Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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2. Die Genien, Laren, Penaten, Manen.

Wurden die Götter, obwohl der alte italische Glaube darin nicht so weit ging als der griechische, als selbständige und persönliche Einzelwesen gedacht und durch ihre Namen, Beinamen und die an sie gerichteten sinnbildlichen Handlungen des Gottesdienstes aus der unendlichen Gottheit gewissermaßen ausgeschieden, so waren neben ihnen die Geister und Dämonen in dem Glauben der Römer und ihrer Verwandten vollends ein nach Zahl und Wirkung unbegrenztes und unbestimmbares Geschlecht und namentlich im häuslichen, örtlichen und ländlichen Gottesdienste von solchem Belange wie nicht leicht in einer andern Religion der heidnischen Vorzeit.

Das eigentliche Gebiet dieser Geisterwelt ist die Erde und die ganze irdische und creatürliche Erscheinung, wo sie Natur und Menschenwelt von allen Seiten umgeben und umschweben, in der Geburt wie im Tode, bei jeder einzelnen Lebensregung, an allen Stätten und bei allen Stiftungen, nationalen, socialen und bürgerlichen, wo sich nur irgend eine eigenthümliche und individuelle Thätigkeit offenbart: mit welcher Thätigkeit sich diese Schutz- und Lebensgeister dergestalt identificiren, daß sie dadurch und erst dadurch selbst eine eigenthümliche und selbständige Existenz gewinnen, als Schutzgeister der einzelnen Menschen, Häuser, Familien, Städte, Völker u. s. w., die unter ihrer unsichtbaren Leitung und Beseelung entstehen, bestehen und vergehen. In der Natur entsprechen diesen schützenden Geistern 67 die Silvane und Faune, die Viren und die Lymphen, obwohl diese ländlichen Natur- und Elementargeister in der Religion des alten Italiens, soweit wir sehen können, lange nicht das Gewicht hatten wie die allem menschlichen Treiben sich gesellenden Genien, Laren und Penaten: so sehr überwog auch hier das praktische Lebensinteresse über das poetische Naturgefühl, wie sich jenes denn nicht allein durch alle Einrichtungen des menschlichen Lebens verfolgen läßt, von dem einzelnen Hause und Gehöfte bis zur Völkerschaft und zum Staate, sondern auch im Durchschnitte des einzelnen Lebens von der Geburt bis zum Tode. Wohl aber hat der Grundgedanke des Genienglaubens, daß jeder geistigen Wirkung entsprechend ein individueller Lebensgeist angenommen werden müsse, sein Ziel mit solcher Consequenz verfolgt, daß diese Kette der Geister von der Erde und den Menschen sich selbst bis zu den Göttern fortsetzte. Selbst jedem Gotte entsprechend wurde nehmlich in Italien ein eigner Genius angenommen, gleichsam seine individuelle Erscheinung und örtliche Begrenzung, sein numen in persönlicher Vergegenwärtigung für den Cultus: wieder ein neuer und merkwürdiger Beweis von der Hinneigung des alten italischen Glaubens zur rein geistigen und jeder irdischen Berührung entrückten Auffassung des Wesens der Götter.

Eine allgemeine Benennung dieser ganzen Klasse, wie im gewöhnlichen griechischen Sprachgebrauch das Wort δαίμονες, giebt es im Lateinischen nicht; doch hat das Wort genius einen sehr umfassenden Sinn. Offenbar hängt es zusammen mit gens, geno, gigno, so daß also genius eigentlich ein schöpferisches und beseelendes Wesen ist, welches wo sich immer ein eigenthümliches Leben regt unsichtbar thätig ist, sowohl im Ganzen und im Großen als im Einzelnen und im Kleinen. Dieses wollte namentlich Varro sagen, wenn er bei Augustin C. D. VII, 13 den Genius schlechthin, welchen er zu den diis selectis rechnete, als den Gott definirte, qui praepositus est ac vim habet omnium rerum gignendarum, und an einer andern Stelle den Genius geradezu mit der vernünftigen Seele jedes einzelnen Menschen identificirte, daher es so viele Genien gebe als einzelne Menschen, der Universalgenius der Welt aber für identisch mit Gott oder der göttlichen Weltseele gelten müsseIbid. Alio loco genium dicit esse uniuscuiusque animum rationalem et ideo esse singulos singulorum: talem autem mundi animum Deum esse, – ut tanquam universalis genius ipse mundi animus esse credatur. Vgl. ib. VII, 23, nach welcher Stelle Varro in diesem Abschnitte vom Genius drei verschiedene Stufen der Seele unterschied, die der vitalen Lebenskraft, welche sich in den organischen Theilen des Körpers offenbare, die der sinnlichen Empfindung d. h. die Thätigkeit der fünf Sinne, und endlich drittens die Seele als Geist, als Intelligenz, wodurch die menschliche Seele den Vorrang vor allen thierischen habe und den Göttern verwandt sei. Diese Seele nun heiße im Weltganzen Gott, in uns Einzelnen Genius (hanc partem animae mundi dicit deum, in nobis autem genium vocari).: 68 bei welchen Erklärungen sich Varro wieder von der stoischen Philosophie hat leiten lassen. Doch muß den römischen Theologen diese Ableitung des individuellen Genius aus der allgemeinen Gottheit auch sonst geläufig gewesen sein, da es auch in der Definition eines gewissen Aufustius bei Paul. D. p. 94 heißt, der Genius sei deorum filius et parens hominum, ex quo homines gignuntur, also eine Art von mittlerer Kraft zwischen den Göttern und Menschen, durch welche die Götter die Menschen entstehen lassen und behüten, während es umgekehrt die Menschen beim Gottesdienste zunächst nur mit den Genien der Götter, nicht direct mit diesen zu thun haben würden. Indessen darf diese schöpferische Kraft nicht allein auf die Menschen beschränkt werden, da man nicht weniger innig von einer unsichtbaren Obhut der Genien über ganze Geschlechter, über Städte und Völker, endlich über alle durch ein bedeutendes Naturleben oder eine eigenthümliche moralische Wirkung ausgezeichnete Stätten überzeugt war: wie dieses alles bei Servius V. G. 1, 302 in den Worten zusammengefaßt wird: genium dicebant antiqui naturalem deum uniuscuiusque loci vel rei vel hominis, vgl. Paul. p. 94 Alii genium esse putarunt uniuscuiusque loci deum: so daß es also in der Natur des Genius lag sich eben so sehr nach örtlichen als nach persönlichen Beziehungen zu individualisiren. Noch Andre hielten den Genius mehr für das absolut Drastische und Energische, indem sie mit ihren Erklärungen auf die Wurzel gerere zurückgingen, s. Paul. p. 94 genium appellabant deum, qui vim obtineret rerum omnium gerendarum. Ib. p. 95 Geniales (dii) dicti a gerendo, quia plurimum posse putabantur, quos postea gerulos appellaruntGloss. Labb. Geruli πρακτῆρες, gerulus ἀνύτης, διοικητικός.. Martian Cap. II, 152 specialis singulis mortalibus genius admovetur, quem etiam praestitem, quod praesit gerundis omnibus, vocaverunt. Eine etymologisch zwar falsche, aber in der Sache richtige Erklärung, da diese absolute 69 und allgegenwärtige Activität eben ganz vorzugsweise zum Wesen des Genius gehörte.

Indessen pflegte die ältere Zeit diese dämonischen Wirkungen doch immer ganz vorzugsweise als zeugerische und schöpferische aufzufassen. Genius meus heißt es bei Paul. p. 94 in diesem Sinne ganz richtig, nominatur qui me genuit, daher der Genius in den Familien vorzugsweise in dieser Bedeutung verehrt wurde d. h. als genius natalis und am Geburtstage auch als genius generis, wie Laberius sagte, Non. Marc. p. 119, Genius generis nostri parens, also als das fortzeugende, die Familie von einer Generation zur andern erhaltende Princip. Ueberhaupt konnte eben deshalb von einem Genius nur bei Männern und Begriffen männlichen Geschlechts die Rede sein, bei Frauen nur von einer Juno, der idealen Personification alles Weiblichen und Empfänglichen. Auch stimmt damit überein der äußerst inhaltsreiche und vielseitige Gebrauch des Adjectivs genialis, welches in den verschiedensten Beziehungen des Lebens und der Natur das Zeugende, Ueppige, Fröhliche und Heitre bedeutet, weil der Begriff einer göttlichen Zengung nicht ohne den der Fülle und des überschwenglichen Segens gedacht werden konnte. Daher sagte man genialis lectus vom Ehebette, wo der Genius der Familie segnend und befruchtend waltet, daß es dem Hause nie an Kindern fehle, s. Paul. p. 94, Arnob. II, 67, Horat. Ep. I, 1, 87, Cic. Cluent. 5 extr. u. A.Ovid. A. Am. I, 125 ducuntur raptae, genialis praeda, puellae. Stat. Silv. II, 3, 108 genialia iura d. h. coniugalia., sagte aber auch geniales homines von gastlich freigebigen, qui ad invitandum et largius apparandum cibum promtiores essent, nach Santra b. Non. Marc. p. 117. Daher die Redensart genium suum defrudare von einem kärglichen Lebensgenuß, und in entgegengesetzter Bedeutung genio indulgere, weil der natürliche Gemüthszug des Genius die Fülle des Lebens und seiner Güter istBei Plautus ist dieser Gebrauch des Wortes sehr häufig. Einer der Geld hat erklärt Persa II, 3, 11 nunc et amico meo prosperabo et genio meo multa bona faciam. Ein anderer, dem Geld entwendet ist, klagt Aulular. IV, 9, 15 egomet me defraudavi, Amicum meum geniumque meum. Trucul. I, 2, 80 heißt es: Sed isti qui cum geniis suis belligerant parci promi, und von einem Gutschmecker Pers. I, 3, 28, Sapis multum ad genium. Sehr häufig heißt auch der gute Freund genius meus. Vgl. Terent. Phorm. I, 1, 11 Quod illi unciatim, vix de demenso suo Suum defrudans genium comparsit miser.. Ferner 70 genialis hiems von dem gastlich heiteren und gastlichen Leben im Winter, wo die Saturnalien gefeiert wurden, Virg. Ge. I, 302, festum geniale Ovid. F. III, 523, genialia serta Met. XIII, 929, geniale rus Heroid. XIX, 9, genialis Musa Amor. III, 15, 19, genialis dies Juven. IV, 66 u. s. w. Endlich auch in dem Naturleben von allem productiven Segen und physischer Schöpfungskraft, s. Ovid. Met. IV, 14 genialis consitor uvae, X, 95 platanus genialis, Plin. H. N. XVII, 9, 6 genialis copia pecudum, Stat. Theb. XII, 618 Bacchus et Ceres – geniales dei: daher dasselbe Wort bei gewissen Dichtern oder Philosophen selbst von den vier Elementen und von den Gestirnen gebraucht worden war, weil auch von ihnen ein mächtiger Einfluß auf Leben und Geburt abgeleitet wurde, s. Paul. p. 95 geniales deos dixerunt aquam terram ignem aerem; ea enim sunt semina rerum. – Duodecim quoque signa, lunam et solem inter hos deos computabant.

Dazu stimmt aber auch das andere ältere und allgemein in Italien verbreitete Wort für den Begriff des Genius, Cerus oder Kerus, welches mit creo und Ceres verwandt ist und auf die Sanskritwurzel kri = kar d. i. facere zurückweist, also eigentlich auch wieder einen schöpferischen Geist bedeutete. So wurde in dem alten Liede der Salier Cerus Manus in dem Sinne von creator bonus gesagt, Paul. p. 122, und wirklich ist bei Varro l. l. VII, 26 ein Bruchstück dieses Liedes erhalten, wo es vom Janus heißt duonus cerus es d. h. bonus creator esTh. Bergk Ind. lect. Marb. hib. 1847–48 p. VIII.. Dazu kommt die Inschrift einer in Vulci gefundenen, jetzt zu Rom im Gregorianischen Museum aufbewahrten Schale KERI POCOLOM d. i. Ceri poculum, endlich der häufige Gebrauch der Namen Cerfus und Cerfia in Verbindung mit andern Götternamen auf den umbrischen Tafeln aus IguviumAufrecht und Kirchhoff, umbr. Sprachdenkm. 2, 265., und der entsprechende Gebrauch des Substantivs kerries d. i. genius und des Adjectivs kerrieireis d. i. genialis in der oskischen Weihinschrift von Agnone, immer von erzeugenden und befruchtenden Gottheiten des ländlichen Gottesdienstes, den Flüssen, den Lymphen, dem Hercules u. s. w.Mommsen Unterital. Dial. S. 128. 133. 270.. Auch das alte Wort ceremonia oder cerimonia, welches im Wesentlichen dem Begriffe sanctimonia entspricht, wird am besten von diesem 71 Stamme abgeleitet werden, desgleichen der ältere Name des römischen Hercules Garanus, s. Verrius Flaccus b. Serv. V. A. VIII, 203, zumal da dieser Hercules, wie wir sehen werden, ganz wesentlich ein Genius der Fruchtbarkeit war. Ja ich möchte auch das alte Wort cerriti, welches wie lymphati und larvati von solchen gebraucht wurde, die einen Geist gesehen und darüber ihren Verstand verloren hatten, lieber von diesem Worte cerus als mit den gewöhnlichen Erklärern, z. B. Non. Marc. p. 44, 26 und Serv. A. VII, 377 von der Ceres ableiten, zumal da man dieselbe Wirkung den Geistern aller ländlichen Haine zuschrieb, in welchen, wie Servius V. Ecl. V, 40, I, 441 sagt, die Geister der Seligen (heroum animae) wohnten. Selbst der Name Ceres scheint in alter Zeit nicht blos im weiblichen, sondern auch im männlichen Geschlechte gebraucht zu sein, gerade so wie es eine weibliche und einen männlichen Pales gabArnob. III, 40 Caesius (wohl Caecina s. S. 61) et ipse has sequens (sc. disciplinas Etruscas) Fortunam arbitratur (esse Penates) et Cererem Genium Iovialem ac Palem, sed non illam feminam quam vulgaritas accipit, sed masculini nescio quem generis ministrum Iovis ac villicum. Gewöhnlich interpungirt man Cererem, Genium Iovialem, aber vgl. Servius A. II, 325 Tusci Penates Cererem, Palem et Fortunam dicunt..

Die Genien waren den Laren so nahe verwandt, daß schon die Alten die Identität dieser Wesen ziemlich allgemein anerkannten, s. Censorin d. d. nat. 3 Eundem esse genium et larem multi veteres memoriae prodiderunt, in quis etiam Granius Flaccus in libro quem ad Caesarem de Indigitamentis scriptum reliquit, und in der That entspricht namentlich der lar familiaris genau dem genius generis. Die Laren aber können wieder nicht ohne die Penaten gedacht werden, mit denen sie gewöhnlich zusammen verehrt wurden und von denen sie sich nur durch die speciellere Beziehung auf den Haushalt und Hausstand unterschieden, während die Laren gewöhnlich für die verklärten Geister der Verstorbenen aus der Familie gehalten wurden. Beide, die Laren und die Penaten, walten aber auch auf dem Lande, auf den Straßen, desgleichen in der Stadt als dämonische Behüter der Straßenquartiere, endlich im Mittelpunkte des gesammten Gemeindelebens als Lares Praestites und Penates Publici, immer mit der vorherrschenden Beziehung auf menschliche Ansiedelung und menschlichen Verkehr, daher namentlich die Penaten der Vesta so nahe standen. Und 72 eben wegen dieser specifischen Beziehung auf das häusliche, gesellige, bürgerliche Leben treten sie durchweg als eine eigne Klasse aus dem allgemeineren Geschlechte der Genien heraus, obwohl diese als genii locorum und populorum und als die dämonischen Triebe und Schutzgötter so vieler Corporationen und Stiftungen, der Gewerke, der Heere von jenen oft sehr schwer zu unterscheiden sind. Penates ist ohnehin nur ein Adjectiv, bei welchem man am natürlichsten genii ergänzen wird. Das Wort lar dagegen entsprach wenigstens in dem benachbarten Etrurien dem griechischen ἄναξ, freilich in andrer Declination, da man lars lartis von dem hohen Adel sagte, z. B. Lars PorsennaLiv. II, 9. Daher Larth Larthia oft als Ehrenname auf etruskischen Grabschriften vorkommt. Der Unterschied in der Declination wird von den lateinischen Grammatikern angemerkt, s. Charis. I, 142 p. 110 und den alten Zusatz zu Priscian V, 3 T. I p. 175 ed. Krehl. Auf etruskischen Spiegeln ist Lasa wiederholt der Name einer weiblichen Flügelfigur, Gerhard I. 37. 181, Lala der der Mondgöttin, ib. 45., während im Lateinischen die lares oder lases immer nur verklärte Geister sind, Schutzgeister der Flur, der Wege, der Häuser, die als Selige der Vorzeit gedacht wurden. Daher die altlatinische Todesgöttin Lara oder Larunda, welche auch die Mutter der Laren und Mania genannt wurde, desgleichen Acca Larentia, eine Personification der römischen Stadtflur und ihres tellurischen Segens. Auch ist larva offenbar dasselbe Wort wie lar, nur daß dieser immer männlich und als Schutzgeist gedacht wurde, larva dagegen weiblich und als anima, ψυχή d. h. als die umgehende Seele eines Verstorbnen, als Spukgeist, woran sich sehr natürlich die Vorstellung einer Strafe schloß, so daß die Laren auch für die verklärten Geister der Guten, die Larven und die gleichbedeutenden Lemuren für die rastlos umschweifenden Geister böser Menschen genommen wurden. Daß ein solcher Unterschied in dem gewöhnlichen Todtendienste nicht gemacht wurde, beweist der alte und allgemein verbreitete Gebrauch des Wortes Manes von allen Verstorbenen, namentlich mit dem Zusatze Divi Manes d. h. die durch den Tod und die Weihe der Bestattungsgebräuche geläuterten, erhöhten und gleichsam consecrirten Verstorbenen, welche fortan wie andre Götter und Geister verehrt wurden. Denn Manes sind eigentlich die Lichten, die Reinen, die Guten, daher mane und Mater Matuta von dem aufsteigenden Lichte des jungen Tages und seiner 73 Göttin, manus in der Bedeutung von bonus, clarus, prosper, immanis in der Bedeutung unseres ungeheuerVarro l. l. VI, 4 Diei principium mane, quod tum manat dies ab oriente, nisi potius quod bonum antiqui dicebant manum, ad quoiusmodi religionem Graeci quoque quom lumen adfertur solent dicere φῶς ἀγαϑόν. Paul. p. 122 Matrem Matutam antiqui ob bonitatem appellabant – et Inferi Dii Manes, ut suppliciter appellati bono essent. lb. p. 125 Mane a Diis Manibus dixerunt, name mana bona dicitur. Non. Marc. p. 66. Manum dicitur clarum. – Inde volunt etiam Deos Manes manes appellari i. e. bonos ac prosperos. – Inde immanes non boni, ut saepe. Vgl. Serv. V. A. III, 63. Die Elben oder Elfen sind nach Grimm D. M. 413 ursprünglich lichte, weiße, gute Geister. Ueber die Holden, Holdichen, Holderchen, die sich zur Frau Holde verhalten, wie die Manen zur Mania, s. ib. 425., dahingegen die Manen den Holden und Elben unsrer deutschen Mythologie entsprechen. Ein verklärtes Volk der Geister, welche unter der Obhut der Mania, der mater larum, Varro l. l. IX, 61, die stille Erdtiefe bewohnen und deshalb auch die Stummen, Silentes, und die Unteren, Inferi, genannt wurden, wie Lara oder Mania selbst schlechthin »die Stumme« hieß, s. Ovid. Fast. II, 581 ff. Indessen konnten auch sie recht gut zu dem allgemeinen Geschlechte der Genien gerechnet werden, wie diese denn sehr häufig auch als die verklärten Geister der Verstorbnen gedacht und deshalb an Gräbern verehrt und angerufen wurdenS. die reiche Sammlung von Grabinschriften bei Fabretti Inscr. p. 70 sqq. und Orelli n. 1723 ff. Auch Junones von Verstorbenen gab es, Fabr. p. 74.. Ja die Manen wurden von späteren Erklärern geradezu mit den Genien identificirt und der früher nur von Verstorbenen gebrauchte Name nun auch von den Schutzgeistern der Lebenden gebrauchtServ. V. A. III, 63 Sunt etiam qui putent Manes eosdem esse, quos vetustas Genios appellavit, duosque Manes (ein guter und ein böser Dämon) corporibus ab ipsa statim conceptione assignatos fuisse, qui ne mortua quidem corpora deserant consumptisque etiam corporibus sepulcra inhabitent. Es sind die Neuplatoniker s. Augustin C. D. IX, 11.. Selbst Varro, welcher sich nach seiner Art zugleich von den positiven Gründen der Alterthumsforschung und von der griechischen Philosophie bestimmen ließ, erklärte wo er jenen folgte die Laren, Manen und Larven d. h. die Geister der Verstorbnen in gewißer Hinsicht für GenienArnob. III, 41 Varro similiter haesitans nunc esse illos (sc. lares) Manes et ideo Maniam Matrem esse cognominatam Larum, nunc aerios rursus deos et heroas pronuntiat appellari, nunc antiquorum sententias sequens larvas dicit lares, quasi quosdam genios et defunctorum animas..

74 Also ein sehr weit verbreitetes Reich der Geister, welches sich die späteren Theologen nach der herkömmlich gewordenen Eintheilung der Welt in den höheren Lichtkreis des gestirnten Himmels und in die sublunarische Welt des irdischen Luft- und Nebelkreises an diese letztere gebunden dachten. So lehrt auch Varro bei Augustin C. D. VII, 6, die ganze Welt sei voll von Geistern (animae) aber nur die im Aether lebenden Geister der leuchtenden Sterne, die man mit leiblichen Augen sehen könne, seien unsterblich, nicht die Nebelgeister der Luft, des Wassers, der Erde, des sublunarischen Kreises überhaupt, welche man nicht sehen könne, dieselben Geister welche im gewöhnlichen Gottesdienste als Heroen, Laren und Genien verehrt würden. Aehnliche und noch weiter ausgeführte Unterscheidungen findet man bei Apulejus und bei Martianus Capella II, 155–162, wie sich denn die spätere Theologie und Philosophie, vollends seitdem sie von den Neuplatonikern beherrscht wurde, immer mit ganz besondrer Vorliebe auf die Dämonologie des älteren Volksglaubens eingelassen hat. Dieser selbst aber kannte solche Eintheilungen und Abgrenzungen natürlich nicht, der der Griechen und der italischen Bevölkerung um so weniger, da eine ähnliche Verehrung der Gestirne, wie sie im Oriente gewöhnlich war und sich später von dort auch über den Occident verbreitet hat, beiden fremd war. Wohl aber kannte der italische Genienglaube nicht blos Genien der Menschen, der irdischen Verhältnisse, der Verstorbenen, sondern auch Genien der Götter, ein sehr eigenthümlicher Glaube, welcher eben deshalb nicht leicht zu erklären ist. So heißt es in einer merkwürdigen Inschrift aus Furfo im Lande der Vestiner bei Mommsen I. N. n. 6011, Orelli n. 2488, der Stiftungsurkunde eines Tempels des Iupiter Liber v. J. 58 v. Chr.: Sei quei ad hoc templum rem deivinam fecerit Iovi Libero aut Iovis Genio, pelleis coria fanei sunto, und in den Urkunden der Arvalischen Brüder t. 32 und 43 wird auf dieselbe Weise neben der Hauptgöttin des Haines, der Dea Dia, eine Iuno Deae Diae genannt, wie bei Or. n. 1882 eine Iuno der Isis Victrix. Eben dahin gehört der Genius Iunonis Sospitae bei Martian Cap. 1, 54, ein Genius Priapi bei Petron. 29, ein Genius Famae bei Martial VII, 12, 10, ein Genius Forinarum, welche Göttinnen zu Rom verehrt wurden, bei Or. n. 49. 1712, ein Genius Somni bei Or. n. 1681: neben welchen Stellen und Inschriften des eigentlich römischen Sprachgebrauchs viele ähnliche aus verschiedenen Gegenden des Reiches beigebracht werden können: Or. n. 1731 Genio 75 Asclepii aus der Gegend von Lecco am Comer See, Ib. n. 1351. 1352 Genio Martis aus Rheinbaiern, Henzen n. 5866 Genio Mercurii Alauni aus Mannheim, Creuzer D. Schr. II, 2, 361 ff. Genio Apollinis aus dem badischen Unterrheinkreise, Seidl Dolichenuscult S. 69 n. 43 Genium I. O. M. D. d. h. Iovis O. M. Dolicheni aus Niederöstreich. Also eine eben so weit verbreitete und ausdauernde als in ihrer Wurzel gewiß italische und altrömische Vorstellung, deren Grund und Absicht auf verschiedene Weise erklärt worden ist. Einige, wie Creuzer a. a. O. haben sich diese Genien der Götter als deren Ausflüsse und Epiphanieen gedacht, oder mythologisch aufgefaßt als zeugungsfähige Söhne, Boten und Diener der Götter, deren Namen sie führen, Andre, wie Schömann und UkertUkert über Dämonen, Heroen und Genien in den Abh. d. Philol. Histor. Cl. der K. Sachs. Gesellsch. d. W. I, 137–219, Schömann de Dis Manibus, Laribus et Geniis, Opusc. acad. I, p. 350–380., als untergeordnete und dienende Gehülfen, wie die δαίμονες πρόπολοι im Cultus der Griechen: gegen welche Erklärungen vorzüglich dieses spricht, daß bei jedem Gottesdienste immer nur ein Genius genannt wird, nicht mehrere, selbst dann nicht, wenn die angebetete Gottheit selbst im Plural benannt ist z. B. Genius Forinarum. Es scheint mir deshalb richtiger diese Genien den geniis locorum unterzuordnen, so daß sie für die Repräsentanten der in einem bestimmten örtlichen Cultus verehrten Gottheit zu halten wären, welche gleichsam für und anstatt dieser Gottheit die Opfer, Gebete, Gelübde der Frommen in Empfang nehmen: also für das localisirte numen dieser Gottheit, wie sich denn in der That in der Praxis des römischen Gottesdienstes die Begriffe numen und genius sehr nahe standen, vgl. Or. n. 1770 aus Rom: Numini Fortis Fortune, Ib. n. 2192 Sacerdos Publ. Numinis Cap[uani], Henzen n. 5758a, die Inschrift eines Quellenhauses: Numini Aquae Alexandrianae, bei Fabr. p. 77, 87 sogar ein Genius Numinis Fontis. Womit übrigens nicht in Abrede gestellt werden soll daß hin und wieder diese Genien wirklich in eine genealogische Verbindung mit den Göttern, welche sie zu vertreten hatten, gebracht oder auch mythologisch für deren Diener und Gehülfen angesehen worden sind, vgl. den schon einmal angeführten Ausspruch des Aufustius bei Paul. p. 94 Genius est deorum filius et parens hominum. Namentlich scheint die Theologie der Etrusker in dieser Hinsicht sehr weit gegangen zu sein, da z. B. das wunderbare Kind Tages, ein Kind an 76 Jahren, grau vor Weisheit, welches bei Tarquinii im frischgepflügten Felde auftauchte und den Lucumonen Etruriens die Grundzüge der Haruspicin offenbarte, Genii filius und nepos Iovis genannt wird, s. Fest. p. 359, Cic. de. Divin. II, 23, 50 u. A. Eben dahin gehört wohl auch die etruskische Lehre von den Penaten, über welche Arnobius III, 40 aus verschiedenen Schriftstellern allerlei Unklares zusammengetragen hat. Es werden nehmlich hier zuerst nach Nigidius vier Klassen der Penaten unterschieden, Penaten des Jupiter oder des Himmels, Penaten des Neptun oder der Gewässer, Penaten der Unterwelt und viertens die gewöhnlichen Penaten unter den Menschen auf der Erde, und darauf aus einem andern Schriftsteller als Penaten des Himmels, wie es scheint, namhaft gemacht: Fortuna, Ceres oder der Genius Iovialis und der männliche Pales, ein Diener und gleichsam der ländliche Statthalter des Jupiter, wie von ihm hinzugesetzt wird: wenn ich anders diese nachlässig excerpirten Bruchstücke einer dunklen Lehre richtig verstanden habeNigidius – disciplinas Etruscas sequens genera esse Penatium quatuor (prodidit) et esse Iovis ex his alios, alios Neptuni, Inferorum tertios, mortalium hominum quartos, inexplicabile nescio quid dicens. Caesius et ipse eas sequens Fortunam arbitratur et Cererem Genium Iovialem ac Palem etc. Vgl. oben S. 71 und O. Müller Etrusker 2, 88 ff..

Das Walten und Wirken der Genien wurde natürlich noch geisterhafter gedacht als das der Götter, daher sich die Vorstellung hier auch weit länger gegen die Bilder in menschlicher Gestalt gesträubt hat. Immer ist das Bild der Schlange im Volke das gewöhnliche für die Genien geblieben, selbst in Rom und nachdem die officielle Darstellung z. B. des Genius Populi Romani die menschliche geworden war. Was das Geschlecht betrifft, so ist der Begriff des Genius zwar männlich, doch ließ man es in gewissen Fällen dennoch dahingestellt sein (S. 56, 57), während sonst die Frauen anstatt der Genien ihre Iunones hattenPlin. H. N. II, 7 maior caelitum populus etiam quam hominum –, cum singuli quoque ex semetipsis totidem deos faciant, Iunones Geniosque adaptando sibi. und in solchen Häusern, wo Mann und Frau in blühender Ehe lebten, zwei Genien angenommen wurden, die sich hin und wieder durch die Erscheinung von zwei Schlangen, einer männlichen und einer weiblichen, am Ehebette offenbarten. Und so pflegte auch den Ortsgenien entsprechend eine weibliche Fortuna oder Tutela loci verehrt zu werden, obwohl der Genius schlechthin auch hier das Gewöhnlichere war. Endlich 77 ließ man auch hier gewisse ethische Unterschiede gelten, indem man lichte und dunkle, freundliche und feindliche, gute und böse Genien annahm, wobei es freilich schwer ist den griechischen Glauben der späteren Zeit von dem älteren italischen und griechischen zu unterscheiden. Da indessen nach italischem Volksglauben selbst unter den Göttern auf ähnliche Weise unterschieden wurde (S. 47), so mag es bei den Genien noch viel mehr der Fall gewesen sein, vollends bei den Etruskern, deren Dämonologie überhaupt sehr weit ausgebildet war und deren Gemüth ohnehin zum Schrecklichen und zur Selbstpeinigung neigte; wenigstens sind die Bilder und Gemälde ihrer Gräber sehr reich an allerlei Schreckgestalten der Geisterwelt. Doch darf man für gewiß halten, daß der gewöhnliche Glaube an den genius natalis für jeden Menschen nur einen solchen zuließ, welcher indessen je nach der individuellen Begabung, dem sittlichen Verhalten und dem Geschick oder Ungeschick des seiner Hut befohlenen Menschen selbst mächtiger oder ohnmächtiger, reiner oder weniger rein, geschickt oder ungeschickt galt, wie dieses später weiter ausgeführt werden wird. Hier sei nur auf den Excurs über die Genienlehre bei Ammian. Marc. XXI, 14 verwiesen, wo die eigne sittliche Anstrengung des Individuums ausdrücklich vorbehalten und dem Tüchtigen die unsichtbare Hülfe seines Genius versprochen wird, wie Scipio d. Ä., Marius und Octavian nur im Vertrauen auf ihren Genius und von demselben unterstützt so Außerordentliches hätten leisten können. Dagegen soll der Glaube an zwei Genien für jeden Menschen unter den griechischen Philosophen zuerst von dem Megariker Euklides ausgesprochen und nach diesem von dem römischen Dichter Lucilius weiter ausgeführt sein, Censorin d. d. n. 3, eine dualistische Lebensansicht welche hin und wieder zwar nachgesprochen wirdServ. V. A. VI, 743 cum nascimur duos Genios sortimur. Unus est qui hortatur ad bona, alter qui depravat ad mala: quibus assistentibus post mortem asserimur in meliorem vitam aut condemnamur in deteriorem., aber auf den herrschenden Glauben niemals Einfluß gewonnen hat.


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