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40. Kapitel.
Hurtig erzählt weiter.

Einige Tage später trat Juno vor dem Frühstück in das Haus, und brachte sechs Eier in ihrer Schürze mit, die sie im Hühnerhause gefunden hatte.

»Hühner Eier legen, Missy,« sagte sie zu Madame Seagrave, indem sie fröhlich ihren Fund vorzeigte. »Sehr viel Menge haben, sammeln für Massa William, ihn gesund und stark machen, und nachher Küchlein haben.«

»Hast du alle Eier aus dem Neste genommen, Juno?« fragte Madame Seagrave.

»Nein, Missy! Eines lassen in jedes Nest für Henne, daß sie sehen.«

»Nun schön, Juno! dann wollen wir diese da für William aufheben, und ich hoffe, wie du, daß sie seine Gesundheit befördern und festigen werden.«

»Oh, liebe Mutter, ich bin schon kräftig genug!« rief William. »Laß uns die Eier lieber den Hühnern zum Brüten unterlegen.«

»Diese nicht, mein Sohn,« erwiederte die Mutter sanft. »Deine Gesundheit liegt mir mehr am Herzen, als junge Hühner, die wir bekommen könnten.«

»Tommy mögte gern Eier essen,« sagte der Knabe.

»Das glaube ich gern,« entgegnete Madame Seagrave; »aber Tommy ist gesund, und bekommt daher keine.«

»Tommy hat Leibschmerzen!« sagte der Junge weinerlich.

»Tommy ist ein kleiner Lügner,« erwiederte die Mutter. »Er hat keine Leibschmerzen, und wenn er sie hätte, würde er auf keinen Fall Eier essen dürfen, da sie ihm schädlich sein würden.«

»Tommy hat Kopfweh!« klagte der Knabe.

»Eier sind nicht gut für Kopfweh, Tommy!« sagte sein Vater.

»Aber Tommy ist überall krank!« ächzte der Junge.

»Nun, so muß Tommy sich zu Bette legen, und Ricinusöl einnehmen.«

»Tommy will kein Ricinusöl, Tommy will Eier haben.«

»Tommy wird gleich ein Tracht Schläge bekommen, wenn er nicht artig ist und seine Lügen unterläßt,« erwiederte Herr Seagrave. »Schäme dich, Bursch! Wenn es erst Eier genug gibt, sollst auch du welche bekommen, im Fall nämlich, daß du auch brav und ordentlich bist, und sie verdienst.«

Tommy schwieg jetzt, und die Mutter sagte: »Ich habe Karolinen versprochen, ihr die Besorgung der kleinen Küchlein zu übergeben, und ich denke, sie soll nun auch die Aufsicht über das Einsammeln der Eier erhalten. Gewiß wird sich das gute Kind alle mögliche Mühe geben.«

Karoline versprach, ihr Bestes zu thun, und damit war die Sache abgemacht.

Mehrere Tage hindurch waren Herr Seagrave und Hurtig bemüht, den Garten von dem Unkraute zu reinigen, welches in großer Menge zwischen der Aussaat emporgesproßt war, und William schritt in dieser Zeit rüstig in seiner Wiedergenesung vorwärts.

Mittlerweile hat Juno in den ersten beiden Tagen regelmäßig des Morgens drei bis vier Eier gebracht. Plötzlich aber fand sie keine mehr, und es schien, als ob die Hühner, zum Erstaunen der Madame Seagrave, gar nicht mehr legen wollten, obwohl sie doch sonst, wenn sie einmal angefangen haben, nicht so leicht wieder aussetzen.

Als man sich am Morgen des fünften Tages, wie gewöhnlich, zum Frühstück niedersetzte, erschien Tommy nicht, und seine Mutter fragte nach ihm.

»Ich glaube,« sagte Hurtig lächelnd, »Tommy wird heute weder zum Frühstück, noch zum Mittagsessen kommen.«

»Was meint Ihr damit, Robinson?« fragte Madame Seagrave erstaunt.

»Ich werde es Ihnen sogleich erklären,« erwiederte Robinson. »Schon seit ein Paar Tagen kam es mir höchst seltsam vor, daß keine Eier mehr gefunden wurden, und ich glaubte, die Hühner mögten sie vielleicht, wie sie öfters thun, verlegt haben. Deßhalb suchte ich gestern Abend im Gebüsch umher, und fand zwar kein Nest und keine Eier, wohl aber Eierschalen, die unter Kokosblättern versteckt lagen. So viel war mir nun augenblicklich klar, daß irgend ein Raubthier die Eier nicht ausgetrunken haben könne, da es auf keinen Fall die Schalen so sorgfältig verstecken würde. Ich verschloß also, um der Sache auf den Grund zu kommen, heute Morgen die große Thür des Hühnerhauses, ließ nur die kleine Klappe offen, durch welche die Hühner ein und aus zu spazieren pflegen, und versteckte mich darauf hinter den Bäumen. Da dauerte es denn gar nicht lange, daß ich unser Tommychen heranschleichen und nach dem Hühnerhause gehen sah. Zuerst versuchte der Schelm die Thüre zu öffnen, und kroch endlich, als dieß ihm nicht gelang, durch die Klappe in den Stall hinein. Sobald er drinnen war, machte ich die Fallthüre zu, nagelte sie fest, und verließ Tommy in seinem Käfige, wo er vermuthlich noch jetzt, wie in einer Mausfalle, gefangen sitzt.«

»Und wo er auch den ganzen Tag sitzen bleiben soll, der kleine Naschmichel!« sagte Herr Seagrave, halb ärgerlich, halb ergötzt.

»Das geschieht ihm recht,« sprach die Mutter, »und ich hoffe, er wird es sich zur Lehre dienen lassen. Es muß nur Keiner auf ihn hören, wenn er zu schreien und zu toben anfängt.«

»Wart, Massa Tommy!« rief Juno lachend. »Ich sehr froh sein, daß du in der Falle sitzen! Du nun nicht mehr Eier austrinken! Du nicht Essen bekommen! Du hungern müssen! Du sehr viel ärgerlich sein!«

Herr Seagrave, Hurtig und William gingen nun, wie gewöhnlich, an ihre Geschäfte, während Madame Seagrave, die kleine Karoline und Juno zu Hause thätig waren. Tommy aber verhielt sich einige Zeit mäuschenstill, bis der Hunger ihn zu plagen begann. Da fing er an, sich zu regen und schrie und brüllte, wie besessen. Natürlich aber hörte man gar nicht darauf und ließ ihn toben, bis er von selbst wieder aufhörte. Um Mittag schrie er wieder, aber mit dem nämlichen Erfolge, und erst Abends öffnete man das Hühnerhaus und ließ den gefangenen Tommy herausspazieren. Er sah ganz verdutzt und verwundert aus, schlich, ohne ein Wort zu sagen, auf die Seite und setzte sich in eine Ecke.

»Nun mein liebes Tommychen,« fragte Hurtig ihn endlich, »wie viel Eier hast du denn heute verspeist?«

»Tommy will keine Eier mehr austrinken,« sagte der Bursch mürrisch.

»Und das wird wohl auch das Beste für dich sein, mein Junge,« sprach Herr Seagrave. »Denn wenn ich dich noch einmal auf solchen Schleichwegen ertappe, mögte es dir noch übler, wie heute, ergehen.«

»Ich will mein Mittagsessen haben!« sagte der Knabe.

»Heute wirst du es gewiß nicht bekommen, diese Versicherung gebe ich dir,« erwiederte seine Mutter. »Wir können dir unmöglich Mittagsessen und Eier zugleich geben. Uebrigens verhalte dich ja ganz ruhig! Sobald du schreiest, wirst du wieder in's Hühnerhaus gesperrt und mußt die ganze Nacht darin bleiben. Warte, wenn du hungrig bist, bis zum Abendessen.«

Tommy wagte es nicht, sich wiederspenstig zu zeigen und wartete sehr geduldig, aber auch sehr verdrießlich, bis das Abendessen aufgetragen wurde. Da aber speiste er für Zwei und konnte kaum genug bekommen.

Nach aufgehobener Tafel setzte Hurtig seine Geschichte fort.

 

»Ich blieb dabei stehen,« begann er, »daß der fremde Herr mir erzählte, meine Mutter sei auf die Nachricht meines vermeintlichen Todes an gebrochenem Herzen gestorben.

Meine Angst und Beklemmung, bis ich nach Newcastle kam, wo ich alle Einzelnheiten über ihren Tod zu erfahren hoffte, war unsäglich. Als endlich die Kutsche anhielt, redete der Fremde mich an und sagte:

›Wenn ich mich nicht täusche, so sind Sie und kein Anderer als jener Robinson Hurtig, der aus der Schule lief, um Seedienste zu nehmen. Hab' ich nicht Recht?‹

›Ja, Sie vermuthen richtig, mein Herr,‹ erwiederte ich betrübt. ›Ich bin Robinson Hurtig, war jener leichtsinnige, gedankenlose und verbrecherische Knabe!‹

›Nun, nun, Mann,‹ sagte der Fremde, ›Sie müssen sich auch nicht gar zu hart anklagen! Fassen Sie Muth und bedenken Sie, daß Sie zu jener Zeit noch sehr jung waren und gewiß keine Idee davon hatten, wie tief Sie Ihre Mutter durch jene Handlungen betrüben mußten. Nicht, daß Sie in See gingen, sondern die Nachricht von Ihrem Tode nagte an dem Herzen Ihrer Mutter, und an jener Nachricht waren Sie ja unschuldig. Kommen Sie mit mir, ich habe Etwas mit Ihnen zu sprechen.‹

›Morgen! morgen will ich bei Ihnen vorsprechen, mein Herr,‹ erwiederte ich. ›Bevor ich mit meinen vormaligen Nachbarsleuten gesprochen und meiner armen Mutter Grab besucht habe, bin ich nicht im Stande, Etwas anzufangen. Sehen Sie, ich hatte freilich nicht die Absicht, meine Mutter zu betrüben, und an der Nachricht von meinem Tode bin ich allerdings unschuldig; aber dennoch fühle ich, daß meine Mutter noch leben und glücklich sein würde, wenn ich nicht so thöricht und gedankenlos gewesen wäre.‹

Der Mann gab mir seine Adresse und nahm mir das wiederholte Versprechen ab, daß ich ihn jedenfalls morgen besuchen wolle. Ich aber ging nach dem Hause, wo sonst meine Mutter gewohnt und gelebt hatte.

Obgleich ich wußte, daß sie schon längst nicht mehr dort war, schmerzte es mich doch in tiefster Seele, als ich ein lautes Gelächter daraus erschallen hörte. Die Thür stand offen und ich schlich leise hinzu, um hinein zu schauen. In der Ecke, wo gewöhnlich meine gute Mutter zu sitzen pflegte, stand eine Mange, bei welcher zwei Weiber eifrig beschäftigt waren. Andere bügelten an einem großen Tische, und lachten und trieben Scherz dabei. Sie erblickten mich, grinsten mir in's Gesicht und fragten frech: was ich wolle? Ohne eine Antwort zu geben kehrte ich ihnen mit Unwillen den Rücken und begab mich in ein benachbartes Häuschen, dessen Bewohner, wie ich wußte, mit meiner Mutter sehr vertraut gewesen waren.

Ich fand die Frau zu Hause, aber sie erkannte mich nicht wieder, und ich mußte ihr daher meinen Namen nennen. Von ihr, die meine Mutter während ihrer Krankheit bis zum Tage ihres Todes gepflegt hatte, erfuhr ich Alles, was ich zu wissen wünschte, und es gereichte mir zum Troste, als ich vernahm, daß meine Mutter auch ohne die Nachricht von meinem Tode hätte sterben müssen, da sie an einer unheilbaren Krankheit gelitten habe. Ferner erzählte mir die Frau, daß meiner Mutter letztes Wort meine Name gewesen sei, daß sie mich immer geliebt und immer meiner mit Zärtlichkeit gedacht habe, daß endlich Herr Robinson stets freundlich und für ihr Bestes besorgt gewesen wäre und es ihr an nichts habe fehlen lassen.

Dieß Alles beruhigte und erhob mich ungemein, und ich bat endlich die Frau, mich an das Grab meiner Mutter zu führen. Sie setzte sogleich ihre Haube auf, geleitete mich auf den Kirchhof und ließ mich mit meinen Gedanken und Gefühlen allein.

Ich kniete nieder an dem kleinen Erdhügel, der die sterblichen Reste jenes Wesens bedeckte, welches ich von Allen in der Welt am Innigsten geliebt hatte. Thränen entflossen meinen Augen, und ich weinte lange und bitterlich. Dann aber betete ich zu Gott, und flehte auch meine Mutter inbrünstig und voll Reue um Verzeihung für alle meine Fehler an.

Der Abend dämmerte schon, als ich den Kirchhof wieder verließ und in das Haus der freundlichen Frau zurückkehrte, welche die Pflegerin meiner Mutter gewesen war. Ich sprach mit ihr und ihrem Manne bis tief in die Nacht hinein, und blieb, da sie mir von freien Stücken ein Bett anboten, ihr Gast.

Am andern Morgen machte ich mich auf, um jenen Fremden, dessen Bekanntschaft ich im Postwagen gemacht hatte, aufzusuchen. Aus dem kleinen Schilde an seiner Thür ersah ich, daß er ein Rechtsgelehrter sei.

Als ich zu ihm eingetreten war, bat er mich, Platz zu nehmen, verschloß sorgfältig die Thür und legte mir darauf eine Menge Fragen vor, um sich auf jede Weise zu überzeugen, daß ich auch wirklich Robinson Hurtig sei. Endlich erklärte er mir, er wäre bei Lebzeiten meines Pathen dessen Sachwalter gewesen und nach dessen Tode auch zu seinem Testamentsvollstrecker ernannt worden.

›Eines Tages,‹ fuhr er fort, ›als ich in allerlei alten Papieren umherkramte, fand ich ein Dokument, welches für Sie von großer Wichtigkeit ist. Es gibt Ihnen nämlich den Beweis in die Hand, daß die Versicherungssumme für das gestrandete Fahrzeug, welches Ihrem Vater und Ihrem Pathen gemeinschaftlich gehörte, nicht für Rechnung Herrn Robinson's allein, sondern für Rechnung beider Theilhaber ausbezahlt worden ist, und daß Sie folglich ein ganzes Drittheil der von der Assecuranz-Gesellschaft an Herrn Robinson ausgelieferten Summe rechtmäßig zu fordern haben. Ihre Mutter ist von Herrn Robinson betrogen worden; da ich aber das Dokument erst lange nach ihrem Tode fand und von Ihnen selbst nicht anders glaubte, als daß auch Sie gestorben wären, so hielt ich es bisher nicht für nöthig, von der ganzen Sache, die das Andenken Herrn Robinson's beschimpfen mußte, ohne Jemandem zu nützen, öffentlichen Gebrauch zu machen. Jetzt aber ist das etwas Anderes. Sie leben, Sie sind hier. Sie sind der rechtmäßige Erbe Ihrer Mutter, und da versteht es sich denn von selbst, daß wir die Angelegenheit zu Ihren Gunsten betreiben müssen. Wenn es Ihnen recht ist, so will ich sie beim Gericht anhängig machen und stehe Ihnen dafür, daß Sie die Summe von eintausend Pfund Sterling, als das Drittel der ganzen Versicherungssumme und außerdem die Zinsen des Kapitals, welche sich ebenfalls auf etwas über tausend Pfund belaufen, erhalten werden.‹

Diese Nachricht und Auseinandersetzung lautete sehr lieblich in meinen Ohren, und ich zögerte keine Sekunde, den Vorschlag des Rechtsgelehrten anzunehmen. Dieser ging ohne Aufenthalt an die Betreibung des Geschäfts, rief den Bürgermeister der Stadt und die Räthe zusammen, legte ihnen das Dokument vor, bewies unwiderleglich die Aechtheit desselben, und die Folge war, daß ich als Eigenthümer der Summe anerkannt und mir dieselbe ohne allen Abzug bei Heller und Pfennig ausbezahlt wurde.

Dieß, lieber William, war eine neue und große Versuchung auf der Laufbahn meines Lebens.«

»Ei, wie mögt Ihr das eine Versuchung nennen, Hurtig?« rief William aus. »Es war ja ein großes Glück für Euch.«

»Ja, nach den gewöhnlichen Ansichten der Leute war es allerdings ein Glück, man gratulirte mir auch von allen Seiten;« erwiederte Hurtig. »Aber in seinen Wirkungen auf mich war es ein Unglück. Das viele Geld versetzte mich in einen solchen Taumel, daß ich von Stund an alle Vorsätze ernstlicher Besserung und alle Gelübde, fortan ein frömmeres Leben zu führen, wie ich sie über dem Grabe meiner Mutter ausgesprochen hatte, gänzlich vergaß. Und deßhalb nannte ich und nenne ich die Besitznahme jener Summe Geldes eine Versuchung, und zwar eine große Versuchung, lieber William.«

»Ja, gewiß, mein guter Junge,« sagte Herr Seagrave, »nur zu oft ist Reichthum und Wohlhabenheit in dieser Welt die Ursache vieler Laster und Untugenden, wohingegen Unglück uns besser macht und eine gelinde Züchtigung uns sicher auf den Weg zu Gott leitet. Schon Christus sagt: ›Es wird eher ein Kameel durch ein Nadelöhr gehen, denn daß ein Reicher das Himmelreich erbe.‹ Und ist diese Stelle auch nur gleichnißweise zu nehmen, so geht doch immerhin daraus hervor, daß es sehr schwierig sein muß, den Gefahren des Reichthums erfolgreichen Widerstand zu leisten. Hurtig's eigenes Beispiel wird uns einen Beweis davon geben.«

»Ja, Herr Seagrave, Sie haben nur zu Recht,« bestätigte Robinson. »Denn kaum war das Geld in meinen Händen, so begann ich auch schon es auf alle mögliche thörichte und lasterhafte Weise wieder zu verschwenden.

Da geschah es zu meinem Glücke, daß ich etwa zehn Tage nach Empfangnahme des Mammons mit dem zweiten Lieutenant meines letztverlassenen Schiffes, dem wackeren alten Schotten zusammen kam. Er wurde mein Schutzengel. Sobald ich ihm die neuesten Ergebnisse meines Lebens mitgetheilt hatte, machte er mir vernünftige Vorstellungen und setzte mir klar auseinander, daß jetzt die rechte Zeit zu Begründung meines dauerhaften Glückes für mich gekommen sei.

Endlich machte er mir auch den Vorschlag, einen Theil eines Schiffes, jedoch nur unter der Bedingung zu kaufen, daß man mich zum Kapitän desselben einsetze; dieser Vorschlag gefiel mir so sehr, daß er sogleich bei mir Eingang fand. Ich war mir nämlich, trotz allen Leichtsinns, sehr gut bewußt, daß ich mich bei meiner bisherigen Lebensweise sehr bald zu Grunde richten müsse, und hörte deßhalb auf guten Rath. Nur ein Bedenken stieg mir bei der Sache auf, und dieß bestand in meiner großen Jugend. Ich war erst zwanzig Jahre alt und hatte mich, obwohl ich früher recht hübsche Kenntnisse als Seemann besaß, doch in der letzten Zeit nur sehr wenig um die Schifffahrtskunde bekümmert. Ganz offenherzig theilte ich Sanders, so hieß mein Freund, diesen Umstand mit. Er aber erwiederte, daß die Sache dennoch keine Schwierigkeiten habe, wenn ich ihn als ersten Lieutenant annehmen wolle. Er verstehe sich, wie ich recht wohl wußte, so ziemlich auf Alles, was Schifffahrt betreffe, und wolle mich gleich auf der ersten Reise so gut einschulen, daß ich künftig auf eignen Füßen werde stehen können.

Dieses Anerbieten ergriff ich mit Freuden, und Alles wurde vorläufig zwischen uns festgesetzt.

Glücklicherweise hatte ich von meinem Gelde noch nicht über hundert Pfund verschwendet, obgleich auch diese Summe schon viel zu viel für eine so kurze Zeit war. Ich nahm den Rest zu mir und ging mit Sanders nach Glasgow, wo dieser sich alle Mühe gab, um ein passendes Fahrzeug für mich ausfindig zu machen. Bald bemerkten wir Eins, das fertig zum Auslaufen auf dem Stapel lag, und vernahmen, daß es zum Verkaufe stünde, weil das Handlungshaus, welches es habe erbauen lassen, zahlungsunfähig geworden sei. Jetzt stellte er Erkundigungen und Nachforschungen an, fand bald ein solides und achtbares Handlungshaus, welches Lust bezeigte, das Schiff anzukaufen, und schlug mich unter der Bedingung als Theilnehmer an dem Handel vor, daß man mich zum Kapitän des Kauffahrers einsetzen wolle.

Sanders war als ein braver und rechtlicher Mann bekannt und stand überall in gutem Ansehen. Man wies also sein Anerbieten nicht zurück, sondern verlangte vorläufig nur von ihm, daß er mich vorstellen solle, damit man mich sehen und sprechen und überhaupt meine Bekanntschaft machen könne. Dieß geschah, und ich gefiel den Leuten trotz meiner Jugend so wohl, daß der Handel abgeschlossen und ich mit einem Viertheile des Ganzen betheiligt wurde.

Sofort bezahlte ich meine zweitausend Pfund und machte mich, als das Schiff vom Stapel gelaufen war, mit Sanders eifrig daran, es auszurüsten und zur Abfahrt fertig zu machen. Meinen Freund Sanders aber ernannte ich sogleich zu meinem ersten Lieutenant.

Das Haus, mit welchem ich mich in das erwähnte Geschäft eingelassen hatte, handelte mit Colonial-Waaren, und es wurde daher unser Schiff ganz natürlich für die Fahrt nach Westindien bestimmt.

Da mir noch einige hundert Pfund nach Abtragung des Kaufschillings übrig blieben, so verwandte ich dieses Geld zum Ankaufe von Waaren für meine eigene Rechnung und für Anschaffung trefflicher nautischer Instrumente. Auch verfehlte ich nicht, mich selber so stattlich als möglich auszustaffiren, indem mich der Gedanke, nun wirklich Kapitän eines schönen Kauffahrers zu sein, trotz der vernünftigen Vorstellungen Sanders, halb verrückt gemacht hatte.

Es war übrigens in der That für einen jungen Burschen, der kurz zuvor noch Topgast auf einem Kriegsschiffe gewesen war, eine gewaltige Standeserhöhung, so ohne alle Umstände Kapitän geworden zu sein, und sie konnte Einen wohl ein wenig schwindlig machen. Trotzdem aber benahm ich mich doch gar zu thöricht und knabenhaft.

Mein Anzug war vollkommen stutzermäßig; ich trug die feinste Leinwand zu Hemden, zog Ringe mit blitzenden Edelsteinen über meine braunen, harten Finger und kaufte mir sogar Handschuhe, um meine rauhen Hände wieder schön weiß und fein zu machen. Zum Unglück wurde ich noch obendrein, als Kapitän und betheiligter Eigenthümer eines schönen Schiffes, wirklich allgemein als ein gemachter Mann angesehen, von den übrigen Theilhabern am Schiffe öfters zu Tische gebeten, von allen Leuten zuvorkommend behandelt, und fühlte daher von Tage zu Tage meinen Stolz immer mehr anschwellen.

Im Uebrigen aber stand ich mich recht gut. Ich erhielt monatlich zehn Pfund Gehalt, dann den vierten Theil von dem Ertrage des Schiffes und hoffte endlich außerdem an den Waaren, welche ich für meine eigene Rechnung geladen hatte, ein Erkleckliches zu verdienen.

In Wahrheit kann ich daher sagen, daß dieser Abschnitt in meinem Leben gewiß in jeder Hinsicht der Glänzendste genannt zu werden verdient. Schade nur, daß er nicht von sehr langer Dauer war.«

Hier endigte für heute Robinson seine Erzählung, indem er versprach, so bald als möglich den Beschluß derselben zum Besten zu geben.

*


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