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37. Kapitel.
Fortsetzung von Hurtigs Geschichte.

Am nächsten Morgen begannen unsere Freunde die Arbeiten am Fischteiche. Herr Seagrave, Hurtig und William gingen zusammen nach der Bucht hinunter und schauten sich nach einer passenden Stelle dazu um. Nach genauer Untersuchung entschlossen sie sich, ihn etwa hundert Schritte vom Schildkrötenteiche entfernt an einem sehr geeigneten Platze, wo das Wasser ungemein seicht war und selbst eine ganze Strecke vom Ufer entfernt nur drei Fuß Tiefe hatte, anzulegen.

»Hier wird es eine sehr einfache Arbeit geben, Herr Seagrave,« sagte Robinson. »Wir haben nichts weiter zu thun, als Steine und Felsstücke zusammen zu suchen und sie im Wasser aufzuschichten. Nur müssen wir sie nach innen zu senkrecht, nach dem Meere zu aber, um die Gewalt der Wogen zu brechen, schräg über einander bauen. So viel Wasser dringt immer zwischen den Steinen hindurch, um den Teich stets frisch und klar zu erhalten, und Sie sollen sehen, er wird uns von großem Nutzen sein. Obgleich wir auch jetzt immer Fische fangen können, wird es doch manchmal an Zeit fehlen, einen hinreichenden Vorrath zu schaffen, wenn wir ihn gerade bedürfen. Ist aber der Teich erst im Stande, dann fangen wir sie nach Gelegenheit, setzen sie hinein und brauchen nur Juno fortzuschicken, wenn wir einmal welche essen wollen. Ich sage Ihnen, nichts geht über einen gehörigen Vorrath von Lebensmitteln.«

»Das ist wahr,« sagte William. »Aber mit den Steinen wird's schlimm aussehen; es gibt nicht viele hier herum.«

»Deßwegen müssen wir sie mit unserem Karren herbeischaffen und eine Ladung nach der andern herüber fahren. Es wird ganz leicht gehen, wenn wir eine große Tonne auf der Axe befestigen. Suche du einstweilen mit deinem Vater die Steine hier herum zusammen, ich will indeß hinauf und das Fuhrwerk zurecht machen.«

Er eilte schnell davon und kehrte sehr bald mit dem Karren zurück, auf dessen Axe er vermittelst starker Seile die Tonne befestigt hatte. Sie leistete treffliche Dienste, und es gelang mit ihrer Hilfe bald, einen tüchtigen Haufen von Steinen zusammen zu bringen. Herr Seagrave und William fuhren sie herbei und Hurtig stand in dem Wasser und führte die Mauern auf.

»Unser Fischteich erinnert mich noch zu gelegener Zeit an ein anderes Werk, was begonnen und ausgeführt sein will; an den Badeplatz nämlich für die Kinder und für uns Alle. Wenn die heiße Jahreszeit kommt, werden wir ihn nöthig haben. Doch können wir das Geschäft noch bis dahin aufschieben. Ich kann Sie versichern, Herr Seagrave, daß mit den Haifischen nicht zu spaßen ist. Obgleich das Wasser hier so seicht ist, daß es mir kaum bis an die Knie reicht, so bin ich doch nicht ganz außer Sorgen. Die Haifische sind ganz absonderlich kühn in diesen Gewässern, wie ich vor nicht gar langer Zeit erst in St. Helena die Erfahrung gemacht habe.«

»Wie so, Hurtig?« fragte Herr Seagrave. »Erzählt uns die Geschichte.«

»Sie können glauben, es war ein merkwürdiges Ereigniß und ich hätte es kaum für möglich gehalten, obgleich mir freilich schon etwas Aehnliches von Ostindien her bekannt war. Dort spielte aber kein Haifisch, sondern ein Alligator die Hauptrolle. Zu Triconomale nämlich stand eines Tages ein Holländer an der Bucht, um Fische zu fangen, ein Alligator schwamm gegen ihn hin, bis sein großer Rachen kaum noch zwei Fuß weit von dem Manne entfernt war. Trotzdem ließ sich aber der Holländer nicht stören und fürchtete sich nicht vor dem Unthiere, weil er sich am Ufer völlig sicher glaubte. Was geschieht? Plötzlich dreht sich der Alligator kurz um, streckt seinen Schwanz aus dem Wasser und versetzt dem Holländer einen so kräftigen Schlag, daß der arme Teufel sogleich in's Wasser geschleudert wird. Daß der Alligator ihn nun packte und mit ihm davon ging, um ihn aufzufressen, können Sie sich leicht denken.«

»Ja, aber ein Haifisch hätte das doch nicht gekonnt?« fragte William.

»Und doch konnte er's, höre nur zu. In St. Helena standen zwei Soldaten am Ufer auf einem Felsen. Der Felsen ragte kaum über das Wasser hervor, welches gerade bis an seinen Rand reichte und auch wohl zuweilen darüber hinspritzte. Plötzlich kommen zwei Haifische geschwommen und nähern sich den Soldaten, gerade wie der Alligator dem Holländer. Und ehe sich's die Beiden versehen, schlägt Einer der Haifische mit dem Schwanze aus dem Wasser, trifft einen Soldaten, wirft ihn in's Meer und frißt ihn auf, gerade wie der Alligator den Holländer. Der andere Soldat läuft, außer sich vor Schrecken, davon und erzählt die traurige Geschichte im nächsten Wachthause.

Etwa eine Woche später liegt ein Schooner auf der andern Seite der Insel, die Mannschaft desselben bemerkt einen großen Haifisch, der immerfort langsam um das Schiff herum schwimmt. Die Matrosen machen einen großen Angelhaken zurecht, binden ihn an ein Tau, befestigen ein Stück Schweinefleisch daran, werfen die Angel in's Wasser, fangen den Fisch und ziehen ihn an Bord. Wie sie ihn aufschneiden, finden sie zu ihrem Entsetzen den ganzen Leichnam des armen Soldaten in seinem Magen. Nur die Beine fehlten bis an's Knie. Das Ungeheuer hatte ihn mit Haut und Haar hinunter geschluckt und ihm nur die Füße zuvor abgebissen. Ich sah später den Magen und das Rückgrat des Thieres in der Kaserne und schloß daraus, daß jener Fisch der größte seiner Art gewesen sein müsse, den ich je in meinem Leben erblickt hatte.«

»In der That, ich glaubte nicht, daß diese räuberischen Geschöpfe so kühn sein könnten,« sagte Herr Seagrave ganz erstaunt.

»Und doch versichere ich Sie, daß ich Ihnen die reine Wahrheit erzählte,« erwiederte Hurtig; »wir können, wie gesagt, nicht vorsichtig genug sein, wenn wir in das Wasser gehen wollen. Sie sahen ja selbst, wie schnell unser armes Schwein verschlungen wurde.«

»Wo mögen unsere anderen Schweine sein?« fragte William. »Ob sie wohl gut fortkommen?«

»Gut genug, mein Junge,« erwiederte Hurtig. »An Futter mangelt es ihnen nicht, und wahrscheinlich haben sie schon Ferkelchen bekommen.«

»Können sie denn Kokosnüsse fressen?«

»Die reifen nicht, wohl aber die unreifen, die immer von den Bäumen fallen. Uebrigens finden sie ja auch Wurzeln genug, die sie fressen. Wenn wir lange auf unserer Insel bleiben müssen, werden wir bald eine Sauhetze anstellen können. Dabei heißt's dann vorsichtig sein, William; denn obgleich die Schweine zahm waren, als wir herkamen, so sind sie doch jetzt schon so verwildert, daß man ihnen nicht ohne Gefahr nahe kommen darf. Ein wilder Eber ist ein furchtbares Ungethüm.«

»Gewiß, gewiß!« rief Herr Seagrave; »und ich weiß kaum, wie wir sie jagen wollen.«

»Mit den Hunden ohne Zweifel,« erwiederte Hurtig, »und dann müssen wir sie schießen. Es freut mich nur, daß Vixen, der Dachs, bald Junge kriegen wird; Hunde können wir immer noch prächtig gebrauchen.«

»Na, Hurtig,« sagte Herr Seagrave, »wenn wir nur nicht zu viele lebende Wesen zu ernähren bekommen! Ich fürchte, unsere Mittel reichen am Ende nicht mehr aus.«

»Oh, darüber machen Sie sich keine Sorge!« rief Hurtig lächelnd. »So lange es noch Fische im Meere gibt, kommen die Hunde nicht um. Sie fressen sie sehr gern, man braucht sie ihnen nicht einmal vorher zu kochen. In nördlichen Gegenden kriegen sie beinahe nichts als Fisch zu Stillung ihres Hungers.«

»Haben wir nicht bald Lämmer zu erwarten?« fragte Herr Seagrave.

»Ja, sie werden bald ankommen, und gerade für die Schafe möchte ich allerdings mehr Futter haben, da sie schon jetzt auf schmale Rationen gesetzt sind. Ich denke übrigens, es soll gelingen, auch für sie zu sorgen. Das nächste Jahr müssen wir Gras abmähen und einen Heuschober bei unserem Hause anlegen, damit wir für die folgende Regenzeit mit Futter versehen sind. Auf der Südspitze unserer Insel finden wir gewiß offenes Land und Grasplätze, wie wir sie gebrauchen, genug, da sich der Kokoswald auf jener Seite nicht so nahe, wie gegen Norden zu, an das Meer erstreckt.«

»Wenn wir nur erst unsere Wanderung vornehmen könnten!« rief William aus. »Ich sehne mich unbeschreiblich danach.«

»Geduld! Geduld, mein Junge!« sagte Hurtig. »Es ist überhaupt erst noch sehr die Frage, ob du auch dabei sein darfst, indem wir kaum alle Drei deine Mutter verlassen dürfen.«

»Ja, ja,« bestätigte Herr Seagrave. »Das wäre nicht schön. Einer von uns muß jedenfalls zu ihrem Schutze daheim bleiben.«

William erwiederte nichts auf diese Erklärung, schien aber sehr unzufrieden über die Aussicht, die Reise nicht mitmachen zu können.

Man ging wieder an die Arbeit und war den ganzen Tag über so fleißig, daß am Abende die Steinmauer schon ein wenig über die Oberfläche des Wassers herausragte. Bei Sonnenuntergang aber wurde die Arbeit unterbrochen und die fleißigen Leute gingen nach Hause, um sich an einem kräftigen Nachtessen zu erfrischen.

Nach Tische setzte Robinson die Erzählung seiner Schicksale fort, wie folgt.

 

»Bis zum Einbruche der Nacht hielten wir uns sorgfältig versteckt, dann aber wanderten wir alle drei weiter, Hastings und Romer trugen außer der Flinte Jeder einen Schinken auf dem Rücken, und ich, der ich der Kleinste war, schleppte den großen Laib Brod, in welchen ich ein Loch gebohrt und einen Strick durchgesteckt hatte. Romer und ich beabsichtigten, uns immer gegen Norden zu halten, indem wir in dieser Richtung am ersten die Grenzen der Kolonie erreichen mußten; Hastings aber bestand darauf, wir müßten zuerst gegen Osten gehen und dann, um einen Matrosenausdruck zu gebrauchen, einen Circumbendibus, d. h. einen Kreislauf, machen, um nicht auf gebahnten Straßen abgefaßt und zurückgebracht zu werben. Er setzte seinen Willen durch und wir gingen zunächst durch die tief gelegenen Sandflächen der falschen Bucht, und wanderten darauf zwischen Buschwerk und jungem Waldwuchs nach der andern Seite empor. Nirgends erblickten wir, als wir erst die falsche Bucht im Rücken hatten, weder eine Spur von Anbau, noch eine menschliche Wohnung. Desto deutlicher aber vernahmen wir zu unserem größten Unbehagen das Heulen und Brüllen wilder Thiere, das immer stärker zu unseren Ohren drang, je weiter wir vorwärts kamen. Unser einziger Trost war, daß wir keine der Bestien erblickten.

Endlich, nach langer Wanderung, wurden wir so müde, daß wir nicht weiter fort konnten und uns am Rande eines Felsen niedersetzten. Trotz unserer Erschöpfung aber wagten wir nicht zu schlafen, da wir unaufhörlich das Brüllen der Thiere hörten, und blieben daher wach bis zum nächsten Morgen. Keiner von uns sprach ein Wort, und ich bin fest überzeugt, daß wir alle Drei so ziemlich einen Wunsch, hatten, nämlich: gesund und wohlbehalten wieder in unserem Gefängnisse sitzen zu können.

Endlich graute der Tag und das Geheul der wilden Geschöpfe verstummte. Wir standen schweigend auf, gingen weiter, gelangten an einen Fluß, setzten uns wieder hin und frühstückten.

Diese Erquickung belebte uns von Neuem und fachte unseren schon halb erloschenen Muth wieder an. Im Weitergehen schwatzten und lachten wir, plauderten, neckten uns und wurden gerade wieder so lustig, wie vorher.

Wir stiegen jetzt gegen ein Gebirge hinan, von welchem Hastings behauptete, es müsse nach der Schilderung der Soldaten das schwarze Gebirge sein. Dieß mogte wahr sein; auf jeden Fall zeigte es sich sehr rauh und unwirthsam.

Als die Nacht hereinbrach, sammelten wir uns Reiser und schnitten mit unsern großen Messern Baumzweige ab, um ein mächtiges Feuer anzuzünden. Es sollte weniger dazu dienen, uns zu wärmen, als vielmehr die wilden Thiere von uns fern zu halten, die schon wieder furchtbar zu heulen anfingen. Während des Tages hatten wir Einige gesehen, die sich auf flachen Felsen sonnten, so daß wir immer auf der Hut sein und unsere Flinten geladen bei uns tragen mußten. Ein Panther hatte sich sogar aufgerichtet und seine weißen scharfen Zähne wider uns gefletscht, sich jedoch, da wir uns nicht weiter um ihn bekümmerten, ruhig wieder nieder gelegt.

Als das Feuer lichterloh brannte, aßen wir zu Nacht. Mit Bedauern bemerkten wir dabei, daß der Laib Brod schon zur Hälfte aufgezehrt war und die Schinken ein tüchtiges Loch bekommen hatten. Wir erkannten daraus, daß wir, um unsern Hunger zu stillen, nun bald auf den Ertrag unserer Flinten angewiesen sein würden. Nach beendigter Mahlzeit warfen wir uns bei dem Feuer zu Boden, legten die geladenen Flinten neben uns und brachten die Munition, etwas weiter vom Feuer entfernt, an einem gefahrlosen Platze unter. Gleich darauf schliefen wir, bei unserer furchtbaren Ermüdung, fest ein.

Es war ausgemacht worden, daß Romer die erste, Hastings die Mittel- und ich die Morgenwache halten sollte. Der arme Romer wurde jedoch nur zu bald vom Schlafe überwältigt und unterließ es daher, für die Unterhaltung des Feuers die nöthige Sorge zu tragen.

Da mochte es um Mitternacht herum sein, als ich durch ein lautes Schnaufen, das mir gerade in's Gesicht blies, und eine feuchte, kalte Berührung meiner Wangen aus dem Schlafe aufgestört wurde. Ich rieb mir die Augen und versuchte mich aufzurichten, vermochte aber vor unbeschreiblicher Ermüdung nicht gleich zur Besinnung zu kommen und die Augen aufzuschlagen. Plötzlich fühle ich mich an meinen Unterkleidern in die Höhe gehoben, schaue erschrocken um mich und erblicke die scharfen, gefletschten Zähne irgend eines wilden Thieres an meiner Seite. Glücklicherweise war ich schnell besonnen genug, um sogleich nach meiner Flinte zu greifen. Statt ihrer geräth mir ein noch glühender Feuerbrand in die Hände. Ihn packen und dem Thier in's Gesicht schlagen, daß die Funken umherstoben, war das Werk eines Augenblicks. Die Bestie heulte, ließ mich los und rannte davon.«

»Da hat Euch Gott recht sichtbar beigestanden, Hurtig!« rief Madame Seagrave mit einem tiefen Athemzuge aus.

»Gewiß, das hat er,« erwiederte Robinson, und fuhr darauf in seiner Erzählung fort.

»Das verjagte Thier war eine Hyäne, und zu meinem Glück, wie alle Thiere dieser Gattung, sehr feig. Trotzdem aber würde sie mich, wenn ich nicht zu rechter Zeit aufgewacht wäre und mich gewehrt hätte, ohne weiteres fortgetragen haben, indem ich zu jener Zeit so mager und so leicht war, daß mich die Bestie, wie eine Flaumfeder, aufheben konnte. Auf den Schrei, welchen ich im ersten Schrecken ausstieß, erwachte Hastings, ergriff seine Flinte und gab Feuer. Der Schuß weckte auch Romer, und noch halb verwirrt vor Entsetzen, erzählte ich ihnen das bestandene Abenteuer. Romer machte sich die bittersten Vorwürfe, weil er gegen seine Pflicht sich hatte vom Schlafe überwältigen lassen, und es kostete Hastings und mir viel Mühe, ihn wieder zu beruhigen. Im Ganzen ließen wir uns aber den Vorfall zur Warnung dienen und beschlossen, für die Folge vorsichtig zu sein und später immer zwei Feuer anzuzünden. Zwei von uns schliefen in der Mitte derselben und der Dritte mußte Wache halten und für das Fortbrennen der Feuer die nöthige Sorge tragen.

Eine Woche lang zogen wir auf diese Weise umher und wanderten endlich, nachdem wir das Gebirge überschritten hatten, in nördlicher Richtung weiter. Die Felsen, die Waldung und das Gebüsch hörten jetzt auf und wir betraten eine Ebene, die sich in endloser Weite vor unsern Blicken ausdehnte. Unsere Lebensmittel waren zu Ende gegangen und einen ganzen Tag hindurch hatten wir gar nichts zu essen und mußten hungern. Endlich aber schossen wir eine Gazelle, von deren Fleische wir mehrere Tage leben konnten.

Je weiter wir übrigens in der Ebene vorrückten, desto häufiger wurde das Wild, und wir hatten späterhin wirklich Ueberfluß davon. Ehe wir jedoch auf diesen Punkt kamen, hatten wir noch ein Abenteuer zu bestehen, aus dem wir nur mit genauer Noth unser Leben zu retten vermochten. Wir gingen nämlich in einem ungeheuren Walde am Abhange des Gebirges hin und näherten uns eben seinem Ende, als wir uns sehr ermüdet fühlten. Vom frühen Morgen an bis zum späten Nachmittage waren wir gewandert und beschlossen daher, uns im Schatten eines großen Baumes niederzuwerfen, ein wenig auszuruhen, und uns durch eine kräftige Mahlzeit zu stärken und zu erquicken.

Gesagt, gethan.

Hastings hatte sich platt auf den Rücken geworfen, so daß er gerade in das dichte Gezweig des Baumes schaute. Auf einmal erblickt er nun hier, auf einem ziemlich niederen Aste, einen Panther, der, lang hingestreckt über den Zweig, seine grünen, funkelnden Augen auf uns heftete und eben im Begriff war, gegen uns loszuspringen. Schnell besonnen griff Hastings nach seinem Gewehr, feuerte es ohne langes Zielen, wozu ihm in der That keine Zeit blieb, auf das Raubthier ab und zerschmetterte ihm mit der Kugel glücklicher Weise das Rückgrat. Die Bestie stürzte vom Baume herab, fiel wenige Schritte weit von unserem Ruheplatze auf die Erde, brüllte fürchterlich und machte einen Versuch, auf Romer einzuspringen. Das zersplitterte Rückgrat lähmte jedoch ihre Kraft und ihre Bewegungen. Sie vermochte sich nur in ohnmächtiger Wuth auf den Vorderbeinen in die Höhe zu richten und taumelte alsbald wieder kraftlos zur Erde nieder. Brüllend, und zuckend lag sie da, geberdete sich aber so wüthend und mit solcher Raserei, daß wir alle Drei nur mit Schrecken dieß Schauspiel betrachten konnten. Anfänglich waren wir zu sehr in Angst, um noch einmal Feuer geben zu können. Als jedoch Hastings endlich bemerkte, daß der Panther wirklich nicht mehr springen konnte, nahm er Romern die Flinte aus der Hand, legte den Lauf dicht an das Ohr des Unthiers und schoß es durch den Kopf. Todt lag es zu unsern Füßen, und wir waren gerettet.«

»Und in der That, eine wunderbare Rettung kann es genannt werden!« rief Herr Seagrave aus.

»Gewiß, sie war es,« bestätigte Robinson. »Aber je mehr wir uns in Gefahr begaben, desto weniger fürchteten wir sie. Fortan vollends, als wir gezwungen wurden, der Lebensmittel halber auf die Jagd zu gehen, wurden wir kühner, als es nöthig war.

Mittlerweile hatten sich unsere Kleidungsstücke in Fetzen aufgelöst und wir gingen sehr erbärmlich einher. Dagegen hatten wir Pulver und Schießbedarf genug, und in der Ebene, auf welcher wir hinwanderten, gab es Hunderte von Antilopen und Gnu's, so daß es uns niemals an Lebensmitteln fehlte. Diese Menge von Wildpret war jedoch zugleich die Ursache von großer Gefahr für uns, denn hier, in der Nähe jener Heerden, vernahmen wir zum ersten Male allnächtlich das Gebrüll der jagenden Löwen. Dieses Gebrüll, das schrecklichste, was je an mein Ohr schlug, erfüllte uns mit Entsetzen und machte uns zittern. Zwar zündeten wir in jeder Nacht große Feuer an, um die gewaltigen Geschöpfe von uns fern zu halten; aber dennoch kamen sie zuweilen in unsere Nähe, und wir bebten, wenn wir ihre glühenden Augen, wie ein paar Fackelbrände, in der Nähe sahen.«

»Saht Ihr nie bei Tage Löwen?« fragte William.

»Allerdings erblickten wir deren,« erwiederte Hurtig; »aber nie griffen sie uns an, und wir selber wagten es nicht, Feuer auf sie zu geben. Eines Tages kam uns einer ganz nahe. Wir hatten eine Antilope geschossen und liefen, unsere Gewehre auf der Schulter, schnell der Stelle zu, wo sie in hohem Grase niedergestürzt war. In dem Augenblicke aber, als wir uns der Beute genähert hatten, hörten wir ein donnerndes Gebrüll und sahen keine zehn Schritte von uns einen Löwen, der bei dem geschossenen Thiere stand, mit seinen feurigen Augen uns anblickte und sich schon sprungfertig machte, um gegen uns loszustürmen. Wir schrieen vor Schrecken auf und rannten fort, so schnell wir konnten. Ich sah mich nicht eher wieder um, als bis ich völlig außer Athem war. Der Löwe zeigte sich jedoch mit unserer Flucht sehr zufrieden und nahm sich nicht die Mühe, uns zu verfolgen; wir aber mußten diese Nacht ohne Mahlzeit zubringen.

Drei Wochen waren wir nun, ohne bestimmt zu wissen wohin, aber immer in nördlicher Richtung, fortgegangen und fühlten uns nach dieser Zeit in jeder Hinsicht völlig erschöpft. Wir sahen ein, daß wir eine gränzenlose Thorheit begangen hatten, und sehnten uns wieder nach dem Kap zurück. Tagelang schritten wir mißmuthig neben einander her und sprachen kein Wort, außer wenn wir, um uns Nahrung zu verschaffen, eine Jagd verabreden mußten. Ich hätte mich immer gleich niederlegen und sterben mögen, so herzlich satt war ich unseres traurigen Lebens geworden. Das Brüllen der Löwen schreckte mich nicht mehr, sondern ließ mich völlig gleichgültig. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn mich einer zerrissen und aufgefressen hätte.

In solcher Stimmung befanden wir uns, als wir eines Morgens auf einen Trupp Eingeborner stießen. Wir konnten zwar nicht mit ihnen sprechen, allein sie schienen uns ein sehr gutmütiges und friedliches Völkchen zu sein, und gehörten, wie sie uns zu verstehen gaben, zu dem Karrustamme. Auf sich selbst deutend, sprachen sie nämlich: ›Karru!‹ auf uns zeigend: ›Holländer!‹

Wir schossen Wildpret, theilten es mit ihnen und erwarben uns auf diese Weise ihre Gunst. Fünf oder sechs Tage blieben wir in ihrer Gesellschaft und suchten darauf durch Zeichen aus ihnen heraus zu bringen, ob nicht irgendwo in der Nähe eine holländische Niederlassung sei. Sie verstanden uns bald und gaben uns zu erkennen, daß eine solche in nordöstlicher Richtung zu finden wäre. Auf das Anerbieten eines Geschenkes ließen sich zwei von den Männern bewegen, uns den Weg zu zeigen und hinzuführen. Die Uebrigen wandten sich mit Weibern und Kindern seitwärts. Wir aber zogen, fest entschlossen, uns den Holländern zu übergeben und auf's Neue in die Gefangenschaft zu gehen, der Niederlassung zu, von welcher die Karru's uns Kunde gegeben hatten. Am nächsten Tage kamen wir zu Graef Reynets, so hieß die Pflanzung, an, und fanden, daß sie aus drei bis vier Landhäusern bestand.

Und damit will ich für heute meine Erzählung beschließen.«


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