Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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1. Tellumo, Tellus, Ceres.

Tellus und Ceres wurden nehmlich in den meisten Fällen zusammen angerufen, z. B. von dem Flamen bei Eröffnung der Saat und bei dem Opfer der porca praecidanea vor der ErndteVarro b. Non. Marc. p. 163, Serv. V. G. I, 21.. Tellumo aber ist nur der männliche Doppelgänger neben der weiblichen Mutter Erde, der Ζεὺς χϑόνιος neben der Demeter oder Ge, durch welche die Griechen gewöhnlich die italische Terra oder Tellus übersetzenDionys H. VIII, 79, Appian Bell. Civ. II, 126.. Diese ist zunächst die Erde neben und im Gegensatze zum Himmel, daher Tellus Mater und Jupiter bei Eidschwüren und andern Gelegenheiten, wo das kosmische Ganze der Naturerscheinungen zusammen gefaßt werden soll, neben einander genannt werdenVarro r. r. 1, 1, 5, vgl. die Eidesformel b. Macrob. S. III, 9, 12 Tellus Mater teque Iupiter obtestor. Cum Tellurem dicit, manibus terram tangit, cum Iovem dicit, manus ad coelum tollit. Vgl. oben S. 46.. Weiter ist sie der weibliche und mütterliche Schooß der Erde, der die Saaten empfängt, um sie dem Menschen als goldne Frucht und veredelnde Nahrung zurückzugeben, ein natürliches Bild für den Ursprung und die Veredelung der Dinge überhaupt, daher sie unter den Göttinnen vorzugsweise als Mater angerufen und in demselben Sinne von Denkern und Dichtern gefeiert wirdLucret. II, 589 ff., V, 792, 818 ff. In einer afrikanischen Inschrift aus Cuicul b. L. Rénier Inscr. de l'Algérie n. 2531 heißt es: Telluri Genetrici res publica Cuiculitanor. templum fecit etc.: aber auch das allgemeine Grab der Dinge, welches alles Lebendige wieder zu sich nimmt, daher auch sie wie andre Erdgötter neben den Manen angerufen wurdeVarro l. l. V, 64 Haec enim terris gentes omnes peperit et resumit denuo, quae dat cibaria, ut ait Ennius. Vgl. die Formeln der Devotion bei Liv. VIII, 9, X, 28 und A. Victor Caes. 33 vom Tode des verhaßten Gallien: quum irruens vulgus pari clamore Terram Matrem Deosque Inferos precaretur, sedes impias uti Gallieno darent.. Auch ist sie der feste Erdkörper, die 403 Bedingung aller Naturordnung und sichern Gestaltung der Dinge, weshalb man bei Erdbeben zu ihr wie zur griechischen Ge betete, hin und wieder aber auch zur CeresLiv. XLI, 28. Vgl. Eckhel D. N. VI p. 509, VII p. 119., und das Bild der Tellus stabilita mit entsprechenden Symbolen des Ackerbaus auf Münzen der Kaiser als Sinnbild wiederhergestellter Ordnung und Sicherheit im Gebrauche ist. Endlich ist sie als Göttin zugleich des weiblichen Empfängnisses und der Ordnung auch eine Göttin der Ehe, wie die griechische Demeter ThesmophorosVirgil Aen. IV, 166 nennt sie deshalb neben der Iuno pronuba. Vgl. Servius zu d. St. und Roßbach über d. röm. Ehe S. 302.. Ihren Tempel in Rom verdankte Tellus dem Consul P. Sempronius, welcher ihn im J. 268 v. Chr. in einer Schlacht mit den Picentern, während welcher die Erde bebte, gelobt hatteFlor. 1, 19, vgl. Becker S. 524.. Er lag auf dem Platze wo ehemals das Haus des Sp. Cassius gestanden hatte, an einem Abhange des glänzenden Quartiers der Carinen, in welcher Gegend auch Pompejus wohnte, daher dieser Tempel oft genannt wird. Den Namen der Ceres haben schon die Alten richtig mit dem Worte creare zusammengestellt, welches mit dem alten Worte Cerus oder Kerus zu einem und demselben Stamme gehörtServ. V. G. I, 7 alma Ceres – a creando dicta, quamvis Sabini Cererem panem appellant, wofür vermuthlich zu lesen ist Pandam. Ueber den Sanskritstamm kri, Kar d. i. facere, creare und die dahin gehörende lateinischen Wörter s. oben S. 70. Eine falsche Etymologie ist die bei Varro l. l. V, 64 und Cicero N. D. II, 26, Ceres habe früher Geres geheißen, a gerendis frugibus, antiquis enim C quod nunc G.. Der Cultus dieser alten Erd- und Ackergöttinnen, wie er auf dem Lande und in der Stadt im Laufe des Jahres beobachtet wurde, wird uns diese älteren nationalen Vorstellungen noch besser kennen lehren.


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