Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XLVIII.

Der Doctor veranstaltet ein Gastmahl nach Art der Alten.

Um es kurz zu sagen, unser Held erwarb sich durch sein einschmeichelndes Betragen das Vertrauen des Arztes in einem so hohen Grade, daß dieser ihn zu einem Gastmahle einladete, welches er nach Art der Alten veranstalten wollte. Dieser Gedanke fiel Peregrinen auf, er nahm den Antrag mit Vergnügen an, beehrte diesen Plan mit großen Lobsprüchen und versicherte, derselbe sey in jeder Hinsicht dem Genie und der Einbildungskraft seines neuen Freundes angemessen. Der Tag zu diesem festlichen Mahle ward übrigens etwas weit hinausgerückt, damit der gelehrte Wirth hinreichende Zeit behielte, gewisse Brühen und Compots zuzubereiten die sich auf den Küchenzetteln unserer entarteten Zeit nicht mehr finden. Um aber den Geschmack des Arztes in ein noch glänzenderes Licht zu setzen und das eigene Vergnügen zu erhöhen, machte Peregrine den Vorschlag, noch einige gute Freunde zu dem Banket einzuladen, und da der Arzt ihm das Geschäft der Auswahl derselben überließ, so bat er einen französischen Marquis, einen italienischen Grafen und einen deutschen Baron, alle Drei ausgezeichnete Narren in ihrer Art, und folglich um so geschickter, die Freuden dieses seltsamen Gastmahls zu erhöhen.

Als endlich die Stunde kam führte Pickle die Andern in das Haus, wo der Doctor wohnte, und reizte ihre Erwartung mit dem Versprechen, daß sie ein köstliches Mahl, ganz nach ächt altrömischem Geschmack finden würden. – Die Ankömmlinge wurden übrigens von Pallet empfangen, der die Honneurs machen mußte, da der Doctor das Amt eines Oberküchenmeisters versah.

Der Maler erzählte ihnen hier sogleich, sein Freund habe unzählige Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, und nichts weniger als fünf Köche wieder entlassen müssen, weil keiner es hätte über sein Gewissen bringen können, Anordnungen zu befolgen, die der heutigen Küchenpraxis schnurstracks entgegen liefen. Durch eine außerordentliche Belohnung sey es ihm indeß zuletzt gelungen einen Menschen dahin zu bringen, sich seinen Vorschriften blindlings zu unterwerfen, doch wäre der arme Teufel über die erhaltenen Befehle so außerordentlich überrascht und zugleich so gekränkt und aufgebracht worden, das ihm die Haare zu Berge standen, und daß er den Doctor um Gotteswillen gebeten habe ihn seiner Verpflichtung zu entlassen; da dieser aber auf Erfüllung des Contracts bestanden und ihm gedroht hätte, ihm im entgegengesetzten Falle vor Gericht zu belangen, so habe der Mensch während des Kochens zwei Stunden in einem weg geweint, gesungen, geflucht und Capriolen geschnitten, so daß es schiene, als hätte sein Verstand einen solchen Stoß erlitten, daß er schwerlich wieder jemals würde hergestellt werden können.

Während noch die Gesellschaft diesen seltsamen Bericht mit anhörte, der von der bevorstehenden Mahlzeit nicht viel Erfreuliches ahnen ließ, erscholl auf einmal eine klägliche Stimme, die auf Französisch rief: »O mein Gott! mein Gott! um der Leiden Jesu Christi willen ersparen Sie mir diesen Schmerz mit dem Honig und dem Oel.« Diese Bitte, so rührend sie auch vorgetragen wurde, schien jedoch auf das Gemüth des Arztes durchaus keinen Eindruck zu machen, denn man hörte die nämliche Stimme gleich darauf ein durchdringendes Geschrei ausstoßen und sich dann in einen Strom von Verwünschungen ergießen, die allmählich erstarben, als wenn derjenige, der diese Reden hielt, mit Gewalt in ein entferntes Zimmer geschleppt worden wäre.

Noch tönte der Schall dieser Worte in ihre Ohren, als der Doctor hereintrat. Peregrine stellte ihm sogleich die anderen Herren vor, aber viel zu sehr noch in Hitze konnte sich der Arzt nicht enthalten über die Ungefälligkeit zu klagen, die er bei dem Volke in Paris gefunden habe und die beinahe Ursache geworden wäre, daß das ganze Gastmahl nicht hätte zu Stande kommen können, worauf denn der Marquis, dem hierbei die Ehre seiner Nation in Gefahr zu gerathen schien, sogleich sein Leidwesen bezeigte und es über sich nahm für die ernstliche Bestrafung der Verbrecher zu sorgen, sobald er nur ihren Namen und ihre Wohnung wissen würde.

Die ersten gegenseitigen Complimente waren jetzt kaum vorüber, als ein Bedienter hereintrat und meldete, daß angerichtet sey. Der Wirth führte seine Gäste hierauf in ein anderes Zimmer, wo sie eine lange Tafel, oder vielmehr einige an einander gerückte Tische fanden, die mit mancherlei Schüsseln bedeckt waren; der aus denselben aufsteigende Dampf machte aber eine so ersichtliche Wirkung auf die Nerven der Eintretenden, daß der Marquis unter dem Vorwande Taback zu nehmen, fürchterliche Grimassen schnitt, dem Italiener die Augen übergingen und der Deutsche von Convulsionen im Gesicht befallen zu seyn schien. Peregrine suchte sich dadurch zu helfen, daß er bloß durch den Mund Athem holte, der Maler aber rannte voll Entsetzen in ein anderes Zimmer und verstopfte sich hier die Nase mit Taback.

Der Arzt, als der Einzige, dessen Geruchswerkzeuge nicht beleidigt wurden, zeigte jetzt auf ein paar Ruhebetten, die an den Seiten der Tafel standen und bedauerte zugleich, daß er seinen Gästen nicht genau die Triclinia der Alten habe verschaffen können, die etwas von diesen Lagerstellen abwich; indessen bat er sie die Güte zu haben ohne Umstände sich zu lagern, während er und sein Freund Pallet an den beiden Enden der Tafel auf gewöhnliche Art sitzend, Platz nehmen wollten, um die werthen Gäste bedienen zu können.

Da die Fremden von dieser Einrichtung nicht benachrichtigt worden waren, so geriethen sie in eine ungemeine Verlegenheit. Der Marquis und der Baron verbeugten sich gegen einander, gleich als stritten sie sich um die niedrigste Stelle, während es ihre eigentliche Ansicht jedoch nur war, daß einer das Beispiel den Andern benutzen wollte, weil keiner wußte wie er sich legen sollte. Diese Verlegenheit belustigte Peregrine ungemein und er führte nun den Grafen an die andere Seite und bestand mit einer wahrhaft boshaften Höflichkeit darauf, daß Jener die Oberstelle nehmen müsse.

In dieser peinlichen und lächerlichen Verlegenheit spielten die Herren ihre Pantomime fort bis endlich der Doctor sie dringend bat, doch alle Complimente bei Seite zu setzen, da sonst das Essen verderben würde, ehe der Rangstreit beigelegt sey. Auf diese feierliche Aufforderung nahm Peregrine nun die Lagerstätte linker Hand ein und ließ sich hier das Gesicht gegen den Tisch gewendet langsam nieder. Der Marquis folgte diesem Beyspiel und nahm gegenüber Platz, obschon er lieber mehrere Tage gefastet als sich der Gefahr ausgesetzt hätte, durch eine solche Stellung seinen Anzug in Unordnung zu bringen. Seine Lage war äußerst ängstlich und gezwungen, um seine Frisur nicht zu verderben, hielt er den Kopf mit großer Anstrengung in die Höhe und stützte sich dabei auf den Ellenbogen. Der Graf, ein mageres und geschmeidiges Männchen, pflanzte sich neben Peregrine und hatte hierbei blos das Schicksal sich seine seidenen Strümpfe an einem Nagel des Ruhebettes zu zerreißen, als er die Füße auf dasselbe ausstreckten wollte; der Baron dagegen, der weit schwerfälliger und ungelenker war, fiel so ungeschickt hin, daß seine Füße wieder in die Höhe schnellten und dabei den Lockenbau des Marquis in eine schreckliche Unordnung brachten; zugleich knallte sein Kopf aber so heftig gegen den Fußboden, daß ihm die Perücke abflog und das ganze Zimmer mit einer Wolke von Puder angefüllt ward.

Jetzt vermochte Peregrine seine verstellte Ernsthaftigkeit nicht länger zu behaupten und er mußte sich, um nicht laut aufzulachen, das Schnupftuch in den Mund stopfen; der kahlköpfige Deutsche aber war über den Vorfall so bestürzt und bat auf eine so lächerliche Art um Verzeihung, während der Marquis diese Entschuldigungen mit einer so wehmüthig lächelnden Miene annahm, daß ein Quäker, der nicht allen Empfindungen abgestorben war, nothwendig hierdurch hätte zum Lachen bewogen werden müssen.

Nachdem endlich Alles so gut wieder hergestellt worden war, als es sich unter den obwaltenden Umständen nur thun ließ, und Jeder seinen Platz eingenommen hatte, übernahm der Doctor das Geschäft, Auskunft über die aufgetragenen Speisen zu geben, damit sich Jeder nach Belieben wählen könne.

»Dies hier, meine Herren!« begann er mit einer selbst zufriedenen Miene, »ist eine gekochte Gans in einer Sauce von Pfeffer, Liebstöckel, Coriander, Münze, Raute, Sardellen und Oel. Ich hätte wohl gewünscht, daß es eine von den Ferrarischen Gänsen wäre, die bei den Römern wegen der Größe ihrer Lebern, wovon eine bis an zwei Pfund gewogen haben soll berühmt waren. Heliogabalus hat mit dieser köstlichen Speise seine Hunde gefüttert . Doch ich muß um Verzeihung bitten, beinahe hätte ich die Suppe vergessen, die ja in Frankreich ein so wesentlicher Bestandtheil aller Tafeln ist! An jedem Ende des Tisches stehen die Näpfe mit der Salacacabia der Römer, die eine ist von Petersilie, Poley, Tannenzapfen, Käse, Honig, Weinessig, Salzwasser, Eier, Gurken, Zwiebeln und Hühnerleber gemacht; die andere kann man mit den Fastensuppen hier zu Lande vergleichen. Dicht daneben steht eine mit Fenchel und Kümmelsaamen gekochte Kalbskeule in einer Brühe von Salz, Essig, Oel, Honig und Semmelmehl; ein Haché von der Lunge, der Leber und dem Blut eines Hasen und eine Schüssel mit gebratenen Tauben. Darf ich dem Herrn Baron mit einem Teller Suppe aufwarten?«

Der Deutsche, dem diese Ingredienzien nicht mißfielen, gab seine Zustimmung und schien wirklich an dem Machwerk Geschmack zu finden. Der Maler fragte den Marquis, von welchem Silleikikabey er befehle, und bediente ihn hierauf nach Verlangen mit einem Teller von der Fastensuppe. Der Graf nahm dagegen, indem er seinem Vorgeben nach kein großer Liebhaber von Suppen sey, eine Taube; in dieser Wahl richtete er sich nach Peregrine, dessen Beispiel er überhaupt bei diesem ganzen Gastmahle zu folgen beschlossen hatte.

Kaum hatte der Franzose jetzt einen Löffel von der Suppe verschluckt, so machte er eine starke Pause; die Kehle schwoll ihm auf, als wenn ihm ein Ei darin stecken geblieben wäre; seine Augen rollten umher und unwillkührlich schnappte er nach Luft. Dieser Zustand dauerte einige Minuten, und Pallet, der diesen Kenner aufmerksam angesehen hatte, um dessen Geschmack gleichsam zu Rathe zu ziehen, bevor er sich selbst an die Suppe wagte, fühlte sich jetzt durch die seltsamen Bewegungen des Marquis beunruhigt und machte mit einer besorgten Miene die Anmerkung, es schiene dem Herrn nicht wohl zu seyn. Peregrine versicherte dagegen sogleich: im Gegentheil, dies wären blos Merkmale des Entzückens, und war boshaft genug noch dazu den Marquis zu fragen, wie er die Suppe fände?

Trotz seiner Höflichkeit fiel es diesem Herrn doch unendlich schwer, seinen entsetzlichen Eckel soweit zu überwinden, um mit zitternder Stimme die Antwort hervorzubringen; »Ganz vortrefflich, auf Ehre!« Diese Antwort beruhigte den Maler vollkommen; ohne Bedenken nahm er nun ebenfalls einen Löffel Suppe zu sich, doch war er weit entfernt in das Lob seines Vorgängers einzustimmen, als sich die kostbare Composition über seinen Gaumen ergoß. Aller Sinne und Bewegung beraubt, saß er da, wie die bleierne Statue eines Flußgottes, dem das Wasser auf beiden Seiten aus dem Munde läuft.

Dieses seltsame und wenig anständige Phänomen, beunruhigte den Doctor, der sich sorgsam nach der Ursache desselben erkundigte, wogegen Pallet, sowie er seiner Sinne wieder mächtig ward, mit manchem Schwur versicherte: er wolle lieber geschmolzenen Schwefel verschlucken, als eine solche verdammte Suppe essen. Zu seiner Rechtfertigung versicherte jetzt der Arzt den Andern, es sey nichts in der Suppe als Salmiak, dessen er sich in Ermangelung des Nitrums der Alten bedient hätte, »und, gestehen Sie, Herr Marquis,« fuhr er fort, sich an diesen wendend, »daß dies succedaneum ungemein zur Verbesserung des Ganzen beitrug.« Der Unglückliche, dessen Gefälligkeit hiermit auf das Aeußerste getrieben ward, erwiederte mit einem Blick voll Schmerz, es wäre ein meisterhaftes Raffinement, und da er sich nun Ehrenhalber verbunden hielt seinen Ausspruch durch die That zu bekräftigen, so zwang er noch einige Löffel voll hinunter. Hierdurch wurde jedoch sein Magen dermaßen empört, daß er sich genöthigt sah plötzlich aufzuspringen. Bei dieser Gelegenheit schüttete er in der Eile seinen Teller dem Baron über den Hals, aber das Dringende seiner Bedürfnisse erlaubte ihm nicht dies Versehen zu entschuldigen; wie ein Pfeil flog er dem nächsten Zimmer zu und Peregrine fand ihn hier sich übergebend und andächtig Kreuze schlagend.

Auf Verlangen des Marquis wurde jetzt eine Sänfte geholt in die er mehr todt als lebendig hineinschlüpfte und unsern Helden dabei bat, ihn bei der Gesellschaft, und vorzüglich bei dem Baron zu entschuldigen; auch hatte er in der That Ursache sich nach einem Friedensvermittler umzusehen, denn als Peregrine wieder in das Speisezimmer trat, fand er hier den Baron halb rasend und über das verdammte Gastmahl und den albernen Wirth fluchend, unter den Händen eines Bedienten, der sich bemühte ihm das Fett von seiner reich gestickten Weste abzuwischen, während der Doctor ihm ganz kaltblütig die Versicherung gab, daß etwas Terpentinöl und ein heißes Eisen den ganzen Schaden wieder heben würde. Unser Held, der sich kaum enthalten konnte laut aufzulachen, besänftigte endlich den Unwillen des Deutschen mit der Vorstellung, daß die ganze Gesellschaft und vorzüglich der Marquis, trostlos über diesen Unfall wären.

Die unglückliche Salakakabia wurde nun abgetragen und an ihre Stelle traten ein paar Pasteten. Die eine war von Haselmäusen in einer Sauce von weißem Mohnsyrup, dessen sich der Arzt statt des gerösteten Magsaamens bedient hatte, welchen man sonst zum Nachtisch mit Honig aß; die andere enthielt einen in Honig gebackenen Schinken.

Als der Maler die Bestandtheile der ersten Pastete vernahm, hob er Augen und Hände gen Himmel und rief mit allen Zeichen des Ekels und Erstaunens: »Eine Pastete von Haselmäusen! O du mein Herrgott da oben! was sind doch die Römer für bestialische Geschöpfe gewesen!« Diese unehrerbietige Aeußerung wurde ihm von seinem Gefährten mit einem strafenden Blick verwiesen, und nun das Kalbfleisch, von welchem er selbst mit dem größten Appetite speiste, so gepriesen, daß der Baron sich entschloß, seinem Beispiele zu folgen, jedoch vorher um ein Glas Burgunder bat, was den Doctor zu der Aeußerung brachte, er bedaure recht sehr ihm nicht ächten Falerner vorsetzen zu können. Da Pallet auf dem ganzen Tische nichts sah an was er sich zu wagen getraute, so begann er sich ebenfalls an das Kalbfleisch zu halten, doch konnte er nicht umhin zu äußern, daß ihm ein Stück Rostbeef aus Alt-England lieber wäre als alle Leckerbissen von der Tafel eines römischen Kaisers.

Die Versicherungen und Einladungen des Arztes vermochten seine Gäste nicht zu bewegen, von den Hachés und der Gans zu kosten und es folgte nun dieser ersten Tracht eine andere, unter der sich nach des Wirthes Versicherung mehrere Schüsseln befanden, die bei den Alten den Beinamen πολυτελης , oder die Prachtspeisen gehabt hätten.

»Hier in der Mitte,« fuhr er fort, »dampft der Magen einer Sau mit kleingehacktem Schweinefleisch, Schweinegehirn, Eiern, Pfeffer, Gewürznelken, Knoblauch, Anis, Raute, Ingwer, Oel, Wein und Heringslake angefüllt. Daneben zur Rechten stehen der Bauch und die Zitzen einer Sau, die eben geworfen hat, mit süßem Wein, Oel, Mehl, Pfeffer und Liebstöckel gebacken. Zur Linken befindet sich ein Fricassee von Schnecken, die mit Milch gefüttert oder vielmehr gereinigt worden sind, und dort bei Master Pallet sind Kuchen von Kürbissen, Liebstöckel, Wohlgemuth und Oel gebacken, hier aber ein paar junge Hühner, die nach der Manier des Apicius gebraten und gefüllt wurden.«

Der Maler, welcher seinen Abscheu gegen den Saumagen, der seinem Ausspruche nach einem Dudelsacke gleichen sollte, und gegen die Schnecken, die eine Reinigung ausgestanden hatten, durch eine Menge Gesichtsverzerrungen zu erkennen gegeben, hörte kaum von den gebratenen Hühnern, als er sich einen Flügel davon ausbat. Der Doctor forderte ihn auf sich selbst nach Belieben zu bedienen und schickte ihm die Schüssel mit den Hühnern hin, worauf denn Pallet sogleich nach alt-englischer Art den Zipfel des Tischtuches wie eine Serviette vorsteckte und Messer und Gabel zu schwenken begann. Kaum waren die Hühner jedoch vor ihn hingesetzt worden, so stürzten ihm die Thränen aus den Augen und voll Bestürzung rief er aus: »Potz hunderttausend! da steckt ja ein ganzes Knoblauchsbeet drinne!« Um jedoch den Wirth nicht übellaunig zu machen, schnitt er eines dieser Hühner an, aber jetzt brachen so entsetzliche Gerüche auf ihn herein daß er mit dem Ausrufe: »Ach Herr je!« erschrocken aufsprang und, da er das Tischtuch nicht wieder losgemacht hatte, die ganze Tafel mit allem was darauf stand, umriß.

Pickle war nicht schnell genug gewesen um der Brühe der zerbrechenden Haselmauspastete zu entgehen und dem unglücklichen Italiener versengte der platzende Saumagen den Schenkel so jämmerlich, daß er vor Angst laut aufbrüllte und fürchterliche Gesichter schnitt. Dem Baron, der sich außer dem Bereich der Zerstörung befand, war es jetzt eine Art von Trost zu sehen, daß seine Gefährten auch die bereits von ihm durchwanderte Schule der Trübsale durchgehen mußten, aber der Doctor war vor Schaam und Kummer ganz außer sich. Er verordnete sogleich einen Umschlag für das Bein des Grafen, bezeigte demselben sein Beileid und schob das ganze Unglück auf die Tölpelhaftigkeit und den schlechten Geschmack seines Reisegefährten, der es nicht für gut fand wieder zu erscheinen und sich persönlich zu entschuldigen. Uebrigens betheuerte der Wirth, daß sich in dem Huhne nichts befunden hätte was die Geruchsorgane eines Menschen hätte beleidigen können, denn die Fülle habe lediglich aus einer Zusammensetzung von Pfeffer, Liebstöckel und Ossa foedita oder sogenanntem Teufelsdreck bestanden, und die Sauce aus Wein und Heringslake, welche letztere er statt des berühmten Garum oder der Marinade der Römer angewendet habe. Diese berühmte Sauce, fuhr er fort, wäre bisweilen von dem Scombris, einer Art von Thunfischen, bisweilen aber auch von dem Silurus oder dem großen Alse zubereitet worden, ja es habe sogar noch einen dritte Gattung, Garum hamotium genannt, gegeben, die von den Ohren, den Gedärmen und dem Blute des Thunfisches zubereitet worden sey.

Da der Doctor selbst fand, daß die Ordnung des Bankets nicht wieder herzustellen war, so ließ er die noch übrigen Schüsseln vollends abtragen, ein reines Tischtuch auflegen und das Dessert bringen. Dabei bedauerte er, daß er nicht im Stande sey, ihnen eine Probe von den Alieus, oder den Fischspeisen der Alten zu geben, daß er ihnen die Jus diabaton, den Meeraal nicht vorsetzen könne, der nach Galenus Meinung schwer zu verdauen sey, und die Cornuta oder der Knorrhahn, den Plinius in seiner Naturgeschichte beschreibt und von dem er sagt, daß dessen Hörner zuweilen ein und einen halben Fuß lang würden; ferner die Meeräsche und die Lamprete, welche von den Alten sehr geschätzt worden wäre, und von der Julius Cäsar einst zu einer triumphalischen Abendmahlzeit sechstausend Stück gebraucht habe. Ueber die Art sie zuzubereiten fügte er die Bemerkung hinzu, daß Horaz derselben in Beschreibung den Gastmahles gedacht hätte, welches der Epicuräer Nasidian dem Mecän gegeben:

Affertur squillas inter muraena natantes! etc. Unter schwimmenden Hummern bringt man eine Muräne.

Dann belehrte er seine Gäste, dass man diesen Fisch gemeiniglich mit thus Syriacum, einem lindernden und adstringirenden Saamen gegessen habe, durch welche dessen purgative Natur verbessert worden wäre; doch obgleich dieses Gericht zu den feinsten der Römerküche gehört habe, so sey es doch keinesweges in Hinsicht der Kosten mit einigen andern Speisen zu vergleichen, die zu den Zeiten des wollüstigen Heliogabalus in Gebrauch gewesen wären, denn dieser hatte z. B. die Gehirne von sechshundert Straußen zu einem Gerichte nehmen lassen.

Unterdessen war der Nachtisch aufgetragen worden und die Gesellschaft bemerkte mit Vergnügen hier nichts als Oliven in Wasser und Salz; am mehrsten pries der Wirth jedoch eine Art von Gelée, die, wie er behauptete, des berühmten Hypotrimma des Hesychius weit vorzuziehen sey, und die aus einer hartgesottenen Mixtur von Essig, Oel und Heringslake bestand, und außer dem noch eine Schüssel mit kandirter Assa foetida, die er trotz dem Widerspruch von Hummelberg und Lister für das Laser syriacum der Alten erklärte, das so kostbar gewesen sey, daß man es nach dem Gewichte eines Silberpfennigs verkauft habe.

Die Herren glaubten auf sein Wort an die Vortrefflichkeit dieser Nascherei, hielten sich aber lediglich an die Oliven, die dem Weine einen so guten Geschmack gaben, daß man sich jetzt etwas von den erlittenen Unfällen zu erholen begann, und Peregrine, der nicht gern eine Gelegenheit vorbei ließ die Fröhlichkeit zu erhöhen, ging nun hinaus, um den Maler zu holen, den er ganz zerknirscht von Reue fand, und nicht eher dahin zu bringen vermochte, wieder in dem Saale zu erscheinen, bis er es über sich nahm, ihn mit den Andern auszusöhnen.

Jetzt führte ihn Pickle wie einen Missethäter in das Speisezimmer, wo er sich gegen Alle, vorzüglich gegen den Grafen, sehr demüthig verneigte und hoch und theuer auf Englisch versicherte: es sey durchaus nicht seine Absicht gewesen irgend einen Menschen zu beleidigen und er habe sich nur darum so schnell aus dem Staube gemacht, um der verehrungswerthen Gesellschaft kein Aergerniß dadurch zu geben, daß er den unwiderstehlichen Geboten der Natur hätte folgen müssen.

Nachdem Peregrine dem Italiener diese Entschuldigungen, die dieser mit sehr höflichen Ausdrücken erwiederte, verdolmetscht und den Doctor ebenfalls dahin gebracht hatte, den Maler wieder zu Gnaden anzunehmen, vergaßen die Gäste ihren bisher erlittenen Kummer gänzlich, und begannen den Flaschen so fleißig zuzusprechen, daß der Champagner in Kurzem sehr sichtbare Wirkungen auf ihr Betragen äußerte.


 << zurück weiter >>