Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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6. Angerona.

Rom hatte wie alle alten Städte seinen verborgnen Schutzgott, welcher ursprünglich als namen- und geschlechtsloser Genius gedacht wurde, daher man ihn mit der Zeit bald mit diesem bald mit jenem Gotte identificirte, männlichen und weiblichen, dem Jupiter, der Luna, der Angerona, der Ops Consivia, der FloraMacrob. S. III, 9, 4, Io Lyd. d. Mens. IV, 50. 51, vgl. oben S. 56, 57. Als der S. 33, 21 erwähnte Q. Valerius Soranus als Volkstribun den Namen dieses Schutzgottes öffentlich auszusprechen wagte, wurde er mit dem Tode bestraft, Plin. H. N. III, 5, 9, 65, Serv. V. A. I, 277.. An die Angerona pflegte man bei solchen 431 Muthmaßungen vorzüglich deswegen zu denken, weil sie mit dem Finger auf dem Munde abgebildet wurde, also als eine geheimnißvolle und verschwiegene Göttin, denn diesen Sinn hatte eine solche GebehrdeMan pflegt deshalb gewisse kleine nackte Frauenbilder, die als Amulete gedient haben, und andre Bilder der Art voreilig Angerona zu nennen, s. O. Jahn Leipz. Berichte 1855 S. 47. 48.. Weiter wissen wir von ihr nur, daß sie auch unter dem Namen Diva schlechthin oder als Diva Angerona verehrt wurde und als solche namentlich am 21. December ein Opfer bekam, welches ihr von den Pontifices in der Curia Acculeia oder Occuleia, einem Heiligtliume der Volupia dargebracht wurdeVarro l. l. VI, 23 Angeronalia ab Angerona, cui sacrificium fit in curia Acculeia et cuius feriae publicae is dies. Vgl. die Kalender z. 21. Dec, von denen das Maff. den Tag DIValia nennt, Verrius Flaccus aber zu den Fast. Praen. eine leider verstümmelte Anmerkung macht, welche vielleicht zu lesen ist: Feriae Diva(les) appell(antur) . . . . in ar(a curiae) Occul(eiae). Mehr bei Macrob. I, 10, 7, vgl. Paul. p. 17 Angeronae Deae und die Glossae Labb. p. 12; welche die Angeronia für eine Göttin τῆς βουλῆς καὶ καιρῶν erklären.. Auch das Bild der Angerona stand auf dem Altare dieser Göttin eines vergnüglichen, behaglichen Wohlseins, denn so ist der Name Volupia zu verstehnEnnius Annal. 247 quocum multa volup ac gaudia clamque palamque. Daher die Volupia auch unter den Gottheiten puerilis aetatis angerufen wurde, neben der Venilia und Libentina.. Das Heiligthum dieser Göttin lag in derselben Gegend wo sich das Grab der Acca Larentia befand, und so fällt auch jenes Opfer der Angerona der Zeit nach einerseits mit dem des Saturnus und der Ops, andrerseits mit dem der Acca Larentia nahe zusammen: daher die Vermuthung nahe liegt daß sie eine der Ops, der Acca Larentia, der Dea Dia verwandte Göttin der römischen Stadtflur gewesen, welche eben deshalb auch als Schutzgöttin von Rom gedacht werden konnte. Die geheimnißvolle Gebehrde des Schweigens würde dann auf die verborgene Tiefe der Unterwelt deuten, das nahe Verhältniß zur Volupia auf ähnliche Weise zu erklären sein wie der buhlerische Character der Acca Larentia und der Flora. Den Namen Angerona deuten die Alten nach ihrer Weise sehr willkürlich, bald durch die Sorgen und Beängstigungen (angores), von denen man durch sie befreit werde, bald durch eine seuchenartige Bräune (angina), an welcher Menschen und Vieh gelitten, bis Angerona geholfen habe. Wahrscheinlich liegt derselbe Stamm zu Grunde 432 wie bei der marsischen Angitia und dem volskischen Iupiter Anxur, s. S. 238. 362.


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