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23. Kapitel.
Der neue Wohnsitz.

Am nächsten Morgen stand Herr Seagrave zuerst auf, und als Hurtig gleich nachher ebenfalls aus dem Zelte trat, sprach er freundlich:

»Robinson, ich muß Euch sagen, daß ich mich hier weit glücklicher und zufriedener fühle, als vorher. Mein Herz ist leicht und meine Seele nicht mehr von bangen und düstern Ahnungen bestürmt. Drüben auf der andern Seite der Insel erinnerte mich Alles, was mein Auge erblickte, an unsern Schiffbruch, und unaufhörlich mußte ich an mein Vaterland, an mein Haus, an meine Pflanzungen denken. Hier aber ist mir zu Muthe, als ob die Insel meine wirkliche Heimath sei, und wir sie aus freier und unabhängiger Wahl zu unserem Wohnorte erkoren hätten.«

»Das freut mich herzlich, lieber Herr!« erwiederte Robinson, »und ich hoffe zu Gott, daß dieses Gefühl mit jedem Tage lebhafter in Ihrem Herzen erwachen wird. Das Murren und Grübeln ist nicht nur vollkommen nutzlos, sondern auch sündhaft obendrein, da wir ja so viele Ursache haben, unserem Vater im Himmel dankbar zu sein.«

»Wahr! Wahr, guter Robinson!« rief Seagrave gerührt. »In aller Demuth gestehe ich ein, daß Ihr Recht habt, und will mich gewiß hüten, jemals wieder mit meinem Schicksale zu grollen. Doch sprecht, was müssen wir zunächst am heutigen Tage anfangen?«

»Nun das Erste und Hauptsächlichste muß sein, für einen genügenden Vorrath von frischem Wasser zu sorgen,« sagte Robinson. »Deßhalb mögte es gut sein, wenn Sie mit William – sieh, da kommt er eben! Guten Morgen, mein lieber Junge! – wenn Sie mit William, wollte ich sagen, unsere Quelle in Stand brächten, während ich in dem Boote nach der Bucht drüben fahre. Ich brachte gestern noch eine Schaufel mit, so daß Sie Beide arbeiten können. Sie müssen aber, wohl zu merken, Herr Seagrave, die Quelle an den Rand der Kokoswaldung verlegen, damit sie ein hübsch kühles Plätzchen hat, und genügend gegen die glühenden Sonnenstrahlen geschützt ist. Es wird Ihnen dieß nicht schwer fallen, wenn Sie den muthmaßlichen Lauf des Wassers verfolgen, und zu diesem Ende dann und wann in die Erde einbohren. Sie sehen alsdann, wo das Wasser fließt, und können nicht wohl irren. Graben Sie das Loch zur Quelle aber ja weit und tief genug, damit wir eines von unsern großen Wasserfässern, welches ich diesen Nachmittag noch mitbringen werde, ohne Beschwerde hinein stellen, und so befestigen können, daß wir einen ganz ordentlichen Brunnen bekommen. Die Quelle wird das Faß sicherlich immer eben so schnell füllen wie wir es leeren, da sie, wie ich mich überzeugt habe, außerordentlich viel Zufluß hat. Ist Ihnen meine Absicht ganz klar geworden, Herr Seagrave?«

»Vollkommen! Ich verstehe Euch sehr gut, Hurtig,« erwiederte Herr Seagrave, »und während Eurer Abwesenheit will ich mit William den Brunnen graben; es soll das unser Tagewerk sein.«

»Schön,« sagte Robinson. »So habe ich denn weiter nichts hier zu suchen, als Juno noch die nöthigen Anweisungen wegen des Essens zu geben und ein bischen Frühstück zu genießen. Nachher will ich das schöne Wetter benützen, und mich in aller Geschwindigkeit auf die Beine machen.«

Hierauf befahl Hurtig der Negerin, in der Pfanne ein Stück Schweinefleisch zu braten, einige Schnitten von der Schildkröte zu nehmen und zu rösten, und die von gestern noch übriggebliebene Suppe aufzuwärmen. Dann steckte er ein Stück Zwieback und Pökelfleisch in seine Tasche, begab sich in's Boot,und segelte davon.

Herr Seagrave und William nahmen indessen die Schaufeln, befolgten Robinsons Anordnungen hinsichtlich der Quelle, und arbeiteten fleißig und angestrengt darauf los. Bis gegen Mittag war das Loch, welches sie gruben, hinlänglich breit und tief, um auch das größeste Wasserfaß in sich aufnehmen zu können. Sie ließen daher ihr Geschäft ruhen, und kehrten zu Madame Seagrave zurück, welche sie mit Ausbesserung der Kinderkleider emsig beschäftigt fanden.

»Du glaubst gar nicht, lieber Mann, wie glücklich ich mich fühle, seit wir hier drüben sind,« sagte Madame Seagrave mit frohem Lächeln zu ihrem Gatten, der an ihrer Seite Platz nahm.

»Das freut mich herzlich,« erwiederte Herr Seagrave, und drückte seiner Frau liebreich die Hand. »Ich betrachte es als eine Bürgschaft für unser zukünftiges Glück, und muß dir nur gestehen, daß ich dasselbe fühle, und schon heute morgen gegen Hurtig ausgesprochen habe.«

»Mir ist, als könnte ich für immer hier bleiben, ohne jemals unzufrieden zu werden, fuhr Madame Seagrave fort. »Es ist so still, so schön, so friedlich hier, und ich vermisse nichts, als Singvögel, die jene Waldungen mit ihren süßen Tönen beleben würden.«

»Freilich, es gibt nichts als Wasservögel hier,« erwiederte Herr Seagrave. »Aber deren auch eine zahllose Menge. Nicht wahr, William?«

»Einmal habe ich aber doch auch andere Vögel gesehen, Vater,« entgegnete William, »und zwar einen ganzen Schwarm davon. Doch kann ich nicht sagen, was für eine Art es war. Sie schienen ungefähr so groß wie Tauben zu sein.«

»Aber seht,« fuhr er nach dem Meere zeigend, fort, »dort kommt eben Hurtig um die Landspitze! Ei, wie schnell das Boot segelt! Es ist eine Lust, es anzusehen. Schade nur, daß der Weg so weit; er wird unserem alten Freunde gewiß manchmal recht langweilig. Aber desto besser wird ihm jetzt auch das Mittagsbrod schmecken. Ist das Essen schon fertig, Juno?«

»Bald fertig sein,« erwiederte die Negerin.

»Gut, so wollen wir einstweilen an den Strand hinab, und unserem Robinson die Ladung ausschiffen helfen;« sagte Herr Seagrave. »Juno kann indeß das Mittagsessen vollends gahr kochen.«

Sie gingen hinunter, und halfen redlich. William rollte zuletzt noch das Wasserfaß in die Höhe, und Alle setzten sich dann zum Essen. Die Schildkrötenschnitte wurden allgemein nicht minder trefflich befunden, als die gestrige Suppe; und wirklich gereichte es auch unseren Freunden zu einer wahren Erquickung, nachdem sie so lange auf gesalzenes Fleisch beschränkt gewesen waren, wieder einmal frische Nahrung genießen zu können.

»Nun wollen wir unseren Brunnen vollends beendigen,« sagte William, als das Essen wieder abgetragen war, voll rastlosen Eifers.

Sie rollten das Faß zu der gegrabenen Quelle, und fanden zu ihrem Erstaunen, daß in kurzer Zeit von wenigen Stunden das Loch bereits bis an den Rand mit Wasser angefüllt worden war.

»O weh!« rief William bei diesem Anblicke; »wie wollen wir nun die Tonne in das Loch bringen? Wir müssen doch wahrhaftig das ganze Wasser erst ausschöpfen.«

»Das wird schwer halten, mein Sohn,« erwiderte Herr Seagrave lächelnd. »Sieh' nur, die Quelle sprudelt so voll und stark, daß wir kaum vor Abends damit fertig werden würden. Aber besinne dich; sollten wir nicht auf andere Weise Rath schaffen können?«

»Wir könnten allenfalls das Faß, so wie es ist, in's Wasser stecken,« entgegnete William; »aber es würde oben schwimmen, anstatt unterzusinken.«

»Das ist richtig;« sagte Herr Seagrave; »aber könnten wir nicht auf irgend eine Weise bewirken, daß es untersinken müßte?«

»Jetzt weiß ich's!« rief William, vergnügt in die Hände klatschend. »Wir müssen Löcher in den Boden bohren, damit es sich von selber mit Wasser füllen und dann auf den Grund gehen kann.«

»Gut ausgedacht,« sagte Hurtig. »Das ist meine Ansicht von der Sache auch, und ich habe deßhalb gleich den Bohrer mitgebracht.«

Robinson setzte ohne Weiteres den Bohrer an, und machte drei oder vier Oeffnungen in den Boden des Fasses. Als es hierauf in das Wasser gesetzt ward, lief es allmählig voll und sank endlich nach und nach auf den Grund. Sobald es ruhig stand, füllten unsere Freunde die offenen Zwischenräume rund um dasselbe herum mit Erde an, stampften sie fest, und hatten nun einen Brunnen gewonnen, der vollkommen für ihre Zwecke ausreichte.

»Jetzt ist das Wasser von der losgeschwemmten und schlammigen Erde noch ein wenig getrübt,« sagte Hurtig; »morgen aber wird es rein und klar wie Krystall sein, und immer hell bleiben, wenn es nicht muthwillig aufgerührt wird. Unser Brunnen ist ein gutes Werk, und wir mögen uns freuen, daß es so trefflich gelungen ist.«

*


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