Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

27. Kapitel.
Schildkrötenfang.

Nun, William,« sagte Hurtig am Abende des nächsten Tages zu seinem kleinen Freunde, wenn dir's Vergnügen macht und du nicht zu müde bist, so wollen wir heute Nacht hinaus und schauen, ob wir nicht ein Paar Schildkröten umdrehen können. Ihre Zeit wird bald vorüber sein, und wir müssen daher schnell zu Werke gehen.«

»Ich trolle mit, Hurtig!« sagte William erfreut.

»Gut, so wollen wir noch warten, bis es völlig dunkel geworden ist;« erwiederte Robinson. »Diese Nacht ist günstig, weil der Mond nicht lange am Himmel stehen wird.«

Sobald die Sonne untergegangen war, eilten Beide nach der Bucht hinunter, und setzten sich ganz still und ruhig auf einen Felsen. Es dauerte nicht lange, so bemerkte Hurtig, daß eine Schildkröte langsam über den Sand hinwegkroch, und zischelte sogleich William in die Ohren, ihm so leise wie möglich nachzufolgen. Dann stand er auf, und schlich unhörbar, wie ein Schatten, dicht an der Wasserseite des Ufers entlang, bis er zwischen der See und dem Thiere stand. In diesem Augenblicke bemerkte die Schildkröte ihre Verfolger und suchte sich durch die schleunigste Flucht in das Wasser ihren Nachstellungen zu entziehen; aber Hurtig sprang zu, packte sie beim Kopfe und den Vorderfüßen, und drehte sie geschickt auf den Rücken um.

»Die hätten wir,« sagte er fröhlich, »und du, William, hast nun gesehen, wie man sich einer Schildkröte bemächtigen muß. Du mußt dich nur in Acht nehmen, daß sie dich nicht mit dem Schnabel faßt, denn ihre Zähne sind scharf genug, um dir mit Einem Bisse einen Finger von der Hand zu reißen. Liegt sie aber erst auf dem Rücken, dann kann sie nicht mehr von der Stelle, da sie sich ohne Hilfe nicht aufzurichten vermag. Wir wollen sie deßhalb ruhig bis morgen früh liegen lassen, und weiterhin an der Bucht entlang gehen. Vielleicht treffen wir heute noch mehr an.«

Sie schritten vorwärts, und hatten bis Mitternacht sechszehn große und kleine Schildkröten gefangen, die alle der Reihe nach auf dem Rücken im Sande lagen.

»Jetzt ist's genug für heute,« sagte Hurtig. »Wir haben gute Geschäfte in dieser Nacht gemacht, und ein gutes Gericht für manchen Tag im Jahre erobert. Nun wollen wir aber ein Paar Nächte aussetzen, und erst in einigen Tagen wieder hergehen und unsere Vorräthe zu vermehren suchen, weil sonst die Thiere scheu werden mögten. Unsere Gefangenen setzen wir morgen in den Teich.«

»Wie können wir aber so große Thiere forttragen?« fragte William.

»Zu tragen brauchen wir sie nicht, William,« erwiederte Hurtig. »Wir legen ihnen ein Stück Segeltuch unter, und schleifen sie dann ganz leicht und ohne Mühe auf dem glatten, weichen Sande bis an den Teich.«

»Das ist wahr!« rief William. »Aber da fällt mir eben ein, warum fangen wir nicht auch Fische? Wir könnten sie ja ebenfalls im Schildkrötenteiche aufbewahren.«

»Sie würden nicht lange drinn bleiben, mein Junge, und es würde auch schwer halten, sie wieder herauszukriegen, selbst wenn sie wirklich nicht entschlüpfen könnten. Mit der Zeit aber werden wir, will's Gott, auch einen Fischbehälter anlegen; bis jetzt ging es nur nicht, weil wichtigere Dinge zu thun waren. Doch habe ich schon daran gedacht, ein Paar Angelruthen zu machen, und es soll auch geschehen, sobald wir mit dem Hausbaue fertig sind. Dann will ich dir zeigen, wie man die Fische fängt, und dich zu einem Meister in der Fischerei machen.«

»Beißen die Fische auch in der Nacht an?« fragte William.

»Gewiß, und besser noch, als am Tage,« erwiederte Robinson.

»Das ist schön,« sagte der Knabe. »Wenn Ihr mir dann eine Angel verfertigt habt, Hurtig, so will ich jeden Tag nach der Arbeit noch ein Stündchen an's Meer gehen, und sie auswerfen. Seht, Robinson, Tommy schreit immer nach gebratenen Fischen, und die Mutter würde sie gewiß auch gern essen und Karolinen davon geben, weil sie denkt, der Kleinen könne das viele Pökelfleisch nicht anders als schädlich sein. Darum freute sie sich auch so sehr, als Ihr die Kokosnüsse brachtet.«

»Wenn das ist,« erwiederte Hurtig, »so will ich gleich morgen Abend schon ein Stückchen Licht hervorsuchen, und zwei Angelruthen für uns zurecht machen. Du mußt nämlich wissen, daß die Fische von dem brennenden Lichte mächtig angelockt werden, wenn es so recht hell über dem Wasser schimmert. Und zu Hause brauchen wir ja nicht so viel Licht, daß wir nicht ein Paar Stümpfchen leicht entbehren könnten.«

»Wie aber, wenn die Kerzen alle geworden sind?- fragte William.

»Dann brennen wir Kokosnußöl, woran wir niemals Mangel leiden können,« sagte Robinson. – »Aber da sind wir zu Hause, und werden uns Beide nach einem Schläfchen sehnen. Gute Nacht, William!«

Sie trennten sich und gingen zur Ruhe.

Am andern Morgen waren schon vor dem Frühstück Aller Hände bereit, die gefangenen Schildkröten in den Teich zu bringen. Nach dem Frühstück aber bauten William und Juno denselben vollends fertig, und führten die Mauern so hoch auf, daß die Flucht der Thiere ganz unmöglich gemacht wurde. Schon beim Mittagsessen brachten sie die Nachricht, daß ihre Arbeit geschehen sei.

Herr Seagrave seinerseits sagte, er glaube nun für die jetzigen Bedürfnisse der Familie eine genügende Menge Landes umgegraben zu haben, und forderte nach Tische Hurtig und William auf, mit ihm in den Garten zu gehen und die Kartoffeln zu stecken. Juno und Madame Seagrave aber blieben daheim, weil sie eine nöthige Wäsche alles Leinenzeugs besorgen mußten.

Hurtig warf mit dem Spaten kleine Löcher auf, in welche Herr Seagrave und William die Kartoffeln legten, die sie vorher, der Sparsamkeit wegen, in so viele Stücke geschnitten hatten, als sich Augen an einem Knollen befanden. Noch vor Abend waren sie mit diesem Geschäfte fertig geworden, und kehrten langsam zu ihren Zelten zurück.

*


 << zurück weiter >>