Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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g: Diiovis und Veiovis.

Diese beiden Götter werden zusammengenannt bei Quintil. 1, 4, 17 und Gellius V, 12, welcher sich auf alte Gebetsformeln beruftFür in antiquis spectationibus ist zu lesen precationibus. Vgl. meine Abhdlg. in den Leipz. Berichten der K. Sächs. G. d. W. 1855 S. 203 ff., in denen diese Namen neben einander vorkamen. Diiovis wurde, wie es scheint, von dem gewöhnlichen Diovis oder Iupiter als Compositum von Di und Iovis unterschieden, obgleich der Name nichts Anderes als Diovis bedeutet haben kann, nehmlich einen wohlthätigen Gott des Himmels und des himmlischen Lichtes. Vediiovis ist dasselbe Wort mit dem Praefix ve, welche Silbe in solchen Zusammensetzungen immer eine nachtheilige, sich in sich selbst aufhebende Wirkung und Eigenschaft des Begriffs ausdrückt, der in dem Stammworte ausgesprochen ist, z. B. vehemens oder vemens, vecors, vesanus, vegrandia farra, d. h. im Sprachgebrauch der Landleute solche die nicht recht wachsen wollten, vescus d. i. ein solcher der entweder nicht essen mag oder mit Heißhunger und ohne Erfolg für seine Ernährung ißt. Daher kann weder die Erklärung solcher Grammatiker die richtige sein, welche den Veiovis für einen kleinen, nicht ausgewachsenen Jupiter hielten (Paul. p. 379, Ovid F. III, 445 ff.) noch die andrer, welche in der Voraussetzung daß Jupiter a iuvando abzuleiten sei, den Veiovis für das Gegentheil von einem hülfreichen Gott, also für einen schädlichen und bösen Jupiter erklärten. Jedenfalls gehörte dieser Gott zu den altitalischen, da er sich namentlich bei den SabinernVarro l. l. V, 74, wo zu lesen ist Vediiovi Saturnoque. Die durch Müller beliebt gewordne Form Vedius findet sich nur bei Martian. Cap. II, 142. 166. Bei Ammian Marc. XVII, 10, aus welcher Stelle man einen blitzschleudernden Veiovis der Etrusker gefolgert hat: ut in Tageticis libris legitur Veiovis fulmine mox tangendos, haben die Mss. Vegonicis, so daß eher Vegoiicis zu schreiben sein möchte, vgl. Plin. H. N. II, 54. und Latinern nachweisen läßt und nach Rom aus Alba Longa gekommen zu sein scheint. Aus der kleinen Stadt Bovillae am Fuße des Albaner Gebirgs, einer alten Colonie von Alba Longa, hat sich nehmlich ein alterthümlicher Altar erhaltenS. Klausen Aeneas u. d. Penaten S. 1083 T. IV, 3, Ritschl Mon. Epigr. p. 29, Canina Via Appia p. 209 t. XLVIII, 2. Die Einwohner von Bovillae nennen sich auf Inschriften gewöhnlich Albani Longani Bovillenses., welcher auf der einen Seite die 236 Inschrift trägt: Vediovei Patrei Genteiles Iuliei, auf der andern diese: Leege Albana Dicata, woraus also abzunehmen ist daß dieser Altar nach einer aus Alba Longa traditionell überkommenen oder mit den dortigen Gottesdiensten bewahrten ritualen Vorschrift geweiht worden war. Die Gentiles Iulii sind die Sippen der Gens Iulia, welches Geschlecht notorisch zu den ältesten Albanischen gehörte und in Bovillae wie zu Rom seit alter Zeit angesiedelt war. In Rom hatte Veiovis ein berühmtes Heiligthum zwischen dem Capitolium und der Arx d. h. zwischen den beiden Gipfeln des Capitolinischen Hügels, wo das sogenannte Asyl des Veiovis und in späterer Zeit sein Tempel zwischen zwei Hainen lag, daher der gewöhnliche Zusatz inter duos lucosBecker Handb. 1, 387. 400.. In dem Tempel sah man sein Bild mit einem Bündel Pfeile in der Hand, daher man ihn später gewöhnlich für den griechischen Apollo erklärte. So ist er auch auf verschiedenen Familienmünzen als Apollo gedacht und abgebildet, der Kopf immer jugendlich und unbärtig, das Haar mit Lorbeer bekränzt, gewöhnlich so, daß er mit der Rechten mehrere in einen Bündel zusammengefaßte Pfeile zückt, die man nach einer herkömmlichen und weit verbreiteten Allegorie des Alterthums am besten für ein Bild der schießenden Sonnenstrahlen erklären wird. Auch bei der Vergleichung dieses Gottes mit dem griechischen Λυκώρης oder Λυκωρεύς, auf die der römische Alterthumsforscher Piso geführt worden warServ. V. A. II, 761, O. Jahn in den Leipz. Ber. 1847 S. 421 ff., liegt Apollo zu Grunde, denn Lykores ist kein andrer als Apoll von Delphi in der speciellen Bedeutung eines Gottes der Sühne. Eine andre Eigenthümlichkeit dieses Cultus war das Symbol der Ziege, welche in dem Tempel neben dem Bilde des Veiovis stand und auf jenen Münzen gleichfalls abgebildet wird, gezügelt von einem auf ihr sitzenden geflügelten Knaben, den man mit Recht für den Genius des Veiovis (S. 74) erklärt hatDieselbe Ziege erscheint wieder auf den Münzen des Antoninus Pius und des Gallien, auf jenen mit dem Attribute eines Adlers, auf diesen mit der Inschrift Iovi Crescenti, Eckhel D. N. VII p. 33. 398, so daß also die Erklärung des Veiovis durch den kleinen Jupiter haften blieb. Auch haben einige Familienmünzen deutlich einen Doppelblitz und keine Pfeile, obwohl Ovid nur von letzteren wissen will.. Die wahre Bedeutung des Gottes scheint die eines jugendlich gedachten Jupiter zu sein, der zugleich Sonnengott war und als solcher namentlich im Frühlinge, wo durch die heiße Sonne leicht Epidemieen erzeugt werden, gefürchtet 237 wurde; wenigstens führt darauf sowohl der Vergleich mit verwandten Erscheinungen als das was wir sonst von diesem Gottesdienste wissen. Die Nonen des März waren der herkömmliche Festtag, s. Fast. Praenest. und Ovid F. III, 429 ff. Die Ziege war das gewöhnliche Opfer, und zwar wurde sie, wie Gellius a. a. O. sich ausdrückt, ritu humano dargebracht, das will vermuthlich sagen: als stellvertretendes SühnopferPaul. p. 105 Humanum sacrificium dicebant quod mortui causa fiebat. Dieses mortuus ist entweder von einem Getödteten im Sinne der Blutsühne zu verstehn oder in dem eines homo sacer d. h. eines für todeswürdig erklärten und deshalb ausgestoßenen Verbrechers, der eigentlich getödtet werden sollte, aber nach einem stellvertretenden Sühnopfer wieder zu Gnaden angenommen wird, vgl. Virgil Aen. V, 482, wo Entellus, nachdem er den Stier anstatt des Dares erschlagen, hinzufügt: Hanc tibi, Eryx, meliorem animam pro morte Daretis persolvo. Eben deshalb unterschied man hostiae animales d. h. solche wo die anima, das der Gottheit dargebrachte Leben die Hauptsache war, und consultatoriae, wo es auf die Untersuchung der Eingeweide abgesehen war, s. Macrob. III; 5, 1, Serv. V. A. IV, 56.. Deshalb verglich Piso den Veiovis mit dem Apollo Lykoreus von Delphi, ja selbst die Sage vom Asyle des Romulus erklärt sich unter dieser Voraussetzung am natürlichsten. Immer heißt es daß Romulus zwischen jenen beiden Hainen des Veiovis eine Zufluchtsstätte für flüchtige Verbrecher gegründet und auf diese Weise viele Bürger für seinen jungen Staat gewonnen habe, dem dieser zweideutige Ursprung später oft genug vorgeworfen ist. Die Griechen haben diese Einrichtung nach ihrer Art ein Asyl genannt und wirklich wurde sie auch in Rom später dafür gehalten (Dio XLVII, 19). Der wahre Zusammenhang ist aber vermuthlich der, daß Veiovis als Gott der Sühne zugleich ein Gott der Zuflucht verurtheilter und ausgestoßener Verbrecher war, welche, wenn sie ihr Vaterland meiden mußten, in der Stadt wo sie Sühnung fanden auch einen neuen Heerd finden mochten; wie sich denn verwandte Gebräuche der Ausstoßung (exsecratio) und Wiederherstellung nach einem Todschlage oder andern todeswürdigen Verbrechen aus dem griechischen und römischen Alterthum nachweisen lassen. Gewiß ist daß die Ziege und der Bock in Rom auch sonst als Sühnopfer herkömmlich waren, z. B. im Culte der Juno und des Lupercus. – Außer dem alten Heiligthum auf dem Capitole gab es noch einen Cult des Veiovis auf der Tiberinsel, nur daß sein Name hier seltsam mit dem des Jupiter oder Diiovis abwechselt, daher es wahrscheinlich ist daß vorzüglich in diesem Culte beide Götter neben einander verehrt 238 wurdenDie Fasti Praenest. nennen Veiovis, Ovid F. 1, 289 ff., Liv. XXXI, 21 und XXXIV, 53 Jupiter oder Diiovis, welcher Name bei Livius XXXI, 21 mit H. Valesius zu restituiren ist.. Geopfert wurde in diesem Culte am 1. Januar und neben dem Aesculap, so daß er hier vollends als ein Gott der Heilung erscheint. Möglich daß auch der neuerdings auf derselben Stätte bekannt gewordne Iupiter Iurarius mit diesem Doppelculte zusammenhängtEine auf der Stelle, wo der T. des Aesculap gestanden, gefundene Inschrift: [Ex sententia] C. Volcaci C. F. Har[uspicis] de stipe Iovi Iurario [factum m]onimentom. Vgl. Canina Bullet. d. Inst. Arch. 1854 p. XXXVII, Henzen Suppl. Or. n. 5633a. Vielleicht ist dieser Iup. Iurarius aber auch nur eine Uebersetzung des Ζ. ὅρκιος., zumal da Diiovis dem auch auf der Tiberinsel verehrten Schwurgotte Dius Fidius oder Semo Sancus sehr nahe gestanden haben muß. Später, nachdem das Verständniß der älteren italischen Götter verloren gegangen war, pflegte man auch den Vejovis mit dem Dis Pater, dem Gott des Todes und der Unterwelt zu identificirenMacrob. S. III, 9, 10, Martian. Cap. 1, 58; II, 142. 166., vermuthlich nur deswegen weil man ihn für einen bösen und finstern Jupiter hielt.


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