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LVII.

Ein Streit zwischen Jolter und dem Juden unterbricht Peregrine in seinen Fortschritten bei der schönen Flamländerin. Er besänftigt den aufgebrachten Kapuziner, welcher ihm eine Zusammenkunft mit der Dame verschafft, doch schlagen die Hoffnungen, die er sich hiervon macht, fehl

Peregrine wandte unter der Zeit seine ganze Geschicklichkeit an, sich bei der schönen Flamländerin in Gunst zu setzen. Mit dem Feuer eines Enthusiasten erklärte er ihr seine Liebe, und überschüttete sie gleichsam mit feinen Schmeicheleien und zärtlichen Betheurungen, was auch alles von ihr so gütig aufgenommen wurde, daß er keinen Augenblick mehr daran zweifelte, einen erwünschten Eindruck auf ihr Herz gemacht zu haben und nicht mit einer Sylbe daran dachte, daß diese zuvorkommende Artigkeit vielleicht größtentheils nur eine Wirkung ihrer in Frankreich erhaltenen Erziehung und der den Franzosen eigenen Lebhaftigkeit seyn könne. In der glücklichen Meinung, in welcher er stand, schritt er nun mit seinen Angriffen so unablässig fort, daß er die Dame endlich dahinbrachte, einen Ring von ihm als Zeichen seiner Achtung anzunehmen. Plötzlich wurde aber dieser gute Gang seiner Sache durch einen Streit zwischen dem Hofmeister und dem Juden unterbrochen, die auf einmal ganz ungebührlich ihre Stimmen erhoben und eine solche Fluth von Kehlbuchstaben ausstießen, daß den Anderen die Zähne davon hätten stumpf werden mögen. Da sie nun eine Sprache mit einander redeten, die allen Anderen im Wagen unverständlich war, und sich dabei Blicke voll Gift und Galle zuwarfen, so erkundigte sich Peregrine jetzt nach der Entstehung ihres Zwistes.

»O!« rief Jolter im vollen Zorne aus, »dieser Levit ist so unverschämt, mir zu sagen: ich verstände kein Hebräisch, und zu behaupten: das Wort Benoni bedeute ein Kind der Freude, da ich doch beweisen kann und dies auch wirklich für jeden Vernünftigen schon gethan habe, daß die siebzig Dolmetscher diesen Ausdruck mit großem Recht durch: Sohn meines Schmerzes übersetzen.« Nachdem er sich auf diese Art gegen Peregrine erklärt hatte, wandte er sich aber jetzt an den Priester, um sich auf dessen Entscheidung zu berufen; doch hier zupfte ihn der Jude schnell am Arm und rief: »Um Gottes Willen, Herr! seyn Sie ruhig, damit der Kapuziner nicht erfährt, wer wir sind.«

Diese Zusammenstellung beleidigte den Hofmeister und er schrie wie ein Echo mit vielem Nachdruck zurück: » Wer wir sind! wer wir sind!« Dann setzte er hinzu: » Nos poma natamus!« und fragte den Juden höhnisch, zu welchem Stamme er denn glaube, daß er wohl gehöre? Durch den Vergleich mit dem Roßapfel geärgert, antwortete der Levit lächelnd: »Nun, zum Stamme Isaschar.« – Diese Anspielung trieb den Hofmeister zur Rache, und er begann nun, seines Gegners Furcht, dem Kapuziner bekannt zu werden, benutzend, auf Französisch zu äußern, daß das Gericht Gottes sich ganz offenbar an der ganzen Nation der Juden zeige, indem sie nicht nur fern von der Heimath in der Verbannung schmachten müßten, sondern auch stets nur Tücke und verkehrte Gesinnungen im Herzen trügen, was hinreichend bewiese, daß sie von denen abstammten, die einst den Heiland gekreuzigt hätten.

Die liebevolle Erwartung des Hofmeisters, hierdurch die Aufmerksamkeit des Mönches zu erregen, schlug jedoch fehl, denn dieser hatte sich selbst viel zu tief in eine Fehde verwickelt, um auf die Streitigkeiten Anderer Rücksicht nehmen zu können. In seinem Stolz und Uebermuth hatte nämlich der Doctor begonnen, ihm die Ungereimtheit des christlichen Glaubens zu beweisen; schon hatte er seiner Meinung nach den Mönch in Betreff der Glaubensartikel seiner Kirche widerlegt; hiermit noch nicht zufrieden, begann er aber nun, sich an die Grundpfeiler der christlichen Religion zu wagen. Eine lange Weile ertrug der Pater mit großer Geduld und Langmuth, daß er gegen die Lehre von der Dreieinigkeit zu Felde zog, als er sich nun aber auch gegen die unbefleckte Empfängniß der Jungfrau Maria verging, da riß dem Sohne der Kirche die Geduld und mit funkelnden Augen und bebenden Lippen rief er aus: »Ihr seyd ein abscheulicher und verdammungswürdiger Ketzer! Doch nein! Ihr seyd noch mehr, Ihr seyd womöglich ärger als ein Jude und verdient es vollkommen, daß man Euch in einen glühenden Feuerofen einsperrt; auch bin ich gar nicht abgeneigt, Euch dem Gouverneur von Gent zu melden, damit Ihr als ein schändlicher Gotteslästerer bestraft werden mögt.«

Diese Drohung machte einen großen Eindruck auf alle Anwesende; der Doctor saß ganz bestürzt da, den Hofmeister befiel eine außerordentliche Angst, dem Juden klapperten die Zähne vor Furcht und Pallet war nicht wenig über eine Verwirrung beunruhigt, deren Veranlassung ihm noch fremd war. Pickle selbst wurde wegen dieses Ereignisses besorgt und es bedurfte in der That seines ganzen Einflusses bei dem Mönche, um diesen wieder zu besänftigen. Bloß aus Freundschaft gegen den braven jungen Herrn erklärte er, wolle er die Sache gut seyn lassen, doch weigerte er sich durchaus, ferner neben einem so eingefleischten Sünder zu sitzen, wie der Doctor sey, der offenbar ein Genosse der Finsterniß und nur von dem Widersacher der Menschen auf die Welt gesandt worden wäre, um die Schwachen zu verführen. Aus diesem Grunde bestand er darauf, nachdem er sich bekreuzt und einige Beschwörungen hergemurmelt hatte, daß der Arzt seinen Platz mit dem des Juden vertauschen mußte, welcher letzterer sich dem erzürnten Geistlichen nur voll Angst und Beben nahete.

Nachdem solchergestalt die Ruhe wieder hergestellt worden war, knüpfte sich das Gespräch mehr im Allgemeinen wieder an, bis die Gesellschaft endlich, ohne weitern Unfall, Abends um sieben Uhr nach Gent kam, wo man für Alle ein gutes Abendessen bestellte, während Peregrine mit seinen Freunden noch ein Bißchen ausging, um sich ein wenig in er Stadt umzusehen, unter der Zeit aber seine Dame den Ermahnungen ihres ganz in sein Interesse gezogenen Beichtvaters überließ. Wirklich sprach auch dieser Vermittler so warm zum Lobe des jungen Mannes, und wußte das Gewissen seiner Pflegbefohlenen so geschickt in diese Sache zu verflechten, daß sie nicht umhin konnte, mit Hand an das Werk der Bekehrung zu legen und in die gewünschte Zusammenkunft zu willigen.

Diese Nachricht, die der Kapuziner nicht verfehlte unserm jungen Herrn sogleich bei seiner Zurückkunft mitzutheilen, versetzte aber diesen in eine so muntere Laune, daß er beim Abendessen durch seine Einfälle und Scherze die ganze Gesellschaft auf das Angenehmste unterhielt; vorzüglich fand die schöne Flamländerin ein Vergnügen daran, ihn zu hören und schien überhaupt durch sein Betragen und seine Person ganz gefesselt zu seyn.

So brachte man den Abend sehr vergnügt und heiter zusammen hin, und begab sich dann nach den verschiedenen, der Gesellschaft angewiesenen Zimmern; doch vernahm jetzt Peregrine zu seinem nicht geringen Schmerz, daß die beiden Frauenzimmer in einem Gemache übernachten müßten, da alle Stuben im Wirthshause bereits besetzt wären; nachdem er jedoch diese Schwierigkeiten dem Priester eröffnet hatte, versicherte ihm dieser an Hülfsmitteln reiche Mann: eine solche Kleinigkeit solle seine Angelegenheiten nicht stören. Er bediente sich demzufolge nun seines Vorrechtes als Beichtvater, und ging in die Stube der Dame, die sich bereits in das Nachtkleid geworfen hatte, und führte sie unter dem Vorwande auf sein Zimmer, ihrer Seele noch eine heilsame Nahrung geben zu wollen; nachdem er aber auf diese Art das Paar zusammengebracht, entfernte er sich, um sie in ihrer Unterhaltung nicht zu stören, doch beschwor er Beide noch vorher: sich zu hüten, daß keine unreinen Gesinnungen und bösen Versuchungen sich in die gute Absicht ihrer Zusammenkunft mischten.

Kaum war der fromme Gelegenheitsmacher fort und die Thüre hinter ihm verriegelt, so warf sich Peregrine, hingerissen durch seine Leidenschaft, zu den Füßen der Dame und bat und beschwor sie, in Betracht der Umstände ihm zu erlauben, alle Formalitäten bei Seite zu setzen und die günstige Gelegenheit benutzen zu dürfen; allein, sey es nun, daß dieser Ungestüm der Dame mißfiel, oder daß ihre Tugend wirklich fester stand, als er und sein Unterhändler dies glaubten, genug sie äußerte ihren Unwillen über seine Vermessenheit so sehr, und schmälte ihn so ordentlich darüber aus, die Gutmüthigkeit des geistlichen Herrn mißbraucht zu haben, daß unser Held nicht weniger bestürzt über diesen Korb wurde, als sie es über seine Erklärung zu seyn vorgab. Umsonst beschwor er sie, die Kostbarkeit der Augenblicke zu erwägen und ihn nicht in Verzweiflung zu lassen;... alle seine Bitten, Thränen und Gelübde vermochten nichts auszurichten, und er erlangte nichts weiter, als das Geständniß: er habe zwar Eindruck auf ihr Herz gemacht, doch hoffe sie denselben durch das Bewußtseyn dessen, was ihre Pflicht sey, bald gänzlich zu vertilgen.

Diese Erklärung wurde von Pickle für nichts als eine feine Einwilligung aufgenommen und er säumte daher nicht, den Antrieben seiner Leidenschaft zu folgen und die Dame in die Arme zu schließen; aber diese erhob jetzt ein so lautes Geschrei zur Vertheidigung ihrer Tugend, daß der Kapuziner die Thüre aufsprengte und mit dem größten Erstaunen in das Zimmer trat; hier hob er aber, wie es schien, voll Unwillen über das, was er entdeckte, die Augen und die Hände zum Himmel empor und brach in die heftigsten Ausrufe gegen die Ruchlosigkeit unseres Helden aus, der seinen abscheulichen Plan mit dem Mantel der Religion habe zudecken wollen; mit einem Worte, er spielte seine Rolle so gut, daß die junge Frau Alles für baare Münze nahm und und ihn zuletzt noch bat, den Fremden in Betracht seiner Jugend und Erziehung, durch welche er mit den Lehren der Ketzerei befleckt worden wäre, zu verzeihen, worauf denn der Pater auch so gütig war, die demüthige Abbitte desselben anzunehmen. Peregrine war übrigens, trotz diesem Vorgange, weit davon entfernt, seinen Planen zu entsagen, denn er verließ sich viel zu sehr auf seine Gabe zu gefallen und das Geständniß, welches ihm die Dame gemacht hatte. Dieserhalb beschloß er, noch einen Versuch zu wagen; ein Unternehmen, wozu ihn nur die Heftigkeit seiner Begierden verleiten konnte.


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