Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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6. Diana.

Diana, später gewöhnlich nach Art der griechischen Artemis an der Seite Apollos verehrt, ist in Italien ursprünglich eine von diesem unabhängige, alteinheimische Göttin, wie darauf schon der Name deutet, welche in der weiblichen Form dem männlichen Ianus entspricht (S. 149). Mithin ist sie eigentlich eine himmlische Macht und Mondgöttin, obwohl diese erste Naturbedeutung in den uns bekannten Gottesdiensten zurücktritt. Wohl aber bestätigt sich der allgemeine Character der Mondgöttinnen auch bei ihr in der Uebertragung auf das Naturleben in Feld und Busch und im feuchten Grunde, ferner auf die durch den Mond bestimmten Wandlungen des menschlichen Gemüths und des weiblichen Geschlechtslebens, endlich auf Jagd und Krieg und körperliche Rüstigkeit des Mannes. Daß Diana so gut wie Janus bei den Sabinern verehrt wurde, lernt man aus Varro l. l. V, 74. Genauer ist die Diana der Aequer, Herniker und Latiner bekannt, von denen jene diese Göttin seit alter Zeit auf dem rauhen, stark mit Eichen bewaldeten Gebirge von Algidum hinter Tusculum verehrten, welches sehr oft in den Kämpfen der Aequer und Römer genannt wird und ehemals ein Mittelpunkt der Zusammenkünfte jener Nation, später durch seine den römischen Pontifices gehörigen Viehweiden bekannt warHorat. Od. 1, 21, 6, III, 23, 9, IV, 4, 58, Carm. Sec. 69, vgl. Abeken Mittelitalien S. 215. Algidum ist die Stadt, von algor und algere, Algidus der Berg. Vgl. Virgil Aen. VII, 746 horrida praecipue cui gens assuetaque multo venatu nemorum duris Aequicula glebis.. Ferner gab es einen 278 berühmten Hain der Diana in der Nähe von Anagnia, der Hauptstadt der Herniker (Liv. XXVII, 4) und einen andern, dem ganzen Latium seit alter Zeit heiligen und wegen seiner schönen Buchen berühmten, welcher Corne hieß, in der Nähe von Tusculum (S. 100). Vor allen übrigen aber war in der ganzen Nachbarschaft berühmt und gefeiert der Hain und das Heiligthum der Diana von Aricia am See von Nemi, welcher eben von diesem Haine (nemus) seinen Namen bekommen hat, nach welchem auch Diana gewöhnlich schlechthin Nemorensis genannt wurde. Er lag an derselben Stelle wo jetzt das Städtchen Nemi liegt und wo schon im Alterthume neben den vielbesuchten Heiligthümern ein Ort entstanden war, in einer quellenreichen und einsam ländlichen Gegend, welche mit der Aussicht auf den schönen und heimlichen See, den man den Spiegel der Diana nannte (Serv. V. A. VII, 515), und seine wohlbestellten Rebengehänge eine der lieblichsten des Albaner Gebirges ist. Neben der Diana wurde in diesem Haine ein männlicher Daemon Virbius verehrt, dessen Name wahrscheinlich mit dem der Viren d. h. der Wald- und Raumnymphen zusammenhängtS. oben S. 88. Vgl. Grut. 1011, 1 Dianae et Viribus Sacrum, ib., 89, 9 Viribus Sacrum, mit einem auf Jagd bezüglichen Relief, Or. n. 2324 Nymphis et Viribus Augustis L. Granius etc. – fontem et omne opus. Vgl. Cassiodor Orthogr. 6 alii deum qui Viribus praesit interpretantur, was Ruttmann Mythol. 2, 152 nicht richtig verstanden hat.. Man verglich ihn mit dem griechischen Hippolytus, den Aesculap, nachdem er durch die wilden Rosse des Poseidon den Tod gefunden, wieder erweckt und Diana in diesen entlegenen Hain entrückt habe, der deshalb von Pferden nicht betreten werden durfteVirg. Aen. VII, 761 ff. und Servius zu vs. 761, vgl. Ovid F. III, 265 ff., VI, 731, Metam. XV, 545 u. A. Ein flamen Virbialis wird mehrfach erwähnt, s. Or. n. 2212. 4022. 4102, Mommsen I. N. n. 2456.. Seine Gestalt entsprach einem in der Nähe von Aricia aufgefundenen Bilde nach zu urtheilen ganz der der jagenden Waldgöttin DianaS. Uhden in den Abh. der Berl. Akad. 1818 S. 189 ff. Das bei derselben Ausgrabung vom J. 1791 gefundene alterthümliche Relief, welches im Almanach aus Rom von Sickler und Reinhart 1810 S. 85 abgebildet ist, bezieht sich aber nicht auf den Auftritt eines neuen Rex Nemorensis, sondern es stellt nach der wahrscheinlichsten Erklärung den Mord des Aegisth dar. Nach Ovid Met. XV, 538 ist vorauszusetzen, daß Virbius gewöhnlich nicht als Jüngling, sondern als Mann gedacht wurde. Nach Serv. V. A. VII, 784 durfte sein Bild nicht berührt werden. Der clivus Virbii bei Pers. S. VI, 56 Schol., wo die Bettler Posto zu fassen pflegten, ist vermuthlich identisch mit dem in Urkunden des 9. und 10. Jahrh. erwähnten clivus Aricinus in der Gegend von Genzano, in welcher Gegend auch das von Uhden besprochne Bild des Virbius sammt andern Alterthümern zum Vorschein gekommen ist., so daß er 279 also ein dieser Göttin gleichartiger Genius oder Indiges des Waldes und der Jagd gewesen sein muß, der zugleich für den ältesten König und Priester der Diana galt, den ersten Rex Nemorensis, der als solcher den seltsamen Brauch gestiftet haben soll, welcher sich auch später erhalten hatte. Das Priesterthum dieses sogenannten Rex Nemorensis d. h. des Oberpriesters und Oberaufsehers bei diesem Dienste war nehmlich nur durch blutigen Kampf zu erlangen, indem es demjenigen als Preis zufiel, welcher, nachdem er von einem bestimmten Baume im Haine der Diana einen Zweig abgebrochen hatte, den derzeitigen Inhaber der Stelle im Zweikampfe erschlug: eine Aufgabe welche später flüchtigen Sklaven überlassen bliebStrabo V p. 239, wo wohl zu lesen ist: ὑπέρκειται δ’ αὐτῆς (über Aricia), τὸ μὲν Λανούιον – ἐν δεξιᾷ τῆς Ἀππίας ὁδοῦ, – τὸ δ’ Ἀρτεμίσιον, ὃ καλοῦσι Νέμος, ἐκ τοῦ ἐν ἀριστερᾷ μέρους τῆς ὁδοῦ τοῦς ἐξ Ἀρικίας ἀναβαίνουσιν. τῆς δ’ Ἀρικίνης τὸ ἱερὸν λέγουσιν ἀφίδρυμά τι τῆς Ταυροπόλου u. s. w. Vgl. Sueton Cal. 35, Pausan. II, 27, 4, Serv. V. Aen. VI, 136, Ovid Met. XV, 497, A. Amat. 1, 259, Lucan. III, 84 ff., VI, 73, Sil. Ital. IV, 366. Die Geschichte des Orest, welche schon bei Cato und Varro erzählt wurde, s. bei Solin 8, Prob. Virg. Ecl. prooem., Serv. V. A. II, 116, Hygin. f. 261.. Dieser blutige Gebrauch vermochte die Griechen, die Diana von Nemi mit ihrer scythischen Tauropolos zu vergleichen, daher mit der Zeit sogar behauptet wurde, daß Orestes das Bild dieser Göttin über Rhegium nach Aricia und in dieses Heiligthum gebracht habe. Doch möchten sonst wenig Berührungspunkte da gewesen sein, da die latinische Diana im Uebrigen ganz die gute und gnädige Göttin der Natur und des weiblichen Geschlechts, namentlich der Entbindung war; daher auch die Nymphe Egeria in ihrer Umgebung verehrt wurde, angeblich dieselbe welche Rom als die beseelende Göttin und Gattin des Numa unter den Camenen verehrte, eine Quellen-, Geburts- und Heilgöttin, welche in diesem Haine der Diana für die Pflegerin des Virbius galtOvid Fast. III, 273 ff., Met. XV, 485 ff., Martial. VI, 47.. Für den ersten Begründer des Cultus galt nach Aricinischer Ueberlieferung Manius Egerius, der Ahnherr eines berühmten GeschlechtsFest. p. 145 Manius Egeri[us lucum] Nemorensem Dianae consecravit, a quo multi et clari viri orti sunt et per multos annos fuerunt, unde et proverbium: Multi Mani Ariciae. Vgl. Pers. S. VI, 55 c. Schol., dessen Name sich deutlich auf den frühen Morgen und auf leichte Geburt 280 bezieht. Nach der Zerstörung von Alba Longa war der Hain eine Zeitlang das gemeinschaftliche Heiligthum von Tusculum, Aricia, Lanuvium, den Laurentern, Cora, Tibur und den Rutulern von Ardea gewesen, und der Tusculaner Egerius Laebius hatte den Hain der Diana gelegentlich im Namen dieser Gemeinden als latinischer Dictator eingeweihtCato bei Priscian IV, 4 p. 153 Kr. Lucum Dianium in nemore Aricino Egerius Laebius Tusculanus dedicavit dictator Latinus. Hi populi communiter: Tusculanus, Aricinus, Lanuvinus, Laurens, Coranus, Tiburtis, Pometinus, Ardeatis Rutulus . . . . Vielleicht folgten noch mehr Namen. Tusculum und Aricia erscheinen auch sonst als Verbündete, s. Dionys V, 36.. Später kam die Oberaufsicht an Rom, welches die Reliquien des Orest bei einer uns nicht bekannten Veranlassung auf sein Forum und zwar in die Nähe des Saturnustempels versetzte. Sonst blieb der alte Cultus in seinem vollen Ansehn und Reichthum, so daß noch Octavian hier und bei der Fortuna von Antium, der Juno von Lanuvium, dem Hercules von Tibur ein Anlehn erheben konnteAppian de bello civ. V, 24 mit dem Zusatze, ἐν αἷς μάλιστα πόλεσι καὶ νῦν εἰσὶ ϑησαυροὶ χρημάτων δαψιλεῖς. Des Tempels gedenkt Vitruv. IV, 7. Das Topographische s. bei Bormann altlatin. Chorograph. 134 ff.. Das jährliche Fest fiel in die heißeste Jahreszeit und auf einen Tag der Idus, also des Vollmonds, vermuthlich in die Iden des August, welches auch der Festtag der Diana auf dem Aventin in Rom war. Es ist dabei von einem nächtlichen Fackelzuge die RedeStat. Silv. III, 1, 52 ff., dessen Beschreibung auf die Zeit der Hundstage und auf die Iden des August führt, welche mitten in die Zeit der Hundstage fallen. Vgl. Martial Epigr. XII, 67., wie diese Diana auch selbst mit der Fackel in der Hand abgebildet, also als die Göttin des nächtlichen Lichts gedacht wurde. Uebrigens war sie vorzugsweise eine Göttin der Frauen, die dort um glückliche Geburt und für ihr eheliches Leben zu beten und Gelübde zu thun pflegten und zum Dank für Gewährung heilige Binden und Votivtafeln an den Wänden des Tempels aufhingen und brennende Fackeln oder Lichter als fromme Gabe darbrachtenPropert. II, 32, 9, Ovid F. III, 267 ff, Gratius Fal. vs. 483 und die Inschriften bei Orelli n. 1453–56. Virg. Aen. VII, 764 nennt den Altar dieser Diana wegen der vielen Gaben und ihrer freundlichen Hülfe pinguis et placabilis.. Auch haben frühere Ausgrabungen in der Gegend von Nemi verschiedne Votivgeschenke von Frauen zu Tage gefördert, namentlich bekränzte Frauenköpfe und ein Relief, welches eine Entbindung darstellt. Doch war die Diana von Aricia auch Sospita im weiteren Sinne, 281 da auch von Männern zu ihr um Familienglück gebetet wurde, desgleichen Jagd- und Waldgöttin, als welche sie sowohl in diesem Haine als sonst in Latium gewöhnlich dargestellt wurdeVgl. den Bericht über eine ältere Ausgrabung zu Nemi und die Abbildungen bei Tomasinus de donariis c. 2, Graev. thes. T. XII p. 754. Auch die Inschrift bei Or. n. 1455 wurde bei dieser Gelegenheit gefunden, so wie eine Statue der Diana, welche durch Ludwig XIII. nach Frankreich kam und vielleicht die berühmte der Diana von Versailles ist. Auch die Diana aus Gabii, jetzt in der Glyptothek zu München, ist als Pflegerin des Wildes dargestellt, ein Reh haltend und mit einer Krone aus Rehböckchen geschmückt..

Außerdem war durch ganz Italien berühmt der Hain und Tempel der Diana Tifatina am Abhange des Berges TifataDer Name hängt zusammen mit tifa und tiba, d. i. Hügel, Berg, s. Varro r. r. III, 1, 6, Paul. p. 366, Mommsen Unterital. Dial. S. 300., etwa zwei Millien vom alten Capua, wo jetzt die Kirche S. Angelo in Formis mit einem kleinen Benedictinerkloster aus seinen Trümmern erbaut ist. Auch sie scheint zugleich Wald- und Jagdgöttin und eine Göttin der weiblichen Natur und des ehelichen Glücks gewesen zu seinVgl. Mommsen I. N. n. 3576. 3634. 3636. 3789, und Minervini im Bullet. Arch. Napol. 1856 n. 104 p. 41 sq.. Seit alter Zeit angesehn kam sie zu besonderm Ruhme durch Sulla, welcher in dieser Gegend nach einem Glück verheißenden Gesicht ein günstiges Treffen geliefert hatte und darum nicht allein das Gebiet des Tempels sehr erweiterte, sondern auch benachbarte Heilbäder zu diesem Gebiete schlugVellei. Paterc. II, 25, vgl. Plut. Sulla 6 und Mommsen I. N. n. 3575 Imp. Caesar Vespasianus Aug. Cos. VIII fines agrorum dicatorum Dianae Tifat. a Cornelio Sulla ex forma Divi Aug. restituit. Auch der Revers der Münze mit der Inschrift L. Buca und dem K. der Venus bei Riccio 2, 15 bezieht sich wahrscheinlich auf dieses Ereigniß., in welchem Besitze das Heiligthum der Diana noch durch Vespasian geschützt wurde. Neben den Heiligthümern war auch hier mit der Zeit ein bewohnter Ort entstanden.

In Rom gab es sporadisch auf und zwischen den Hügeln viele alte Heiligthümer und Haine der Diana, z. B. im Vicus Patricius zwischen dem Viminal und Esquilin, wo keinem Manne Eintritt vergönnt wurde (Plut. Qu. Ro. 3), ohne Zweifel weil die Göttin auch hier als Lucina, also nur von Frauen verehrt wurde. Ein andres lag auf der Höhe des Vicus Cyprius, wo Servius Tullius seinen Tod gefunden hatte (Liv. 1, 48), ein drittes auf der Coeliolus genannten Anhöhe, welche an den Caelius stieß (Cic. Harusp. resp. 15); ja man rühmte sich in Rom auch eines 282 Aktäon, in einer jener wunderlichen Stadtmärchen, die an die mittelalterlichen Mirabilia erinnern und wie diese meist aus misverstandnen Bildern der Vorzeit entstanden waren. Eins der später veralteten Thore der Befestigungen des Servius war mit Erz beschlagen und hieß deshalb p. Raudusculana. Auf dem Thorflügel sah man den gehörnten Kopf eines Mannes, den man Genucius Cipus nannte und mit dem griechischen Aktäon verglich, nur daß er nicht wie dieser ein Jäger war und von der Diana bestraft wurde, sondern da er als Prätor eben an der Spitze des Heeres zu diesem Thore hinauszog, wuchsen ihm plötzlich Hörner aus dem Kopfe hervor: ein Prodigium welches nach dem Ausspruche der Seher für ihn die königliche Würde, also für die Stadt den Umsturz der Republik bedeutete, daher Cipus als guter Patriot in seine Vaterstadt nimmer zurückgekehrt seiPlin. H. N. XI, 37, 45 Actaeonem enim et Cipum etiam in Latia historia fabulosos reor. Vgl. Val. Max. V, 6, 3, Ovid Met. XV, 565 ff.. Berühmter und wichtiger als alle übrigen Dianentempel aber war der auf dem Aventin, eine Stiftung des Servius Tullius, welche für die ältere Geschichte Roms und Latiums von großem Interesse ist. Es war nehmlich kein Heiligthum der Stadt Rom insbesondre, sondern ein Bundesheiligthum der Latiner insgemein, in welchem Umstande vermuthlich der Grund zu suchen ist, daß der Aventin lange nicht zum römischen Stadtgebiete gerechnet wurde und gelegentlich sogar das Ziel einer Auswanderung der Plebs war. Auch muß der bei der Gründung Roms verschmähte Hügel in der Zeit der Gründung dieses Bundesheiligthums noch ein ganz ländliches Ansehn gehabt haben, reich an Quellen und an schattigen Baumpflanzungen, wie er es auch später noch war, so daß die städtische Sage die Höhle des Cacus dahin verlegen und Picus und Faunus an seinen Abhängen ihr Wesen treiben lassen mochte: bis er später nach Aufhebung der alten latinischen Bundesverhältnisse zuerst als ager publicus zum römischen Gebiete geschlagen, dann vermöge einer lex Icilia parcelirt und unter die Plebejer vertheilt wurde. Der alte Hain und Tempel der Diana muß gleich beim Aufgange des Clivus Publicius gelegen haben, da Fulvius Flaccus bei dem durch C. Gracchus erregten Aufstande sich in dem Tempel wie in einer Burg festsetzte und längere Zeit gegen die auf jenem Clivus andringenden Feinde vertheidigteOros. Hist. V, 12 p. 316 Haverk., eine Stelle die von Becker S. 450 ff. und andern Topographen übersehen ist. Das Ianium ist das Dianium.. Noch Dionysius von Halikarnass sah in dem 283 Tempel die alte Bundesurkunde der Dedication, nach welcher derselbe von den Latinern und Römern auf gemeinschaftliche Kosten und mit einem Asyl gestiftet worden war und jährlich einmal bei allgemeiner Festversammlung der in dem Bunde vereinigten Stadtgemeinden gemeinschaftliche und eigne Opfer dargebracht werden sollten; auch sollten, wenn Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesgliedern ausgebrochen wären, dieselben bei diesem Gottesdienste durch ein aus den übrigen Gemeinden gebildetes Schiedsgericht ausgetragen werdenDionys. H. IV, 26. Als Bundesheiligthum und Zufluchtsort erscheint dieser T. der Diana auch bei Varro l. l. V, 43, wo der Name Aventinus u. a. erklärt wird ab adventu hominum, quod commune Latinorum ibi Dianae templum sit constitutum.. Das angeblich von Servius Tullius in diesem Tempel dedicirte Bild der Diana folgte dem Typus der ephesischen Diana, woraus mit der Zeit die verkehrte Meinung entstand daß Servius die ganze Idee eines Bundesheiligthums der Diana von den Griechen entlehnt habe. In der Vorhalle des Tempels sah man viele Generationen hindurch ein Paar mächtige Hörner angenagelt. Einst hatte sie, so erzählten die Priester der Diana, eine Kuh getragen, welche auf dem Hofe eines begüterten Sabiners das Licht der Welt erblickte, ein Thier von so wunderbarer Größe und Schönheit, daß die Seher dem Staate das Reich versprachen, dessen Bürger diese Kuh der Diana opfern würden. Also geht der Sabiner mit seinem Wunderthier nach Rom und auf den Aventin, wo der römische Priester, nachdem er den Spruch der Seher erfahren, ihn an den Fluß schickt, damit er sich vor dem Opfer wasche, in seiner Abwesenheit aber schnell das Thier opfertLiv. I, 45 vgl. Val. Max. VII, 3, 1, Plut. Qu. Ro. 4 und die Münze der g. Postumia bei Riccio t. 40, 1.. Als Dedicationstag des Tempels wurden die Iden des August gefeiert, vorzüglich von den Sklaven und Sklavinnen, welche in dem Könige Servius eine Art von Schutzpatron verehrten, daher der Tag auch schlechtweg Servorum Dies genannt wurdeFest. p. 343 Servorum dies festus vulgo existimatur Idus Aug., quod eo die Ser. Tullius, natus servus, aedem Dianae dedicaverit in Aventino, cuius tutelae sint cervi, a quo celeritate fugitivos vocent cervos. Vgl. Paul. p. 345, Kal. Capran. Amitern. Antiat. Martial. XII, 67. Auch die Brettii d. h. servi fugitivi sind eigentlich cervi, s. Bergk Zeitschr. f. A. W. 1851 n. 3.. Ueberhaupt scheinen die flüchtigen Sklaven durch ganz Italien eine besondre Beziehung zur Diana gehabt zu haben, da sie Hirsche genannt wurden, vielleicht weil sie als Flüchtlinge wie diese im Walde hausten, und somit auch der 284 Waldgöttin wie jener rex Nemorensis der Diana von Nemi am besten empfohlen waren. Doch hatten sich auch Spuren einer allgemeineren Bedeutung des Festes darin erhalten, daß die Frauen an demselben Tage den Kopf zu waschen und das Haar zu säubern pflegten (Plut. Qu. Ro. 100), was an jene in dem Haine von Aricia gefundenen Weihgeschenke bekränzter Frauenköpfe erinnert.

Mit diesen Elementen des ältern italischen Dienstes der Diana verband sich also der griechische der Artemis und zwar ziemlich früh, da Artemis überall die treue Gefährtin ihres Bruders ist. Bei dem Lectisternium vom J. 399 v. Chr. wird sie ausdrücklich erwähnt und in dem Tempel des Apollo vor der p. Carmentalis sowie bei den Apollinarischen Spielen ist sie gleichfalls vorauszusetzen. Eben deshalb ist zu vermuthen daß der im J. 187 v. Chr. vom Consul M. Aemilius in einer Schlacht mit den Ligurern gelobte und im J. 179 beim Circus Flaminius geweihte T. der Diana gleichfalls der griechischen galtLiv. XL, 52. Auch den Bau des L. Cornificius, von dem Sueton Octav. 29 erzählt, wird man am besten in diese Gegend verlegen. Bei Plin. H. N. XXXV, 10, 36 Eiusdem (Apellis) arbitrantur manu esse et in Annae templo Herculem aversum ist gewiß zu lesen: in Dianae templo.. Dazu kam die Stiftung des Palatinischen Apollodienstes, wo Diana als Victrix an der Seite ihres Bruders verehrt wurde, daher auch ihre Betheiligung an den Secularspielen, zu welchen auch die Diana in Aventino herbeigezogen wurde. Wie Apollo bei diesem Feste vorzugsweise als Sonnen- und als sühnender Lichtgott angerufen wurde, so sie als Mond- und Geburtsgöttin, als Lucina, welche dadurch daß sie die Geburten fördert auch ihrerseits zur Erneuerung und Erhaltung des menschlichen Geschlechts beiträgtHorat. Carm. Sec. 13 Rite maturos aperire partus lenis, Ilithyia, tuere matres, sive tu Lucina probas vocari seu Genitalis. Vgl. Od. 1, 21; III, 22; IV, 6, 37; Catull seculare carm. ad Dianam 34, Virgil Ecl. IV, 10.. Catull in einem schönen Gedichte auf Diana und Horaz feiern sie auch in der allgemeineren Bedeutung der mächtigen Naturgöttin in Bergen und Wäldern, wo sie das Wild behütet, als Göttin der Ströme, der Seen, des Meeres, in denen sie badet und über deren Fluthen sie gebietet, endlich als die große Königin der Nacht und aller nächtlichen Erscheinungen der Geisterwelt, als welche sie mit der Hekate identificirt wurde, und als die reifende Jahresgöttin der Monde und Monate, welche die 285 Scheuern des Landmanns mit den Früchten des Feldes fülle: wobei sie nach griechischer Weise immer als blühende Jungfrau und Lieblingskind des Jupiter gedacht wird, welche sich aller blühenden Jugend der Mädchen und Knaben erfreut und darum ganz vorzugsweise von diesen verehrt werden müsse. Natürlich werden nun auch ihre Lieblingssitze in Griechenland und Kleinasien, jene berühmten Stätten in Arkadien, im Thale Tempe, auf Euböa, auf Delos, in Ephesus, in Lycien nicht minder eifrig gefeiert als die alten italischen.


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