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XXIV.

Trunnion wird über dieses Benehmen böse. Peregrine kränkt sich über die Ungerechtigkeit seiner Mutter und schreibt ihr deshalb einen Brief. Er kömmt auf die Universität nach Oxford und zeichnet sich hier als unternehmender Kopf aus.

Trunnions Zorn zu beschreiben als er diese ungereimte Entsagung las, dürfte unmöglich seyn. Er zerriß mit seinen Kinnladen – denn Zähne hatte er nicht mehr – den Brief und spuckte zum Zeichen der Verachtung gegen dessen Verfasser, mit grimmigen Gebärden aus; dann verfluchte er ihn als einen erbärmlichen, heimtückischen, tölpelhaften Dummkopf und Pantoffelhelden, viel tausendmal und beschloß zuletzt ihn auf Degen oder Pistolen herauszufordern. – Der Lieutenant und Jolter hielten ihn jedoch von dieser gewaltsamen Maßregel ab und besänftigten ihn durch die Vorstellung, daß dieser Brief nur ein Beweis für die Schwäche des armen Mannes sey, und daß jener dieserhalb mehr Mitleid als Strafe verdiene.

So gelang es ihnen den Strom seinen Grimmes gegen Gamaliels Frau zu leiten, auf die er nun natürlich nicht wenig schalt; aber auch Peregrine fühlte sich nicht geneigt jene Erklärung seines Vaters geduldig zu ertragen: kaum war er durch Hatchway von derselben unterrichtet worden, so eilte er voller Erbitterung und Bestürzung auf sein Zimmer um nachstehenden Brief zu schreiben, den er auch sogleich fortschickte.

»Madame; hätte mich die Natur zu einer Mißgeburt geschaffen und mir eine so lasterhafte Seele eingehaucht als mein Körper widerwärtig wäre, dann dürfte ich vielleicht hoffen Zeichen Ihrer Gewogenheit und Ihres Beifalls zu erhalten, da Sie, wie ich sehe, mich aus keiner andern Ursache mit einem so unnatürlichen Abscheu verfolgen, als weil ich sowohl an Seele wie an Körper von dem ungestalteten Zwerge verschieden bin, dem Sie Ihre Zärtlichkeit und Fürsorge allein zu widmen, belieben. Kann ich nur um diesen Preis Ihre Gewogenheit erhalten, so bitte ich aber Gott, daß Sie nicht aufhören mögen zu hassen,

Madame,

Ihren sehr beleidigten Sohn
Peregrine Pickle.«           

Dieser Brief, den nichts als seine Leidenschaft und Unerfahrenheit zu entschuldigen vermochte, verfehlte nicht die leicht zu erwartende Wirkung bei seiner Mutter hervorzubringen. Sie gerieth bei Empfang desselben fast außer sich, und unterließ nicht das Ganze als eine Frucht des Privathasses ihrer Schwägerin zu betrachten; ihrem Manne stellte sie aber vor, wie sehr er selbst durch diese Beschimpfung beleidigt worden sey und wie nothwendig es wäre, daß er von Stund an allen Umgang mit dem Commodore abbräche. Eine harte Pille für den armen Gamaliel! Eine lange Reihe von Jahren hatten ihn an Trunnions Gesellschaft so gewöhnt, daß er lieber ein Glied würde entbehrt als den Clubb gemieden haben. Er faßte sich auch dieserhalb einmal das Herz seiner Gebieterin vorzustellen, wie unmöglich es ihm sey ihrem Rathe zu folgen und bat sie ihm wenigstens zu erlauben, den Umgang nur nach und nach abbrechen zu dürfen, indem er ihr zugleich fest betheuerte, wie er sich Mühe geben wolle ihrem Willen Genüge zu leisten.

Im Castell hatte man unterdessen alle Anstalten zu Peregrinens Abreise nach der Universität getroffen, wohin er jetzt, begleitet von denselben Personen die mit ihm in Winchester gewesen waren, abging. Sein Onkel der ihm ein Jahrgeld von vierhundert Pfund und Joltern ein Gehalt von hundert Pfund aussetzte, ermangelte dabei nicht, ihn vorher noch vor der Gesellschaft unehrbarer Weibsbilder zu warnen und zu ermahnen, fleißig an seine Studien zu denken und so oft als möglich Nachricht von sich zu geben.

Der Gedanke, welch eine ansehnliche Figur er mit diesem Gelde, dessen Eintheilung ihm allein überlassen war, spielen könnte, erfüllte das Herz des jungen Mannes mit Freude, und die zwei Tage seiner Reise nach Oxford, vergingen ihm unter den angenehmsten Phantasien. In Oxford selbst wurde er dem Rector vorgestellt und in die Reihe der Studenten eingeschrieben, worauf er nun statt zum Griechischen und Lateinischen zurückzukehren, als worin er sich hinreichend unterrichtet glaubte, es seine erste Sorge seyn ließ, die Bekanntschaft mit einigen alten Schulkameraden wieder zu erneuern, die ihn bald mit allen Gebräuchen und Lustbarkeiten seines neuen Standes vertraut machten.

Bald zeichnete er sich auch hier wieder durch seine Lebhaftigkeit und frohe Laune aus und wurde dieserhalb von den lustigen Brüdern auf der Universität in ihre Kreise aufgenommen, wo es denn nicht lange dauerte, daß er der angesehenste unter ihnen ward; doch muß man sagen, daß er sich nicht auf das Talent der stärkste Tabaksraucher und Biertrinker seyn zu wollen, etwas einbildete: diese Eigenschaften waren von zu plumper Art um seinem Ehrgeize zu schmeicheln; dagegen bildete er sich nicht wenig auf seine Fertigkeit im Spotten, auf sein Genie, auf seinen Geschmack, seine persönlichen Vollkommenheiten und auf sein Glück bei den Frauenzimmern ein. Seine Excursionen beschränkten sich nicht auf die Dörfer in der Nähe von Oxford, wo die Studenten gemeinhin ihr Wesen zu treiben pflegten, sondern, da er sich selbst Pferde hielt, so durchkreuzte er die ganze umliegende Gegend, wohnte allen Wettrennen in einem weiten Umkreise bei und machte häufige Streifereien nach London, woselbst er oft Monate lang incognito lebte.

Die Gesetze der Universität waren viel zu strenge als daß er sie hätte beobachten sollen; er wurde dieserhalb bald mit den Proktors, oder Aufsehern über die Disciplin unter den Studenten, bekannt, aber alle Verweise die er bekam, waren nicht hinreichend ihn zu bessern. Vor wie nach trieb er sich auf den Wein- und Caffeehäusern umher, tobte und lärmte des Nachts auf den Straßen und neckte und verspottete die ganze friedfertige Classe der Studenten; selbst die Lehrer entgingen den Geißelhieben seiner Satyre nicht: er verlachte seine Obrigkeit und verhöhnte die akademischen Gesetze.

Umsonst suchte man ihn durch Geldstrafen Einhalt zu thun; freigebig bis zur Verschwendung, bezahlte er was er geben mußte und trieb es nach wie vor. Dreimal stieg er des Nachts mittelst einer Leiter bei einem Kaufmanne in's Fenster mit dessen Tochter er eine Liebschaft hatte, und eben so oft sah er sich genöthigt durch einen kühnen Sprung für seine Sicherheit zu sorgen; einesmals wäre er aber jedenfalls in einen Hinterhalt gefallen, den ihm ein besorgter Vater gestellt hatte, wenn ihm nicht sein treuer Pipes noch zeitig genug zu Hülfe gekommen wäre und ihn aus den Händen seiner Feinde gerettet hätte.

Mitten unter diesen Ausschweifungen machte Jolter, dessen Ermahnungen in den Wind geschlagen wurden und der sein ganzes Ansehn vernichtet sah, noch einen Versuch, seinen Zögling von dem wilden Leben abzuziehen und dessen Aufmerksamkeit auf löblichere Beschäftigungen zu lenken. Er führte ihn dieserhalb in einen politischen Clubb ein, in welchem sich mehrere Lehrer der Universität und Hofmeister befanden. Peregrine wurde hier mit grosser Zuvorkommenheit aufgenommen und mehr als man erwarten durfte, fügte man sich in seine lustige Laune, so daß oft, während man ganz ernsthaft an Verbesserungsplanen für den Staat arbeitete, zuletzt, Dank ihm! alle politische Sorgen rein weggeschwemmt wurden.

Obschon Peregrine die Grundsätze dieser Herren nicht billigte, so beschloß er dennoch eine Zeitlang in ihrer Gesellschaft auszuhalten, da sich in den Charakteren dieser überspannten Querköpfe seiner Spottsucht ein weites Feld eröffnete. Sehr häufig endeten die nächtlichen feierlichen Versammlungen dieser politischen Reformatoren, in Folge ihres fleißigen Schöpfens aus dem Quell der Begeisterung, wie wahre Bachanalien und selten vermochten sie dann noch den feierlichen Anstand zu behaupten, den die Mehrsten von ihnen Amtshalber den Tag über zur Schau trugen. Für Peregrine gab es aber keinen höheren Genuß als wenn er Gelegenheit fand gravitätische Personen in lächerliche Lagen zu bringen, und um sich diesen zu verschaffen, legte er seinen neuen Gesellschaften jetzt einen Fallstrick, in den sie nicht ermangelten zu gehen.

Bei einer ihrer mitternächtlichen Berathungen, wußte er sie durch seine launigen, vorzüglich gegen ihre politischen Gegner gerichteten Einfälle, in eine so ausgelassene Stimmung zu bringen, daß sie bereits um zehn Uhr sämmtlich geneigt waren den tollsten Vorschlägen beizutreten die man ihnen nur machen konnte. Auf seinen Rath warf man die Gläser an die Wand und begann aus den Schuhen, Hüten und den Boden der umgekehrten Leuchter, Gesundheiten zu trinken, wobei man bisweilen mit einem Fuße auf dem Stuhl und einem Knie auf der Ecke des Tisches stand, und wenn diese Stellung zu lästig wurde, sich dann mit dem blanken Hintern auf den Tisch oder auf den Fußboden setzte; dabei schrien, lärmten, tobten, sangen und tanzten aber die ehrenwerthen Mitglieder wie die Wahnsinnigen, kurz ihr Rausch stieg nach und nach so hoch, daß, als Peregrine den Vorschlag machte, die sämmtlichen Perücken, Schuhe und Hüte zu verbrennen, Alle sogleich mit lautem Jubel auf diesen köstlichen Spas eingingen.

In diesem Zustande führte er sie nun auf die Straße, wo man sich vornahm, jeden Begegneten zu zwingen, das politische Glaubensbekenntniß Aller zu unterschreiben und das Schiboleth ihrer Parthei auszusprechen. Leider fanden die Herren jedoch hierbei mehr Widerstand als sie erwartet halten. Es wurden ihnen Gründe entgegen gehalten, denen sie nicht zu widerstehen vermochten und die Nasen von Einigen und die Augen von Anderen, trugen bald sehr sichtbare Spuren dieser Opposition. Endlich brachte sie Peregrine mit einem anderen, in ziemlich gleicher Lage sich befindenden Trupp, in ein Handgemenge während er sich selbst ganz still aus dem Staube machte, da er wohl voraussah, daß die Oberen binnen kurzer Zeit von dem ganzen Skandal unterrichtet seyn würden. Hierin irrte er sich auch nicht: der Proktor, welcher die Runde ging, fand die Störenfriede. Durch seine Autorität gelang es ihm, den wilden Aufruhr zu dämpfen, dann erkundigte er sich aber nach dem Namen der Schwärmgeister, die er nun zwar nach Hause entließ, deren Aufführung ihm aber um so mehr zum Aergerniß gereichte, da Mehrere derselben vermöge ihres Amtes und ihrer Pflicht den jungen Leuten eigentlich mit einem guten Beispiele vorleuchten sollten.

Pipes, der den Befehl von Peregrine erhalten hatte, in einiger Entfernung zu warten und auf Jolter Acht zu geben, brachte gegen Mitternacht diesen unglücklichen Hofmeister auf den Rücken nach Hause, wo es sich fand, daß derselbe nebst mehreren Beulen ein paar Quetschungen im Gesicht bekommen hatte, die sich den folgenden Morgen als blaue Kreise unter den Augen zeigten; ein um so schmerzlicherer Umstand für einen Mann von seinem Charakter und Betragen, da er den folgenden Tag eine Einladung erhielt, vor dem Proktor zu erscheinen. Mit großer Reue und Zerknirschung fragte Jolter jetzt seinen Untergebener um Rath und dieser, der zum Zeitvertreib zuweilen malte, versicherte ihm nun, er wolle die Zeichen seiner Schmach so geschickt mit Fleischfarbe bedecken, daß Niemand die künstliche Farbe von der wahren unterscheiden sollte. Der betrübte Hofmeister ließ sich in seiner Angst vor den Rügen der obrigkeitlichen Person dieses lächerliche Auskunftsmittel gefallen und obschon sein Rathgeber seine Malerkunst zu sehr gerühmt hatte, so traute der Arme doch dieser Vertuschung und ging mit einem so schimmernden Zusatze zu der natürlichen Todtenblässe seines Gesichts, zum Proktor, daß er jetzt vollkommen jenen grimmigen Bildnissen glich, welche man unter der Benennung Sarazenenköpfe zuweilen über Wein- und Bierhäusern erblickt.

Die wunderbare Veränderung seiner Physiognomie würde dem allerstumpfesten Auge kaum entgangen seyn, wie viel weniger dem Falkenblick seines strengen Richters, der durch das was er die Nacht gesehen hatte, noch schärfer geworden war. Der Proktor hielt ihm seinen plumpen und lächerlichen Kunstgriff vor und gab sodann sowohl ihm als seinen Genossen, wegen ihrer anstößigen und unregelmäßigen Aufführung einen so derben Verweis, daß die Herren allen Muth verloren und mehrere Wochen hindurch es kaum wagten, sich sehen zu lassen.

Peregrine war übrigens auf seinen Streich viel zu stolz um die Rolle zu verhehlen die er in dieser Comödie gespielt hatte; seine Kameraden erfuhren den ganzen Vorgang von ihm, aber natürlich zog er sich auch hierdurch den Haß des Clubbs zu, hinter dessen Grundsätze und Gebräuche er gekommen war. Die Mitglieder desselben sahen ihn jetzt für einen Spion an der sich nur in ihre Gesellschaft geschlichen hätte, um sie zu verrathen, oder hielten ihn doch wenigstens für einen schändlichen Ueberläufer und Apostaten der Meinungen, zu denen sie sich bekannten.


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