Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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5. Bestattungsgebräuche und Todtenfeier.

Mancherlei Licht auf die Vorstellungen von der Unterwelt und dem Schicksal der Verstorbnen werfen auch die Gebräuche der Todtenbestattung und die verschiednen auf Todtendienst und Unterwelt bezüglichen Opfer und Feste, von denen wir im Folgenden das Wichtigste d. h. dasjenige was religiösen Inhalts ist hervorheben.

Bei den Gebräuchen der Bestattung lassen sich vier Acte unterscheiden, der der Ausstellung des Leichnams, collocatio, πρόϑεσις, der des Leichenzugs, der exsequiae, pompa funebris, ferner der der Bestattung, in älterer Zeit humatio, später funus im engern Sinne des WortsServ. V. A. II, 539 funus enim est iam ardens cadaver, quod dum portatur exsequias dicimus, crematum reliquias, conditum iam sepulcrum. Vgl. Sueton Dom. 15. In dem älteren Sprachgebrauch ist funus das Ganze der Bestattung, speciell der Leichenzug., endlich der unmittelbar folgenden Familien oder öffentlichen Feier des Verstorbnen d. h. der feriae denicales und der ludi funebres. So lange der Todte im Hause ist, ja so lange er nicht rite bestattet d. h. durch alle ihm nach religiösem Herkommen und pontificalem Gesetz gebührenden Ceremonien zu einem seligen Geiste geweiht ist, so lange gilt das Haus und die Familie für unrein (domus funesta), denn alles Todte verunreinigt. Daher eine ganze Reihe von Reinigungs- und Sühnungsgebräuchen, welche gleich bei der Bahre des Verstorbnen beginnen. Zur Warnung für alle Vorübergehende, namentlich für die Priester, wird eine Kiefer oder eine Cypresse vor die Thür gestelltPlin. H. N. XVI, 10, 18; 33, 60, Serv. V. A. III, 64, IV, 507 u. A. Die Räucherpfanne bei der Bahre (Paul. p. 18 acerra) diente wohl nur zur Reinigung der Luft.; das Haus selbst wird mit einer eignen Art von Besen ausgekehrt, daher der als Erbe zur Bestattung 480 Verpflichtete der Auskehrer (everriator, s. oben S. 333) genannt wurde; ferner wurde gleich jetzt, im Angesichte des Leichnams die porca praesentanea, und später, vor der nächsten Erndte, die porca praecidanea geopfert (S. 406), beide um die Familien zu reinigen und die Ackergöttin, welche die Verstorbenen in ihren Schooß aufnimmt, günstig zu stimmen. Dann folgte, nachdem die Ausstellung angeblich siebenTage lang gedauert hatteServ. V. A. V, 64 Apud maiores ubicunque quis fuisset exstinctus, ad domum suam referebatur et illic erat septem diebus. Octavo incendebatur, nono sepeliebatur, unde Horat. Epod. 11, 48 novemdiales dissipare pulveres. Unde etiam ludi, qui in honorem mortuorum celebrabantur, novemdiales dicuntur. Später scheint die Ausstellung gewöhnlich nur drei Tage gedauert zu haben, s. Comm. Cruq. z. Horat. l. c., der Leichenzug über das Forum vor die Stadt, vor welchem Thore jedesmal das Begräbniß war, gewöhnlich mit einem sehr zahlreichen Gefolge und prächtiger Ausstattung, Leichenmusik, Klageweibern, Mimen u. s. w., wie denn schon die zwölf Tafeln gegen diesen Luxus einschreiten mußten. Endlich schritt man zur Beerdigung, humatio, denn dieses blieb auch später der gewöhnliche Ausdruck, obgleich man damals mit seltenen Ausnahmen die Todten verbrannte: eine wahrscheinlich von den Etruskern und den Griechen angenommene Sitte, da die Todten früher sowohl in Italien als ziemlich allgemein bei allen Völkern begraben, d. h. der Mutter Erde wiedergegeben wurden, daß sie sie berge und heiligeCic. de Leg. II, 22, 56, Tusc. 1, 12, 13, Plin. H. N. II, 63, VII, 54, 55.; denn auch in dieser Hinsicht ist der religiöse Glaube die Seele des äußerlichen Gebrauchs. Namentlich war in Rom das ganze Pontificalgesetz Numas, in welchem die Sorge für die Todten einen Hauptabschnitt bildete, auf die Voraussetzung des Begrabens begründet, und in einzelnen Geschlechtern behauptete sich die alte Sitte sehr lange, z. B. in dem der Cornelier bis Sulla, welcher aus Furcht vor Wiedervergeltung, da er sich an den Reliquien des Marius vergriffen hatte, zuerst von dem alten Gebrauche seines Hauses abgewichen sein soll. Auch hatte das Pontificalgesetz selbst für die spätere Zeit des Verbrennens einige symbolische und stellvertretende Gebräuche der früheren Beerdigung zur unumgänglichen Bedingung eines rechten Begräbnisses gemacht d. h. eines solchen, welches die Kraft hätte, zugleich die Reste des Verstorbenen zu heiligen und die Familie seiner Hinterbliebenen zu reinigenVarro l. l. V, 23, Cic. de Leg. II, 22, 55 und 57, Paul. p. 148 membrum abscidi mortuo.. Besonders gehört dahin die Sitte, 481 dem Todten eine Erdscholle mit in das Grab zu werfen und wenigstens einen Finger von ihm nicht zu verbrennen, sondern zu beerdigen: wozu dann noch verschiedene andre, von dem Religionsgesetze vorgeschriebene und von den Pontifices überwachte Gebräuche, Spenden und Opfer kamen, welche zusammengenommen den Erfolg hatten, den Ort der Bestattung zu einem sepulcrum d. h. zu einem Heiligthume zu machenDaher die sepulcra maiorum zu den öffentlichen Heiligthümern einer Stadt gehören, vgl. Liv. XXVI, 13 arae, foci, deum delubra, sepulcra maiorum. Flor. II, 7, 4 cum ille ultra ius victoriae in templa, aras et sepulcra ipsa saeviret. Daraus entstanden mit der Zeit förmliche Tempel, Mausoleen u. s. w. Non. Marc. p. 464 templum et sepulcrum. dici potest veterum auctoritate, mit Hinweisung auf Virg. Aen. IV, 457, vgl. Sil. Ital. I, 81 ff., XV, 260 ff. u. A., den Geist des Verstorbenen aber nicht allein zu beruhigen, sondern auch zu erhöhen d. h. zu einem reinen und geistigen Wesen gleich den übrigen Dii Manes zu machenVgl. Plut. Qu. Ro. 14, wo erzählt wird, daß beim funus die Söhne eines Verstorbenen mit verhülltem Haupte, die Töchter aber mit bloßem Kopf und gelöstem Haare zu folgen pflegten, und dann von den Hinterbliebenen überhaupt nach Varro hinzugesetzt wird: καὶ γὰρ ἐπὶ τῶν τάφων, ὥς φησι Βάρρων, περιστρέφονται καϑάπερ ϑεῶν ἱερὰ τιμῶντες τὰ τῶν πατέρων μνήματα, καὶ καύσαντες τους γονεῖς ὅταν ὀστέῳ πρῶτον ἐντύχωσι ϑεὸν γεγονέναι τὸν τεϑνηκότα λέγουσι. Natürlich schloß sich hier die Consecration sehr leicht an, wie in Griechenland der Heroendienst und die Apotheose. Vgl. Tertull. Apolog. 13 Quid omnino ad honorandos eos (sc. deos) facitis quod non etiam mortuis vestris conferatis?. Das Grab wurde mit Wein besprengt und dem Lar d. h. dem Geiste des Verklärten ein Opfer von Widdern dargebracht, ferner ein eignes Opfermahl für denselben bereitet und an seinem Grabe hingesetzt, das ist das sogenannte silicernium, welches Wort zugleich sprichwörtlich für hochbetagte Greise gebraucht wurde, denen es, wie es scheint, gewöhnlich preisgegeben wurdeTertull. l. c. Quo differt ab epulo Iovis silicernium? a simpulo obba? ab haruspice pollinctor? Nam et haruspex mortuis apparet. Ueber das silicernium, griechisch περίδειπνον, vgl. Fest. p. 294, Paul. p. 295, wo, glaube ich, der Name richtig erklärt wird, quia cuius nomine ea res instituebatur, is iam silentium cerneret, vgl. oben S. 454, Non. Marc. p. 49, Donat. z. Terent. Adelph. IV, 2, 48, Serv. V. A. V, 92, Fulgent. p. 560, Arnob. VII, 24. Obba ist das Instrument zur Weinspende, s. Paul. p. 263. Auch hier waren die Zwölf Tafeln gegen den Luxus eingeschritten, Fest. p. 158 murrata. Der pollinctor hatte für den Leichnam sowohl auf dem Paradebette als bei der Bestattung zu sorgen, s. Tertull. d. Spect. 10, Scorp. 7.. Außerdem sorgte man fleißig für Blumen und Bäume auf dem Grabe, Myrten und Rosen, Veilchen und Lilien und andre anmuthige 482 Gewächse, denn es galt sowohl in Italien als anderswo der Glaube, daß zwischen dem Verstorbenen, der in dem Grabe ruhe, und den Gewächsen seiner Erddecke ein inniges Wechselverhältniß bestehe, ja daß der Gemüthsart des Verstorbenen gemäß bald zartere bald wildere Gewächse aus derselben keimten, womit auch der bekannte Nachruf: Sit tibi terra levis! zusammenhängtGrimm D. M. 786 ff., Koberstein Vermischte Aufsätze Leipz. 1858 S. 33 ff., Bötticher der Baumcultus der Hellenen S. 282. 292. 452 ff. 457.. Endlich folgte zum Beschluß der ganzen Feierlichkeit an dem Grabe selbst eine Reinigung mit Wasser und Feuer und eine Räucherung mit Lorbeer für Alle die am Leichenzuge theilgenommenPaul. p. 2 aqua et igni. p. 117 laureati., in der Familie aber an demselben neunten Tage der Bestattung das sacrum oder sacrificium novemdiale, auch feriae denicales (a nece) genannt, ein letztes Sühnungsopfer und ein Todtenschmaus, welche in großer Stille und mit solcher Gewissenhaftigkeit beobachtet wurden, daß selbst die Hausthiere an diesem Tage Ruhe hatten und für die Soldaten, welche sich nach geschehener Aushebung zu stellen hatten, ausdrücklich die Bestattung und eine solche Familienfeier als gültige Entschuldigung vorbehalten bliebGell. N. A. XVI, 4, 4, Colum. II, 22, 5, Cic. de Leg. II, 22, 55. Vgl. Paul. p. 70 denicales feriae, Fest. p. 242 privatae feriae, Serv. V. A. V, 64, Porphyr. z. Horat. Epod. 17, 48, Tacit. Ann. VI, 5, Petron. 65.. Auch die Spiele, welche in vermögenderen Familien zu Ehre der Verstorbenen gegeben wurden, fielen auf diesen Tag, daher sie bald ludi funebres bald ludi novemdiales genannt werdenAuch diese Spiele werden, wie jene Ferien, als Beweis für die göttliche Verehrung der Verstorbnen angeführt, s. Varro b. Augustin C. D. VIII, 26, vgl. Macrob. S. I, 16, 4.. Vornehmlich waren zu diesem Zwecke Gladiatorenspiele beliebt, was in dem alten Glauben seinen Grund hatte, daß an dem Grabe eines Verstorbenen Blut und zwar Menschenblut fließen müsseServ. V. A. III, 67, V, 78, vgl. Valer. Max. II, 4, 7, Liv. Epit. XVI. Ueber die Darstellungen von Leichenspielen in den etruskischen Gräbern von Chiusi, Tarquinii u. s. w. s. Dennis die Städte und Begräbnißplätze der Etr. 2, 603., daher sie auf diesem Wege in Rom zuerst Eingang fanden, man sagt nach dem Vorbilde etruskischer und campanischer Sitte. Zuerst soll es bei dem Begräbnisse des D. Iunius Brutus in demselben Jahre 264 v. Chr., wo der erste punische Krieg ausbrach, vorgekommen sein daß die von vielen Geschlechtern zum Todtenopfer 483 gesendeten Gefangenen paarweise zum Kampf auf Leben und Tod einander gegenübergestellt wurden, worauf dieselben gewöhnlich auf öffentlichen Plätzen der Stadt veranstalteten Fechterspiele zu Ehren der Verstorbnen bald allgemeinen Anklang fanden, aber lange Zeit nur bei solchen Gelegenheiten herkömmlich blieben.

Außer dieser Privat- und Familienfeier, die sich natürlich von Zeit zu Zeit, namentlich bei der Wiederkehr des Sterbetages, durch Spenden am Grabe, Bekränzen desselben u. s. w. wiederholte und unter dem Worte parentatio und parentalia verstanden wurde, gab es aber auch eine allgemeine und öffentliche Todtenfeier, eine Art von Allerseelenfest, wie es am Schlusse des Jahrs in dem allgemeinen Sühn- und Reinigungsmonate d. h. im Februar, von einigen Familien aber ausnahmsweise im December begangen wurdeCic. de Leg. II, 21, 54, Plut. Qu. Ro. 34, vgl. Marquardt Handb. d. R. A. IV, 258 ff. Weil der Februar der herkömmliche Monat der Todtenfeier war, leitete man später seinen Namen gewöhnlich von einem besondern Deus Februus d. i. Dis Pater ab, welchen die ältere Ueberlieferung aber nicht unter diesem Namen kennt, s. Macrob. S. I, 13, 3, Placid. gl. p. 472, Io Lyd. d. Mens. IV, 20.. So war namentlich die Woche vor dem 21. Februar eine herkömmliche Zeit der dies parentales, wo jede Familie ihre Todten feierte, bis endlich am 21. der Tag der Feralia den Beschluß dieser Todtenfeier zu Ende des alten Jahres bildete und am folgenden Tage, also am 22., das allgemeine zum Gedächtniß der Verstorbenen begangene Familienfest der Caristia gefeiert wurde, so daß sich in diesen beiden Festen die altherkömmliche Eintheilung der Leichenfeier in das Todtenopfer am Grabe und den letzten Todtenschmaus im Kreise der Familie von neuem darstellt. Denn die Feralia waren ganz den Gräbern und den in ihnen verborgenen Divi Manes gewidmetVarro l. l. VI, 13, vgl. Kal. Maff. Farnes., Paul. p. 85, Macrob. I, 4, 14; 13, 3; 14, 7., indem man ihnen dann allerlei Speise und fromme Gaben brachte und sie auf jede Weise zu beruhigen suchte. Mehr berichtet Ovid F. II, 531 ff. über diesen Gebrauch, den die Ueberlieferung auf den frommen Aeneas und die Verehrung seines verstorbenen Vaters zurückführte. Mit geringen Gaben sei den Manen genug gethan, einer bekränzten Scherbe, einer Hand voll Salz oder Korn, oder etwas Wein mit eingebrocktem Brode, oder zerpflückten Veilchen, der ersten Gabe des jungen Jahrs. Das solle man in die Scherbe thun und diese dann mitten auf dem Wege hinstellen und dazu ein frommes Gebet für die armen Seelen 484 sprechen. Einst im langen Kriege waren sie vergessen worden. Da befiel die ganze Stadt ein großes Sterben und die Seelen kamen in der Nacht schaarenweise aus ihren Gräbern hervor und wimmerten und klagten auf allen Straßen, in der Stadt und draußen auf dem Lande, ein ganzes Heer von wehklagenden Geistern. Sobald man ihnen wieder die Ehre gegeben, war sowohl das Sterben vorüber als dieser grausige Spuk. Doch darf man während dieser Aller-Seelentage nur der Todten gedenken; nur an den Gräbern darf die Fackel leuchten, nicht im fröhlichen Gedränge des Hochzeitszuges ; nur dort darf geopfert werden, den Manen und den unterirdischen Göttern, nicht den übrigen Göttern, deren Tempel in diesen Tagen vielmehr verschlossen wurdenIndessen wurde auch bei den Gebeten und Opfern der parentatio der Anfang mit Janus und Jupiter gemacht, s. Macrob. I, 16, 25.. Namentlich war dieses auch die Zeit wo man jener Spukgestalten des alten Volksglaubens, der Mania, Muta und Tacita und wie sonst die »Mutter der Laren« hieß, mit allerlei Mährchen und abergläubischen Gebräuchen gedachte, die sich vorzüglich in den Kreisen der Ammen und der Kindermädchen fortpflanzten. So schildert Ovid bei dieser Gelegenheit eine Alte, wie sie von neugierigen Mädchen umgeben die Tacita durch einen Zauber verherrlicht, der gegen die böse Zunge und den bösen Blick helfen sollteVs. 579 Hostiles linguas inimicaque vinximus ora.. Erst nimmt sie mit drei Fingern der Hand drei Häufchen Weihrauch und thut diese unter die Schwelle in ein Mauseloch. Dann wickelt sie allerlei Sprüche murmelnd wollene Fäden um eine Weife von dunkler FarbeVs. 573 Tum cantata ligat cum fusco licia rhombo. Diese Lesart scheint mir besser als plumbo, weil der rhombus und das Spinnen und Drehen immer wesentlich zum Zauber gehört, so gut wie die licia d. h. wollene Fäden, vgl. Petron. 131 illa de sinu licium, protulit varii coloris filis intortum cervicemque vinxit meam, vgl. Virg. Ecl. VIII, 73, Ovid. Amor. 1, 8, 8. Dagegen dienten Bleitafeln zum Eingraben von Zaubersprüchen., wobei sie sieben schwarze Bohnen im Munde hin und her bewegt. Endlich nimmt sie den Kopf einer MänaDer oft erwähnte Fisch, der wegen seines Namens die Seele, anima, vertritt., der mit Pech beschmiert und mit einer ehernen Nadel durchbohrt ist, näht das Maul zu und dörrt den Kopf an einem Feuer, in welches sie auch Wein tröpfelt, dessen Rest sie mit den Mädchen austrinkt. Auf dieses Fest also folgten gleich am nächsten Tage die Caristia, welche auch das Fest der Cara Cognatio genannt wurdenCaristia oder Charistia heißt das Fest bei Ovid F. II, 615 ff. und Val. Max. II, 1, 8, Cara Cognatio bei Tertull. Idololatr. 10 und in der lex collegi Aesculapi et Hygieae bei Fabretti Inscr. p. 724 n. 443, vgl. Martial. IX, 54. 55. Das Wort carus galt speciell dem Gefühle der Verwandtschaft, s. Cic. d. Off. 1, 17, 57 cari sunt parentes, cari liberi, propinqui, familiares, sed omnes omnium caritates patria una complexa est. Auf einen ähnlichen Gebrauch in Athen deutet Plin. XXXV, 11, 40 Athenion – pinxit – Athenis frequentiam quam vocavere syngenicon. und dadurch sehr passend 485 bezeichnet werden. Es war nehmlich recht eigentlich ein Fest der lieben Verwandtschaft, welches durch die ganze Stadt familienweise mit gegenseitigen Geschenken und fröhlichen Mahlzeiten gefeiert wurde und auf die traurige Zeit der Aller-Seelentage als ein Fest der blühenden Gegenwart und der liebevollen Vereinigung aller Hinterbliebenen folgteOvid vs. 617 Scilicet a tumulis et qui periere propinquis Protinus ad vivos ora referre iuvat, Postque tot amissos quicquid de sanguine restat Aspicere et generis dinumerare gradus.. Zugleich war es ein Fest der Eintracht, wo mancher alte Familiengroll ausgeglichen wurde, auch ein Fest des Familienruhms, indem man unter den Verstorbenen am meisten der berühmten Vorfahren gedachte und von ihnen sang und erzählte. Natürlich wurde auch den Göttern des Geschlechts und den guten Laren des Hauses gehuldigt, durch welche und mit welchen jede Familie in der ab- und zugehenden Schaar der Gebornen und Gestorbenen sich fortpflanzte: bis man am Abende mit einer Weinspende und mit herzlichen Glückwünschen für das Wohl der Sippen und des geliebten Vaterlandes auseinanderging. Vergleichen läßt sich damit ein im J. 1505 von dem Bürgermeister Jo. v. Spreckelsen in Hamburg gestiftetes FamilienfestO. Beneke Hamburger Geschichten und Denkwürdigkeiten. Hamb. 1856 S. 53 ff., nur daß dieses der religiösen Weihe entbehrte, welches dort der namentlich in Rom tief gemüthliche Dienst der Todten und der Hausgötter gewährte. Alljährlich kamen alle des Namens v. Spreckelsen und ihre Nächst-Verschwägerten zum festlichen Mahle zusammen, am Pfingstmontage Nachmittags 4 Uhr, daher das Fest in der Familie die »Pingst-Hög« d. i. das Pfingstfest hieß. Das Mahl hatte seine bestimmten Gerichte; einer der Vettern war der Ordner und Schaffner: bei ihm fanden sich alle Verwandte zusammen und pflegten in der geschmückten Halle eines fröhlichen Verkehrs. »Sie gedachten in Treuem der heimgegangenen Eltern, Vorfahren oder der sonst in letzter Jahresfrist geschiedenen Lieben, sie schlossen sich einträchtiglich an einander, theilten Lust und Weh, freueten sich ihres 486 Wohlergehns und trösteten einander in betrübten Zeitläuften, stifteten und erhielten vertrauliche Freundschaft, beredeten auch wohl manch künftig Ehebündniß, und wo es Noth that, da halfen sie sich aus, in herzlicher Liebe oder um der Familie willen.«


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