Segel beizusetzen; sein jetziges Unglück sey ein Zufall, den man nicht benutzen dürfe, so wenig als man ein Schiff rechtlich angreifen könne, das sich durch Sturm gezwungen gesehen hätte, sein Geschütz über Bord zu werfen.

Ehe Peregrine noch Zeit hatte hierauf zu antworten, trat jetzt der Lieutenant ins Mittel, erkundigte sich nach dem Vorfall und bestand auf einen Waffenstillstand, bis er und der andere Secundant, die Sache würden untersucht und entschieden haben. Hierauf entfernte er sich mit Gauntlet und kam dann nach einigen Minuten mit dem Ausspruche zurück: daß der Commodore durch das Glück des Krieges als überwunden zu betrachten sey.

Diese Erklärung setzte den alten Herrn in die unbändigste Wuth; eine ganze Zeit konnte er nichts weiter hervorbringen als den ehrenrührigen Ausdruck: »Ihr lügt!« den er mehr als zwanzigmal wie sinnlos wiederholte. Nachdem er aber seine Sprache wieder erlangt hatte, überhäufte er die Secundanten mit so bittern Anzüglichkeiten und verlangte so bestimmt eine neue Untersuchung, daß es den Verbündeten jetzt reute den Scherz so weit getrieben zu haben, um seinen Zorn nur einigermaßen zu besänftigen, erklärte sich Peregrine für besiegt.

Dies Geständniß beruhigte den Commodore etwas, doch konnte er dem Lieutenant einige Tage sein Benehmen nicht verzeihen. Die beiden Freunde ritten nun nach Tunleys Haus zurück, Hatchway aber nahm das Pferd des alten Herrn am Zügel und leitete ihn so in seine Wohnung, doch brummte derselbe auf den ganzen Weg über Jack's unfreundschaftlichen und unwilligen Ausspruch und bemerkte immer wieder dazwischen, wie doch Jedermann gestehen müsse, daß er sein Wort gehalten und den Feind gezwungen habe, die Segel zu streichen. »Aber's bei Gott!« fuhr er fort, »ich denke der Kopf des alten Burschen ist aus einem Wollsack gemacht. Prallte nicht mein Schuß zurück wie ein Wergpropfen von den Seiten eines Schiffes? Wär mir nur nicht die H––brut von Baum windwärts in die Queere gekommen, seht Ihr, so will ich verflucht seyn, wo ich nicht seine große Raa mit dem Wurfhaken gefangen und ihm die Grundbrühe ausgeschöpft hätte.«

Diese Heldenthat, die seiner Einbildungskraft immerwährend jetzt vorschwebte und die er als das Kind seines Alters liebte, machte ihn übrigens nicht wenig stolz; da er jedoch schicklicherweise bei dem Abendessen sich vor den jungen Leuten und seiner Gemahlin nicht damit breit machen konnte, so ließ er wenigstens Winke von der Bravour fallen, die er noch im hohen Alter besäße, und rief Hatchway alle Augenblicke zum Zeugen seines Muthes auf, während sich unsere Freunde nicht wenig über diese Eitelkeit ergötzten und sich im Stillen über den ihm gespielten Streich freuten.


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