Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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3. Neue Sacra aus Phrygien und Cappadocien.

Diese Gottesdienste zeichnen sich vor allen übrigen durch einen besonders hohen Grad von Wildheit und fanatischer 734 Raserei aus, wie darin ihre Heimath, das Land der Amazonen, der Korybanten und Gallen, der fanatischen Diener der Kybele und Artemis, von jeher ausgezeichnet gewesen ist. Selbstverstümmelung und Blut ist der gewöhnliche Ausdruck einer bis zum Aeußersten gesteigerten Gefühlserregung. Desto mehr Reize boten diese Sacra und die synkretistischen Formen der hellenistischen und römischen Periode dem Bedürfniß der Buße, der Reinigung, der Sündenvergebung, welches als ein zum Wesen der menschlichen Natur gehöriges auch in allen Formen des Heidenthums wohl erkennbar, nirgends aber so stark, in den Taurobolien sogar auf eine widerlich abschreckende Weise auftritt als in den religiösen Gebräuchen dieses Kreises.

a. Die asiatische Bellona.

Die Heimath dieser Bellona war Comana in Cappadocien; die Göttin selbst scheint eine Mond- und Naturgöttin nach Art der von Amazonen umgebenen, in Kleinasien, Thracien und Scythien unter verschiedenen Gestalten bekannten gewesen zu seinStrabo XII p. 535, Hirtius bell. Alexandr. 66.. Dem abergläubischen Sulla, der in Cappadocien gewesen war, erschien diese furchtbare Göttin im Traume, ehe er im J. 88 v. Chr. gegen Rom zog, um ihn zum blutigen Triumphe über seine Gegner zu ermuntern. So mag er ihren Cult in Rom befördert haben, auf Unkosten der alten italischen und sabinischen Bellona, von welcher S. 611 die Rede gewesen ist. Die Dichter des Augusteischen Zeitalters gedenken ihrer nicht selten, namentlich TibullTibull. I, 6, 43, vgl. Virg. Aen. VIII, 703, wo die blutige Geißel der Bellona diesem Dienste entlehnt ist, Horat. S. II, 3, 222 gaudens Bellona cruentis, Lucan I, 565 tum quos sectis Bellona lacertis saeva movet cecinere deos, Martial. XII, 57; 11, Iuvenal. IV, 123 u. A. in einer lebhaften Schilderung der Oberpriesterin, wie sie von Bellonas heiligem Wahnsinn ergriffen nicht das Feuer, nicht die Geißel scheut. Ja sie zerfleischt sich mit dem Doppelbeile selbst die Arme, die Göttin mit ihrem Blute bespritzend. So steht sie da, die Seite durchbohrt, mit blutender Brust, und singt die Zukunft wie es die Göttin eingiebt. Mehr erzählen die christlichen KirchenväterTertull. Apolog. 9, de Pallio 4, Lactant. I, 21, 16, Minuc. Fel. 30. Commodus hielt darauf daß diese Selbstverwundung eine ernstliche blieb, Lamprid. Comm. 9. Fanatici ex aede Bellonae Pulvinensis werden erwähnt bei Or. n. 2316. 2317, ein Cistophorus desselben Tempels ib. 2318., welche gewöhnlich der eben so fanatischen 735 Priester, der s. g. Bellonarii gedenken, die im Dienste derselben Kriegsgöttin sich gleichfalls an den Schenkeln, dem Nacken und den Armen verwundeten, den Altar mit ihrem Blute besprengten und in solcher Aufregung für prophetisch galten. In dunkler Kleidung und mit zottigen Mützen von schwarzem Fell pflegten sie mit fliegenden Haaren und gezückten Schwerdtern um den Altar zu laufen, zu toben und zu rasen, ganz wie die fanatischen Diener der Großen Mutter und andre Priester der Art, deren Geist jetzt in den Derwischen der Türkei und Persiens fortlebt. Das Blut der Bellonarii pflegte das Volk mit der Hand aufzufangen und davon zu genießen, weil man ihm eine sühnende Wirkung zuschrieb. Verschiedene Inschriften lehren daß dieser Dienst der Bellona sich mit dem der Großen Mutter und der Isis leicht verständigteOr. n. 1903. 2316..


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