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48. Kapitel.
Tommy und die Schweine.

Das Boot war zu der Nachmittagsfahrt tüchtig beladen worden, und die beiden Schiffer mußten sich daher gewaltig anstrengen, um mit einiger Schnelligkeit vorwärts zu kommen. Als sie landeten, gab es wiederum ein schweres Stück Arbeit; die verschiedenen Gegenstände der Ladung mußten an den neuen Wohnsitz geschafft werden, und weder Hurtig noch William waren deßhalb sehr betrübt, als sie ihr hartes Tagewerk endlich vollbracht hatten, und sich nach eingenommenem Abendbrode zur Ruhe begeben konnten.

Mit dem ersten Sonnenstrahle aber schüttelten sie den Schlaf wieder von ihren Gliedern ab, bestiegen von Neuem das Boot und führten es in die Bucht zurück, woselbst es einstweilen am Strande befestigt ward. Hierauf begaben sie sich in's Haus, und fanden dort schon Alles zum sofortigen Aufbruche gerüstet.

Herr Seagrave hatte bereits die Thiere zusammen gebracht, und machte sich mit William und Hurtig ohne Zögern auf den Weg. Sie trieben die Thiere vor sich her, und folgten dabei den Merkzeichen, welche schon früher in die Bäume eingehauen worden waren. Verirren konnten sie sich also nicht, dennoch aber dauerte es über drei Stunden, ehe sie endlich ganz erschöpft und abgemattet die Südseite der Insel erreichten. Das Zusammenhalten der widerspenstigen Schafe und Ziegen nämlich hatte ihnen viele Mühe und Aufenthalt verursacht, und sie beinahe zur Verzweiflung gebracht. Unaufhörlich wichen die eigensinnigen Geschöpfe vom Pfade ab, und ohne die Aufmerksamkeit der Hunde würden sie sich gewiß in alle vier Winde zerstreut haben. Trotz ihrer Müdigkeit aber fanden Alle die neue Gegend so schön, daß sie einen einstimmigen Ruf des Entzückens nicht zurückhalten konnten.

»Ach, wie schön!« rief Madame Seagrave, die mit den Kleinen und Juno ihrem Gatten auf dem Fuße gefolgt war. »Ach, wie schön!« riefen die Kinder und Herr Seagrave, und selbst Juno gab in einigen kauderwälschen Worten ihre Bewunderung zu erkennen.

Je näher sie an den Ort gelangten, wo die Zelte im Schatten der Bananenbäume aufgeschlagen waren, desto höher stieg ihr Entzücken über das paradiesische Stückchen Erde, das vor ihren Blicken sich ausbreitete, und Alle machten immer von Neuem ihren Gefühlen in freudigen Ausrufungen Luft.

Endlich trennte man sich, und Jeder folgte seinen besonderen Neigungen. Madame Seagrave begab sich in ihr Zelt, um sich von den Anstrengungen der Reise zu erholen; die Schafe und Ziegen schweiften frei auf dem Wiesenplatze umher, und fraßen mit Begierde von den saftigen Kräutern, die ihnen überall einladend entgegen dufteten; die Hunde warfen sich, lechzend von den Mühseligkeiten des Weges, im Schatten der Bäume auf die Erde; Juno brachte den kleinen Albert zu Bett, und ging dann mit William aus, um Brennholz zu Bereitung des Mittagbrodes zu sammeln; Hurtig spazierte an die Cisternen, um Wasser herbei zu schaffen; Herr Seagrave ging auf dem Platze umher, um die verschiedenen Baumgruppen, die überall zerstreut umher standen, näher in Augenschein zu nehmen und zu untersuchen; Karoline schlüpfte in das Zelt zur Mutter, und Tommy endlich lag unthätig im hohen Grase und starrte, staunend vor Bewunderung, Alles an, was seinen Blicken sich darbot.

Als Hurtig die gefüllten Wassereimer an Ort und Stelle gebracht hatte, rief er die Hunde zu sich, und ging in ihrer Begleitung an das Yamsfeld hinab. Tommy blickte ihm nach, wurde neugierig, und erhob sich gemächlich von seinem Lager, um Hurtig zu folgen. Während er zu ihm trat, stöberten die Hunde im Felde umher, und fingen plötzlich furchtbar zu bellen an, worüber Tommy sich höchlich ergötzte. Plötzlich aber brachen in einem dicht gedrängten Rudel, grunzend und quiekend, die Schweine hervor, rannten, von den Hunden verfolgt, wie blind und toll vorwärts, stürmten geradesweges gegen Tommy los, der vor lauter Schrecken und Furcht wie besessen aufschrie, warfen ihn mit solcher Gewalt über den Haufen, daß er alsbald, Kopf unten Beine oben, alle Viere gen Himmel streckte, und brausten dann, ohne sich weiter um den entsetzten Knaben zu bekümmern, vorüber. In einem Augenblicke war Alles geschehen.

»Warum weinst du, mein Jüngelchen?« fragte Hurtig lächelnd den brüllenden Tommy. »Ich denke, du bist gerade nur deßhalb hierher gekommen, um die Schweine zu sehen. Na, beruhige dich nur; wenn's einmal wieder so kommt, wollen wir dich vorher mit einem dichtigen Gehäge umgeben. Was meinst du dazu, he?«

Die Schweine rannten mit Windesschnelle davon, um sich, wie schon früher einmal, im Kokoswalde zu verbergen; schneller aber noch, wie sie, machte sich, als er nur erst seine Beine wieder gefunden hatte, Tommy aus dem Staube. Mittlerweile setzten die Hunde den Schweinen nach, und kehrten erst nach einer ganzen Weile so erhitzt und ermüdet zurück, daß Hurtig daraus auf eine lange und eifrige Verfolgung schließen konnte. Jedenfalls mußten die Schweine auf eine hübsche Strecke Wegs hinaus gejagt worden sein.

Es ward ziemlich spät, bevor das Essen fertig wurde, und Alle ohne Ausnahme freuten sich darüber, endlich nach den Mühen des heutigen Tages die erquickende Ruhe der Nacht aufsuchen zu können. Am folgenden Morgen aber machten sich Hurtig und William in aller Frühe wieder auf, schritten durch den Wald zum Hause zurück, und schafften die daselbst noch zurück gelassenen Kleidungsstücke, so wie mehreres Hausgeräth, und außerdem noch etwas Pökelfleisch und Mehl aus dem Magazine in das Boot. Um die Ladung voll zu machen, spießten sie endlich noch eine Schildkröte, legten sie auf den Boden des Nachens, und segelten dann wieder zu ihrer neuen Residenz hinüber, woselbst sie gerade zur Frühstückszeit glücklich anlangten. Sie stärkten sich durch Speise und Trank, und schafften sodann unter dem treulichen Beistande Herrn Seagrave's und Juno's die im Boote mitgebrachten Sachen an's Ufer.

»Dieß ist wirklich ein reizender Aufenthalt,« sagte Madame Seagrave später, als unsere Freunde sich wieder zu einander gesellt hatten. »Wenn es nach mir ginge, würde ich ihn jedes Jahr zu unserer Sommerresidenz erwählen, und nur für den Winter in unser bisheriges Wohnhaus zurückkehren.«

»Ja, ja, liebe Madame Seagrave,« erwiederte Hurtig, »in der Sommerzeit ist's allerdings hier viel kühler und angenehmer als drüben, aber so sicher als dort in unserem Kokoswalde wohnen wir nicht.«

»Freilich wohl, und für die Regenzeit mögte ich das Haus auch nicht missen,« sagte Madame Seagrave. »Bei alldem aber fehlt doch dort die kühle Briese, die hier so erfrischend weht, und ich versichere Euch, Hurtig, der Wechsel unseres Aufenthaltes gefällt mir so ausnehmend wohl, daß ich nur mit Betrübniß in unsere frühere Wohnung zurückkehren werde.«

»Ich auch,« rief die kleine Karoline. »Heute Morgen sah ich so niedliche Papageien hier, und die gefielen mir gar zu gut. Wenn ich nur einen bekommen könnte!«

»Später will ich sehen, ob ich dir einen jungen verschaffen kann, mein Kind,« sagte Hurtig. »Jetzt ist es noch zu früh dazu, weil die Papageien erst Nester bauen und brüten müssen. Uebrigens muß ich jetzt Juno die Schildkröte zerlegen helfen, und eine Speisekammer zwischen den Bananenbäumen anlegen.«

»Was beginn ich aber indeß, Hurtig?« fragte Herr Seagrave. »Ich mag nicht faulenzen, während Ihr fleißig seid.«

»I nun, Herr Seagrave, wir können nachher jedes Ding an den rechten Ort bringen, und überhaupt ein bischen Ordnung herstellen. Wir brauchen ja nichts zu übereilen. Erst, wenn die Zelte vollständig eingerichtet sind und Ihre liebe Frau sich ganz behaglich fühlt, werden wir unsere Hecken und Gräben um das Yamsfeld anfangen. Große Anstrengung und Eile ist dabei gar nicht von Nöthen, denn ich bezweifle sehr, daß die Schweine sich wieder einzustellen wagen, wenn ich die Hunde allnächtlich in der Nähe des Feldes anbinde. Ihr mörderliches Gebell wird sie gewiß in respectvoller Entfernung halten.«

»Ja, gewiß, Hurtig, das glaube ich selbst,« erwiederte Herr Seagrave, hellen Auges umher schauend. »Aber seht nur, welches köstliche Futter unsere Schafe und Ziegen hier herum finden.«

»Das will ich meinen,« bestätigte Hurtig. »Drum sollen sie auch den größten Theil des Jahres in dieser Gegend zubringen. Uebrigens fällt mir eben ein, daß wir hinsichtlich unseres Yamsfeldes noch eine bessere Einrichtung treffen können. Wenn wir nämlich morgen mit dem Graben anfangen, und unserem William zeigen, wie er ihn aufzuwerfen, und die Stachelbirnhecke anzulegen hat, so könnten wir ihn Tags darauf mit Juno und der Mutter ruhig fortarbeiten lassen, während wir, Sie und ich, Zeit gewinnen, einmal nach der Bucht jenseits der Insel hinüber zu spazieren, und dort unsere vom Wrack geretteten Vorräthe zu untersuchen. Wir werden da vielleicht Manches finden und auswählen können, was uns hier vom größten Nutzen sein wird.«

»Ja, ja, Hurtig wir wollen hin,« stimmte Herr Seagrave bei. »Ich fürchte nicht, daß meine Frau gegen eine Abwesenheit von drei oder vier Tagen, die uns nur zum Vortheile gereichen kann, etwas einwenden wird. Haben wir unsere Auswahl getroffen, so kehre ich hierher zurück, und schicke Euch William, der besser wie ich mit dem Boote umzugehen versteht. Ihr mögt dann die Vorräthe einladen und fortschaffen. Doch glaube ich kaum, daß es zweckmäßig sein wird, sie hierher zu bringen.«

»Nein, lieber Herr,« erwiederte Hurtig. »Wir bringen sie gleich nach dem Vorrathshause, beginnen dort nachher ohne Zögerung unsere projectirten Veränderungen, und fangen an, die Pallisaden anzulegen.«

»So mag es geschehen,« entgegnete Herr Seagrave, und beide begaben sich hierauf an die Arbeit.

*


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